Christian Thielemann & Wiener Philharmoniker | 19.09.2024

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19. September 2024, 19:30 Uhr

Großer Saal

CHRISTIAN THIELEMANN & WIENER PHILHARMONIKER

Bruckners Erste

Weitere Highlights 24–25

Karten und Infos:

+43 (0) 732 77 52 30 brucknerhaus.at

So, 8. Dez 2024, 11:00 & 15:00

Großer Saal

Bachs Weihnachtsoratorium

Michi Gaigg und das L’Orfeo Barockorchester werden am zweiten Advent alle sechs Kantaten von Bachs berühmtem Weihnachtsoratorium in ihrer vollen Pracht erklingen lassen.

Do, 12. Dez 2024, 19:30

Großer Saal

Sanderling, Capuçon & Luzerner Sinfonieorchester

Das Luzerner Sinfonieorchester und Michael Sanderling präsentieren Schuberts 8. Symphonie und Schostakowitschs 1. Cellokonzert mit Gautier Capuçon als Solisten.

So, 15. Dez 2024, 18:00

Mittlerer Saal

Michael Schade, André Ferreira & Christoph Hammer

Begleitet von André Ferreira an der Biedermeiergitarre und Christoph Hammer am Hammerklavier, singt Michael Schade Schuberts Winterreise.

Gautier Capuçon

Dieses Konzert findet mit freundlicher Unterstützung der TYLE-Privatstiftung statt.

Dr. Dionys L. Lehner

1942–2023

Der gebürtige Luzerner Dionys Lehner kam Ende der 1970er-Jahre als Sanierer der heutigen Linz Textil Holding AG nach Österreich und lernte zunächst die Musikmetropole Wien und dann die Industriestadt Linz kennen und lieben.

Mit Anton Bruckner verband ihn nicht nur die Liebe zur Natur, sondern auch die Liebe zu St. Florian, wo er mit seiner Familie gut 20 Jahre gelebt hat. Dionys Lehner hatte nicht nur viele zukunftsgerichtete Ideen, er hinterließ auch bleibende Spuren in diversen Kulturstätten, Forschungseinrichtungen und Baudenkmälern. Er bedauerte lediglich, dass er das Projekt einer ›Planeten-Seilbahn‹ für Linz nicht verwirklichen konnte, ein weiterer Schritt weg vom alten Stahlstadt-Image zur Kultur- und Tourismusstadt. Viele Jahre war Dionys Lehner Schweizer Honorarkonsul für Oberösterreich und blieb so seiner Heimat eng verbunden.

Als überzeugter Betriebs- und Volkswirt war ihm der ›Blick über den Tellerrand‹, den er, wie er meinte, seinem zweijährigen Aufenthalt in den USA verdankte, stets sehr wichtig. Er glaubte an die befruchtende Wechselwirkung zwischen Wirtschaft und Kultur. Dionys Lehner war als leidenschaftlicher Unternehmer überzeugt, dass selbst in einem wirtschaftlich florierenden Bundesland wie Oberösterreich eine vielfältige Kulturszene nur Bestand haben kann, wenn sie aktiv gefördert wird. Daher setzte er über seine Stiftung die Initiative, einige Leuchtturm-Veranstaltungen des heurigen Bruckner-Jahres großzügig zu unterstützen. Das heutige Großereignis mit Christian Thielemann und den Wiener Philharmonikern hätte ihm große Freude bereitet.

a Barbara Lehner

Mag.

Besetzung

Wiener Philharmoniker

Christian Thielemann | Dirigent

Programm

Robert Schumann 1810‒–1856

Sinfonie Nr. 1 B­Dur op. 38 »Frühlingssinfonie« // 1841

I Andante und poco maestoso – Allegro molto vivace

II Larghetto

III Scherzo. Molto vivace – Trio I – Trio II – Quasi presto

IV Allegro animato e grazioso

// Pause //

Anton Bruckner 1824–1896

Sinfonie Nr. 1 c-Moll WAB 101 // 1865–66, rev. 1877, 1889–91 ›Wiener Fassung‹

I Allegro

II Adagio

III Scherzo. Lebhaft – Trio. Langsam

IV Finale. Bewegt, feurig

Konzertende ca. 21:30 Uhr

alla breve

Das Programm auf einen Blick

Man hatte es nicht leicht, wollte man sich im 19. Jahrhundert in der Nachfolge des schier übermächtigen Vorbilds Ludwig van Beethoven an der Königsdisziplin ›Sinfonie‹ versuchen. »Die neueren Symphonieen verflachen sich zum größten Theil in den Ouverturenstyl hinein«, konstatierte etwa Robert Schumann, der seinen eigenen Zugang zur großen Form erst nach und nach über das Werk Franz Schuberts fand.

