14. September 2024, 19:30 Uhr
Großer Saal
14. September 2024, 19:30 Uhr
Großer Saal
Karten und Infos:
+43 (0) 732 77 52 30 brucknerhaus.at
So, 20. Okt 2024, 18:00
Großer Saal
Klaus Maria Brandauer liest Éric Vuillard
In seinem Roman Die Tagesordnung blickt Éric Vuillard in die Hinterzimmer der europäischen Machthaber vor der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs; gelesen von Kammerschauspieler Klaus Maria Brandauer, an der Orgel spielt Magdalena Hasibeder.
Di, 5. Nov 2024, 19:30
Großer Saal
Hrůša, Trifonov & Bamberger Symphoniker
Der Ausnahmepianist Daniil Trivonov gibt sein langersehntes Debüt in Linz und präsentiert mit Jakub Hrůša und den Bamberger Symphonikern Dvořáks Klavierkonzert.
Sa, 16. Nov 2024, 19:30
Mittlerer Saal
Yulianna Avdeeva
Die russische Pianistin kehrt ans Brucknerhaus Linz zurück und widmet sich in ihrem Recital den beiden großen Virtuosen des 19. Jahrhunderts, Frédéric Chopin und Franz Liszt.
Das Programm auf einen Blick
Im Sinne des Fortfahrens und Weiterdenkens verschiedener Gattungsmodelle steht das Konzertprogramm ganz im Zeichen der Ordnungszahl 2: Als eines seiner spektakulärsten ›Showstücke‹ für Klavier begegnet uns Franz Liszts Ungarische Rhapsodie Nr. 2 diesmal mit dem Orchester in der Rolle der Virtuosin. In seinem zweiten Klavierkonzert ist wiederum von virtuoser Effekthascherei keine Spur, vielmehr steht das sinfonische Miteinander von Klavier und Orchester im Mittelpunkt. Die Gattung des Klavierkonzerts war für Liszt ein künstlerisches ›Versuchslabor‹ – vor der Uraufführung des zweiten Klavierkonzerts 1857 tüftelte er fast zwanzig Jahre lang an der Komposition.
Ebenso feilte auch Anton Bruckner lange Zeit an seiner 2. Sinfonie – sowohl vor als auch nach ihrer nur mäßig erfolgreichen Uraufführung 1873 in Wien, mit der er sich erstmalig dem Wiener Publikum als Sinfoniker empfahl. Obwohl sie häufig im Schatten ihrer Schwesterwerke steht, offenbart Bruckners Zweite bereits genuine Grundzüge des »eigentlichen Bruckner’schen Symphonientypus« (Constantin Floros), dem sich der Komponist mitunter erst dank seiner zahlreichen Umarbeitungen annähern konnte.
Kit Armstrong | Klavier
Orchester Wiener Akademie
Martin Haselböck | Dirigent
Franz Liszt 1811–1886
Ungarische Rhapsodie Nr. 2 dMoll S. 359 Nr. 2 // 1847, 1857–60
Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2 ADur S. 125 // 1839, rev. 1849, 1853, 1857, 1861
Adagio sostenuto assai –
Allegro agitato assai –
Allegro moderato –
Allegro deciso –
Marziale, un poco meno allegro –
Allegro animato
// Pause //
Anton Bruckner 1824–1896
Sinfonie Nr. 2 cMoll WAB 102 // 1871–72, rev. 1873, 1876 ›Fassung 1872‹
I Ziemlich schnell
II Adagio. Feierlich, etwas bewegt
III Scherzo. Schnell – Trio. Gleiches Tempo
IV Finale. Mehr schnell
Konzertende ca. 21:15 Uhr
Franz Liszt // Ungarische Rhapsodie Nr. 2 & Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2
Das ständige Reisen war für Franz Liszt Alltag. Schon in jungen Jahren tourte er – vermarktet als pianistisches ›Wunderkind‹ – durch ganz Europa. Klavierunterricht bei Carl Czerny, den er ab seinem elften Lebensjahr in Wien erhielt, ermöglichte ihm schon früh ein hohes Maß technischer Perfektion und förderte sein außergewöhnliches musikalisches Talent.
So war Liszt früh in der Lage, den Lebensunterhalt seiner Familie mit Auftritten in Adelshäusern und ausgedehnten Konzertreisen zu finanzieren.
