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Paul Videsott: „Fakultät braucht neuen Namen
„Fakultät braucht neuen Namen“
PAUL VIDESOTT ist seit drei Jahren Dekan der Fakultät für Bildungswissenschaften der Freien Universität Bozen; Ende Juni wurde er in seinem Amt bestätigt. Ein Gespräch über die Erfolge, Herausforderungen und Zukunftspläne der Fakultät.
Herr Videsott, Sie wurden als Dekan der Fakultät für Bildungswissenschaften für weitere drei Jahre wiedergewählt. Was waren Ihre größten Erfolge in der ersten Amtszeit?
Foto: Josef Cutajar
PAUL VIDESOTT: Als Dekan kann ich keine Erfolge für mich allein verzeichnen, sondern nur gemeinsam mit meiner Mannschaft. Mein Stolz ist ein geteilter Stolz mit und für die gesamte Fakultät. Ich glaube, wir konnten einiges auf den Weg bringen: die Reorganisation der Fakultät mit nunmehr sieben Forschungsschwerpunkten, die Bildung von Clustern für die Zusammenarbeit von deutschen und italienischsprachigen Fachkollegen, um die sprachlichen Grenzen zu reduzieren und um die Stärken beider Forschungstraditionen zu potenzieren, oder die Einführung neuer Studiengänge.
War das eine Herausforderung?
Es ist grundsätzlich schwierig, einen neuen Studiengang zu starten. Noch komplizierter wird es, wenn man divergierende staatliche und autonome Landesbestimmungen berücksichtigen muss. Wir haben es jedenfalls geschafft, die von Paul Videsott: „In Brixen können wir das Beste vom italienischen System mit dem Besten vom deutschen System verbinden“
der Autonomie neu geschaffenen Möglichkeiten auszunutzen und eigene Ausbildungskurse wie den „Übergangsfit“ oder die Integrationsausbildung für die deutsche und ladinische Schule zu starten. Das waren Pionierleistungen, die sicher auch anderen Kursen zugutekommen werden. Unser Ausbildungskurs für die Lehrer der ladinischen Schule des Fassatals ist sogar von einer eigenen Durchführungsbestimmung vorgesehen. Die Fakultät der Bildungswissenschaften hatte in den Augen der Bevölkerung nicht immer den besten Ruf. Zurecht?
Wir hatten vor 20 Jahren womöglich einige Startschwierigkeiten,
Gut aufgestellt in die Zukunft.
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Die → persönlicheoder → betrieblichefinanzielle Situation und mögliche Herausforderungen in der Corona-Krise frühzeitig bewerten und aktiv Maßnahmen setzen.
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wie jede neue Institution. Aber jetzt lege ich die Hand dafür ins Feuer, dass unsere Ausbildung auf europäischer Ebene zu den besten gehört. Unsere externen Evaluationen bestätigen das. Bei der CEV-Evaluation haben wir mit der zweitbesten Note „B“ abgeschlossen – dieselbe wie die „Bocconi“-Universität in Mailand. Das CENSIS hat uns zum vierten Mal in Folge zur besten Universität Italiens gekürt – und zwar aller, nicht nur der kleinen Universitäten. Ich glaube, das ist den Südtirolern nicht immer bewusst.
Südtirol hat im Vergleich zum Rest Italiens ein spezielles Schulsystem. Wie wichtig ist es, ein darauf zugeschnittenes Studienangebot anzubieten?
Ich erachte es als ein unglaubliches Privileg, dass wir unsere Lehrkräfte selbst ausbilden dürfen; einmal wegen der Minderheitensituation hier in Südtirol – laut meiner Kenntnis ist Südtirol das einzige Land europaweit, wo ein Staat die universitäre Ausbildung der Lehrkräfte an eine Minderheit delegiert hat. Dann auch wegen der hier herrschenden Mehrsprachigkeit. Unsere Ausbildung ist genau darauf zugeschnitten. Ganz allgemein finde ich eine Universität einen Wohlstandserzeuger für ein Land. Mittlerweile arbeiten die meisten Menschen dort, wo sie studiert haben. Während des Studiums knüpft man in der Regel wichtige soziale Kontakte; viele heiraten, und eine Rückkehr nach Südtirol fällt dann schwer. Wenn wir also verhindern wollen, dass zu viele Menschen Südtirol für immer verlassen, müssen wir sie hier studieren lassen. Das schmälert die Wichtigkeit von Auslandserfahrung keinesfalls, aber dafür haben wir zum Beispiel über 130 Partneruniversitäten im Rahmen von Erasmus- und anderen Austauschprogrammen, und wir machen viel Werbung, dass diese Möglichkeiten auch genutzt werden.
Ganz Italien ist wegen des Generationenwechsels in den vergangenen Jahren vom Lehrermangel betroffen – auch Südtirol. Welche anderen Faktoren spielen hier eine Rolle?
Früher war der Lebensweg oft bereits in der Oberschule vorgezeichnet; man hat die Oberschule nach dem Berufsziel ausgesucht. Heute gibt es viel mehr Auswahlmöglichkeiten, aber auch gerne mit Kindern arbeitet, ist automatisch als Pädagoge geeignet. Wir wissen durch die Mehrjahresplanung der Schulen und Kindergärten, dass derzeit nicht genügend Absolventen nachkommen. Aber deswegen rücken wir von unseren Qualitätsstandards natürlich nicht ab.
Ist die Mehrsprachigkeit eine Herausforderung oder eine Chance in der Didaktik?
Beides. Wobei es für jeden Wissenschaftler anregender ist, in einem Kontext zu arbeiten, wo Herausforderungen bestehen und nicht jeder Pfad bereits ausgetreNamen haben, ist für die Bevölkerung nicht immer direkt ersichtlich, dass wir noch viel mehr zu bieten haben. Außerdem werden geistes- und sozialwissenschaftliche Ausbildungen manchmal in der öffentlichen Wahrnehmung etwas marginalisiert, während Studiengänge im technischen und wirtschaftlichen Bereich fast schon eine automatische Legitimation genießen. Aber selbst in einer hochtechnisierten Welt sind geistes- und sozialwissenschaftliche Kompetenzen unerlässlich. Deswegen hoffe ich, dass wir innerhalb unserer Universität mit diesen Bereichen wachsen können – auch mit neuen Studiengängen.
„Derzeit kommen nicht genügend Absolventen nach, aber deswegen rücken wir von unseren Qualitätsstandards nicht ab“ _ Paul Videsott
Fachkräftemangel in vielen Bereichen. Insofern wählen unsere Absolventinnen ihren Beruf auch nach den gebotenen Rahmenbedingungen. Gerade Berufe, die mit Menschen zu tun haben, sind sehr anspruchsvoll und müssen deshalb von der Gesellschaft mehr geschätzt werden. Es wird in Zukunft auch darum gehen, diese Berufsfelder noch attraktiver zu gestalten – auch die sozialen und pädagogischen Berufe.
Setzt der Lehrermangel die Fakultät unter Druck, eine große Anzahl an Studenten absolvieren zu lassen?
Nein, unsere Studenten müssen nach wie vor die sprachlichen Voraussetzungen erfüllen – also das Level B2 in der Zweitsprache. Und sie müssen eine Aufnahmeprüfung bestehen. Nicht jeder, der
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STEUERVORTEIL 50-90% ten ist. In Brixen können wir das Beste vom italienischen System mit dem Besten vom deutschen System verbinden. Gerade die Mehrsprachigkeit ist jedoch nicht immer leicht; sie fordert sowohl unsere Dozenten als auch unsere Studenten. Wir verlieren nach wie vor beinahe die Hälfte unserer Studienanwärter, weil sie die Anforderungen in der Zweitsprache nicht erreichen. Das müsste uns zu denken geben, denn wir verlangen in der Zweitsprache an sich „nur“ das Maturaniveau B2. Dabei hätte Südtirol einen riesigen Standortvorteil – mehrsprachige Absolventen sind weltweit gefragt.
Blicken wir in die Zukunft: Wie soll sich die Fakultät für Bildungswissenschaften in den nächsten drei Jahren entwickeln?
Ein Steckenpferd von mir ist der Name der Fakultät. Bildungswissenschaften, also die Lehrerausbildung, ist unser größter und wichtigster Studiengang, aber er ist nur einer von insgesamt acht institutionellen Studiengängen im geistes- und sozialwissenschaftlichen Bereich, die wir derzeit anbieten. Deshalb möchte ich gerne den Namen in „Fakultät für Geistes- und Sozialwissenschaften“ ändern.
Warum ist das wichtig? Wie könnten diese aussehen?
Gerade heute haben wir zum Beispiel in der Fakultät über einen möglichen neuen Masterstudiengang im Bereich „Media ecology“ gesprochen – unsere Gesellschaft ist viel zu wenig auf den Umgang und Einfluss von neuen technischen Geräten wie Smartphones vorbereitet. Dabei prägen diese Geräte mittlerweile die Kinder fast schon mehr als Schule und Familie.
Vor welchen Herausforderungen wird die Fakultät für Bildungswissenschaften in den nächsten drei Jahren stehen?
Wir sind gerade in der Coronazeit. Auch wenn wir alle hoffen, bald wieder zur Normalität zurückkehren zu können, müssen wir eine Didaktik organisieren, die mit den derzeitigen Einschränkungen kompatibel ist. Wir sind keine telematische Universität und legen größten Wert auf den persönlichen Kontakt zwischen Dozenten und Studenten. Neben den räumlichen Herausforderungen stellt sich auch die grundsätzliche Frage, wie Didaktik in der Zukunft aussehen wird, falls uns eine solche Situation öfters heimsuchen sollte. Außerdem wollen wir sehr auf Nachhaltigkeit setzen. Unsere Studenten sind die Meinungsführer der Zukunft; entsprechend gut wollen wir sie darauf vorbereiten.