Im Vergleich zu Anton Bruckner war der zum Zeitpunkt der Vollendung seiner 1. Sinfonie immerhin 30­jährige Schumann dennoch ein ›Frühberufener‹. Bruckner, der sich in seinen späteren Jahren dezidiert als »Symphoniker« verstanden wissen wollte, konnte 1866 erst im Alter von 41 Jahren einen Haken hinter diese Aufgabe setzen.

»Im Thale blüht der Frühling auf!«

Sinfonie Nr. 1 B-Dur »Frühlingssinfonie«

Robert Schumann gilt als Romantiker unter den Romantikern, genialisch schwankend zwischen impulsiver Kreativität und feingeistiger Poesie –als Vollblutkünstler, wie er sprichwörtlich ›im Buche‹ steht. Ein Blick in sein Werkverzeichnis offenbart jedoch die andere, weniger ›fantastische‹ Seite seiner Schaffensweise und zeigt dabei einen Komponisten, der sich über weite Strecken seines Lebens strukturell, geradezu systematisch mit bestimmten musikalischen Gattungen befasst. Kein zielloses Herumprobieren, kein willkürliches Abarbeiten von Auftragswerken: Nachdem sich Schumann in seinen ersten 23 veröffentlichten Kompositionen zwischen 1830 und 1839 ausschließlich auf das Gebiet der Klaviermusik konzentriert hat, bricht sich im sogenannten ›Liederjahr‹ 1840 unter dem Vorzeichen und Eindruck der lang ersehnten Heirat mit Clara Wieck sein Hang zur Verknüpfung von Poesie und Musik in Gestalt von mehr als 150 Liedern bahn. Im folgenden Jahr widmet sich Schumann ganz der Orchestermusik, komponiert seine 1. Sinfonie B-Dur, die später als Kopfsatz seines Klavierkonzerts verwendete Fantasie für Klavier und Orchester a-Moll, das sinfonieartige Werk Ouvertüre, Scherzo und Finale E-Dur sowie die erste Fassung seiner später als Nr. 4 veröffentlichten Sinfonie d-Moll. Nach den ›Klavierjahren‹ 1830 bis 1839, dem ›Liederjahr‹ 1840 und dem ›Orchesterjahr‹ 1841 gilt sein Interesse 1842 schließlich nahezu ausnahmslos der Kammermusik.

Wie im Fall seiner Lieder spielt auch für Schumanns Auseinandersetzung mit der großen sinfonischen Form im Jahr 1841 ein biografisches Ereignis eine wichtige Rolle: die nach schwerem Kampf gegen die Widerstände ihres Vaters durchgesetzte Hochzeit mit Clara Wieck am 12. September 1840. Bereits neun Monate zuvor verrät Schumann ihr im Anschluss an eine Probe von Franz Schuberts 8. Sinfonie C-Dur seine Pläne: »[D]as sind Menschenstimmen, alle Instrumente, und geistreich über die Maßen,