Im Rahmen seiner ›Virtuosenreisen‹ zwischen 1839 und 1847 realisierte Liszt einen damals völlig neuen Typus der Konzertveranstaltung: das Recital, ein Konzertabend ausschließlich für Soloklavier. Liszt spielte sein Repertoire nicht nur auswendig; er war der Erste, der den Konzertflügel –wie heutzutage üblich – seitlich zum Publikum drehte, damit der Klang aus dem geöffneten Instrument direkt in den Zuschauerraum strömen kann. Zu seinen künstlerischen Alleinstellungsmerkmalen wurden neben seiner wilden Frisur auch seine emphatischen Körperbewegungen während des Spielens. Dabei führte Liszt stets ein breit gefächertes Repertoire auf, das von Bach über Beethoven bis Chopin reichte und gleichzeitig viele eigene Kompositionen, Arrangements und Improvisationen enthielt.
Offenbar traf er damit bei seinem Publikum einen Nerv: Liszt löste in ganz Europa Begeisterungsstürme aus, er wurde zu einem der berühmtesten Interpreten seiner Zeit. Die wahnhaftentrückte Begeisterung der LisztFans, die man heutzutage eher mit Popstars wie Taylor Swift in Verbindung bringen würde, wurde im Feuilleton spöttisch als sogenannte »Lisztomanie« bezeichnet: »Die Aerzte erkennen in allem diesen die Symptome einer neuen Krankheit, und wir werden bald ebenso sehr von Broschüren über ›Lisztomanie‹ überschwemmt werden, wie jüngst von Schriften über Hahnemannismus, Cholera, Wasserkur etc.« (Jahrbücher des Deutschen National-Vereins für Musik und ihre Wissenschaft Nr. 15)
Franz Liszt Ungarische Rhapsodie Nr. 2
Érard
Liszt spielte bevorzugt auf den Flügeln des Pariser Klavierbauers
Sébastien Érard.
Festzuhalten ist, dass Liszt die pianistischen Möglichkeiten seiner Zeit bedeutend erweiterte. Sein exzentrisches Spiel ging dabei zugleich mit akustischen und bautechnischen Weiterentwicklungen des Konzertflügels einher. Zur Legendenbildung um Liszt trug auch bei, dass er nicht selten während eines Konzerts den (zu dieser Zeit noch nicht mit gusseisernem Rahmen gebauten) Flügel im wahrsten Sinne des Wortes kaputt spielte. Der Dichter und Feuilletonist Heinrich Heine nannte ihn deshalb auch »Attila, die Geißel Gottes aller Érard’schen Pianos«.
Die scheinbar grenzenlosen technischen Möglichkeiten des Virtuosen Liszt schlagen sich unmittelbar in seinen Kompositionen für Klavier wie der Ungarischen Rhapsodie Nr. 2 und dem zweiten Klavierkonzert nieder. Dem einen oder der anderen werden beim Hören der zweiten Ungarischen Rhapsodie Zeichentrickfiguren wie Tom und Jerry, Mickey Mouse oder Bugs Bunny vor dem inneren Auge erscheinen. Das ursprünglich für Klavier solo komponierte Werk wurde seit 1929 in verschiedenen Zeichentrickfilmen verwendet und erlangte so immense Beliebtheit bei Jung und Alt.
»Nach Beendigung des Konzerts im Theater wurde die hintere Thür des Gebäudes, die auf die Scene führt, um das Orchester abzulassen, geöffnet. Alsbald ließen die Obstweiber ihre Körbe im Stich und drängten sich auf die Bühne, um den Boden zu küssen, wo Er gesessen hatte, und die Tongeister aufzuschnappen, die noch in der Luft schwebten. In wunderlich bacchantischem Zustande kamen sie zurück, sie schlugen sich wechselseitig auf die Köpfe und schrieen: ›Ich habe ihn gehört! Ich habe ihn gesehen!‹«
Jahrbücher des Deutschen NationalVereins für Musik und ihre Wissenschaft Nr. 15, 1840, S. 120
Franz Liszt Ungarische Rhapsodie Nr.
