26. September 2024, 19:30 Uhr
Großer Saal
26. September 2024, 19:30 Uhr
Großer Saal
Karten und Infos:
+43 (0) 732 77 52 30 brucknerhaus.at
Mi, 13. Nov 2024, 19:30
Mittlerer Saal
Quatuor Mosaïques
Das legendäre Quatuor Mosaïques gastiert mit den meisterhaften letzten Quartettwerken Joseph Haydns und Franz Schuberts sowie dem ›Höllenquartett‹ von Joseph Wölfl im Brucknerhaus Linz.
Sa, 23. Nov 2024, 19:30
Mittlerer Saal
Hiemetsberger & Company of Music
Johannes Hiemetsberger und sein Vokalensemble Company of Music bringen Francis Poulencs mitreißende Kantate Figure humaine sowie Morton Feldmans Rothko Chapel auf die Bühne.
So, 1. Dez 2024, 11:00
Großer Saal
Radulović & Double Sens
Der serbische Geiger Nemanja Radulović und sein Ensemble Double Sens eröffnen mit ihrer unkonventionellen, frischen Herangehensweise neue Blickwinkel auf Bach und Beethoven.
Das Programm auf einen Blick
Richard Wagner und Anton Bruckner begegneten sich erstmals im Jahr 1865 persönlich. Bruckner, der dank der Linzer Erstaufführung des Tannhäuser zwei Jahre zuvor Wagner »kennen, lieben und verehren« gelernt hatte, war nach München gereist, um dort Wagners Tristan und Isolde zu erleben. Zu dem Musikdrama inspiriert hatte Wagner die aussichtslose Liebe zu seiner verheirateten Mäzenin Mathilde Wesendonck. Anklänge an die musikalischen Abgründe und Höhenflüge des Tristan finden sich auch in den heute als ›Wesendonck-Lieder‹ bekannten Vertonungen von fünf Gedichten Mathilde Wesendoncks, die Wagner zwischen Winter 1857 und Frühjahr 1858 realisierte. Seine Faust-Ouvertüre wurde nur wenige Jahre zuvor in Zürich uraufgeführt – eigentlich ein 183942 in Paris entstandenes Frühwerk, das er unter dem Eindruck eines Probenbesuchs zu Beethovens 9. Sinfonie zu komponieren begann und bis 1855 mehrfach umarbeitete.
Ebenfalls in deutlicher Tradition von Beethovens Neunter steht wiederum Bruckners 3. Sinfonie. Sie enthält aber zugleich auch zahlreiche direkte und indirekte Verweise auf die Musikdramen Richard Wagners, dem Bruckner das Werk »in tiefster Ehrfucht« widmete. Auch hier scheint an der einen oder anderen Stelle die Musik des Tristan auf.
Christiane Karg | Mezzosopran
Anima Eterna Brugge
Pablo Heras-Casado | Dirigent
Richard Wagner 1813–1883
Eine Faust-Ouvertüre dMoll WWV 59 // 1839–40, rev. 1843–44 & 1855
›Wesendonck-Lieder‹. Fünf Gedichte für eine Frauenstimme WWV 91 // 1857–58
Orchestrierung 1893 von Felix Mottl
Nr. 1 Der Engel
Nr. 2 Stehe still!
Nr. 3 Im Treibhaus
Nr. 4 Schmerzen
Nr. 5 Träume
// Pause //
Anton Bruckner 1824–1896
Sinfonie Nr. 3 dMoll WAB 103 // 1872–73 ›Fassung 1873‹
I Gemäßigt, misterioso
II Adagio. Feierlich
III Scherzo. Ziemlich schnell
IV Finale. Allegro
Konzertende ca. 21:45 Uhr
»Werther Freund!«, schreibt Richard Wagner am 30. Jänner 1848 an Franz Liszt: »Herr Halbert sagt mir, Sie wünschten meine Ouverture zu Göthes ›Faust‹: da ich gar keinen Grund wüßte, sie zurück zu halten, außer den, daß sie mir nicht mehr gefällt, so schicke ich sie Ihnen, weil ich glaube, es kommt in dieser Angelegenheit nur darauf an, ob die Ouverture Ihnen gefällt; sollte das letztere der Fall sein, so verfügen Sie über meine Arbeit, nur wäre es mir lieb, wenn ich das Manuscript gelegentlich einmal wieder zurückerhalten könnte.« Fast ein Jahrzehnt ist es her, dass Wagner seine Faust-Ouvertüre d-Moll während seiner ›brotlosen‹ Pariser Jahre von 1839 bis 1842 skizziert hat. Tatsächlich aber stehen zwischen diesem ersten, am 12. Jänner 1840 abgeschlossenen Entwurf und der schließlich 1855 vollendeten Letztfassung zahlreiche Umarbeitungen bis hin zur Neukonzeption grundlegender Aspekte des Stücks. Obwohl Wagner das Werk anfangs als Teil einer mehrsätzigen Faust-Sinfonie konzipiert und auch das musikalische Thema zu einem geplanten, mit »Gretchen« überschriebenen Satz bereits ausgearbeitet hat, legt er das Manuskript zunächst zugunsten der Arbeit an seinen Opern Rienzi und Der fliegende Holländer beiseite, ehe er das Konzept der Mehrsätzigkeit vor der geplanten Uraufführung am 22. Juli 1844 in Dresden – seit 1843 wirkt er hier als Königlich-Sächsischer Hofkapellmeister – im Rahmen einer musikalischen Akademie der Hofkapelle endgültig verwirft.