Robert Schumann

Sinfonie Nr. 1 B-Dur »Frühlingssinfonie«

und diese Instrumentation trotz Beethoven – und diese Länge, diese himmlische Länge wie ein Roman in vier Bänden, länger als die neunte Sinfonie. Ich war ganz glücklich und wünschte nichts, als Du wärest meine Frau und ich könnte auch solche Sinfonien schreiben.« Auf diese Worte lässt er denn auch Taten folgen. Bereits wenige Wochen nach der Hochzeit hält Schumann in seinem Tagebuch »symphonistische Versuche« fest. Nach ersten Entwürfen zu einer Sinfonie in c-Moll skizziert er im Jänner 1841 innerhalb von nur vier Tagen den vollständigen Entwurf seiner Sinfonie Nr. 1 B-Dur, die hier schon den späteren Titel trägt: »Frühlingssymphonie angefangen«, notiert er am 23., »Adagio und Scherzo d[er] Symphonie fertig gemacht« am 24., »Symphoniefeuer« – Schlaflose Nächte – am letzten Satz« am 25. und am 26. schließlich: »Juchhe! Symphonie fertig!« ›Fertig‹ war das Werk hier freilich nur als Klavierskizze, die anschließende Instrumentierung nimmt knapp vier Wochen in Anspruch. Am 20. Februar kann Schumann das Werk fertigstellen.

Robert Schumann, Lithografie von Josef Kriehuber, 1839

Sinfonie Nr. 1 B-Dur »Frühlingssinfonie«

Schon während des Arbeitsprozesses hat Schumann sein Werk auf den Namen »Frühlingssinfonie« getauft, den Anstoß dazu lieferte, wie seine Frau im gemeinsamen Ehetagebuch vermerkt, ein Gedicht: »Er nennt sie ›Frühlingssymphonie‹ – zart und dichterisch, wie all sein musikali sches Sinnen ist! – Ein Frühlingsgedicht von war der erste Impuls zu dieser Schöpfung.« Hinter der geheimnisvollen Leerstelle verbirgt sich der Leipziger Lyriker und Übersetzer Adolf Böttger, dessen Gedicht Du Geist der Wolke Schumann als implizites Motto für seine Sinfonie wählt und in der einleitenden Bläserfanfare des Kopfsatzes sogar den Rhythmus der Verse nachzeichnet:

Du Geist der Wolke, trüb’ und schwer, Fliegst drohend über Land und Meer.

Dein grauer Schleier deckt im Nu Des Himmels klares Auge zu,

Dein Nebel wallt herauf von fern

Und Nacht verhüllt der Liebe Stern:

Du Geist der Wolke, trüb’ und feucht, Was hast Du all’ mein Glück verscheucht,

Was rufst Du Thränen ins Gesicht,

Und Schatten in der Seele Licht?

O wende, wende Deinen Lauf, –Im Thale blüht der Frühling auf!

Während er den Titel beibehält, streicht Schumann die ursprünglichen programmatischen Überschriften der einzelnen Sätze – »Frühlingsbeginn«, »Abend«, »Frohe Gespielen«, »Voller Frühling« – noch vor der Uraufführung am 31. März 1841 im Rahmen eines Sonderkonzerts im Leipziger Gewandhaus wieder; es ist zugleich der erste öffentliche Auftritt von Clara Schumann als Pianistin nach ihrer Hochzeit.

Ganz dem Titel des Werkes verpflichtet, lässt Schumann das thematische Material seiner Sinfonie organisch aus dem Fanfarenmotto des Beginns erwachsen. So finden sich sowohl die Signalmotive als auch die charakteristische aufsteigende Ganztonfigur in praktisch allen Themen wieder.

Und auch in anderer Form entfaltet sich der ›Beziehungszauber‹, wenn etwa am Ende der pastoralen »Idylle«, wie Schumann den zweiten Satz in Skizzen zeitweise nennt, die Posaunen einen weihevollen Choral anstimmen, in dem sich bereits die ersten vier Töne des anschließenden Scherzos verstecken, dessen erstes Trio wiederum den Rhythmus des Kopfsatzes aufgreift. Spätestens wenn das verspielte Thema des Finales vor dem Eintritt der Reprise zuletzt mit Jagdhornrufen und zwitschernden Trillern der Flöte angekündigt wird und Schumanns »Voller Frühling« buchstäblich mit Pauken und Trompeten Einzug hält, ist der »Geist der Wolke« aus Böttgers Versen vollends verflogen.

»Zweierlei hat uns bei dieser Sinfonie angenehm überrascht; zuerst die geistige und technische Sicherheit und Gewandtheit, mit welchen sie erfunden und bearbeitet, sodann die Natürlichkeit des Styls, überhaupt die Richtung des Geschmacks, welche in ihr vorherrschend ist.«

Kritik der Uraufführung in der Allgemeinen musikalischen Zeitung vom 21. April 1841

Titelseite des Skizzenkonvoluts zur 1. Sinfonie mit Schumanns später gestrichenen Satztiteln »Frühlingsbeginn«, »Abend«, »Frohe Gespielen«, »Voller Frühling«, 1841

Die späte Fassung eines frühen Werkes

Anton Bruckner //

Sinfonie Nr. 1 c-Moll ›Wiener Fassung‹

Am 13. November 1855 kann Anton Bruckner, zu diesem Zeitpunkt Lehrer und Organist im Stift St. Florian, das Probespiel um die provisorische Besetzung der Stelle des Dom- und Stadtpfarrorganisten in Linz für sich entscheiden. Im Wettstreit mit den Konkurrenten Engelbert Lanz und Raimund Hain fantasiert er dabei dem Bericht seiner Biografen August Göllerich und Max Auer zufolge »so überwältigend, daß alle Strenge der Prüfungskommission sich in Ergriffenheit auflöst« und der Mitbewerber Lanz ihm ehrfurchtsvoll bescheinigt: »Du bist der Tod aller!« Nachdem er das am 25. Jänner 1856 abgehaltene Konkurrenzspiel zur definitiven Vergabe der Position ebenfalls gewinnen kann, gelingt es Bruckner, sich in Linz erst als Organist, später auch als Komponist vor allem sakraler Werke zu profilieren. Kurioserweise schlüpft er in dieser Zeit noch einmal in die Rolle des Schülers, um von 1855 bis 1861 zunächst Theorie beim Wiener Konservatoriumsprofessor und Hoforganisten Simon Sechter, anschließend bis 1863 Formenlehre und Instrumentation beim zehn Jahre jüngeren Linzer Theaterkapellmeister Otto Kitzler zu studieren. Unter Kitzlers Anleitung, der ihn unter anderem mit den Partituren klassischer Meister bis hin zu den neuesten Werken Franz Liszts und Richard Wagners vertraut macht, schafft es Bruckner endlich, sich den Weg zur Sinfonik zu erschließen. Besonders stark prägt sich dabei das Erlebnis der Aufführung von Wagners Oper Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg ein, die Kitzler am 13. Februar 1863 erstmals in Linz dirigiert. Der Abend wird zum kompositorischen Erweckungserlebnis für Bruckner, der in den Monaten vor und nach der Premiere die »Neuheit der Instrumentation« (Kitzler) gründlich studiert und in Wagner ein Vorbild findet, dessen Einfluss sich in der 1863 zum Abschluss seines Unterrichts komponier ten, später als Schularbeit ad acta gelegten ›Studiensinfonie‹ f-Moll WAB 99 ebenso widerspiegelt wie in der im Jänner 1865 begonnenen Sinfonie Nr. 1 c-Moll WAB 101.

Anton Bruckner Sinfonie Nr. 1 c-Moll ›Wiener Fassung‹

Anton Bruckner zum Zeitpunkt der Uraufführung seiner 1. Sinfonie, Fotografie von Carl Weidinger, 1868

Bezeichnenderweise reist Bruckner, unmittelbar nachdem er den Kopfsatz am 14. Mai 1865 fertiggestellt hat, zur Münchener Uraufführung von Wagners Tristan und Isolde, wo er seine noch unvollendete Partitur dem Dirigenten Hans von Bülow vorlegt und sich auch Wagner persönlich vorstellt. Unter dem Eindruck seines 14-tägigen Aufenthaltes komponiert er das mit »München 25. Mai [1]865« datierte Trio seines ansonsten bereits fertiggestellten Scherzos, dessen tatsächlich an den Tristan gemahnende chromatische Holzbläserfiguren und harmonische Wendungen in deutlichem Kontrast zum menuettartigen Rest des Satzes stehen. Dass Bruckner das Scherzo im Jänner des folgenden Jahres durch ein formal und klanglich deutlich umfangreicheres ersetzt und dabei einzig das ›Münchener‹ Trio unverändert lässt, verdeutlicht die Diskrepanz zwischen seinem ›vor- und nachwagner’schen‹ Stil.

Bruckner Sinfonie Nr. 1 c-Moll ›Wiener Fassung‹

Obwohl Bruckner seine 1. Sinfonie mit der Vollendung des Adagios am 14. April 1866 fertigstellen kann, muss er noch mehr als zwei Jahre warten, bis er das Werk der Linzer Öffentlichkeit präsentieren kann. Die Uraufführung am 9. Mai 1868 im Redoutensaal unter seiner eigenen Leitung, wenige Wochen bevor er als Nachfolger Sechters die Professur für Harmonielehre und Kontrapunkt am Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien antritt, ruft allerdings nur verhaltenes Echo hervor, wobei die Rezension Moritz von Mayfelds in der Linzer Zeitung bezeichnend für die Begeisterung und zugleich das Unverständnis ist, mit denen das Publikum der Neuartigkeit des Werkes begegnet: »Ob Herr Bruckner von den drei formellen Gesichtspunkten: Instrumentirung, Architektur, Verknüpfung, aus, – Vollkommenes erreicht hat, darüber mag die Meinung getheilt sein; gewiß ist, daß er auch von diesen Gesichtspunkten aus Großes geschaffen, ja, daß gerade hieraus seine große und wirkliche Begabung abzuleiten ist.«

»1te Sinfonie wundervoll!! Die muß gedruckt werden und gespielt – aber bitte, bitte – ändern Sie nicht zu viel – es ist Alles gut, wie es ist, auch die Instrumentation! Nicht zu viel retouchiren, bitte, bitte!«

Hermann Levi am 16. Februar 1890 an Anton Bruckner

Parallele im strengen Tonsatz verbotene Stimmführung, bei der Stimmen z. B. im Abstand einer Quinte (also von fünf Tönen) parallel zueinander laufen

Nachdem Bruckner bereits 1877 kleinere Korrekturen an seiner Partitur vorgenommen hat, unterzieht er das Werk vom März 1890 bis April 1891, nach Umarbeitung seiner Sinfonien Nr. 4, 3 und 8, einer umfassenden Revision. Neben der Korrektur von Satzfehlern, wie Oktav- und Quintparallelen, größeren Instrumentierungsretuschen sowie der Präzisierung von Vortragsbezeichnungen versucht er dabei zuvorderst, die Konturen der metrischen und formalen Struktur durch Streichungen und Hinzufügungen von Takten zu schärfen sowie die in der ›Linzer Fassung‹ oft blockhaft aufeinander folgenden harmonischen Abläufe organischer zu gestalten. In dieser ›Wiener Fassung‹, in der das Werk nach Ansicht Bruckners nunmehr »auf wissenschaftli cher-contrapunctischer Grundlage« beruht, wie er dem Dirigenten Hermann Levi im Juni 1891 mitteilt, kommt die Sinfonie am 13. Dezember desselben Jahres durch die Wiener Philharmoniker unter der Leitung Hans Richters zur umjubelten Erstaufführung im Großen Saal des Wiener Musikvereins.

Anton Bruckner Sinfonie Nr. 1 c-Moll ›Wiener Fassung‹

Anton Bruckner zum Zeitpunkt der Revisionsarbeiten an seiner 1. Sinfonie, Fotografie von Ludwig Grillich, 1890

Anton Bruckner Sinfonie Nr. 1 c-Moll ›Wiener Fassung‹

Gesangsperiode Bruckners Bezeichnung für die meist lyrischen zweiten Themen seiner Sinfoniesätze

»Wer könnte selbst nach einmaligem Hören je das scharf gezeichnete, echt symphonische und zugleich Bruckner’sche Thema vergessen, mit welchem orgelpunktartig der erste Satz anhebt?« Mit diesen Worten beschreibt der Kritiker Theodor Helm wenige Tage nach der Premiere der ›Wiener Fassung‹ in der Deutschen Zeitung den unnachahmlichen Eindruck, den der Beginn der Sinfonie auf ihn gemacht hat. Schon der Kopfsatz der Ersten enthält vieles, was für den sinfonischen Stil Bruckners später bestimmend wird: die Kontrastierung des rhythmisch prägnanten Hauptthemas mit einer lyrischen Gesangsperiode, ein wuchtiges drittes Thema, dessen Melodik und Instrumentierung hier hörbar die nachhaltige Wirkung des TannhäuserErlebnisses von 1863 erkennen lassen, markante Triolenbewegungen in den Begleitfiguren, fugierte Abschnitte in der Durchführung sowie eine grandiose Schlusssteigerung. Harmonisch suchend, von schwermütigen Seufzern und Vorhalten durchzogen, hebt anschließend der Gesang des Adagios an, in dessen Zentrum eine weitausschwingende Violinkantilene steht. Bruckners Biografen Göllerich zufolge soll Hans Richter dem Komponisten im Zuge der Erstaufführung der ›Wiener Fassung‹ augenzwinkernd zugeraunt haben: »Da warn’s aber sehr verliebt, wie’s das g’schrieben hab’n!« Während die verworfene erste Fassung des dritten Satzes noch ganz dem konventionellen Menuett der Klassik verpflichtet ist, stellt die Letztfassung mit ihren kräftigen Unisoni und ihrer rhythmisch markanten Melodik gewissermaßen die Blaupause des in späteren Sinfonien fortgeführten ScherzoStils Bruckners dar, innerhalb dessen schroffer Klanglandschaft das verträumt sinnende Trio einen idyllischen Ruhepol bildet. »Bewegt, feurig«, mit scharfen Doppelpunktierungen und wilden Sechzehntelkaskaden stürmt das Finale voran: »S’kecke Beserl sagt glei ohne viel Schnacks’n: ›Da bin i‹!«, wie Bruckner diesen Beginn laut Göllerich »mit köstlich-spitzbübischem Ausdruck« selbst beschrieb. Kantig, widerspenstig, auf charmante Weise sperrig und vor Ideenfülle überbordend reihen sich die Themen aneinander, überlagern sich und münden letztlich in eine feierliche Schlussapotheose in jubelndem C-Dur.

Wiener Philharmoniker

Kaum ein anderer Klangkörper wird enger mit der Geschichte und Tradition der europäischen klassischen Musik in Verbindung gebracht als die Wiener Philharmoniker. Im Laufe seines mehr als 180-jährigen Bestehens prägte das Orchester das musikalische Weltgeschehen, wobei der ›Wiener Klang‹ als sein herausragendes Qualitätsmerkmal hervorgehoben wird. Die Faszination, die die Wiener Philharmoniker seit ihrer Gründung durch Otto Nicolai im Jahre 1842 ausüben, beruht auf der bewusst gepflegten Homogenität des Musizierens sowie auf seiner einzigartigen Geschichte und Struktur. Grundsäulen der ›philharmonischen Idee‹ sind die demokratische Grundstruktur, die die künstlerischen und organisatorischen Entscheidungen in die Hände der Orchestermitglieder legt, sowie die enge Symbiose mit dem Orchester der Wiener Staatsoper. Die Statuten der Wiener Philharmoniker legen fest, dass nur ein Mitglied des Orchesters der Wiener Staatsoper Mitglied der Wiener Philharmoniker werden kann. 1860 kam es zur Einführung von Abonnementkonzerten, für die jeweils für die Dauer von mindestens einer Saison ein Dirigent

verpflichtet wurde. Ab 1933 ging das Orchester zum Gastdirigentensystem über, was eine große Bandbreite künstlerischer Begegnungen und das Musizieren mit den namhaftesten Dirigent:innen ermöglicht. Die internationale Konzerttätigkeit der Wiener Philharmoniker setzte Anfang des 20. Jahrhunderts ein. Sie brachte das Orchester quer durch alle Kontinente mit regelmäßigen Gastspielen in Deutschland, Japan, den USA und China. Seit 2008 wird das Orchester von ROLEX als Exklusivsponsor unterstützt. 2018 wurde die Orchesterakademie der Wiener Philharmoniker gegründet. Die Akademist:innen werden mittels Probespiel in einem strengen, international ausgerichteten Verfahren ausgewählt und zwei Jahre lang auf höchstem Niveau ausgebildet. Mit seinen jährlich über 40 Konzerten in Wien, darunter das Neujahrskonzert und das Sommernachtskonzert im Schlosspark von Schönbrunn, mit seinen seit 1922 stattfindenden Aufführungen bei den Salzburger Festspielen und mit mehr als 50 Konzerten im Rahmen internationaler Gastspiele zählen die Wiener Philharmoniker zu den führenden Orchestern der Welt.

Konzertmeister:innen

Rainer Honeck

Volkhard Steude

Albena Danailova

Yamen Saadi*

Erste Violine

Jun Keller

Daniel Froschauer

Maxim Brilinsky

Benjamin Morrison

Luka Ljubas

Martin Kubik

Milan Šetena

Martin Zalodek

Kirill Kobantschenko

Wilfried Hedenborg

Johannes Tomböck

Pavel Kuzmichev

Isabelle Ballot

Andreas Großbauer

Olesya Kurylyak

Thomas Küblböck

Alina Pinchas-Küblböck

Alexandr Sorokow

Ekaterina Frolova

Petra Kovačič

Katharina Engelbrecht

Lara Kusztrich

Zweite Violine

Raimund Lissy

Lucas Takeshi

Stratmann*

Patricia Hood-Koll

Adela FrasineanuMorrison

Alexander Steinberger

Tibor Kováč

Harald Krumpöck

Michal Kostka

Benedict Lea

Marian Lesko

Johannes Kostner

Martin Klimek

Jewgenij Andrusenko

Shkëlzen Doli

Holger Tautscher-Groh

Júlia Gyenge

Liya Frass

Martina Miedl*

Viola

Tobias Lea

Christian Frohn

Wolf-Dieter Rath

Robert Bauerstatter

Elmar Landerer

Martin Lemberg

Ursula Ruppe

Innokenti Grabko

Michael Strasser

Thilo Fechner

Thomas Hajek

Daniela Ivanova

Sebastian Führlinger

Tilman Kühn

Barnaba Poprawski

Christoph Hammer*

Violoncello

Tamás Varga

Peter Somodari

Raphael Flieder

Csaba Bornemisza

Sebastian Bru

Wolfgang Härtel

Eckart Schwarz-Schulz

Stefan Gartmayer

Ursula Wex

Edison Pashko

Bernhard Hedenborg

David Pennetzdorfer

Die mit * Sternchen gekennzeichneten Musiker:innen sind bestätigte Mitglieder des Orchesters der Wiener Staatsoper, die noch nicht dem Verein der Wiener Philharmoniker angehören.

