5 minute read

Neue Getränke: Sauer fermentierte alkoholfreie Getränke liegen

 NEUE GETRÄNKE

Sauer fermentierte alkoholfreie Getränke liegen weiter im Trend – Tagungsbericht Teil 2

Dr. Martin Senz, Leiter des VLB-Forschungsinstituts für Biotechnologie und Wasser (FIBW)

2019 fand das Symposium Sauer fermentierte alkoholfreie Getränke, auch bekannt unter dem Namen „Sauer macht lustig“, erstmalig statt. Pandemiebedingt musste die Veranstaltung 2020 aussetzen, bevor sie 2021 auf den „VLB Virtual Campus“ wechselte. Am 24. und 25. Mai 2022 konnte die VLB Berlin ihre Türen für eine internationale Präsenz-Veranstaltung endlich wieder öffnen. Am zweiten Tag der Veranstaltung ging es um die Fermentation, aber auch um Inhaltsstoffe und Analysemethoden.

Pünktlich um 9 Uhr ging es los: Auch am zweiten Tag des Symposiums warteten spannende Vorträge und Diskussionen auf die Teilnehmer

(ew) Die Freude darüber, sich endlich wieder persönlich auszutauschen, war den rund 85 Teilnehmern aus zehn europäischen Ländern vor allem beim Get-together am ersten Veranstaltungsabend anzumerken. Grüppchen scharten sich nicht nur um das reichhaltige Büfett. Die Gespräche wurden aufgrund der warmen Temperaturen auch draußen auf der Terrasse geführt. Das Highlight des Abends war jedoch die Besichtigung der Wilfried-Rinke-Studienbrauerei der VLB Berlin, wo es neben frisch gezapftem Bier auch die traditionelle Berliner Weiße gab.

Tag 2

Pünktlich begann der zweite Tag des Symposiums mit einem Vortrag von Dr. ir. David Laureys, Innovation Center for Brewing & Fermentation der Universität Gent, über aktuelle

Forschungsergebnisse zur Herstel-

lung von Wasserkefir. Laureys stellte prozessbeeinflussende Faktoren bei der Fermentation des milchsauren Gärgetränks vor und erklärte, welche Einflüsse verschiedene Prozessgrößen unter Wiederverwendung der Wasserkefirkristalle, dem sog. Back Slopping, auf das Produkt haben. Der Referent veranschaulichte, wie die Fermentationstemperatur über mehrere Zyklen bestimmte Milchsäurebakterien und Hefen bevorzugt an- bzw. abreichern lässt und wie diese zur Charakteristik des Getränks beitragen.

Eine Übersicht über nicht- und

geringalkoholische fermentierte Produkte auf dem dänischen Ge-

tränkemarkt mit dem Schwerpunkt Kombucha gab Maciej Krol, Gründer von mac.ferments ApS, Kopenhagen. Krol stellte Marken und Trends vor und zeigte Potenziale auf, wie sich vor allem kleine und mittelständische Getränkehersteller in einem zunehmend diversifizierten Markt positionieren können.

Philippe Janssens, Application SpecialistvonFermentisbyLesaffre,Frankreich, beendete die erste Session des Tages mit einem gleichermaßen technischen wie wissenschaftlichen Vortrag zur Herstellung von alko-

holfreien und alkoholreduzierten

Bieren. Neben den verfahrenstechnischen Grundlagen zur Herstellung stellte er detaillierte Studien zu verschiedenen Kombinationen von Maischeverfahren, Würzesäuerung und anschließender Fermentation mit spezifischen Hefen dar. Janssens schilderte detailliert, wie die unterschiedlichen Herstellungsprozesse mit den Produkteigenschaften, u.a. gebildeten Gärungsnebenprodukten, Bittereinheiten und dem sensorischen Eindruck, korrelieren. Interessierte Teilnehmer konnten sich in der anschließenden Pause direkt vor Ort zu den unterschiedlichen Milchsäurebakterien und Hefen und deren Nutzung in der Praxis informieren, da auch Fermentis als Silbersponsor des Events mit einem Stand vertreten war.

Dr. Mathias Hutzler, Abteilungsleiter Mikrobiologie & Hefezentrum des

Fotos: ew

Quo vadis Getränkefermentation? Dr. Mathias Hutzler sieht Potenzial im Einsatz von Mischkulturen

Das Gespräch nach Dr. Martin Senz Vortrag machte deutlich: Es gibt länderübergreifend Lücken hinsichtlich der Regulierung einiger Getränketypen

Forschungszentrums Weihenstephan für Brau- und Lebensmittelqualität, skizzierte in seinem Vortrag die

Richtung, in die sich die Getränke-

fermentation entwickelt. Zunächst gab Hutzler einen Überblick über die Geschichte der Nutzung von Hefereinzuchten für die Getränkegärung. Er erinnerte daran, dass vor der Nutzbarmachung von Hefereinkulturen sämtliche Getränkegärungen durch Mischpopulationen von Bakterien und Hefen stattgefunden haben. Erst seit 1883 ist die Hefereinzucht eine industrielle Erfolgsstory. Anhand von aktuellen Beispielen von in Mischkultur fermentierten Getränken betrachtete der Referent deren Komplexität und zeigte moderne Möglichkeiten und Vorgehensweisen auf, wie man Prozesse charakterisieren und entwickeln könne.