In dieser neuen Fassung schickt er die Partitur 1848 an Liszt, der ganze vier Jahre ins Land ziehen lässt, ehe er dem Freund am 7. Oktober 1852 ausführlich Bericht erstattet: »Deine ›Faust-Ouvertüre‹ erhältst Du mit der heutigen Post. […] Dies Werk ist ganz Deiner würdig – wenn Du mir jedoch erlaubst, Dir eine Bemerkung zu machen, so verhehle ich Dir nicht, daß mir entweder ein zweiter Mittelsatz [...] oder eine ruhigere, in anmuthiger Färbung gehaltene Führung des Mittelsatzes willkommen sein würde. Die Blasinstrumente treten da etwas massiv auf – und, verzeihe mir diese Meinung, das Motiv in F-dur halte ich für ungenügend – es fehlt ihm gewissermassen an Grazie und bildet da eine Art
Eine Faust-Ouvertüre d-Moll
von Zwischending, nicht recht Fisch nicht recht Fleisch, welches mit dem Vorhergehenden und dem Nachfolgenden nicht in dem richtigen Verhältniß oder Contrast steht, und folglich das Interesse hemmt. Wenn Du anstatt diesem einen weichen, zarten, gretchenhaft modulirten, melodischen Satz hineinbringst, so glaube ich Dich versichern zu können, daß Dein Werk sehr gewinnt. – Überlege es Dir, und falls ich Dir eine Dummheit gesagt hätte, so sei mir nicht böse.« Wagner hält das keineswegs für »Dummheit«, im Gegenteil, er zeigt sich ungewohnt einsichtig gegenüber der bei aller Kollegialität doch deutlichen Kritik und antwortet am 9. November desselben Jahres: »Du hast mich prächtig auf der Lüge ertappt, als ich mir weiß machen wollte, eine ›Ouvertüre zu Faust‹ geschrieben zu haben! Sehr richtig hast Du herausgefühlt, wo es da fehlt: es fehlt – das Weib! – Vielleicht würdest Du schnell aber mein Tongedicht verstehen, wenn ich es ›Faust in der Einsamkeit‹ nenne! – Damals wollte ich eine ganze Faustsymphonie schreiben: der erste Theil (der Fertige) war eben der ›einsame Faust‹ – in seinem Sehnen, Verzweifeln und Verfluchen: das ›Weibliche‹ schwebt ihm nur als Gebild seiner Sehnsucht, nicht aber in seiner göttlichen Wirklichkeit vor: und dieß ungenügende Bild seiner Sehnsucht ist es eben, was er verzweiflungsvoll zerschlägt. Erst der zweite
Richard Wagner, Aquatinta nach dem Aquarell von Clementine Stockar-Escher von 1853
Eine Faust-Ouvertüre d-Moll
Satz sollte nun Gretchen – das Weib – vorführen: schon hatte ich das Thema für sie – es war aber eben ein Thema –: das Ganze blieb liegen –ich schrieb meinen ›fliegenden Holländer‹. […] Will ich nun – aus einem letzten Rest von Schwäche und Eitelkeit – die Faustkomposition nicht ganz umkommen lassen, so habe ich sie allerdings etwas zu überarbeiten […]. Gebe ich’s heraus, so will ich’s aber richtig benennen: ›Faust in der Einsamkeit‹ oder ›Der einsame Faust‹ – ein Tongedicht für Orchester.« Die hier angekündigten Änderungen nimmt Wagner erst im Jänner 1855 vor, nachdem wiederum Liszt ihm von der Fertigstellung seiner eigenen Faust-Symphonie berichtet hat. Den Namen Faust-Ouvertüre behält Wagner zwar bei, will dem Werk jedoch stattdessen nun ein programmatisches Motto aus Goethes Dichtung vorangestellt wissen:
»Der Gott, der mir im Busen wohnt, Kann tief mein Innerstes erregen; Der über allen meinen Kräften thront, Er kann nach außen nichts bewegen; Und so ist mir das Dasein eine Last, Der Tod erwünscht, das Leben mir verhaßt.«
Die äußerlich in klassischer Sonatenhauptsatzform gehaltene Ouvertüre beginnt »sehr gehalten« mit einer rezitativartigen Einleitung der Kontrabässe und der Basstuba, die in Verbindung mit murmelnden, hie und da in verhaltene Sforzati mündenden Sechzehntelfiguren der Streicher das monologisierende Sinnen des »Faust in der Einsamkeit« nachzeichnet, das im folgenden »sehr bewegt[en]« Hauptteil durch eine chromatisch gefärbte, unruhig sich windende Melodie fortgeführt wird. Der von einfacher Dreiklangsmelodik geprägte Seitensatz spiegelt das von Wagner beschriebene »Gebild seiner Sehnsucht« wider. Ähnlich seinen musikdramatischen Werken spannt der Komponist auch in seiner Faust-Ouvertüre ein engmaschiges Netz aus leitmotivischen Themen, deren vielschichtiges Geflecht die starre Sonatensatzform zugunsten einer freieren, dramatischeren Musiksprache in den Hintergrund drängt.
