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Thomas Schraffl : „Brixen soll zur Radhochburg werden

„Brixen soll zur Radhochburg werden“

Welche Auswirkung hat der Mittelanschluss und das kommende Mobilitätszentrum am Bahnhof auf die nächsten Entwicklungen der urbanen Mobilität? Diese spannende Frage beantwortet Stadtrat THOMAS SCHRAFFL mit einer klaren Vision: Brixen will die Radhochburg Südtirols werden.

Herr Schraffl, seit Sie vor fünf Jahren Stadtrat für Mobilität wurden, betonen Sie immer wieder, dass Brixen sich hin zu einer nachhaltigen Mobilität bewegen muss. Muss Brixen „grüner“ werden?

THOMAS SCHRAFFL: Eines ist für mich sicher: In den nächsten fünf Jahren wird sich die Art und Weise, wie wir uns in Brixen fortbewegen, ziemlich verändern. Einerseits wird das Mobilitätszentrum am Bahnhof dazu führen, dass für uns alle die sanfte Mobilität viel attraktiver sein wird: Wir werden uns in der Stadt noch viel mehr mit dem Rad fortbewegen und für die restlichen Strecken viel öfter die öffentlichen Angebote nutzen. Dieser Paradigmenwechsel wird ganz automatisch erfolgen, weil durch die Infrastrukturen, die in den nächsten Jahren geschaffen werden, die Vorteile der sanften Mobilität im Vergleich zur Nutzung des eigenen PKWs ganz klar ersichtlich sein werden. Man verändert die Verhaltensweise der Bevölkerung nicht mit Verboten, sondern mit dem Schaffen attraktiverer Angebote.

Wie gehen Sie an diese Aufgabe heran? Mit System. Wir arbeiten gemeinsam mit entsprechenden Experten seit mehreren Monaten an einem „Nachhaltigen städtischen Mobilitätsplan“, zu dem Brixen aufgrund seiner Einwohnerzahl eigentlich gar nicht verpflichtet gewesen wäre. Im Stadtrat waren wir uns aber einig, dass wir einen solchen Plan unbedingt haben wollen, weil wir eben strukturiert und mit einem klaren Konzept die Thematik angehen wollen. Es ist ein strategisches Planungsinstrument, das eine mittel- bis langfristige und systematische Vision der urbanen Mobilitätsgestaltung enthält, wobei nicht der Verkehr, sondern der Mensch im Mittelpunkt steht. Dadurch kann die Stadtentwicklung gezielt auf die Bedürfnisse der Bevölkerung ausgerichtet werden. Von zentraler Wichtigkeit ist dabei die öffentliche Beteiligung am gesamten Planungsprozess. Deshalb wurde unter anderem eine Arbeitsgruppe aus etwa 40 verschiedenen Interessensvertretern ins Leben gerufen, die in ihrem ersten Meeting zwei übergeordnete Ziele definiert hat: Die Verringerung des Individualverkehrs auf den Hauptachsen und die Potenzierung der Radmobilität. Wir werden

Foto: Oskar Zingerle

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 0471 444 327 Stadtrat Thomas Schraffl: „Die Leute haben verstanden, dass das Radfahren eine spannende, gesündere, schnellere und günstigere Alternative zum eigenen Auto ist“

aber auch bereits vor Abschluss des Mobilitätsplanes Initiativen ergreifen.

Wie sehen diese aus?

Es werden eine ganze Reihe von Verbesserungen eingeführt, die wir in den nächsten Wochen Schritt für Schritt vorstellen werden. Zum Beispiel werden wir gemeinsam mit dem Land den Citybus-Dienst noch attraktiver machen: Die Einser-Linie zwischen Vahrn und Milland verkehrt ab 7. September mit zwei großen Bussen nicht mehr im Halbstunden-, sondern im Viertelstundentakt. Die Kapazität wird damit von 240 auf 360 Fahrgäste pro Stunde gebracht. Am Sonntag hingegen führen wir auf dieser Linie anstelle des Stundentaktes einen Halbstundentakt ein. Auch

in Albeins wird es zusätzliche Fahrten in den Morgenstunden geben.

Eine dieser „kleineren Initiativen“ war die Bereitstellung der 100 EBikes. Wie ist diese Aktion angekommen? ist. Wenn 200 Leute jeden Tag mit dem Rad anstatt mit dem Auto zur Arbeit fahren, haben wir 200 Autos weniger auf den Straßen.

