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Mutig und extravagant
from MarktImpulse 2/23
by Brillux
Wer immer Ja sagt, um es allen recht zu machen, verliert seine Balance und an Wert. Für Sascha Knauer war es an der Zeit, bewusstes Neinsagen zu lernen. So verschaffte der Malermeister sich persönlich neue Stärke und seinem Team mehr Freiheit
Wenn Gesellin Melanie Kühne-List und Geselle Volker-Maik Pannewitz gemeinsam in einem Raum arbeiten, herrscht Harmonie. Einen rauen Ton verbreitet hier höchstens das Radio, aus dem blecherne Rockmusik schallt. Auf dieser Baustelle wird höflich nach dem Arbeitsmaterial gefragt, gemeinsam konzentriert geschwiegen und zwischendurch zusammen gelacht. Diese entspannte Ruhe ? Das liege an ihr, sagt die 33-jährige Angestellte vom Betrieb Malermeister Knauer aus Hannover verschmitzt: „Frauen schaffen eine besondere Atmosphäre, da halten sich die Jungs meistens mit derben Sprüchen zurück.“ Melanie muss es wissen. Schließlich arbeitet sie mit ihrem
Kollegen bereits seit 2017 als Team zusammen. Der angehende Malermeister hatte seine Kollegin sogar aus einem anderen Betrieb in die jetzige Firma gelockt. Eine gute Konstellation nennt Volker-Maik Pannewitz den Jobwechsel und erklärt: „Melanie ist ein toller Mensch. Sie verfügt über ein umfassendes Wissen, packt an und sorgt mit ihrer Art für ein entspanntes Arbeitsumfeld. Das ist wichtig, wenn du mehr Zeit auf der Baustelle verbringst, als mit deinem Partner zu Hause.“ Ausgebildet wurde der Geselle ebenfalls von einer Frau. Er weiß den besonderen weiblichen Umgangston und die ausgeglichene Art zu schätzen. „Männer sind auf Knopfdruck wie verwandelt, wenn Frauen mitarbeiten. Dann bringen sie sogar unaufgefordert Kaffee auf die Baustelle.“
Künstlerischer Freiraum
Nein zu sagen, das lernte Chef Sascha Knauer mit der Zeit, ist nicht nur eine Entscheidung gegen etwas. Es ist gleichzeitig auch ein Entschluss für etwas. Auch das Ja zu Kolleginnen wurde schlussendlich durch ein Nein möglich – nämlich zum üblichen Baustellen-Modell, wo es nur Männer gibt. Und sein aktuelles Team kommt nicht nur bei der Kundschaft gut an. Speziell bei Langzeitprojekten wirkt sich dieser Mix aus Frauen und Männern positiv auf die Atmosphäre aus. Seit gut dreieinhalb Monaten
01 Volker-Maik
Pannewitz mischt den zur Mooswand passenden Farbton
02 Immer auf der richtigen Höhe: Gesellin Melanie Kühne-List bei Arbeiten an der Decke
03 Nein sagen macht stark: Chef Sascha Knauer lernte das mit der Zeit renoviert das Duo eine Physiotherapiepraxis in Hannover. Von Trockenbauarbeiten übers Streichen bis hin zur kreativen Gestaltung. Jeden Tag etwas anderes. Genau das ist es, was Melanie Kühne-List an ihrem Job so mag. „Opa, Papa und Geschwister –wir sind alle im gleichen Gewerbe. Die Malerei habe ich in meiner DNA – und ich liebe es zu sehen, wie aus nichts etwas entsteht“, schwärmt sie. Ein Bürojob ? Das sei unvorstellbar. „Abwechslung, künstlerischen Freiraum, verschiedene Orte und Materialien, all das brauche ich, damit die Arbeit mich nicht langweilt.“ Kreativität steht besonders beim Umbau der Physiotherapiepraxis im Mittelpunkt. Der Inhaber wünschte sich eine nachhaltige Dekoration der Wand, die zum Umfeld passt, gleichzeitig aber überrascht. Die Idee: eine teils moosbedeckte Wand mit recycelten Klinkersteinen zu gestalten.
Nachhaltigkeit ist Trumpf Geschäftsführer Sascha Knauer findet vor allem Projekte wie dieses so reizvoll – hier wird ihm bei der Gestaltung freie Hand ge- lassen. „Im Prinzip haben wir uns überlegt: Wie können wir Nachhaltigkeit und Gesundheit so verbinden, dass sich Menschen wohlfühlen ?“ Die Skizze mit dem Moos und Klinkersteinen faszinierte den Kunden von Anfang an. In weiteren Schritten wurde dann ein Konzept für die gesamten Räume festgelegt. „Wenn man eine Praxis betritt, darf sie nicht aussehen wie eine sterile Klinik. Und deswegen haben wir hier ein ganz gemütliches, natürliches Design entworfen“, so der 40-Jährige. Er und sein Team zauberten eine Oase, die gleichzeitig für ein gutes Raum- und Wohlfühlklima sorgt. Die Moosoberflächen wirken nicht nur beruhigend, sondern auch feuchtigkeitsregulierend sowie schalldämpfend. Das Moos bezieht Knauer aus einer kleinen Manufaktur, die es per Hand vorbereitet. Dabei wird besonders Wert auf Nachhaltigkeit gelegt: Die Moosflächen sollen sich regenerieren können. Am Ende kommt das Moos dann in eine natürliche Salzlösung. So bleibt es langfristig erhalten.
Familie als Anker im Alltag
Sascha Knauer ist in der Region mittlerweile für seinen Mut, unkonventionelle Wege zu gehen, bekannt – die bevorzugt der dreifache Familienvater. Seine ersten Schritte
Malermeister Knauer
Der Betrieb Malermeister Knauer aus Hannover vereint seit 2016 traditionelles Handwerk mit modernem Design. Geschäftsführer Sascha Knauer bietet neben klassischen Malerarbeiten persönliche Beratung, kreative Planung und individuelle Umsetzung an. Seine große Leidenschaft gilt der Gestaltung kreativer und nachhaltiger Oberflächen, etwa mit spezieller Moosbedeckung und Spachteltechniken. malermeister-knauer.de malermeister_knauer als Unternehmer fanden 2010 im eigenen Keller statt. Zu Beginn als One-Man-Show und als Nebengewerbe. Als 2016 die Aufträge aber immer mehr wurden und der Keller bis zur Decke mit Material gefüllt war, gründete Sascha Knauer seinen heutigen Betrieb. Mit den Aufträgen vergrößerte sich auch die Zahl der Mitarbeitenden – und der Stress. Seine Frau musste in dieser Zeit den Alltag ohne ihn managen. „Das war eine harte Phase, und ich bin Wiebke sehr dankbar. In so einer Situation muss man sich auf seine Familie verlassen können“, so Sascha Knauer. Seine Frau arbeitet seit der Gründungsphase halbtags als Erzieherin und kümmert sich um die drei Kinder. „Familie ist der Anker in meinem Leben, ohne sie läuft nichts“, fasst er zusammen. „Sie ist ein ausgleichendes Element für mich.“
Dieser familiäre Gedanke zieht sich auch durch seine Belegschaft. Der Chef ist auch Seelentröster und hilft in schwierigen Situationen. „Als die öffentlichen Verkehrsmittel streikten, hat mich der Chef in die Berufsschule gefahren und wieder abgeholt“, erinnert sich die 21-jährige Auszubildende Kim-Lara Hinzmann. „In welchem Betrieb spielt der Chef bitte den Chauffeur für sein Team ?“ Es kam auch mal vor, dass Kinder von Angestellten während eines längeren Kitastreiks bei Wiebke Knauer unterkamen und gemeinsam spielte und aßen. „Davon profitieren letztlich alle. Wir versuchen uns eben gegenseitig zu helfen und zu entlasten, wo es geht“, begründet der Geschäftsführer. Diese Einstellung lässt sich an der Anzahl der Überstunden ablesen. Keiner macht bei Sascha Knauer mehr als 30 – im Jahr. Leben für die Arbeit war früher, sein Motto lautet: arbeiten, um gut zu leben. Und so werden in seinem Unternehmen längst Teilzeitmodelle gelebt. Für ihn stehen Menschlichkeit, Vertrauen und Teamgeist über allem.
Schutz und Selbstbewusstsein
Das gilt auch, wenn es darum geht, sich und seine Mitarbeitenden zu schützen. Zum Beispiel vor Lohndumping und frechen Angeboten oder Sprüchen von Kunden und Kundinnen. Sascha Knauer musste lernen, Nein zu sagen. Gerade am Anfang seiner Selbstständigkeit fiel ihm das schwer. Schließlich war der Malermeister froh, Aufträge und Arbeit zu haben. Doch dann begann er zu selektieren, indem er überlegte, für welche Kundentypen er wirklich arbeiten wollte. Er kam schnell zu dem Schluss: „Auftraggeber/-innen, die auf Teufel komm raus den Preis drücken wollen oder sich meinen Angestellten gegenüber frech und unhöflich verhalten, sind keine Option. Irgendwann merkt man, du musst dir ja nicht alles gefallen lassen. Ich bin ja nicht der Arsch vom Dienst“, resümiert der Hannoveraner. Entpuppt sich also ein Auftrag als nervige Angelegenheit, weist er die Kundschaft in ihre Schranken, versucht aber immer, zuerst den Konflikt zu lösen. Erzielt er keine Einigung, zieht er seine Leute ab und packt Pinsel, Rolle und Farbe wieder ein. Es sind jedoch nicht immer die Kunden und Kundinnen, die ein Geschäft verhindern. Manchmal ist es die Konkurrenz: Wenn ein Mitbewerber Sascha Knauers Angebot, wie kürzlich bei der Renovierung
01 Famoses Team: Volker-Maik Pannewitz und Melanie Kühne-List auf der Baustelle
02 Nachhaltig, natürlich und grün – die Physiotherapiepraxis in Hannover heute
03 Konzentriertes Arbeiten: Volker-Maik Pannewitz bringt Farbe in die Praxis eines Badezimmers geschehen, um 60 Prozent unterbietet, dann verzichtet der Malermeister gerne auf den Auftrag. Wie andere Betriebe das wirtschaftlich darstellen ?
Für den Fachmann ein Rätsel. „Du musst den Wert deiner Arbeit und die des Teams kennen – und dich nicht für jeden Preis anbieten.“ Das Team will Geld verdienen, der Firma soll es gut gehen. Immer alles für billig und ohne Qualitätsanspruch zu machen, bringe ihn nicht weiter.
Ein Nein ist auch ein Ja Nämlich für etwas anderes. In Sascha Knauers Fall für gute Arbeitsbedingungen und einen hohen Anspruch. So steigerte der Malermeister sein unternehmerisches Selbstbewusstsein – heute führt er am liebsten außergewöhnliche und hochwertige Arbeiten aus. Das schätzt vor allem sein Kundenstamm. Das Neinsagen zieht Sascha
Knauer zur Not auch im eigenen Team durch, wenn es sein muss. Bei ihm basiert alles auf Vertrauen und Eigeninitiative. Materialschränke stehen offen, von harten Kontrollen hält der Chef wenig. Trotzdem gab es schon Situationen, in denen er eine Abmahnung aussprechen musste. „Es gibt wenige Spielregeln, im Team aber dafür klare Eckpunkte. Läuft etwas richtig schief, bleibt mir nichts anderes übrig, als angemessen zu reagieren.“ Bei nicht ganz so dramatischen Patzern gibt es zwar eine Ansage, dann ist das Thema aber durch. Sascha Knauer ist nicht nachtragend. Das mag auch sein Team am Chef, wie KimLara Hinzmann betont. „Die Stimmung in der Firma ist wirklich gut. Der Chef fragt auch mal nach Rat und profitiert von unserem Wissen.“ Gerade diese flachen Hierarchien und der familiäre Zusammenhalt machen diesen Betrieb so stark.