Andreas Meier
Richard Wagner // ›Wesendonck-Lieder‹
Wegen seiner Beteiligung am revolutionären Vormärz in Sachsen zur steckbrieflich gesuchten Persona non grata geworden, hatte es Richard Wagner zu Beginn der 1850er-Jahre nach Zürich verschlagen. Seitdem war er mit seiner Ehefrau Minna auf der Flucht und ohne festes Einkommen. Dass Wagner nichtsdestotrotz an seinen wenig lukrativen kompositorischen Großprojekten wie dem Ring des Nibelungen festhielt, stieß bei Minna auf Unverständnis – entsprechend litt die Ehe unter der prekären Lebenssituation. Finanzielle Unterstützung erfuhren die Wagners schließlich durch das Mäzenatenpaar Otto und Mathilde Wesendonck –letztere war zugleich Salonière und Schriftstellerin. Geboren als Agnes Luckemeyer, hatte sie 1848 den Kaufmann Otto Wesendonck geheiratet, der durch Seidenhandel zu Vermögen gekommen war. Aus Liebe zu Otto nahm Agnes nach der Hochzeit den Namen seiner verstorbenen ersten Frau Mathilde an. Trotz der glücklichen Ehe und im Mitwissen des Ehemanns entwickelte sich zwischen Mathilde Wesendonck und Wagner eine intensive Liebesbeziehung: Für Wagner war die 15 Jahre jüngere Mathilde nicht nur eine seiner wichtigsten finanziellen Unterstützerinnen, sondern zugleich auch Vertraute, Muse, Gefährtin, Gesprächspartnerin. Im Frühjahr 1857 übersiedelten die Wesendoncks in ihre neu erbaute Villa in der Zürcher Vorstadt und boten dem Ehepaar Wagner an, ins Gartenhaus einzuziehen. Für Wagner, der unter seiner vorherigen Wohnsituation in Zürich sehr gelitten hatte, wurde das Fachwerkhaus im Garten der Wesendoncks sein »Asyl am grünen Hügel«, wie er sein Domizil liebevoll nannte. Sein dor tiger Arbeitsalltag war von der unmittelbaren Nähe zu den Wesendoncks geprägt: Man pflegte regelmäßig zusammen zu essen, las abends gemeinsam spanische Literatur, lieh sich gegenseitig Bücher aus, machte sich kleine Geschenke oder ging ins Theater oder Konzert. Meist nutzte Wagner den Vormittag, um zu komponieren und präsentierte Mathilde Wesendonck am Nachmittag seine neuesten Fortschritte und Einfälle am Klavier. Die Jahre in Zürich stellten dabei für ihn insgesamt
Richard Wagner ›Wesendonck-Lieder‹
eine sehr produktive Schaffensphase dar, in der er Das Rheingold, Die Walküre und Siegfried komponierte, mit der Dichtung und Komposition von Tristan und Isolde begann und erste Ideen für Parsifal und Die Meistersinger von Nürnberg entwickelte.