Anschließend widmete sich Dr. Martin Senz, Leiter des VLB-Forschungsinstituts für Biotechnologie und Wasser (FIBW), der Frage,

nach welchen Attributen sich fermentierte Getränke kategorisieren

lassen. Der Referent beleuchtete in seinem Vortrag unterschiedliche Motivationen aus Sicht von Getränkeherstellern, Behörden, Marketing und Wissenschaft. Senz schilderte Herstellungsstrategien komplexer und vermeintlich traditioneller Fermentationsprodukte genauso wie Lücken hinsichtlich ihrer Definition in derzeitig gültigen Regelwerken. An die Ausführungen schloss sich das Panel-Gespräch an, bei dem Vertreter aus Industrie, Interessensverbänden und Wissenschaft verschiedene Aspekte der Herstellung und Lebensmittelkategorisierung diskutierten. Die Argumente und Anregungen zu Fragen, inwieweit bestimmte Getränketypen potenziell überreguliert sind oder ab wann ein Produkt als traditionell gilt, zeugte von der Interdisziplinarität der Teilnehmer. Der Austausch machte deutlich, dass es länderübergreifend Lücken in der Regulierung bestimmter Getränketypen gibt.

Die letzte Vortrags-Session begann mit einer Präsentation von Fanny Canon PhD, Atelier du Fruit, Frankreich. Die Referentin berichtete über einen Beitrag aus dem Institut Agro Dijon in Frankreich zum Thema mikrobielle

Interaktionen und Wechselbezie-

hungen in Co-Kulturen. Canon gab eine Übersicht über aktuelle Grundlagen zu den teils multifaktoriellen Interaktionen und erörterte die Bedeutung bzw. die Potenziale für Fermentationsprodukte.

Der nächste Vortrag führte weg von der Mikrobiologie hin zur Lebensmittelchemie. Prof. Dr. Sascha Rohn, TU Berlin, legte den Fokus auf die für Getränke notwendigen Rohstoffe und beleuchtete die Funktionali-

täten der sekundären Pflanzen-

stoffe, kurz Phytochemicals. Der Referent schaffte ein Bewusstsein dafür, dass viele Prozessierungen von Lebensmitteln und Getränken, sei es während der Herstellung, Verarbeitung oder Verdauung, zu strukturellen Veränderung der Inhaltstoffe führen können, was sich unter Umständen auch auf deren Funktionalität auswirkt.

Mit dem letzten Vortrag des Symposiums gab Sophie Lange, VLB Berlin, eine praxisnahe Übersicht

verschiedener mikrobio-

logischer Analysen, die zur Isolierung, Identifizierung und Quantifizierung getränkespezifischer Mikroorganismen herangezogen werden können. Lange stellte anhand ausgewählter Beispiele Möglichkeiten einer sys- Einmal mehr regten die Vorträge zu tematischen Herange- Diskussionen an. Im Bild: Dr. David hensweise vor, die auch Laureys von der Universität Gent für die Getränkeentwicklung genutzt werden können.

Am Ende der Veranstaltung richtete Dr. Martin Senz, Organisator des Symposiums, abschließende Worte an die Teilnehmer. Senz betonte noch einmal, es habe im Bereich der komplexen Fermentationsprodukte enorme wissenschaftliche Entwicklungen gegeben, die sich in den Vorträgen und Diskussionen niederschlugen. Die Inhaltsstoffe und Eigenschaften der behandelten Getränketypen haben das Potenzial, Trends zu bedienen und zu einer gesunden Lebensweise beizutragen. Um diese Potenziale auszuschöpfen, so Senz, müsse aber noch viel Wissen generiert werden. Außerdem müssen Transparenz hergestellt und Verbraucher aufgeklärt werden.

Das nächste Symposium Sauer fermentierte alkoholfreie Getränke ist im Mai 2024 geplant. Mikrobielle Interaktionen war das Thema von Fanny Canon, PhD, aus Frankreich

Besuchen Sie uns! drinktec 2022 12.-16.09. | München Halle A5, Stand 460 Gereift in der Natur. Verarbeitet in bewährter Tradition. Qualitätsmalz aus Deutschland. Seit 1899. www.bestmalz.de

This article is from: