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Mein Ski ist nicht dein Ski
In der kleinen Gemeinde Buch konstruieren die Brüder Marcel und Patrick Eberle eigene Ski. Für die großen Skigebiete der Region – DamülsMellau, Diedamskopf und Warth-Schröcken – verwenden sie selbstgebaute Spezialski
Was aus dem Pulverschnee an einem Steilhang herausschaut, sind die Spitzen von selbstgebauten Ski
Mittlerweile bieten Marcel und Patrick Eberle in ihrer Werkstatt auch Workshops für alle an, die ihre eigenen Ski bauen wollen. Dabei steht der Spaß am gemeinsamen Tun im Zentrum. Vorkenntnisse sind keine nötig, nur viel Enthusiasmus bei der Arbeit
Marcel und Patrick Eberle
sitzen vor dem ehemaligen Gasthof Schneiderkopf, blinzeln in die warme Sonne und genießen den Ausblick auf das kleine Skigebiet Schneiderkopf mit zwei Liften, dessen Pisten zum Ortskern der Gemeinde Buch führen. Als Kinder haben die zwei Brüder von ihrem Vater Werner Eberle, einem passionierten Skilehrer, hier das Skifahren gelernt. Damals gehörte der Gasthof Schneiderkopf noch den Großeltern. Wo Marcel und Patrick Eberle jetzt sitzen, standen einst Bänke und Tische für die Gäste der Familie. Heute ist der Gasthof im Besitz der beiden Brüder, im Innenraum stehen statt Tischen Holzpressen, Werkbänke und Regale voller Eisenkanten, Beläge und Carbon. Die Aussicht auf den Pfänder ist noch dieselbe, doch statt dem Gast steht hier nun der Ski im Mittelpunkt des Geschehens.
Wie es zur Skimanufaktur in Buch gekommen ist
Die Entstehung der Skimanufaktur der Brüder Eberle verlief alles andere als rasant. Zum sechzigsten Geburtstag des Vaters wollte man ihm ein besonderes Geschenk machen, doch erst nach dem Fest fand Marcel Eberle das perfekte Präsent: einen selbstgebauten Ski. Statt dem Vater gingen die Brüder zum Skibauen nach Innsbruck. Der Workshop sollte sie begeistern. Auf der Fahrt zurück kam ihnen dann der Gedanke, selber Ski zu bauen. „Die Ideen sind damals im Auto nur so gesprudelt“, erinnert sich Patrick Eberle zurück.
Als der Gasthof am Schneiderkopf von den Großeltern stillgelegt wurde und das Haus Platz für eine Werkstatt bot, war klar: Wenn aus dem Traum, Ski zu bauen, etwas werden sollte, dann jetzt: „Es gab keine Ausreden mehr!“, lacht Marcel Eberle. Nach der Übernahme des Gasthofes lief alles wie am Schnürchen: der Umbau, das Heranschaffen der Maschinen und des Materials. Schließlich tüftelten die beiden an ihren ersten Ski und stellten fest: Viele ihrer ausgefallenen Ideen waren doch nicht so leicht umzusetzen. Doch mit Übung und „semiwissenschaftlichen Methoden“, wie es Marcel Eberle bezeichnet, gelangen immer bessere Ski. Nach insgesamt zwei Jahren Arbeit konnten sie ihre Skimanufaktur eröffnen. Die ersten Ergebnisse sind in der Werkstatt ausgestellt – doch was
So können selbstgebaute Ski aus der Skimanufaktur Eberle aussehen
heute in dieser Werkstatt gebaut wird, ist an Qualität meilenweit von den ersten Tests entfernt. Für den Kern der Ski verwendet man in der Skimanufaktur Eschenholz oder Pappelholz, da diese zwei Holzarten nach Belastung schnell in ihre Ursprungsposition zurückfinden.
Die Kerne werden vor Ort selbst geleimt und gepresst – mit viel Liebe zum Detail: „Wir achten bei den Kernen darauf, dass die Jahresringe gegengleich zueinander liegen. Außerdem fällen wir mittlerweile unsere eigenen Bäume für den Kern der Ski. Da schauen wir natürlich auch auf die richtigen Mondphasen zum Fällen und Lagern des Holzes“, erklärt Marcel Eberle, ein gelernter Grafikdesigner. Die restlichen Materialien wie Carbon, Epoxidharz, Titanal, Belag und Kanten beziehen die Brüder von großen Lieferanten. „Beim Material selbst gibt es nicht viel Auswahl, Ski sind, weltweit gesehen, ein Nischenprodukt. Da greifen wir dann auf dieselben Materialien wie unser ,großer Bruder‘ in Kennelbach zurück.“ Gemeint ist die Firma Head. Der große Unterschied zu anderen Skiherstellern: Sowohl das Design als auch die Eigenschaften der Ski können selbst bestimmt werden. Der erste Schritt ist die Beratung der Kundschaft sowie die Konzeption nach ihren Wünschen. Nachdem persönliche Vorlieben wie Einsatzgebiet oder Radius durch Erfahrungswerte und Testläufe mit unterschiedlichen Modellen festgestellt worden sind, kann man den Ski entweder von den zwei Brüdern für rund 1.090 Euro herstellen lassen oder im Workshop um 890 Euro selbst bauen. „Beim Workshop geht es vor allem darum, in einer lockeren Atmosphäre Spaß zu haben. Schließlich arbeiten wir mit unseren Kunden an einer Vorfreude“, schildert Marcel Eberle die Stimmung während der Bauphase. Für den Workshop brauche es keinerlei Vorkenntnisse, aber in der Konzeptionsphase zu Beginn des Arbeitsprozesses sei es von Vorteil, wenn man eine ungefähre Vorstellung davon hat, was man will. „Zum Schluss soll man einen Ski haben, der perfekt auf einen abgestimmt ist und cool ausschaut!“
Damüls-Mellau-Faschina:
Ideal für Familien und Freerider
Hundert Kilometer Piste. Das freut Wintersportler*innen, denn wer will schon immer dieselbe Strecke fahren? Für Familien hört im Skigebiet Damüls-Mellau das Ski- und Snowboardvergnügen auch dank zeitgemäßer Liftanlagen, 10er-Gondelbahn und zwei beleuchteter Skitunnel nie auf. Nein, Geisterfahrer*innen kommen einem hier sicher nicht entgegen, denn welcher Ski oder welches Board läuft schon aufwärts?
Für Freerider*innen ist das genau der richtige Platz, denn hier liegt der größte Snowpark des Landes. „Super ist, dass man nicht so weit ins Tal hinein fahren muss“, erklärt Snowpark-Chef Alton den Erfolg des Skigebiets auch bei Tagestouristen. „Man parkt bequem in Mellau und ist mit der Gondel in sechs Minuten im Skigebiet.“
Die richtigen Ski für die unterschiedlichen Skigebiete
Bei der Beratung und beim Bau der Ski ergänzen sich Marcel und Patrick Eberle: Während Marcel als Grafikdesigner eher für die Gestaltung zuständig ist, kümmert sich Patrick, der bei einem Optiker arbeitet, mehr um die technische Umsetzung.
Marcel sucht seinen Spaß eher abseits der Piste, Patrick ist meist auf der Piste unterwegs.
Das lässt sich auch an der Wahl ihrer Skigebiete und Ski feststellen. So fährt Marcel am liebsten nach DamülsMellau oder auf den Diedamskopf. „Seit der Zusammenlegung der Skigebiete Damüls-Mellau haben sich in der Gegend gut erreichbare Hänge zum Fahren im Pulverschnee ergeben!“, freut er sich. Mit seinem 9-jährigen Sohn nutzt er diese Möglichkeit gern, um das Fahren im Gelände und den Umgang mit Lawinenpiepsern zu üben. „Nach Damüls-Mellau nehme ich meinen AllMountain Ski mit. Der gibt auf der Piste viel her, ist aber breiter als normale Ski und hat daher viel Auftrieb im Pulverschnee.“
Wenn er Pisten genießen will, fahre er zum Skigebiet Diedamskopf: „Die Übergänge von Hang zu Hang sind am Diedamskopf wunderschön, da kann man auf den Pisten herrlich dahinziehen.“ Dafür nimmt Marcel einen Ski mit kleinerem Radius. „Patrick ist von uns
Diedamskopf:
Auf Rampen und im Pulver
Über 2.000 Meter Seehöhe und tief im Schnee: Gleich unterhalb des Gipfels liegt die Bergstation der Gondelbahn auf den Diedamskopf. Von der Panoramaterrasse des Bergrestaurants aus sieht man rund 300 Gipfel in der Sonne strahlen. Aber wer kommt schon bloß zum Schauen? Fahren wollen wir! Dazu gibt es Pisten aller Schwierigkeitsstufen. Auch gut trainierte Skifahrende finden hier ihren Spaß: zehn Kilometer talab, wobei 1.200 Höhenmeter überwunden werden.
Freestyler*innen lassen so etwas links liegen. Sie schrauben sich lieber durch und über die 35 Rampen und Kicker des Diedamsparks. Und dann gibt es die, denen die ausgeschilderten Pisten bloß anzeigen, wo sie sicher nicht fahren wollen. „Die Pulverschneehänge am Diedamskopf gehören zu den schönsten, die ich kenne“, sagt der begeisterte Tourengeher und Tiefschneefahrer Thomas Dietrich aus Mellau. „Der Naturschnee dort ist bis in den Frühling hinein ein Traum!“
beiden eher die Pistensau“, beschreibt Marcel den Fahrstil seines Bruders.
Der bestätigt das: „Wenn ich für mich Ski fahren gehe, dann nach WarthSchröcken, ein super Skigebiet mit super Pisten!“ In Warth-Schröcken fühle er sich am wohlsten mit den selbstgebauten „Geile-Siachar-Ski“ („Siachar“= Kerl), die er als Pistenski für Fortgeschrittene bezeichnet. „Die haben einen kleinen Radius, sind sportlich und kraftvoll. Mit denen kann man ideal carven, wenn man genug Platz hat – was ja in Warth-Schröcken definitiv der Fall ist!“ Aber auch bei den Kindern von Marcel und Patrick Eberle lebt die Leidenschaft für den Skisport.
Die nächste Generation Eberles baut auch schon ihre eigenen Ski
„Meine kleine Tochter Fina ist eines Nachmittags zu mir gekommen, als ich Ski designt habe, und hat gemeint, da gehören noch Pferde darauf. So haben wir gemeinsam begonnen, ihre Ski zu entwerfen. Aus den Pferden wurde ein Einhorn auf pinkem Grund. Auch mein Sohn Niklas fährt mittlerweile auf seinen eigenen selbstgebauten Ski!“, erzählt Marcel stolz.
Die Zeit während der COVID-Pandemie haben die zwei Brüder zum Tüfteln verwendet. Daher gibt es nun auch eine Bindung mit dem Branding der Skimanufaktur. Als Nächstes wollen die zwei das Thema der Regionalität angehen: Die ersten Bäume für die Kerne der Ski wurden bereits in ihrem Heimatort Buch gefällt, für die zur Holzoptik dienenden Furniere verwenden sie heimische Buche statt exotischem Holz.
Doch Marcel Eberle will noch einen Schritt weitergehen: „Ich wünsche mir, dass wir irgendwann einen Ski bauen können, der in seiner fertigen Form mehr Kilometer auf der Piste zurücklegt, als die Einzelteile zurückgelegt haben, bevor sie zum Ski wurden.“