2
Obwohl die Komposition so klingt, als hätte sie sich der Klaviervirtuose selbst auf den Leib geschneidert, entstand sie im Jahr 1847 zu einem Zeitpunkt, an dem Liszt der vielen Konzerte und Reisen müde geworden war (»Immer Konzerte! Immer Sklave des Publikums, obgleich mit Widerwillen! Was für ein Schicksal! Was für ein Beruf!«). Um sich wieder intensiver dem Komponieren widmen zu können, ließ sich Liszt schließlich in Weimar nieder, wo er eine Stelle als Hofkapellmeister antrat.
Nichtsdestotrotz verdankt die zweite Ungarische Rhapsodie ihren großen Erfolg unmittelbar nach ihrer Veröffentlichung 1851 nicht zuletzt Liszts Ruf als ›Klavierlöwe‹. Die Komposition war sogar so populär, dass Liszt zwischen 1857 und 1860 eine Fassung für Orchester einrichtete. Dazu arbeitete er mit dem Musiker und Komponisten Franz Doppler zusammen, der ihm dabei helfen sollte, die dem Werk zugrundeliegenden ungarischen Volksweisen noch authentischer zum Klingen zu bringen. Dopplers Eingriffe in die Komposition fallen am deutlichsten beim Vergleich der Tonarten auf: Liszts Ungarische Rhapsodie Nr. 2 für Klavier steht in der Tonart cisMoll, die Fassung für Orchester in dMoll. Außerdem griff Doppler geringfügig in die Melodieführung und Kadenzen ein.
Charakteristisch für die Ungarische Rhapsodie Nr. 2 ist ihre zweiteilige CsárdásForm – ein ungarischer Volkstanz mit einem langsamen Teil (›lassú‹ oder ›lassan‹), der sich sukzessive steigert, bis er in eine rasante ›Friska‹ (oder ›friss‹) mündet, zu der ursprünglich mit flotter Beinarbeit getanzt wurde. Das sich bis ins Extreme steigernde Tempo ist typisch für den Csárdás oder seinen Vorgänger, den Verbunkos – ein Tanz, der zu Beginn des 19. Jahrhunderts von RomaMusiker:innen zur Anwerbung von Soldaten in die österreichischungarische Armee gespielt wurde.
Das Klavierkonzert als Versuchslabor
Ähnlich wie die Orchesterfassung der zweiten Ungarischen Rhapsodie lässt sich auch Liszts 1857 uraufgeführtes Klavierkonzert Nr. 2 als Synergie seiner Erfahrungen (und Fähigkeiten) als Pianist und seiner avancierten kompositorischen Bestrebungen sehen. Zeitlebens schafften es nur drei Klavierkonzerte von Liszt bis zur Veröffentlichung: das Konzert für
2
Csardos – Hungarian Folk-Dance, Illustration in: Popular Science Monthly 41, 1892
Klavier und Orchester Nr. 1 in EsDur, das zweite Klavierkonzert in A Dur sowie der Totentanz für Klavier und Orchester. Allen drei Kompositionsprojekten widmete sich Liszt im Jahr 1839 intensiv in Vorbereitung seiner Konzerttourneen, legte sie aber dann doch zurück in die Schublade. Erst nach seiner Ankunft in Weimar, fast zehn Jahre später, nahm er die Arbeit an den Klavierkonzerten wieder auf und brachte sie im Jahr 1849 in ihre nahezu finale Form – auch wenn er in den Folgejahren bis zu deren Drucklegung immer wieder Änderungen vornahm.
Liszt nutzte seine Kompositionen für Klavier und Orchester schon früh als kompositorisches Labor, in dem er sich ausprobieren und die Grenzen der Gattungen ausloten konnte. Diese Gattungsexperimente fanden
Franz Liszt Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2
zu einer Zeit statt, in der sich das virtuose Klavierkonzert – das vor allem dazu diente, die technische Brillanz der Solist:innen zur Schau zu stellen –vermehrt dem Vorwurf der Effekthascherei ausgesetzt sah.
