4 minute read

Die Antwort lautet „Nein!“

Das NEINhorn hat Bock auf Bockigkeit. Freiheit ist sein oberstes Ziel. Autor Marc-Uwe Kling hat mit dem Buch

„Das NEINhorn“ eine Geschichte für Kinder geschaffen, die spielerisch zum Nachdenken anregt – und von der vor allem wir Erwachsene noch einiges lernen können

Es war einmal im Herzwald. Hier war alles wunderschön, fröhlich und sorgenfrei. Sogar die Steine waren aus Plüsch und rosarot, zum Essen gab’s Zuckerwatte und gesprochen wurde in schmissigen Reimen. Alles schien perfekt –wie in einem Märchen. Wäre da nicht dieses Baby-Einhorn gewesen, das eines Tages geboren wurde. Es war auf den ersten Blick so zuckersüß wie die anderen. Es war flauschig-kuschelig – es kackte sogar Regenbogenfarben ! Doch eines war doch so ganz anders an ihm: Es sagte Nein. Ständig. Und zu allem und zu jedem. Und so tauften sie es mähneschüttelnd NEINhorn.

Beneidenswert, oder ?

Das NEINhorn tut nämlich einfach das, was uns schon früh abtrainiert wurde: Es hört instinktiv auf seinen Bauch und unternimmt nichts, was ihm gegen den Strich geht. Bereits in Kindergarten und Schule lernen wir, dass wir schön lieb sein, brav stillsitzen und nie zurückhauen sollen. Dass wir uns anpassen und uns mit Spielen beschäftigen sollen, die wir doch gähnend langweilig finden. Und dass wir Rosenkohl essen sollen, obwohl wir den, sorry, so richtig zum Kotzen finden. Okay, okay, wir können uns natürlich nicht wie das NEINhorn so turbomäßig durchs Leben trotzen. Das wäre ja nicht auszuhalten – vor allem für unsere Mitmenschen nicht. Aber wir können uns durchaus ein klein wenig von dem bunten, bezaubernden Biest abschauen. Wer wünscht sich denn nicht, gelassener und ohne schlechtes Gewissen Nein sagen zu können ? Kannst du mir spontan beim Umzug helfen ? Nein ! Heute schon Angebote geschrieben ? Nö ! Eben recht freundlich zum total fiesen Kunden gewesen ? Nope ! Wie befreiend das wäre ! Einfach mal darauf zu pfeifen, was andere von uns erwarten. Das NEINhorn ist eben widerborstig. Es hat seinen eigenen Kopf, den es gegen alle Widerstände und alle Versuche, es mit superlieben Worten und nachsichtigem Lächeln zu erziehen, durchsetzt. Das NEINhorn traut sich halt was, es bleibt sich treu. Das fasziniert uns. Ach was, das imponiert uns.

Kein Wunder also, dass das Kinderbuch von Marc-Uwe Kling und Illustratorin

Astrid Henn nicht nur ein Bestseller wurde, sondern auch längst Kult ist. 2019 erschien der erste Teil, 2021 folgte der zweite. Inzwischen wurden laut Carlsen Verlag 650.000 Exemplare verkauft. Das NEINhorn wird zudem auf vielen Kinder-Theaterbühnen aufgeführt, es gibt NEINhorn-Kartenspiele, -Kuscheltiere, -Schulmaterialien, -T-Shirts und eine -Tonie-Figur. Vom Neinsagen können wir alle offenbar nicht genug bekommen.

„Willst du auf den Inseln der silbernen Seen mit uns und den sieben güldenen Feen im duftenden Blütenstaub der Wunderpflanzen Ballett für die niedlichen Gnome tanzen ?“,fragte als Nächstes sein Brüderlein.

„Nein !“

Flucht vor dem Zuckerwatteglück

Mit dem bloßen Neinsagen ist es beim NEINhorn jedoch noch nicht getan. Es lässt Worten Taten folgen und verharrt nicht in seinem schön-schrecklichen Schicksal. Stattdessen zieht es, genervt von der ewigen guten Laune seiner Familie, los und entflieht erfolgreich dem Zuckerwatteglück.

Sein Ziel: das echte, mitunter dreckige Leben kennenzulernen. Auf seiner Tour trifft es unverhofft auf Gleichgesinnte. Charaktere, die irgendwie auch nicht in diese fluffig-freundliche Welt passen und die es fortan auf seinem Weg begleiten. Da ist der schwerhörige WASbär, der dauernd endnervt „Was ?“ nachfragt, der gleichgültige

NAHund, der zu allem nur „Na und ?“ sagt, und die rechthaberische KönigsDOCHter, die grundsätzlich nervige Einwände hat. Gemeinsam machen die vier ordentlich Rambazamba – immer begleitet von den Worten: Nein ! Doch ! Was ? Na und ?

Und die Moral von der Geschicht?

Tja, die gibt es nicht. Das schwört jedenfalls Autor Marc-Uwe Kling. Was aber wirklich nicht zu leugnen ist: Das NEINhorn ist für viele ein Vorbild. Kinder schätzen zweifellos die Neins und die daraus folgenden skurrilen Situationen. Sie lieben jedoch auch die Art, mit welcher Leichtigkeit das

NEINhorn Freundschaft schließt: nicht nach Schema F, ohne Schleimerei und Geschenke, dafür mit Ehrlichkeit und Spontanität. Auch wenn Marc-Uwe Kling das nie –zumindest nie öffentlich – gesagt hat: Dieses Werk ist ebenso eine humorvolle Gebrauchsanweisung für uns Erwachsene, um die Fähigkeit des Neinsagens in uns selbst wachzurütteln. Das wiederum ermutigt uns, sie aktiv in unseren Kindern wachzuhalten. Das Resultat dessen ist zwar zugegebenermaßen von Zeit zu Zeit ziemlich anstrengend, aber das zeichnet das NEINhorn schließlich auch aus. So gleicht die Geschichte doch irgendwie einem Märchen. Einem mit Happy End. Und wenn das NEINhorn nicht gestorben ist, dann verneint es wohl noch heute

„Es fraß angedatschte Äpfel, bis ihm schlecht war, und jagte mit gesenktem Horn irre niedliche Katzenbabys auf Bäume. Nur so zum Spaß natürlich. Davon bekam es ziemlich gute Laune.“

Marc-Uwe Kling kann richtig gut Nein sagen. Interviews geben? Nö. Er führt sie lieber selbst – mit seinen Hauptfiguren

Reden wir mal über das Buch. Ihr wurdet von Astrid Henn porträtiert. Was habt ihr gesagt, als sie euch die ersten Bilder gezeigt hat?

NEINhorn: Meinetwegen.

KönigsDOCHter: Ich finde, Astrid hat uns wirklich gut getroffen.

WASbär: Du hast Astrid getroffen ?

KönigsDOCHter: Wenn ich erst Königin bin, dann werde ich ihr eine Stelle als Hofmalerin anbieten.

WASbär: Wer ist Astrid ?

Ihr habt unglaublich viele Fans gewonnen. Wie erklärt ihr euch diesen Erfolg?

KönigsDOCHter: Habt ihr das gehört ? Wir sind berühmt !

NAHund: Na und ?

WASbär: Was ?

NEINhorn: Nein, das glaub ich nicht !

KönigsDOCHter: Doch ! Fragt ihn doch !

WASbär: Was ??

NEINhorn: Nein !

KönigsDOCHter: Doch !

NAHund: Na und ?

Okay. Stopp. Stopp. Stopp. Liebes NEINhorn, hast du zum Schluss noch Lust auf einen kleinen Reim? Bitte ergänze: Spielt nun weiter froh und frei, denn dieses Interview ist jetzt …

NEINhorn: Also, ich bin doch kein Dressurpferd.

KönigsDOCHter: Ja, genau. Such dir doch selber einen Reim, wenn du einen willst !

NAHund: Frechheit.

Nein sagen ist gar nicht so schwer

Im Herzwald kommt ein kleines, schnickeldischnuckeliges Einhorn zur Welt, das richtig Bock auf Bockigkeit hat. Zum Lachen – und Lernen.

Ähm, ja. Vielen Dank für das Gespräch.

WASbär: Was ?

Text: Marc-Uwe Kling

This article is from: