10. Oktober 2024, 19:30 Uhr
Großer Saal
10. Oktober 2024, 19:30 Uhr
Großer Saal
Karten und Infos:
+43 (0) 732 77 52 30 brucknerhaus.at
So, 8. Dez 2024, 11:00 & 15:00
Großer Saal
Bachs Weihnachtsoratorium
Michi Gaigg und das L’Orfeo Barockorchester lassen am zweiten Adventsonntag alle sechs Kantaten von Bachs berühmtem Weihnachtsoratorium in ihrer vollen Pracht erklingen.
Do, 12. Dez 2024, 19:30
Großer Saal
Sanderling, Capuçon & Luzerner Sinfonieorchester
Das Luzerner Sinfonieorchester und Michael Sanderling präsentieren Schuberts 8. Symphonie und Schostakowitschs 1. Cellokonzert mit Gautier Capuçon als Solisten.
So, 15. Dez 2024, 18:00
Mittlerer Saal
Michael Schade, André Ferreira & Christoph Hammer
Begleitet von André Ferreira an der Biedermeiergitarre und Christoph Hammer am Hammerklavier, singt Michael Schade Schuberts Winterreise.
Das Programm auf einen Blick
Zwei Werke von Wolfgang Amadé Mozart und Anton Bruckner stehen auf dem Programm, die ebenso den Abschluss des sinfonischen Schaffens beider Komponisten markieren, wie sie in ihrer Radikalität künstlerische Wegweiser in die Zukunft darstellen.
Mozart komponierte seine 41. Sinfonie im Sommer 1788 in unmittelbarer zeitlicher Nähe zu seinen beiden Sinfonien Nr. 40 und 39, mit denen das Werk auch musikalisch verbunden ist. Die virtuose Verschränkung ›strenger‹ und ›freier‹ Formen, die ihren Gipfelpunkt in einer fulminanten Übereinanderschichtung aller Hauptmotive im Finale erreicht, versuchte der Konzertveranstalter Johann Peter Salomon nach Mozarts Tod mit dem Beinamen ›Jupiter‹ einzufangen.
Bruckner wiederum arbeitete an seiner 9. Sinfonie, mit der er bereits 1887 begann, buchstäblich bis zu seinem letzten Atemzug. Doch selbst in seiner unvollendeten dreisätzigen Form dringt das Werk mit unerhörter Radikalität bis an die harmonischen und ästhetischen Grenzen seiner Zeit vor, ehe es sie im ›abschließenden‹ Adagio sogar zu überschreiten scheint.
Jakob Lehmann | Dirigent
Wolfgang Amadé Mozart 1756–1791
Sinfonie Nr. 41 CDur KV 551 ›Jupiter‹ // 1788
I Allegro vivace
II Andante cantabile
III Menuetto. Allegretto – Trio
IV Molto allegro
// Pause //
Anton Bruckner 1824–1896
Sinfonie Nr. 9 dMoll WAB 109 // 1887–94
I Feierlich, misterioso
II Scherzo. Bewegt, lebhaft – Trio. Schnell
III Adagio. Langsam, feierlich
Konzertende ca. 21:45 Uhr
Ein Mitschnitt des Konzerts wird am 19. November 2024 um 19.30 Uhr in der Sendereihe Das Ö1 Konzert ausgestrahlt..