Ich habe den Eindruck, der vor wenigen Tagen eröffnete Mittelanschluss wird gut genutzt …

Sie hat sehr gut funktioniert; die Nachfrage war enorm: 250 Ansuchen in nicht einmal zwei Wochen. Wir wollen diese Aktion im Herbst wiederholen und noch einmal 100 Räder den Bürgern übergeben. Das entsprechende Ansuchen Ja, diesen Eindruck habe ich auch. Und die Bedeutung dieses Mittelanschlusses ist deshalb so groß, weil wir damit endlich Alternativen andenken können, die bisher einfach nicht möglich gewesen wären ...

beim Land um finanzielle Unterstützung wurde bereits eingereicht, und wir hoffen auf eine Zusage. Dann könnten wir mit dem Projekt noch im Herbst starten. Die Leute haben verstanden, dass diese Art der Fortbewegung eine spannende, gesündere, schnellere und günstigere Alternative zum eigenen Auto ist. Brixen hat als einzige Gemeinde ein Kriterium eingeführt, wodurch jene als erste zum Zug kommen, deren Arbeitsplatz vom Wohnplatz weit entfernt und mit dem Rad gut erreichbar ... weil die Hauptdurchzugsstrecke äußerst sensibel ist?

Ja, natürlich. Kaum hatten wir mal auf dieser Strecke eine Baustelle, kam es schon zu langen Staus und zu entsprechender heftiger Kritik – ganz einfach deshalb, weil es eben keine andere befahrbare Strecke gab. Seit der Mittelanschluss offen ist, hatten wir noch keinen einzigen Stau, soviel ich weiß, und ich kann mir nicht vorstellen, dass dies allein an Corona liegt. Jetzt, da diese

Alternative geschaffen wurde, können wir andenken, das Befahren der Hauptstrecke sukzessiv unattraktiver zu machen.

Wie schafft man das?

Dafür gibt es eine Reihe von Möglichkeiten. Einfache Mittel wären die Einführung eines Tempolimits von 30 km/h oder auch Einbahnregeln, dort, wo es möglich ist. Oder auch durch strukturelle Maßnahmen. Es gibt viele Möglichkeiten, die nun evaluiert werden können. Endlich können wir über einen Rückbau der Staatsstraße nicht nur philosophieren, sondern auch konkrete Maßnahmen ergreifen.

Es gibt zwei kritische Stausituationen – am Morgen gegen 7.45 Uhr und am späten Nachmittag. Wie schafft man es, diese Probleme zu lösen?

Der gemeinsame Schulbeginn am Morgen ist ein Problem, dem sehr viele Straßennetze in den Zentren nicht gewachsen sind. Damit diese Problematik zumindest entschärft wird, braucht es Sensibilisierung bei den Eltern, von denen einige immer noch ihre Schützlinge mit dem Auto zur Schule bringen wollen, und es braucht eine maßgebliche strukturelle Verbesserung der Radwege. Auch im Industriegebiet um Punkt 17 Uhr schließen, brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn es um 17.15 Uhr zum Stau kommt – auch deshalb, weil sehr viele allein in

„Die Stadt hat aufgeholt – früher hat es ja immer geheißen, dass die Gemeinde Brixen sich mehr um die Fraktionen kümmert als um

das Stadtgebiet“_ Stadtrat Thomas Schraffl

hier spielt der Mittelanschluss eine große Rolle, denn wenn auf der Hauptdurchzugsstrecke weniger Autos verkehren, kann endlich an eine eigene Radspur gedacht werden. Das Problem am Nachmittag hängt mit dem Arbeitsende zusammen, also kann eine Lösung funktionieren, indem jeder Einzelne mithilft und auch die Unternehmen entsprechende Strategien vorantreiben – zum Beispiel durch gestaffelte Arbeitszeiten, denn wenn alle Betriebe ihrem eigenen Auto unterwegs sind. Hier braucht es intelligente gemeinsame Initiativen, von denen dann vor allem die eigenen Mitarbeiter profitieren, weil sie eben beim Nachhausefahren Zeit sparen. Und trotzdem: Brixen setzt in den nächsten Jahren verstärkt aufs Rad – auch einige Firmen in der Industriezone tun dies schon.

Damit müssen die Radinfrastrukturen aber verbessert werden ... Ja, das hatte ich schon erwähnt. Der wichtigste und sicherste Radweg ist ja jener am Eisackdamm, aber auch hier gibt es Bereiche, wo es sehr eng ist und eine gemeinsame Nutzung mit den Fußgängern zu ungünstigen Situationen führen kann. Hier gibt es Handlungsbedarf. Als erste Maßnahme haben wir vor einigen Wochen eine neue Radverbindung definiert und ausgeschildert, die durch Stadelgasse, Kleiner Graben und Kassianstraße führt – eben mit dem Ziel, den Eisackdamm etwas zu entlasten. Da braucht es aber noch viel mehr. In Radwege zu investieren ist ohne Zweifel ein Muss, wenn wir die Radmobilität stärken wollen.