Es war für Liszt daher wichtig, sein zweites Klavierkonzert quasi sinfonisch anzulegen. Dazu wählte er – ähnlich wie in seiner Klaviersonate in
Franz Liszt Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2
Liszt am Flügel, Ölgemälde von Josef Danhauser, 1840
hMoll oder auch in den sinfonischen Dichtungen – bewusst eine freie Form: Die Komposition besteht nur aus einem einzigen Satz, der mehrere stark kontrastierende Formteile enthält – häufig verbunden durch Kadenzen des Soloklaviers. Wie ein roter Faden führt dabei ein Thema durch die Komposition, das unmittelbar zu Beginn in den Holzbläsern vorgestellt wird. Zentrum des Werks ist eine lyrische Kantilene von Solocello und Klavier; auch hier erklingt das Thema erneut im Violoncello. Als nächstes taucht es als Marsch im kriegerischen Gewand auf und begegnet ein letztes Mal nachdenklich-reflektierend im Soloklavier, bevor das Stück zu seinem fulminanten Ende kommt.
Inspiriert zur einsätzigen Form hatten Liszt Werke wie Webers Konzertstück für Klavier und Orchester oder auch Franz Schuberts ›Wanderer-Phantasie‹, die er selbst als Pianist im Repertoire hatte. Letztere diente auch als Vorbild für die thematische Arbeit, die dem zweiten Klavierkonzert zugrunde liegt: Liszt arbeitet in dieser Komposition nur mit einer sehr begrenzten Auswahl an musikalischem Material, das er allerdings durch zahlreiche ›thematische Metamorphosen‹ immer wieder in neuem Licht erscheinen lässt. Das Werk changiert so in kürzester Zeit zwischen musikalischen Extremen – mal lyrisch, mal martialisch, mal introspektiv – und behält dennoch stets einen organischen inneren Zusammenhang.
Paula Schlüter
Zum historischen Soloinstrument des Konzertabends
Der Konzertflügel von Streicher, an dem Kit Armstrong Liszts Klavierkonzert Nr. 2 interpretieren wird, ist ein überaus rares Instrument. Streicher war bekanntlich durch das ganze 19. Jahrhundert hindurch der bedeutendste und innovativste Klavierhersteller in Wien. Zum Bestreben, den Konkurrenten nicht nur qualitativ überlegen zu sein, gehörte es auch zu seinen Prinzipien, eine größere Modellpalette anbieten zu können. Das führte um 1841 zur Entwicklung eines Konzertflügels »ganz englischer Konstruktion«, das heißt, westeuropäischen Vorbildern folgend. In weiterer Folge wurde dann dieses Modell noch durch die modernen amerikanischen Errungenschaften bereichert.
Streicher hat insgesamt nur sehr wenige von diesen Flügeln gebaut. Das heute im Konzert zu hörende Instrument wurde 1859 gefertigt und ist geradsaitig. Mit einer Länge von 250 cm entspricht es dem damaligen Maß für Konzertflügel. Die Geradsaitigkeit ermöglicht ein viel transparenteres Klangbild als bei modernen kreuzsaitigen Flügeln. Besonders auffällig sind der perlende klare Diskant einerseits und der wuchtige, aber farbige Bass andererseits. Das kostbare Riopalisanderfurnier tut ein Übriges, die Besonderheit des Instrumentes herauszustreichen.
Franz Liszt war ein Stammgast im Hause Streicher und liebte diese Konzertflügel. Er hatte einen in der Altenburg in Weimar stehen, in der er von 1848 bis 1861 wohnte, und bediente sich oft und gerne in Konzerten der Streicher’schen Konzertflügel.
Gert Hecher
Anton Bruckner // Sinfonie Nr. 2 c-Moll ›Fassung 1872‹
Im Oktober 1868 verlässt Anton Bruckner Linz – den Ort, an dem er zuvor 13 Jahre lang als Dom und Stadtpfarrorganist gewirkt hat –, um als Nachfolger seines ehemaligen Lehrers Simon Sechter die Professur für Harmonielehre und Kontrapunkt am Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien anzutreten. Der rastlose, aufstrebende Kulturbetrieb der österreichischen Metropole – das Opernhaus am Ring wird 1869, der Musikverein 1870 eröffnet – entpuppt sich für den zurückhaltenden Komponisten als »brisantes, intrigenreiches Pflaster« (Bernhard Rzehulka), das ihn laut eigener Aussage »anfangs ganz zusammengeschreckt« zurücklässt. Verständlich also, dass Bruckner seiner neuen Heimat auf der Suche nach Anerkennung gleich wieder den Rücken kehrt: Im April 1869 reist er ins französische Nancy, später auch nach Paris, wo er unter anderem auf der berühmten Orgel in NotreDame spielt; zwei Jahre darauf geht es nach London, wo Bruckner als Organist in der nur wenige Monate zuvor eröffneten Royal Albert Hall konzertiert. Beflügelt von der Anerkennung des internationalen Publikums, fasst er neuen Mut, sich in Wien wieder der musikalischen Gattung zuzuwenden, die er später als »Lebensberuf« bezeichnen wird: der Sinfonik.