Wolfgang Amadé Mozart // Sinfonie Nr. 41 C-Dur
Wolfgang Amadé Mozarts drei letzte Sinfonien Nr. 39, 40 und 41 ragen in ihrer kompositorischen Meisterschaft, ihrer klanglichen und konzeptionellen Vielgestaltigkeit und ihrer damit verbundenen, bis heute anhaltenden Unergründlichkeit wie Monolithen aus der musikalischen Landschaft ihrer Zeit heraus: »Drei in ihrer Unterschiedlichkeit zusammengehörige Sinfonien, drei jeweils einen Grundklang der Tonart vertretende Orchester«, wie der Musikwissenschaftler Peter Gülke den unterschwelligen roten Faden, der sich durch diese Werktrias zieht, zusammenfasst. Zunächst der heroische, prachtvolle Klang der Sinfonie Nr. 39 EsDur, dann das schroffe, tiefschürfende ›Kammerstück‹ der Sinfonie Nr. 40 gMoll und zuletzt die vollendeten Formen und kraftvollen Rhythmen der Sinfonie Nr. 41 CDur: Es sind Werke, deren Zeitlosigkeit zugleich Unergründlichkeit bedeutet, die bei jedem neuen Hören von Neuem erkundet, deren Klangfelder von Neuem ausgeschritten werden müssen. »Schon seit Jahrzehnten empfand ich jede Aufführung dieser drei Sinfonien als Entdeckungsreise«, erklärte etwa der Dirigent Nikolaus Harnoncourt 2014. »Wieso sind ihre Themen und Motive verwandt bis zur Identität? Wieso wird das Vokabular der rhetorischen Figuren, die in der Musik seit langem angewandt wurden, hier derart extrem ausgeschöpft? – Wir befinden uns also von der Es-Dur-Intrada ausgehend auf einem zerklüfteten Weg – eigentlich einem Seelendrama –, der schließlich zur gewaltigen Coda am Ende des JupiterFinales führt. Diese ist also ein Ziel, ein Endpunkt. Von hier gibt es kein ›weiter‹.«
Im Sommer 1788 steckt Mozart wieder einmal in finanziellen Schwierigkeiten. Nicht dass er sich und seiner Familie mit seinen Einkünften aus Konzerten, privatem Unterricht sowie seinem Sold als k. k. Kammermusikus kein komfortables Leben hätte ermöglichen können, im Gegenteil: Anders als es das bis heute meist wiedergekäute romantische Bild überliefert, zählt Mozart zu den Großverdienern im Wiener Bürgertum des 18. Jahrhunderts. Dass er dennoch immer wieder von Geldsorgen geplagt wird, liegt vor allem an seinem verschwenderischen Lebensstil und
Logenbruder Mozart trat am 14. Dezember 1784 in die Freimaurerloge Zur Wohltätigkeit ein, der er, 1786 in die Loge Zur gekrönten Hoffnung eingegliedert, bis zu seinem Tod angehörte.
seinem Faible für Glücksspiele. Nicht zuletzt die Inflation infolge der Involvierung Österreichs Ende des Jahres 1787 im RussischTürkischen Krieg zwingt Mozart in jenem Sommer 1788 nun abermals dazu, Schulden zu machen. Er wendet sich an seinen Logenbruder Michael Puchberg, den er brieflich »um eine große Gefälligkeit« bittet, am 17. Juni sogar darum, ihn »auf 1 oder 2 Jahre, mit 1 oder 2 tausend gulden gegen gebührenden Interessen zu unterstützen«. Zehn Tage später legt Mozart noch einmal nach, bittet Puchberg, ihm »mit rath und that« zu unterstützen und kommt dabei, fast nebensächlich, auf seine neusten Kompositionen zu sprechen: »[K]ommen Sie doch zu mir, und besuchen sie mich; ich bin immer zu hause; – ich habe in den 10 tagen daß ich hier wohne mehr gearbeitet, als im andern logis die 2 Monathe«. Gemeint sind damit eben jene letzten drei Sinfonien, die Mozart innerhalb weniger Wochen in seiner neuen Wohnung in der Wiener Vorstadt Alsergrund zu Papier gebracht hat. In seinem im Februar 1784 begonnenen Verzeichnüß aller meiner Werke trägt er sie am 26. Juni (Nr. 39), 25. Juli (Nr. 40) und 10. August (Nr. 41) 1788 ein.
Im Vergleich mit der 39. Sinfonie, die mit einer gravitätischen Intrada beginnt, sowie der 40. Sinfonie, die ihren Beginn mit einem mysteriösen Flüstern der Bratschen fast verschleiert, hebt die 41. Sinfonie mit einem geradezu banalen Thema an; drei Tuttischläge mit rollenden Schleiferfiguren: »Die Haupttöne des ersten Themas begegnen in jeder dritten feierlichen Eröffnung« (Peter Gülke). Wichtig ist allerdings weniger, was Mozart hier präsentiert, sondern vielmehr, wie er das musikalische Material in weiterer Folge verarbeitet. Denn die stolz zur Schau gestellte Selbstverständlichkeit des Eingangs wird schon nach zwei Takten von einer leise fragenden Streicherfigur kontrastiert. Genau umgekehrt verhält es sich beim anschließenden zweiten Thema, dessen leichtfüßiger, liedhafter Gestus unvermutet von einem gellenden cMollSchrei des ganzen Orchesters unterbrochen wird. Wiederum im Kontrast dazu eröffnet das dritte Thema, für das Mozart auf eine Melodie aus seiner im Mai 1788 komponierten Arie »Un bacio di mano« KV 541 zurückgreift, den Klangraum der Opera buffa. Der Extrovertiertheit dieses Kopfsatzes steht das folgende, klanglich von dem mit Dämpfern gespielten Violinen geprägte
Amadé Mozart Sinfonie Nr. 41 C-Dur
Andante cantabile mit seinem zögernden Vorwärtstasten entgegen. Auch das Menuett spielt mit diesen Gegensätzen, etwa wenn es zu Beginn mit einem regelrecht ›untänzerischen‹ chromatischen Motiv aufwartet, im traditionell beruhigten Trio dann wiederum Abgründe in Gestalt von dramatischen Molltrübungen und verminderten Akkorden aufreißt – wobei Mozart hier bereits das Thema des Finales vorwegnimmt. Dort schließlich finden alle Gegensätze zusammen: In atemberaubender Weise gelingt es Mozart, Komplexität mit Leichtigkeit zu verschränken, das schlichte viertönige Hauptthema im Verbund mit einer Vielzahl anderer Motive in immer neuem Licht zu präsentieren. Eine virtuose Vereinigung klassischer Sonatensatzform mit barocker Fugentechnik, die in der Coda ihren Höhepunkt findet, wenn Mozart alle fünf Hauptmotive im doppelten Kontrapunkt übereinanderschichtet.
Ob Mozart seine drei letzten Sinfonien ohne Auftrag, das heißt allein aus innerem Antrieb heraus komponiert hat oder möglicherweise eine geplante Konzertreihe im Sinn hatte, über die er auch seinen Freund Puchberg informierte, ist bis heute Gegenstand musikwissenschaftlicher Diskussionen. Auch ob die Sinfonien zu Mozarts Lebzeiten überhaupt zur Aufführung kamen, ist nicht belegt. Klar ist jedoch, dass der Beiname ›Jupiter‹ im Fall der 41. Sinfonie nicht vom Komponisten selbst stammt. Tatsächlich war das Werk, das, wie etwa die Leipziger Allgemeine musikalische Zeitung 1808 erklärte, bald »ein so erklärtes Lieblingsstück der hiesigen Kunstfreunde [war], dass wir sie ihnen kein Jahr vorenthalten«, zunächst vor allem als »Sinfonie mit der Schlußfuge« bekannt. Vermutlich war es der Konzertveranstalter Johann Peter Salomon –verantwortlich auch für einige Beinamen der Sinfonien Joseph Haydns –, der dem Werk den Titel ›Jupiter‹ verpasste, welcher erstmals anlässlich eines Konzer tes des Edinburgh Musical Festivals am 20. Oktober 1819 auftauchte und bald Eingang in Programmzettel, Kritiken und Noteneditionen fand.
Anton Bruckner // Sinfonie Nr. 9 d-Moll
Der 7. Oktober 1896: Ein gutes Jahrhundert nachdem Mozart seine letzte Sinfonie zu Papier gebracht hat, nicht mehr als eine Stunde Fußmarsch von Mozarts ehemaliger Wohnung in der Wiener Vorstadt Alsergrund entfernt, schreibt Anton Bruckner im Kustodentrakt des Oberen Belvedere mit zittriger Hand einige Zeilen an seinen Bruder Ignaz:
»Liebster Bruder […]!
Ich bitte Dich Nichts mehr an mich zu senden.
[…]
Dein Bruder Anton Wien 1896 Okt Leb wohl wohl wohl Belveverd. AB. […]
Sr Wohlg H I Bruck im löbl Stifte zu St Flor bei Linz Dein Bruder Anton 1896.
Dein Bruckner.
[…]
Ignaz, leb lebe wohl! Leb’ webel woll wohl. hochllebwolf!«
Bruckners letzter Brief an seinen Bruder Ignaz vom 7. Oktober 1896
Anton Bruckner Sinfonie Nr. 9 d-Moll
Die Buchstaben werden immer unleserlicher, die Worte immer unklarer, nur vier Tage später stirbt der große Komponist und hinterlässt ein gewaltiges sinfonisches Fragment, das fortan vom Nimbus des mystischen ›Opus ultimum‹ umweht werden wird: seine 9. Sinfonie dMoll.
Seit Ludwig van Beethovens – ebenfalls in dMoll stehender – 9. Sinfonie schwebt die Zahl ›Neun‹ wie ein Damoklesschwert über den grübelnden Köpfen jener Komponist:innen, die sich auf das Terrain der Sinfonik wagen. Noch Gustav Mahler hat, wie Alma MahlerWerfel berichtet, »eine solche Angst vor dem Begriff Neunte Symphonie, da weder Beethoven noch Bruckner die Zehnte erreicht hatten. So schrieb er ›Das Lied von der Erde‹ erst als Neunte, strich dann die Zahl durch und sagte mir bei der später folgenden Neunten Symphonie: ›Eigentlich ist es ja die Zehnte […].‹ Als er dann an der ›Zehnten‹ schrieb, meinte er: ›Jetzt ist für mich die Gefahr vorbei!‹ Da Beethoven nach der Neunten starb und Bruckner seine Neunte gar nicht mehr vollenden konnte, so war es eine Art Aberglauben geworden, daß kein großer Symphoniker über die Neunte hinauskomme.« Auch Bruckner ist von der unheilvollen ›Grenze‹ eingeschüchtert, als er
Skizzen Bruckners zum Adagio der 9. Sinfonie, 1894
Anton Bruckner Sinfonie Nr. 9 d-Moll
am 21. September 1887, gut einen Monat nach Abschluss der nervenaufreibenden Arbeit an seiner 8. Sinfonie, mit der Komposition seiner Neunten beginnt. »I’ mag dö Neunte gar nöt anfangen, i’ trau mi’ nöt«, gesteht er seinem ehemaligen Schüler Josef Gruber. Bezeichnenderweise unterbricht er die Arbeit am Kopfsatz der Sinfonie schon bald, um sich drei Jahre lang mit den Revisionsarbeiten an seiner ersten, dritten, vierten und achten Sinfonie zu beschäftigen. Erst 1891 wagt er es wieder, die Arbeit aufzunehmen; mit Erfolg: Bruckner gelingt es tatsächlich, zunächst den Kopfsatz, dann das Scherzo und schließlich, am 30. November 1894, das Adagio abzuschließen. Das am 24. Mai 1895 begonnene Finale jedoch muss er bei seinem Tod am 11. Oktober 1896 unvollendet zurücklassen. Zur Mystifizierung des Werkes als dem Jenseits zugewandtes ›Opus ultimum‹ trägt nicht zuletzt Bruckners von verschiedenen Zeitgenossen überlieferter Plan bei, das Werk »dem lieben Gott« widmen zu wollen.
Die durch die Wahl der Tonart dMoll bewusste Anknüpfung an Beethovens 9. Sinfonie zeigt sich gleich zu Beginn des mit »Feierlich, misterioso« überschriebenen Kopfsatzes:
Über einem orgelpunktartigen Tremolo der Streicher –der Beethoven’schen Eröffnung nachempfunden – entwickeln sich motivische Keimzellen der Hörner, die im Wechselspiel mit Pauken und Trompetensignalen über ein großes Crescendo in ein gewaltiges UnisonoThema münden, dessen archaischer Gestus fast etwas »Vorweltliches, Zyklopenhaftes« (Franz Schalk) zu symbolisieren scheint. Demgegenüber steht das folgende zweite Thema mit seiner innigen, von ineinander verwobenen Begleitstimmen getragenen Melodie der Violinen. Nachdem sich in der Durchführung erneut die gewaltige Kulmination des Hauptthemas Bahn bricht, verzerrt sich der Klang unversehens zu einem grotesken Marsch, der das »unter dem Alpdruck einer Untergangs und Vernichtungsphantasie« (Wolfgang Stähr) stehende musikalische Gefüge beinahe unter sich zu begraben droht, ehe Bruckner ›zögernd‹ den Weg in die Reprise antreten lässt.
Orgelpunkt lang ausgehaltener oder in bestimmtem Rhythmus wiederholter Ton, meist in tiefer Lage
Sinfonie Nr. 9 d-Moll
Am Beginn des anschließenden Scherzos steht: nichts. Der Satz beginnt mit einer Generalpause, einem leeren Takt, dem erst im Anschluss ein auftaktiger, harmonisch mehrdeutiger Klang der Klarinetten und Oboen folgt. Diese, dem Beharren Bruckners auf einem strikten, geradzahligen Taktschema geschuldete Besonderheit zeigt eindrücklich, wie detailbeflissen der Komponist die formale Architektur seiner Sinfonien konstruierte. Der spukhafte, von wirbelnden StreicherPizzicati durchzogene Satz – den Mahler’schen ›Nachtmusiken‹ nahe stehend – explodiert schließlich förmlich mit dem erstmaligen Auftreten des ScherzoThemas: Über einem brachialen Unisono in Streichern und Hörnern türmt sich die Musik zu einem motorischstampfenden Tanz auf. Der anschließende Mittelteil überführt die harmonische Vielfalt in leichtfüßigere, träumerische Gefilde, in denen gleichwohl das untergründig Spukhafte noch immer präsent bleibt. »Keiner, der dieses allem Zopf zum Trotz, allem Fortschritt zu Nutz ersonnene, genialste ›Scherzo‹ Bruckners genießt […], käme auf den Gedanken, daß es in seiner Vollendung der Feder eines unter körperlichen und geistigen Qualen dem Tode Zuschreitenden entflossen!« (August Göllerich/Max Auer).
Dresdner Amen liturgische Formel, die ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts innerhalb der Messliturgie der Katholischen Hofkirche in Dresden gesungen wurde
In den hymnenhaften Melodien des zuletzt vollendeten Adagios verbirgt sich Bruckners eigenem Bekunden nach der »Abschied vom Leben«. Hochexpressiv hebt das einleitende Thema an, dessen Melodie alle zwölf Töne der chromatischen Tonleiter in sich vereint; eine kühne, die Grenzen der spätromantischen Tonalität auslotende Geste, die tatsächlich das Tor zu einer neuen Welt aufzustoßen scheint. Der Gestus des Religiösen, Gebetsartigen wird durch die Schlusswendung dieses ersten Themas noch verstärkt, in der das sogenannte ›Dresdner Amen‹ anklingt, das auch Felix Mendelssohn Bartholdy in seiner ›Reformations-Sinfonie‹ und Richard Wagner im ›Gralsthema‹ seines Parsifal verwendeten. Im zweiten Thema, der von Bruckner sogenannten Gesangsperiode, zitiert der Komponist anschließend das »Miserere« aus seiner Messe (Nr. 1) dMoll, woraus sich eine gewaltige, selbst innerhalb des Bruckner’schen Œuvres beispiellose Steigerung entwickelt, auf deren Höhepunkt sich das Hauptthema im Fortissimo der Posaunen und Kontrabässe mit hektischirrlichternden Figuren der Violinen zu einem grelldissonanten Tre
Anton Bruckner
Sinfonie Nr. 9 d-Moll
dezimenakkord, einem aus sechs übereinandergeschichteten Terzen bestehenden Siebenklang, vereint, der schließlich im dreifachen Forte und ohne Auflösung abrupt abbricht. Es scheint, als habe auch Bruckner hier mit aller Macht die harmonischen und ästhetischen Grenzen seiner Zeit zu sprengen versucht …
Anton
Bruckner
Sinfonie Nr. 9 d-Moll
… und dabei gleichsam die Schwelle zwischen Dies und Jenseits betreten. »Es scheint, die Neunte ist eine Grenze. Wer darüber hinaus will, muß fort.« Auch wenn dieses Diktum Arnold Schönbergs von späteren Generationen mehrfach wiederlegt werden konnte – man denke nur an Dmitri Schostakowitschs 15 oder gar Leif Segerstams aktuell 354(!) Sinfonien –, scheint das letzte Werk Bruckners in seiner fragmentarischen, unvollendeten Offenheit den Blick über eben jene vielbeschworene Grenze hinaus zu ermöglichen. Hier, wo der Torso eine Ahnung vom ›Unerhörten‹ gibt, wo der allen Augen verborgene Blick des EwigWerdenden uns selbst herausfordert, ›einen Blick zu riskieren‹, wird das letzte »Leb wohl wohl wohl« zum wegweisenden Appell an die Nachwelt:
Wir kannten nicht sein unerhörtes Haupt, darin die Augenäpfel reiften. Aber sein Torso glüht noch wie ein Kandelaber, in dem sein Schauen, nur zurückgeschraubt,
sich hält und glänzt. Sonst könnte nicht der Bug der Brust dich blenden, und im leisen Drehen der Lenden könnte nicht ein Lächeln gehen zu jener Mitte, die die Zeugung trug.
Sonst stünde dieser Stein entstellt und kurz unter der Schultern durchsichtigem Sturz und flimmerte nicht so wie Raubtierfelle; und bräche nicht aus allen seinen Rändern aus wie ein Stern: denn da ist keine Stelle, die dich nicht sieht. Du mußt dein Leben ändern.
Rainer Maria Rilke: Archaïscher Torso Apollos, 1908
Als weltweit einziges Ensemble seiner Art, das Musiker:innen einer neuen Generation zusammenbringt und jedes Repertoire auf den entsprechenden historischen Instrumenten spielt, rücken Les Siècles mehrere Jahrhunderte des musikalischen Schaffens auf relevante und unerwartete Weise ins rechte Licht. Das Orchester mit Residenzen im Atelier Lyrique de Tourcoing, im Théâtre des ChampsÉlysées in Paris, im Departement Aisne und in der Region HautsdeFrance ist regelmäßig auf renommierten Bühnen der Welt zu Gast und konzertiert unter anderem in Deutschland, in den Niederlanden, in England und auf dem asiatischen Kontinent.
Les Siècles sind dreimalige Gewinner des Preises der deutschen Schallplattenkritik sowie des Edison Klassiek Preises in den Niederlanden. Sie werden regelmäßig als einziges französisches Ensemble für den Gramophone Classical Music Award nominiert, den sie 2018 für Maurice Ravels Daphnis et Chloé als »Klassikeinspielung des Jahres« erhielten. Außerdem wurden sie dreimal für den Gramophone Orchestra of the Year Award nominiert. Den International Classical Music Award gewannen sie 2020 für ihre Aufnahme von Camille SaintSaëns’ Timbre d’argent und 2023 für Pelléas et Mélisande
Seit 2018 nehmen Les Siècles für das Label harmonia mundi die gesamte Orchestermusik von Hector Berlioz, Maurice Ravel und Claude Debussy auf sowie ihren Gustav Mahler und der Zweiten Wiener Schule gewidmeten Zyklus. Das Orchester hat auch die weltweit ersten Aufnahmen von Camille SaintSaëns’ Timbre d’argent, Félicien Davids Christophe Colomb und Paul Dukas’ Kantate Velléda eingespielt.
Die Musiker:innen des Ensembles beteiligen sich regelmäßig an pädagogischen Aktivitäten in Schulen, Krankenhäusern und Gefängnissen sowie an Fernsehsendungen, die sich der klassischen Musik widmen und setzen sich so für die Demokratisierung der Kultur ein.
Die pädagogischen und sozialen Projekte von Les Siècles werden großzügig von Aline ForielDestezet unterstützt. Die Stiftung Société Générale ist der Hauptsponsor des Orchesters. Seit 2010 wird es vom Kulturministerium und dem DRAC Hauts-de-France subventioniert. Es erhält regelmäßige Unterstützung vom Centre National de la Musique und seit 2011 vom Conseil Départemental de l’Aisne, um seine Präsenz in der Region zu stärken, insbesondere in der Cité de la Musique in Soissons. Seit 2018 erhalten Les Siècles operative Unterstützung von der Region Hauts-de-France. Das Orchester ist Artist in Residence beim Berlioz-Festival in La Côte Saint-André und Associate Artist am Théâtre du Beauvaisis und am Théâtre-Sénart. Es wird von der Caisse des Dépôts et Consignations, dem Hauptsponsor des Jeune Orchestre Européen Hector Berlioz, von der Vereinigung Échanges et Bibliothèques und gelegentlich vom Palazzetto Bru Zane – Centre de musique romantique française, von der SPEDIDAM, der ADAMI, dem Institut Français und dem SPPF unterstützt. Les Siècles sind Mitglied von PROFEDIM, der Association Française des Orchestres und assoziiertes Mitglied des SPPF.