Einige Monate nach seinem Einzug ins »Asyl« vertonte Wagner im November 1857 ein erstes Gedicht von Mathilde Wesendonck für Frauenstimme und Klavier – vier weitere sollten folgen. Die den Texten zugrundeliegenden Sujets – Liebe, Tod, Vergänglichkeit, Sehnsucht – spiegeln die unerfüllte Liebe zwischen Wagner und Wesendonck wider, die ihn auch zur Konzeption von Tristan und Isolde inspiriert hatte. »Daß ich den Tristan geschrieben, danke ich Ihnen aus tiefster Seele in aller Ewigkeit!« schrieb Wagner an seine Muse. Meist vertonte Wagner ein Gedicht von Mathilde zügig innerhalb eines Tages. Zuerst entstand am 30. November 1857 das Lied Der Engel – einer der Kosenamen, die Wagner in seinen Briefen für Mathilde verwendete. Am 4. und 5. Dezember 1857 komponierte er als nächstes Träume, am 17. Dezember Schmerzen, am 22. Februar 1858
Stehe still! und schließlich am 1. Mai 1858 Im Treibhaus. Zuvor kam jedoch sein Aufenthalt am Zürcher »grünen Hügel« zu einem jähen Ende: Seine Ehefrau Minna hatte einen Liebesbrief von Wagner an Mathilde abgefangen und machte unmissverständlich klar, dass sie die enge ›Brieffreundschaft‹ der beiden nicht mehr länger tolerieren würde. Die
Richard Wagner ›Wesendonck-Lieder‹
Dreiecksbeziehung geriet zum öffentlichen Skandal. Wagner floh vor dem vernichtenden Urteil der Öffentlichkeit nach Venedig, wo er schließlich Tristan und Isolde fertigstellte und – womöglich unter den Eindrücken der Flucht und der Trennung – das letzte der fünf Gedichte Im Treibhaus zu Musik setzte. Die Beziehung zu Mathilde hatte dabei nicht nur die Handlung von Tristan und Isolde inspiriert. Auch musikalisches Material aus Träume und Im Treibhaus – von Wagner später auch als »Studien zu Tristan und Isolde« bezeichnet – floss in die Komposition des Musikdramas ein. Das Liebesduett im zweiten Aufzug »O sink hernieder, Nacht der Liebe«, das Wagner 1858 in Venedig ausgearbeitet hatte, greift in abgewandelter Form denselben musikalischen Duktus auf, der Träume auszeichnet. Die Gesangsmelodie der letzten Liedtextzeile »Sanft an deiner Brust verglühen, – Und dann sinken in die Gruft« ist dabei nahezu identisch zur letzten Zeile »Nie-wieder-Erwachens wahnlos hold bewusster Wunsch« aus dem Liebesduett von Tristan und Isolde im zweiten Aufzug. Aus dem musikalischen Material von Im Treibhaus speist sich wiederum das Vorspiel zum dritten Aufzug, in dem der schwerverletzte, fiebrighalluzinierende Tristan vor Sehnsucht nach seiner Geliebten Isolde vergeht. Wagner, der notorisch dafür war, die Grenzen zwischen Privatleben und Kunst verschwimmen zu lassen, setzte der unmöglichen Liebe zu Mathilde und dem Zusammenleben mit den Wesendoncks so ein musikalisches Denkmal. Mit Mathilde blieb er über seinen Fortgang aus Zürich hinaus in Kontakt und auch mit ihrem Ehemann Otto verband ihn weiterhin eine enge Freundschaft. In einem Brief an Mathilde aus dem Juli 1859 erinnert sich Wagner nostalgisch an den Moment, an dem sich für ihn abzeichnete, dass er sein »Asyl« würde aufgeben müssen: »Nie habe ich mich um die Rosen so bekümmert, wie damals. Ich brach mir jeden Morgen eine und stellte sie im Glas zu meiner Arbeit: Ich wusste, dass ich Abschied von dem Garten nahm. Mit diesem Gefühle hat sich dieser Duft ganz ver woben: Schwüle, Sommersonne, Rosenduft und Abschied.«
Paula Schlüter
»Ja!