Nach der 1868 in Linz uraufgeführten Ersten und der nach seiner französischen Konzertreise abgeschlossenen, später von ihm selbst als »ungiltig« annullierten Sinfonie dMoll, beginnt Bruckner am 11. Oktober 1871 mit der Skizzierung seiner zu dieser Zeit noch als »Symphonie No. 3« gezählten Sinfonie Nr. 2 cMoll. Anfangs noch gehemmt durch die zeitraubenden Verpflichtungen am Konser vatorium sowie die Vorbereitungen für die auf eigene Kosten durchgeführte Uraufführung seiner
»Eben fertig. 10mal conzertirt; 6mal in Alberthall, 4mal in Krystallpallast. Riesigen Applaus immer ohne Ende. Wiederholungen verlangt. Namentlich mußte ich oft 2 Improvisationen nachspielen.«
Bruckner am 23. August 1871 an Moritz von Mayfeld
Anton Bruckner Sinfonie Nr. 2 c-Moll
Anton Bruckner, Fotografie des Marienbader Ateliers von Wilhelm Jerie, 1873
fMollMesse, kann er das Werk in einer intensiven Schaffensphase zwischen Juli und September 1872 in St. Florian fertigstellen. Die Feuertaufe folgt im Oktober im Rahmen einer Durchspielprobe der Wiener Philharmoniker, wobei Dirigent Felix Otto Dessoff das Werk als »Unsinn« und »unspielbar« ablehnt – daran können auch wohlwollende Meinungen einiger Orchestermusiker und des bei der Probe anwesenden Franz Liszt nichts ändern. Bruckner nimmt es sportlich: »Die Symphonie wäre damals angenommen worden – aber sie war zu lang. Ich sollte kürzen. Das tat
Anton Bruckner Sinfonie Nr. 2 c-Moll
ich auch. Jedoch 20 bis 40 Takte waren ihnen viel zu wenig.« Erst ein Jahr später, am 26. Oktober 1873, kann er das in der Zwischenzeit behutsam umgearbeitete Werk dank der finanziellen Hilfe des Fürsten Johann II. von Liechtenstein unter eigener Leitung im Großen Musikvereinssaal zur Aufführung bringen. Das Mittagskonzert, dem vermutlich auch Johannes Brahms beiwohnt, gerät immerhin zu einem Achtungserfolg, zieht jedoch ebenso zustimmende wie ablehnende Reaktionen nach sich. So hebt der einflussreiche Kritiker Eduard Hanslick einerseits »zahlreiche schöne, bedeutende Einzelheiten« hervor, beklagt im selben Atemzug allerdings »eine unersättliche Rhetorik und allzu breite, mitunter haltlos zerfallende musivische [i. e. mosaikartige] Form«. Gustav Dömpke klagt Bruckners Klangsprache in der Wiener Allgemeinen Zeitung mit den Wor ten »Hochverrat, Empörung und Tyrannenmord« an. »Seine Musik duftet nach himmlischen Rosen und stinkt von höllischem Schwefel.« Diese Widersprüchlichkeit wird die Rezeption seines Schaffens fortan prägen und nicht unwesentlich dazu beitragen, dass Bruckner seine Sinfonien immer und immer wieder überarbeiten wird, stets auf der Suche nach dem, was er von sich und dem, was andere von ihm hören wollen.
Gut zwei Jahre später legt er die Zweite ein weiteres Mal auf die Werkbank und tilgt dabei einige der prominenten Generalpausen, die dem Stück mittlerweile den Spottnamen ›Pausensinfonie‹ eingetragen haben.
Diese Fassung erklingt am 20. Februar 1876 im 3. Konzert der Gesellschaft der Musikfreunde – zum ersten und einzigen Mal. »Für Herrn Bruckner wäre es entschieden besser gewesen«, so ein Rezensent der Wiener Morgen-Post, »wenn man sein Werk schon vor der Aufführung mit aller Achtung bei Seite gelegt hätte, ihm wäre die Enttäuschung, dem Orchester die Arbeit und dem Publikum die – Langeweile erspart geblieben.« Ein Jahr später legt Bruckner noch einmal Hand an, streicht unter anderem einen großen Abschnitt im zweiten Teil des langsamen Satzes inklusive eines ausgedehnten Violinsolos und ersetzt einen zuvor eingefügten Abschnitt in der Coda des Finales durch 18 neu komponierte Takte. In dieser formal gestrafften, als ›Fassung 1877‹ bekannten Form, mit der Bruckner selbst glaubt, »wohl die fürs Publikum zuerst verständlichste« Version hergestellt zu haben, wird die Sinfonie allerdings nie gespielt. Erst 1892, nach abermaligen, freilich nur geringfügigen Änderungen, erscheint sie in Druck.
16 Anton Bruckner
Sinfonie Nr. 2 c-Moll
Streichung zweier Generalpausentakte in einer Partiturabschrift von Bruckners 2. Sinfonie
Anton Bruckner Sinfonie Nr. 2 c-Moll
Ähnlich wie etwa Ludwig van Beethovens 2. Sinfonie DDur wird auch Bruckners Zweiter die Position zwischen einem bahnbrechenden Erstlingswerk und einer revolutionärformensprengenden dritten Sinfonie zum Verhängnis. Insbesondere im Vergleich zu Bruckners Sinfonie Nr. 1 cMoll meint man dabei einen Rückgang an formaler und harmonischer Kühnheit festzustellen, der zumeist seiner Unsicherheit in den ersten Jahren seiner Wiener Zeit zugeschrieben wird. Betrachtet man die umfassenden Umarbeitungen, denen er das Werk über die Jahre unterzieht, so scheint allerdings weniger Zurückhaltung als vielmehr das Bestreben um »den Ausbau des eigentlichen Brucknerschen Symphonietypus« (Floros) der Grund für das ausgewogenere Temperament des Werkes zu sein. Zum ersten Mal erklingt am Beginn des Kopfsatzes »jenes sphärische Tremolo der Streicher […], das als gleichsam pränataler Einschwingvorgang die Eröffnungen seiner Symphonien beherrschen« (Rzehulka) wird. Die verglichen mit der Ersten bedeutend raumgreifendere Motivik entfaltet sich in Gestalt eines expressiven Violoncellothemas, das entlang markanter Trompetensignale in das von schreitenden PizzicatoBässen begleitete, ländlerhafte zweite Thema überleitet. Auch mit der Gestaltung des dritten Themenkomplexes, einer gedehnten UnisonoMelodie der Holzbläser über einem rhythmischen StreicherOstinato, steckt Bruckner bereits jene Form ab, die ihm künftig gewissermaßen als Blaupause für alle folgenden Sinfonien dienen wird. Gleiches gilt für das Adagio, in dem sich zwei lyrische Themenfelder gegenüberstehen: eine sangliche Streichermelodie und ein von harfenähnlichen Pizzicati begleitetes Thema der Hörner, die im Verlauf des Satzes mehrfach variiert werden. Fast als trotzige Reaktion auf das am
»In diesem Sinne weist das Werk Bruckner’s ganz glänzende Stellen auf […]. Jedenfalls tritt uns aus dieser Symphonie eine musikalische Persönlichkeit entgegen, welcher die zahlreichen Gegner, die sie gefunden, nicht würdig sind, die Schuhriemen aufzulösen. Er kann lächeln über seine Widersacher, denn an Wissen und Können stehen sie unendlich weit unter ihm.«
Ludwig Speidel nach der Uraufführung der 2. Sinfonie im FremdenBlatt vom 28. Oktober 1873
Ostinato eine meist charakteristische, sich stetig wiederholende musikalische Figur
Anton
Bruckner
Sinfonie Nr. 2 c-Moll
Satzende wie aus einer anderen Sphäre kommende Zitat des Benedictus aus Bruckners fMollMesse bricht unversehens das Scherzo herein, dessen kleinteilige Motivik sich zu wildem Sturm der Streicher formiert, dem die volkstümliche Idylle des Trios nur kurzzeitig standzuhalten vermag. Das Finale nimmt den ungestümen Charakter des Scherzos auf und verbindet ihn mit der direkten Gegenüberstellung dreier gänzlich unversöhnlicher Themenkomplexe. Auch hier, am Ende der Exposition, zitiert Bruckner einen Abschnitt – nun das Kyrie – seiner fMollMesse.
Nachdem die Wiener Philharmoniker seine briefliche Anfrage um eine Widmung im Anschluss an die Uraufführung 1873 nicht beantwortet haben, will Bruckner seine 2. Sinfonie 1884 Franz Liszt zueignen. Der jedoch vergisst die ihm übergebene handschriftliche Partitur bei seiner Abreise aus Wien nach Weimar. Bruckner ist verärgert und enttäuscht und die Zweite bleibt seine einzige Sinfonie ohne Widmung.
Meier
Biografien
Klavier
Seitdem Kit Armstrong vor zwanzig Jahren die internationalen Bühnen betrat, fasziniert er die Musikwelt. Kaum ein anderer junger Künstler ist auf derart vielen Gebieten versiert und universell ausgebildet wie er. Von der New York Times als »brillanter Pianist« gefeiert, der »musikalische Reife und jugendliche Kühnheit in seinem exzeptionellen Spiel verbindet«, hat Kit Armstrong eine ganz eigene künstlerische Handschrift ausgeprägt. Die intensive Beschäftigung mit der Musik steht bei ihm in enger Beziehung mit anderen Künsten sowie mit Naturwissenschaften und Mathematik. Sein Repertoire geht zurück bis ins 16. Jahrhundert, zu den Anfängen der Tastenmusik bei den großen englischen Virginalisten, und reicht bis ins 21. Jahrhundert.
Im Zentrum der Saison 2024/25 steht weiterhin Kit Armstrongs Expedition Mozart. Gemeinsam mit befreundeten Musiker:innen lotet er vermeintlich bekanntes Repertoire in einer Vielfalt von Programmen neu aus. Sein Debütalbum bei der Deutschen Grammophon mit Werken von William Byrd und John Bull erschien 2021 und erreichte umgehend eine hohe Platzierung in den deutschen Klassikcharts. Die Autorin Inge Kloepfer hat unter dem Titel Metamorphosen eines Wunderkinds eine Biografie über Kit Armstrong verfasst.
Geboren 1992 in Los Angeles, studierte Kit Armstrong am Curtis Institute of Music in Philadelphia und an der Royal Academy of Music in London. Mit sieben Jahren begann er ein Kompositionsstudium an der Chapman University und ein Physikstudium an der California State University, später studierte er auch Chemie und Mathematik an der University of Pennsylvania und Mathematik am Imperial College London. Er erwarb einen Master in Mathematik an der Universität Paris VI. Alfred Brendel, der Kit Armstrong seit 2005 als Lehrer und Mentor begleitet, schreibt ihm »Verständnis der großen Klavierliteratur als eine Einheit von Gefühl und Verstand, Frische und Verfeinerung« zu.
Seit seiner Gründung 1985 erntet das Orchester Wiener Akademie internationale Anerkennung für seine bemerkenswerte Musikalität, seine Originalität, die Differenziertheit seiner historischen Interpretationen und seine Energie. Es ist das einzige österreichische Originalklangorchester, dessen Repertoire von der Barockzeit über die Klassik und Romantik bis zum Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts reicht, das aber auch zeitgenössische Werke auf modernen Instrumenten spielt. Das Orchester ist ebenso für seine Interpretationen der Werke Bachs, Mozarts, Haydns und Beethovens berühmt wie für die von Schumann, Brahms, Liszt und Bruckner. In jüngster Zeit widmet sich das Orchester Wiener Akademie vermehrt der Aufführung romantischer Literatur im Originalklang. Beim Lisztfestival Raiding, wo es als Orchestra in residence fungiert, wurde die erstmalige Gesamtaufführung und einspielung aller Orchesterwerke von Franz Liszt im Originalklang umgesetzt.