Soll Brixen die Radhochburg Südtirols werden?

Ja! Und wir haben die besten Voraussetzungen dafür. Wir müssen also in die Infrastruktur investieren, und das sind nicht nur Radwege.

Sondern?

Nehmen wir an, die Nutzung der Fahrräder in Brixen steigt

LICHTZAUBER

Stadtrat Thomas Schraffl: „In Radwege zu investieren ist ohne Zweifel ein Muss, wenn wir die Radmobilität stärken wollen“

erheblich, was wir uns alle wünschen. Dann folgt die nächste Herausforderung: Wir wollen ja nicht die gesamte Altstadt mit Rädern vollparken! Schon heute ist die Situation in der Altstadt eine schlechte Visitenkarte. Also braucht es auch attraktive Lösungen zum Parken der Fahrräder. Beim neuen Mobilitätszentrum am Bahnhof ist ja ein modernes riesiges Radparkhaus vorgesehen, aber auch im Zentrum braucht es ähnliche Möglichkeiten.

Einpendler werden mit dem neuen Mobilitätszentrum verstärkt per Zug und Bus nach Brixen kommen und mit dem eigenen Rad ins Zentrum fahren ...

Ist doch toll, oder? Und die Auspendler nehmen das Rad bis zum Bahnhof und fahren dann per Zug zum Beispiel nach Bozen. Je attraktiver diese Möglichkeiten sind – mit einem Viertelstundentakt nach Bozen, einem Halbstundentakt nach Bruneck und Sterzing und einer sicheren Aufbewahrungsmöglichkeit für das Rad am Bahnhof – heben wir die Mobilität in Brixen auf ein völlig neues Niveau. Das sind spannende Szenarien, die auf uns zukommen. Woher kommen die Mittel?

Schauen Sie, die Gemeinde Brixen hat gemeinsam mit dem Land in den letzten fünf Jahren in Brixen extrem viel investiert – in Summe gingen mehr als 46 Millionen Euro in öffentliche Bauten, und da sind der Mittelanschluss oder andere Mobilitätsprojekte noch gar nicht dabei. Sobald die Südspange und das Seniorenzentrum fertiggestellt sein werden, können wir mit Fug und Recht behaupten, dass die großen Brocken bereits realisiert worden sind. Jetzt ist also der richtige Zeitpunkt, Gelder für nachhaltige Mobilität zu reservieren. Dazu gehört übrigens auch das Parkleitsystem, das coronabedingt etwas in Verzug geraten ist, denn damit reduzieren wir den ParkSuch-Verkehr.

Wie sieht es mit der Südspange derzeit aus?

Ein Planungsbüro arbeitet gerade an möglichen Varianten, die im Herbst politisch diskutiert werden. Damit schaffen wir für Milland und den Ploseberg eine Alternative zur Mozartallee, die derzeit viel zu viel Verkehr aufweist. Landeshauptmann Arno Kompatscher und Mobilitätslandesrat Daniel Al-

freider haben die Wichtigkeit der Südspange verstanden, weshalb ich guter Dinge bin, dass das Land die Realisierung vorantreiben wird. Ich bin davon überzeugt, dass wir damit spätestens in fünf Jahren die Mozartallee maßgeblich entlasten können. Vorteilhaft ist auch, dass dasselbe Planungsbüro auch den Wettbewerb für die Seilbahn gewonnen hat und so Berührungspunkte beider Projekte in Milland gemeinsam abgestimmt werden können.

Foto: Oskar Zingerle

Der neugestaltete Kleine Graben ist in meiner Wahrnehmung ein gutes Beispiel einer gelungenen Verbesserung.

Ja, ohne Zweifel, ich bekomme nach wie vor viele Komplimente dafür. Mein Ziel ist es ja, den Großen Graben vom inzwischen stark reduzierten Durchzugsverkehr ganz zu befreien. Auch in diesem Fall: Der Mittelanschluss hilft uns dabei, indem wir den bisherigen Schleichweg Altstadt, um nach Milland zu gelangen, nicht mehr Stadtrat Thomas Schraffl: „Ich bin überzeugt, dass wir die Mozartallee maßgeblich entlasten können“

Fraktionen kümmert als um das Stadtgebiet. Mit der Musikschule und der Bibliothek stehen nun Milland mit der Sportzone Süd über eine neue Fußgängerbrücke zusammenwachsen. Ich finde bei-