Kontrabass

Herbert Mayr

Christoph WimmerSchenkel

Ödön Rácz

Jerzy Dybał

Iztok Hrastnik

Filip Waldmann

Alexander Matschinegg

Michael Bladerer

Bartosz Sikorski

Jan Georg Leser

J drzej Górski

Elias Mai

Valerie Schatz*

Harfe

Charlotte Balzereit

Anneleen Lenaerts

Flöte

Walter Auer

Karl-Heinz Schütz

Luc Mangholz

Günter Federsel

Wolfgang Breinschmid

Karin Bonelli

Oboe

Clemens Horak

Sebastian Breit

Paul Blüml*

Harald Hörth

Wolfgang Plank

Herbert Maderthaner

Klarinette

Matthias Schorn

Daniel Ottensamer

Gregor Hinterreiter

Andreas Wieser

Andrea Götsch

Alex Ladstätter*

Fagott

Harald Müller

Sophie Dervaux

Lukas Schmid*

Štěpán Turnovský

Wolfgang Koblitz

Benedikt Dinkhauser

Horn

Ronald Janezic

Josef Reif

Manuel Huber

Sebastian Mayr

Wolfgang Lintner

Jan Janković

Wolfgang Vladár

Thomas Jöbstl

Wolfgang Tomböck

Lars Stransky

Trompete

Martin Mühlfellner

Stefan Haimel

Jürgen Pöchhacker

Reinhold Ambros

Gotthard Eder

Daniel SchinnerlSchlaffer*

Posaune

Dietmar Küblböck

Enzo Turriziani

Wolfgang Strasser

Kelton Koch

Mark Gaal

Johann Ströcker

Tuba

Paul Halwax

Christoph Gigler

Schlagwerk

Anton Mittermayr

Erwin Falk

Thomas Lechner

Klaus Zauner

Oliver Madas

Benjamin Schmidinger

Johannes Schneider

Christian Thielemann

Dirigent

Christian Thielemann ist ab der Saison 2024/25 Generalmusikdirektor der Staatsoper Unter den Linden. Von 2012 bis 2024 war er Chefdirigent der Sächsischen Staatskapelle Dresden. Über Stationen an der Deutschen Oper Berlin, in Gelsenkirchen, Karlsruhe, Hannover und Düsseldorf kam er 1988 als Generalmusikdirektor nach Nürnberg. 1997 kehrte der gebürtige Berliner in seine Heimatstadt als Generalmusikdirektor der Deutschen Oper Berlin zurück, bevor er das gleiche Amt von 2004 bis 2011 bei den Münchner Philharmonikern innehatte. Neben seiner Dresdner Chefposition war er von 2013 bis 2022 Künstlerischer Leiter der Osterfestspiele Salzburg sowie musikalischer Berater und Musikdirektor der Bayreuther Festspiele. Eine enge Zusammenarbeit verbindet Christian Thielemann mit den Berliner und Wiener Philharmonikern, deren Neujahrskonzert er 2019 und 2024 dirigierte. Zahlreiche Einladungen führen ihn zudem zu den bedeutendsten Orchestern und Theatern dieser Welt.

Christian Thielemann ist Ehrenmitglied der Royal Academy of Music in London, Honorarprofessor der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber Dresden sowie Ehrendoktor der Hochschule für Musik FRANZ LISZT Weimar und der Katholischen Universität Leuven in Belgien. 2003 wurde ihm der Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland verliehen. Im Mai 2015 erhielt er den Richard-Wagner-Preis der Richard-Wagner-Stiftung Leipzig sowie im Oktober 2016 den Preis der Stiftung zur Förderung der Semperoper. 2022 wurde er mit dem Ehrenzeichen des Landes Salzburg und mit der Wappenmedaille in Gold der Stadt Salzburg ausgezeichnet. 2023 erhielt er die Ehrenmitgliedschaft und den Ehrenring der Wiener Staatsoper. 2024 wurde er von den Wiener Philharmonikern zum Ehrenmitglied und von der Staatskapelle Dresden zum Ehrendirigenten ernannt. Der Freistaat Sachsen zeichnete ihn zudem mit der Sächsischen Verfassungsmedaille aus. Christian Thielemann ist Schirmherr der Richard-Wagner-Stätten Graupa. Für seine umfangreiche Diskografie erhielt er zahlreiche Auszeichnungen.

Impressum

Herausgeberin

Linzer Veranstaltungsgesellschaft mbH, Brucknerhaus Linz, Untere Donaulände 7, 4010 Linz

René Esterbauer, BA MBA, Kaufmännischer Geschäftsführer

Redaktion

Andreas Meier

Biografien & Lektorat

Romana Gillesberger

Gestaltung

Anett Lysann Kraml

Leiter Programmplanung, Dramaturgie und szenische Projekte

Mag. Jan David Schmitz

Abbildungen

A. Abrar (S. 2), privat (S. 3), gemeinfrei (S. 7 & 9), Sammlung der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien (S. 11), OÖ Landes-Kultur GmbH, Musiksammlung (S. 13), L. Lammerhuber (S. 16–17), W.-D. Grabner (S. 21)

Programm-, Termin- und Besetzungsänderungen vorbehalten LIVA – Ein Mitglied der Unternehmensgruppe Stadt Linz

Das Konzert findet mit freundlicher Unterstützung der TYLE-Privatstiftung statt.

Wir danken für Ihren Besuch und wünschen Ihnen ein schönes Konzert!

Mit unserer eigenen Hammerkopfproduktion entfesseln wir das volle tonliche Spektrum unserer Flügel und Klaviere –eine Kunst, die Leidenschaft, Erfahrung und Disziplin erfordert. www.bechstein-linz.de

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