Anton Bruckner // Sinfonie Nr. 3 d-Moll ›Fassung 1873‹
»Wir möchten dem als Menschen und Künstler von uns aufrichtig geehrten Componisten, der es mit der Kunst ehrlich meint, so seltsam er auch mit ihr umgeht, nicht gerne Wehtun. Darum setzen wir an die Stelle einer Kritik lieber das bescheidene Geständniß, daß wir seine gigantische Symphonie nicht verstanden haben. Weder seine poetischen Intentionen wurden uns klar – vielleicht eine Vision, wie Beethoven’s ›Neunte‹ mit Wagner’s ›Walküre‹ Freundschaft schließt und endlich unter die Hufe ihrer Pferde geräth – noch den rein musikalischen Zusammenhang vermochten wir zu fassen. Der persönlich dirigirende Componist wurde mit Beifall begrüßt und am Schlusse von einer bis zum Ende ausdauernden Fraction des Publicums für die Flucht der Uebrigen durch lebhaften Applaus getröstet.« Wenn auch scheinheilig maskiert, fiel das Urteil des einflussreichen Wiener Musikkritikers Eduard Hanslick in der Neuen Freien Presse zur Uraufführung der 3. Sinfonie von Anton Bruckner 1877 doch reichlich vernichtend aus. Keine seiner Sinfonien sah sich so viel Hass von der konser vativen Wiener Musikpresse ausgesetzt wie seine Dritte. Schuld daran war mitunter das offene Bekenntnis zu seinen zwei künstlerischen ›Leitsternen‹ Ludwig van Beethoven und Richard Wagner, welches Bruckner mit der Komposition ablegte. So vereint das Werk in sich einerseits deutliche Ver weise auf das große Vorbild der 9. Sinfonie in d-Moll von Beethoven und zugleich zahlreiche Anklänge an Wagners Musikdramen Tristan und Isolde und Die Walküre Auszüge aus den beiden Werken hatte Bruckner am 12. Mai 1872 im Wiener Musikverein gehört. Im Winter desselben Jahres begann er mit der Komposition seiner 3. Sinfonie, die er schließlich zu Silvester 1873 fertigstellte.
In Bruckners gesamtem sinfonischen Schaffen markiert die 3. Sinfonie einen Wendepunkt: In ihr kulminieren einerseits kompositorische Ansätze aus der 1. und 2. Sinfonie sowie thematisches Material aus seiner 1869 entstandenen und schließlich ›annullierten‹ Sinfonie d-Moll. Zugleich weist die Dritte bereits Merkmale der Bruckner’schen Sinfonik
Anton Bruckner
Sinfonie Nr. 3 d-Moll ›Fassung 1873‹
auf, die sich in den folgenden Sinfonien weiter ausprägen sollten. Dazu gehören knappe, signalhafte thematische Formulierungen, die sich als satzübergreifende ›Marke‹ etablieren und zugleich vielseitig kontrapunktisch verarbeitet werden; die zyklische Durchführung der Sätze und die thematische Apotheose am Ende des Finales; der Bruckner’sche ›Tanzsatz‹-Typus, den er im dritten Satz etabliert sowie die über die klassische Orchesterbesetzung hinausgehende Verwendung von drei Trompeten, die als erstes Anzeichen eines kontinuierlichen ›Aufrüstens‹ der Blechbläsergruppe gelesen werden kann.
Noch vor Fertigstellung der Sinfonie machte Bruckner auf der Rückreise von einem Kuraufenthalt im September 1873 in Marienbad einen Umweg über Bayreuth, um Richard Wagner seine zweite und ebenso seine dritte Sinfonie zur Widmung anzutragen. Wagner äußerte sich Berichten zufolge mehr als wohlwollend über die Dritte und ließ laut Bruckner »dann a Bierfaßl anfahr’n […] und [hat] mir beim ersten Glas zug’rufen: ›Und nun, lieber Freund, trinken wir auf das Wohl Ihres Werkes‹« (August Göllerich/Max Auer). Am nächsten Tag, es war offenbar nicht bei einem Glas geblieben, konnte sich Bruckner nicht mehr erinnern, welche seiner beiden Sinfonien Wagner zur Widmung angenommen hatte, sodass er auf einem Briefbogen des Hotels Zum goldenen Anker »›Symfonie in D moll‹, wo die ›Trompete‹ das Thema beginnt[?]« schrieb und diesen an Wagner schickte. Dessen Antwort, auf demselben Brief hinzugesetzt, fiel ebenso klar wie lakonisch aus: »Ja! Ja! Herzlichen Gruss! Richard Wagner«. Später berichtete Bruckner immer wieder, wie enthusiastisch sich der Widmungsträger über seine Sinfonie geäußert habe – das Urteil des »hocherhabene[n] Meister[s]« (Bruckner) galt ihm als höchster Ritterschlag. Trotzdem unterzog er sein Werk immer wieder umfassenden Revisionen und Kürzungen. Mehrfach versuchte er, es im Wiener Musikvereinssaal zur Aufführung zu bringen, ein Ansinnen, das jedes Mal abgelehnt wurde. Die am 16. Dezember 1877 auf Drängen des Dirigenten Johann Herbeck schließlich doch anberaumte Uraufführung im Rahmen eines Gesellschaftskonzerts unter Bruckners eigener Leitung geriet zum größten Debakel seiner Karriere: Obwohl die Sinfonie zuvor massiv eingekürzt worden war, empfand das Wiener Publikum die großflächigen Dimensionen des Werks als unzumutbar, viele Zuschauer:innen verließen noch während des Konzerts den Saal. Die Wagner zur Widmung vorgelegte ungekürzte Urfassung kam