Das Orchester Wiener Akademie ist regelmäßiger Gast im Brucknerhaus Linz. Die Konzerte des jährlichen Zyklus im Goldenen Saal des Musikvereins Wien – mit Solist:innen wie Daniel Hope, John Malkovich, Cecilia Bartoli, Sebastian Koch, Ronald Brautigam, Thomas Hampson, Isabelle Faust, Anne Schwanewilms, Sophie Karthäuser und Dorothee Mields –sind beliebte Treffpunkte auf dem Musikkalender der Stadt geworden. 2014 wurde der Konzertzyklus RESOUND Beethoven ins Leben gerufen: ein Projekt, bei dem das Orchester Wiener Akademie unter der Leitung von Martin Haselböck Orchesterwerke von Ludwig van Beethoven an jenen historischen Orten in Wien aufführt, an denen sie zu Lebzeiten des Komponisten uraufgeführt oder gespielt wurden. Ein Höhepunkt der RESOUNDReihe war das vom BeethovenHaus Bonn und dem WDR veranstaltete Festkonzert 200 Jahre 9. Sinfonie am 7. Mai 2024, das via TV und EBU in 22 Länder übertragen wurde.
Biografien
Dirigent
Martin Haselböck ist als Organist und Dirigent auf vielfältige Weise im internationalen Musikleben präsent. Nach Studien in Wien und Paris erwarb er sich früh große Reputation als Organist und wurde mit internationalen Wettbewerbspreisen ausgezeichnet. Als Wiener Hoforganist war die Beschäftigung mit klassischer Kirchenmusik der Beginn seiner intensiven Arbeit als Dirigent. So gründete er 1985 das Orchester Wiener Akademie. Neben einem jährlichen Konzertzyklus im Musikverein Wien sind er und sein Originalklangorchester regelmäßig zu Gast in Konzertsälen und bei Opernproduktionen auf der ganzen Welt.
Mit der Konzertreihe RESOUND Beethoven konnte er die Sinfonien und Konzerte Beethovens im Originalklang an die Orte ihrer Erst und Uraufführungen zurückbringen. Zusätzlich zu den Konzerten entstand daraus eine vielbeachtete Einspielung der neun Sinfonien, aller Klavierkonzerte und der Bühnenmusik zu Egmont. Seit vielen Jahren engagiert sich Martin Haselböck für die Musik von Franz Liszt. Er ist Herausgeber aller Orgelwerke des Komponisten, gestaltet seit 2012 für das Liszt Festival Raiding mit seinem Orchester eine Konzertreihe und ist Leiter der Liszt Akademie. 2021 wurde ihm in Weimar der renommierte Franz Liszt Ehrenpreis verliehen.
Martin Haselböck ist Ehrenmitglied der Wiener Hofmusikkapelle und Träger zahlreicher Auszeichnungen wie dem österreichischen Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst. Als Professor, früher an der Musikhochschule Lübeck und heute an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, ist er Mentor einer jungen Organist:innengeneration. Als gefragter Gastdirigent ist Martin Haselböck international tätig, seit 2004 ist er auch Music Director des Musica Angelica Baroque Orchestra in Los Angeles und seit 2021 künstlerischer Leiter des KIRCH’KLANG Festivals, das die herrlichen Sakralräume der Region Salzkammergut jeden Sommer mit Musik erfüllt.
Impressum
Herausgeberin
Linzer Veranstaltungsgesellschaft mbH, Brucknerhaus Linz, Untere Donaulände 7, 4010 Linz
René Esterbauer, BA MBA, Kaufmännischer Geschäftsführer
Redaktion
Paula Schlüter, MA
Biografien & Lektorat
Romana Gillesberger
Gestaltung
Anett Lysann Kraml, Lukas Eckerstorfer
Leiter Programmplanung, Dramaturgie und szenische Projekte
Mag. Jan David Schmitz
Abbildungen
M. Abrossimow (S. 2), gemeinfrei (S. 6–7, 9 & 10–11), Brucknerarchiv
St. Florian (S. 14), Österreichische Nationalbibliothek, Wien (S. 16), M. Borggreve (S. 21), S. Polzer (S. 2223), M. Hofer (S. 25)
Programm, Termin und Besetzungsänderungen vorbehalten LIVA – Ein Mitglied der Unternehmensgruppe Stadt Linz
Wir danken für Ihren Besuch und wünschen Ihnen ein schönes Konzert!
Mit unserer eigenen Hammerkopfproduktion entfesseln wir das volle tonliche Spektrum unserer Flügel und Klaviere –eine Kunst, die Leidenschaft, Erfahrung und Disziplin erfordert. www.bechstein-linz.de