„Man verändert die Verhaltensweise der Bevölkerung nicht mit Verboten, sondern mit dem Schaffen attraktiverer Angebote“_ Stadtrat Thomas Schraffl

brauchen. Damit reduziert sich der Stau auf der Hauptdurchzugsstrecke. Die Südspange wird diesen Effekt noch erheblich verstärken. Eine Möglichkeit könnte sein, dass man in Zukunft nur über die Romstraße zum Hartmannsplatz kommt – das ist deshalb wichtig, weil man auch in Zukunft mit dem Auto zum Sanitätsbetrieb, zum Forum oder auch zum Friedhof gelangen soll. Für die Auf- und Abladetätigkeit und für Parkplätze im Kleinen Graben könnten attraktive Alternativen angedacht werden. Ich bin gespannt, welchen Rat uns der Nachhaltige Mobilitätsplan für diesen Abschnitt geben wird. zwei Leuchtturm-Projekte vor der Fertigstellung, auf die die Stadt sehr viele Jahre gewartet hat. Ich möchte in diesem Zusammenhang aber auch das Probelokal der Bürgerkapelle nennen, das Astra, die Renovierung des Rathauses, den Neubau des Sitzes der Ortspolizei, die Vergrößerung der Vertikale, den Umbau der Acquarena sowie die vorhin bereits erwähnte Neugestaltung des Kleinen Grabens. Wobei ... wenn ich darüber nachdenke, ist in den Fraktionen trotzdem viel passiert – in Tils, Tschötsch und Elvas zum Beispiel, in Afers die Feuerwehrhalle, in Albeins die Vergrößerung des Friedhofs. de Entwicklungskonzepte extrem spannend und zukunftsweisend – auch wieder mit starker Verbindung zur Vision der nachhaltigen Mobilität, denn beide Areale befinden sich ja direkt an der wichtigsten Radroute.

Es ist auffallend, wie wenige politische Diskussionen es trotz der Vielzahl an verschiedenen öffentlichen Bauten in den letzten Jahren im Vergleich zu früher gegeben hat – man erinnere zum Beispiel an die endlosen Polemiken zur aus heutiger Sicht banalen Schleife in den Combonigründen von Milland ...

Das liegt ganz sicher auch an der Dialogbereitschaft unseres Bürgermeisters: Peter bindet von Anfang an sämtliche Akteure und auch die Vertreter der Opposition in den Entstehungsprozess ein. Das kommt einerseits bei den Leuten gut an, aber vor allem schafft man damit Konsens. Umso weniger verstehe ich die derzeitigen Polemiken um den Hofburggarten, denn schließlich hat der Stadtrat vom Gemeinderat einen extrem klaren Auftrag erhalten: Von 27 Gemeinderäten haben sich 23 für das Weiterführen dieses Projektes ausgesprochen, das sind 85 Prozent; die restlichen vier Stimmen waren Enthaltungen. Die Gemeinderäte haben sich sehr intensiv mit den Vor- und Nachteilen des Projekts auseinandergesetzt und sind in der Folge zu einem eindeutigen Ergebnis gekommen. Was hätte der Bürgermeister denn tun sollen – den Willen von 85 Prozent der gewählten Volksvertreter missachten? Wer einen Funken Demokratieverständnis hat, muss einsehen, dass der Bürgermeister überhaupt keine Wahl hatte. Und trotzdem hat Peter mit allen Interessensvertretern den Dialog gesucht, was von den Projektgegnern immer wieder unterschlagen wird. Es muss auch deutlich gesagt werden, dass es sich zum Großteil um Investitionsgelder des Landes handelt, die an Projekte gebunden sind. Auch in dieser Nach-Corona Zeit muss gesagt werden: Wenn diese Gelder nicht in Brixen investiert werden, dann investiert sie das Land eben irgendwo anders.

willy.vontavon@brixner.info Leserbriefe an: echo@brixner.info

Sie sagten vorhin, dass in den vergangenen fünf Jahren in Brixen sehr viele öffentliche Bauten realisiert worden sind. Woran liegt das?

Das liegt auch daran, dass in den letzten zwei Amtsperioden viele vorbereitende Entscheidungen getroffen worden sind. Was mich aber besonders freut, ist, dass die Stadt aufgeholt hat – früher hat es ja immer geheißen, dass die Gemeinde Brixen sich mehr um die Spannend sind ja auch die Pläne zum PrielAreal ...

Absolut, das ist die nächste Herausforderung. Mit der dort geplanten Tiefgarage und der Verlegung der Tennisplätze nach Milland sowie dem geplanten Stadtpark im Norden bringen wir auch Ordnung in dieses Areal, das sich immer mehr zum Zentrum der Naherholung in Brixen entwickelt. Gleichzeitig wird die Sportzone

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