Anton Bruckner Sinfonie Nr. 3 d-Moll ›Fassung 1873‹
Titelblatt des in Wahnfried erhaltenen
Widmungsexemplars der 3. Sinfonie, 1874
zu Bruckners Lebzeiten nie zur Aufführung. Rekonstruierbar ist sie nur, weil Bruckner im Frühjahr 1874 eine Abschrift der fertiggestellten Partitur nach Bayreuth schickte, die dort in der Bibliothek von Haus Wahnfried erhalten blieb. In ihr sind einige fast notengetreue Wagner-Zitate enthalten, wie das des chromatischen ›Schlafzaubers‹ aus der Walküre im ersten Satz, die Bruckner in späteren Fassungen wieder tilgte. Seine ausführliche Widmung der Sinfonie an Wagner, die seine fast schon devote Huldigung zum Ausdruck brachte, findet sich auf dem Titelblatt dieser Abschrift von 1874. Wie sehr Bruckner diese Widmung am Herzen lag, illustriert eine Anekdote von Verleger Theodor Rättig, der sich der ersten
Anton
Bruckner Sinfonie
Nr. 3 d-Moll ›Fassung 1873‹
Drucklegung der 3. Sinfonie annahm:
Widmungsblatt des Erstdrucks der 3. Sinfonie mit handschriftlich korrigierter Widmung, 1878
»Als ich ihm das erste schön gestochene und gebundene Exemplar der ›Dritten‹ überbrachte, schlug er es freudig lächelnd auf, fuhr aber plötzlich zurück: ›Um Gotteswillen! Da steht ja ›Meister Rich[ard]. Wagner in tiefster Verehrung gewidmet‹, das muß ja Ehrfurcht heißen.‹ Es war und blieb sehr schwer, ihn über diesen schrecklichen Fehler zu trösten« (Göllerich/Auer).
Paula Schlüter und Andreas Meier
Richard Wagner
›Wesendonck-Lieder‹
Text: Mathilde Wesendonck // 1828–1902
Nr. 1 Der Engel
In der Kindheit frühen Tagen Hört ich oft von Engeln sagen, Die des Himmels hehre Wonne Tauschen mit der Erdensonne,
Dass, wo bang ein Herz in Sorgen Schmachtet vor der Welt verborgen, Dass, wo still es will verbluten, Und vergeh’n in Tränenfluten,
Dass, wo brünstig sein Gebet Einzig um Erlösung fleht, Da der Engel niederschwebt, Und es sanft gen Himmel hebt.
Ja, es stieg auch mir ein Engel nieder, Und auf leuchtendem Gefieder
Führt er, ferne jedem Schmerz, Meinen Geist nun himmelwärts!
Nr. 2 Stehe still!
Sausendes, brausendes Rad der Zeit, Messer du der Ewigkeit; Leuchtende Sphären im weiten All, Die ihr umringt den Weltenball; Urewige Schöpfung, halte doch ein, Genug des Werdens, lass mich sein!
Halte an dich, zeugende Kraft, Urgedanke, der ewig schafft!
Hemmet den Atem, stillet den Drang, Schweiget nur eine Sekunde lang! Schwellende Pulse, fesselt den Schlag; Ende, des Wollens ew’ger Tag! Dass in selig süßem Vergessen Ich mög’ alle Wonnen ermessen!
Wenn Aug’ in Auge wonnig trinken, Seele ganz in Seele versinken; Wesen in Wesen sich wiederfindet, Und alles Hoffens Ende sich kündet, Die Lippe verstummt in staunendem Schweigen, Keinen Wunsch mehr will das Inn’re zeugen:
Erkennt der Mensch des Ew’gen Spur, Und löst dein Rätsel, heil’ge Natur!
Nr. 3 Im Treibhaus
Hochgewölbte Blätterkronen, Baldachine von Smaragd, Kinder ihr aus fernen Zonen, Saget mir, warum ihr klagt?
Schweigend neiget ihr die Zweige, Malet Zeichen in die Luft, Und der Leiden stummer Zeuge Steiget aufwärts, süßer Duft.
Weit in sehnendem Verlangen
Breitet ihr die Arme aus, Und umschlinget wahnbefangen Öder Leere nicht’gen Graus.
Wohl, ich weiß es, arme Pflanze; Ein Geschicke teilen wir, Ob umstrahlt von Licht und Glanze, Unsre Heimat ist nicht hier!
Und wie froh die Sonne scheidet
Von des Tages leerem Schein, Hüllet der, der wahrhaft leidet, Sich in Schweigens Dunkel ein.
Stille wird’s, ein säuselnd Weben
Füllet bang den dunklen Raum: Schwere Tropfen seh’ ich schweben An der Blätter grünem Saum.
Nr. 4 Schmerzen
Sonne, weinest jeden Abend Dir die schönen Augen rot, Wenn im Meeresspiegel badend Dich erreicht der frühe Tod;
Doch erstehst in alter Pracht, Glorie der düst’ren Welt, Du am Morgen neu erwacht, Wie ein stolzer Siegesheld!
Ach, wie sollte ich da klagen, Wie, mein Herz, so schwer dich sehn, Muss die Sonne selbst verzagen, Muss die Sonne untergeh’n?
Und gebieret Tod nur Leben, Geben Schmerzen Wonne nur: O wie dank ich, dass gegeben Solche Schmerzen mir Natur!
Nr. 5 Träume
Sag, welch wunderbare Träume
Halten meinen Sinn umfangen, Dass sie nicht wie leere Schäume Sind in ödes Nichts vergangen?
Träume, die in jeder Stunde, Jedem Tage schöner blüh’n, Und mit ihrer Himmelskunde Selig durchs Gemüte zieh’n!
Träume, die wie hehre Strahlen
In die Seele sich versenken, Dort ein ewig Bild zu malen: Allvergessen, Eingedenken!
Träume, wie wenn Frühlingssonne Aus dem Schnee die Blüten küsst, Dass zu nie geahnter Wonne Sie der neue Tag begrüßt,
Dass sie wachsen, dass sie blühen, Träumend spenden ihren Duft, Sanft an deiner Brust verglühen, Und dann sinken in die Gruft.
Mezzosopran
Christiane Karg, in Feuchtwangen in Deutschland geboren, studierte an der Universität Mozarteum Salzburg bei Heiner Hopfner und Wolfgang Holzmair und gab bereits während ihres Studiums ihr Debüt bei den Salzburger Festspielen.
Die Sopranistin ist nicht nur an führenden Bühnen der Welt – von London, Paris, Hamburg, Wien und Berlin bis nach New York und Chicago – in zentralen Partien ihres Fachs zu erleben, sondern begeistert auch international als Konzertsängerin. Dabei arbeitet sie mit bedeutenden Orchestern wie den Wiener, den Münchner und den Berliner Philharmonikern, dem Gewandhausorchester Leipzig, der Sächsischen Staatskapelle Dresden, dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, dem Orchestre de Paris, dem Orchestra dell’Accademia di Santa Cecilia, dem Philadelphia Orchestra, dem Rotterdam Philharmonic Orchestra, den Wiener und den Bamberger Symphonikern zusammen. Herbert Blomstedt, Riccardo Chailly, Daniel Harding, Nikolaus Harnoncourt, Riccardo Muti, Zubin Mehta, Kirill Petrenko und Christian Thielemann sind nur einige der prominenten Dirigenten, mit denen sie aufgetreten ist.
Christiane Karg ist passionierte Liedsängerin und regelmäßig zu Gast bei Veranstaltungen wie der Schubertiade Schwarzenberg sowie in der Londoner Wigmore Hall, welche der Künstlerin 2019/20 eine eigene Residency widmete. In ihrer Heimatstadt Feuchtwangen leitet sie das Festival KunstKlang und mit ihrem Projekt Be part of it! – Musik für alle engagiert sie sich intensiv für Musikvermittlung bei Kindern und Jugendlichen.
Die Künstlerin veröffentlichte bereits einige Aufnahmen, wie zum Beispiel ihre Solo-CDs Parfum oder Erinnerung, die ein weites Spektrum von Oper, Konzert und Lied widerspiegeln. Für ihre Verdienste wurden ihr der Kulturpreis Bayern in der Kategorie Kunst, der Bayerische Verdienstorden sowie der Brahms-Preis der Brahms-Gesellschaft Schleswig-Holstein verliehen.
Das internationale Orchester Anima Eterna Brugge mit Sitz in Brügge wurde 1987 vom Dirigenten, Cembalisten und Pianisten Jos van Immerseel gegründet, der bis zum Jahr 2021 als künstlerischer Leiter tätig war. Seit 2020 arbeitet Anima Eterna Brugge mit vier verschiedenen Dirigent:innen zusammen, von denen jede:r ihren respektive seinen eigenen künstlerischen Weg mit dem Orchester geht: Giovanni Antonini ist auf der Suche nach einem historischen Belcanto, Bart Van Reyn nimmt das Orchester mit in die Geburtsstunde der Sinfonie, Midori Seiler definiert den Klang der Romantik neu und Pablo HerasCasado stellt seit 2022 Anton Bruckner in den Mittelpunkt. Das Orchester ist auf das Repertoire aus der Zeit zwischen 1750 und 1945 spezialisiert. Je nach Repertoire kann seine Größe zwischen sieben und achtzig Musiker:innen variieren. Die historische Aufführungspraxis zieht sich als roter Faden durch die musikalische Geschichte des Orchesters.
Für jede Epoche werden neue Maßstäbe im Bereich der Aufführungspraxis gesetzt. Das Orchester ist in den großen Konzertsälen der Welt zu Gast, vom Lincoln Center in New York über das Sydney Opera House und den Musikverein Wien bis zur Elbphilharmonie in Hamburg. Im Brügger Concertgebouw ist Anima Eterna Brugge seit 2002 Artist in Residence. Das Orchester verfügt über eine besonders umfangreiche Diskografie mit mehr als fünfzig Veröffentlichungen bei den Labels Zig-Zag Territoires, Channel Classic Records und Alpha Classics. Dabei wurden unter anderem sämtliche Schubert-Sinfonien, ein Zyklus aller Beethoven-Sinfonien sowie Bruckners 4. Sinfonie eingespielt – weitere Bruckner-Sinfonien folgen.
Mit Unterstützung des belgischen »Tax shelter«-Programms durch Flanders Tax Shelter
Dirigent
Pablo Heras-Casado hat als vielseitiger Dirigent auf sich aufmerksam gemacht, dessen Repertoire von Alter Musik und historischer Aufführungspraxis bis hin zur großen Sinfonie- und Opernliteratur sowie zu zeitgenössischen Werken reicht. Als gefragter Gastdirigent tritt er weltweit mit Klangkörpern wie den Berliner, den Münchner und den Wiener Philharmonikern, der Staatskapelle Berlin, dem Philharmonia Orchestra, dem Orchestre Philharmonique de Radio France, dem Royal Concertgebouw Orchestra, dem London Symphony Orchestra, dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, den Wiener Symphonikern sowie mit den Sinfonieorchestern von San Francisco, Chicago, Pittsburgh, Minnesota, Philadelphia, Los Angeles und Montréal auf. Er genießt eine langjährige Zusammenarbeit mit dem Freiburger Barockorchester, mit dem er zahlreiche Tourneen und Aufnahmen – zuletzt mit Mendelssohn Bartholdys Ein Sommernachtstraum – unternahm. Im Sommer 2022 begann Pablo Heras-Casado eine neue Partnerschaft mit Anima Eterna Brugge mit Tourneen und Aufnahmen von Anton Bruckners Sinfonien auf historischen Instrumenten.
Zu seinen jüngsten Opernprojekten gehören die Neuproduktion von Richard Wagners Die Meistersinger von Nürnberg in Madrid, György Ligetis Le Grand Macabre an der Wiener Staatsoper – wo er bereits die Monteverdi-Trilogie (L’Orfeo, L’incoronazione di Poppea, Il ritorno d’Ulisse in patria) dirigiert hat – sowie Mozarts Così fan tutte an der Opéra national de Paris. In Paris wird er ab der Spielzeit 2024/25 eine Neuproduktion von Wagners Der Ring des Nibelungen dirigieren. Pablo Heras-Casado war außerdem zu Gast an der Staatsoper Unter den Linden und der Deutschen Oper in Berlin, der Metropolitan Opera in New York, dem Festival d’Aix-en-Provence und den Festspielen Baden-Baden. Bei den Labels Harmonia Mundi und Deutsche Grammophon hat er eine umfangreiche Diskografie aufgenommen.
Impressum
Herausgeberin
Linzer Veranstaltungsgesellschaft mbH, Brucknerhaus Linz, Untere Donaulände 7, 4010 Linz
René Esterbauer, BA MBA, Kaufmännischer Geschäftsführer
Redaktion
Paula Schlüter, MA
Biografien
Celia Ritzberger, BA MA
Lektorat
Romana Gillesberger
Gestaltung
Anett Lysann Kraml, Lukas Eckerstorfer
Leiter Programmplanung, Dramaturgie und szenische Projekte
Mag. Jan David Schmitz
Abbildungen
S. Zolak (S. 2), gemeinfrei (S. 6, 9 & 10), Nationalarchiv der RichardWagnerStiftung, Bayreuth (S. 14), Österreichische Nationalbibliothek, Wien (S. 15), G. Schenker (S. 21), J. Landau (S. 22–23), J. Salas/Harmonia Mundi (S. 25)
Programm, Termin und Besetzungsänderungen vorbehalten
LIVA – Ein Mitglied der Unternehmensgruppe Stadt Linz
Wir danken für Ihren Besuch und wünschen Ihnen ein schönes Konzert!
Mit unserer eigenen Hammerkopfproduktion entfesseln wir das volle tonliche Spektrum unserer Flügel und Klaviere –eine Kunst, die Leidenschaft, Erfahrung und Disziplin erfordert. www.bechstein-linz.de