Violine 1
FrançoisMarie Drieux
Amaryllis Billet
PierreYves Denis
Jérôme Mathieu
Simon Milone
Matthias Tranchant
Angelina Zurzolo
Laetitia Ringeval
Emmanuel Ory
SzuHwa Wu
Sandrine Naudy
Marthe Gillardot
Fabien Valenchon
Christina Dimbodius
Violine 2
Martial Gauthier
Julie Friez
Matthieu Kasolter
Rachel Rowntree
JinHi Paik
Thibaut Maudry
Caroline Florenville
Mathieu Schmaltz
Kyungwon Baik
Naomi Plays
Céline Munch
Jennifer Schiller
Viola
Hélène Desaint
Carole Roth
Catherine Demonchy
Laurent Muller
Hélène Barre
JeanneMarie Raffner
Jeanne Duquesnoy
Nicolas Louedec
Patricia Gagnon
Issey Nadaud
Violoncello
Robin Michael
Guillaume Francois
Lucile Perrin
Emilie Wallyn
Nicolas Fritot
Josquin Buvat
Alix Verzier
Frauke Suys
Kontrabass
Margaret Urquhart
Cécile Grondard
Léa Yeche
Matthieu Cazauran
Lucas Faucher
MarieAmélie Clément
Chloé Paté
Flöte
Marion Ralincourt
Naomie BahonGros
AnneCécile Cuniot
Oboe
Hélène Mourot
Rémy Sauzedde
Stéphane Morvan
Klarinette
Mathieu Steffanus
Maryse Legault
Marguerite Neves
Fagott
Michaël Rolland
Aline Riffault
Jessica Rouault
Horn
Rémi Gormand
Laurent Cherencq
Pierre Rougerie
Pierre Véricel
Philippe Bord
Emmanuel Bénèche
Antoine Regnard
Jocelyn Willem
Katharina Zeller
Trompete
Fabien Norbert
Pierre Marmeisse
Emmanuel Alemany
Posaune
Damien Prado
Lucas Perruchon
Jonathan Leroi
Tuba
Barthélémy Jusselme
Pauke
Camille Baslé
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Dirigent
Jakob Lehmann ist ein Dirigent, für den Stilistik, Werktreue und historische Informiertheit die Grundpfeiler und Voraussetzungen für emotionale und energetische Interpretationen bedeuten. Stets darauf bedacht, den Intentionen der Komponist:innen treu zu sein und diese dem Publikum direkt zu vermitteln, ist es ihm ein besonderes Bedürfnis, die traditionelle der historisch informierten Musizierpraxis anzunähern.
Er gastiert sowohl bei Orchestern wie den Wiener Symphonikern, dem TonkünstlerOrchester und dem Beethoven Orchester Bonn als auch bei Ensembles der historisch informierten Aufführungspraxis wie Concerto Köln, dem Orchestra of the Eighteenth Century und dem Australian Romantic & Classical Orchestra. Jakob Lehmann ist künstlerischer Leiter von Eroica Berlin, einem von ihm 2015 gegründeten Kammerorchester.
Die Musik Gioachino Rossinis und des Belcanto sind ein Gebiet, in welchem er besonders aktiv ist. Seit 2019 ist er Associate Artistic Director des New Yorker BelcantoFestivals Teatro Nuovo. Sein Dirigat in diesem Repertoire wurde von der Presse als »Offenbarung«, »außergewöhnlich« sowie »frappierend« bezeichnet. Er dirigierte unter anderem Rossinis Il barbiere di Siviglia (North Carolina Opera), Bellinis I Capuleti e i Montecchi (Teatro Nuovo) sowie Mozarts Idomeneo (Opéra National de Lorraine). Seine Diskografie umspannt ein breites Repertoire. Die beiden neuesten Alben, Mozart 1791 (Warner Classics) sowie Rossinis L’italiana in Algeri (Pan Classics), wurden von der Presse begeistert aufgenommen.
In dieser Saison debütiert Jakob Lehmann unter anderem beim Bruckner Orchester Linz, bei Les Siècles, beim Sinfonieorchester Liechtenstein und beim Wiener ConcertVerein. Er arbeitet erneut mit dem TonkünstlerOrchester, mit Concerto Köln, mit dem Orchestra of the Eighteenth Century sowie mit Eroica Berlin zusammen und dirigiert Verdis Ernani an der North Carolina Opera.
Impressum
Herausgeberin
Linzer Veranstaltungsgesellschaft mbH, Brucknerhaus Linz, Untere Donaulände 7, 4010 Linz
René Esterbauer, BA MBA, Kaufmännischer Geschäftsführer
Redaktion
Andreas Meier
Biografien & Lektorat
Romana Gillesberger
Gestaltung
Anett Lysann Kraml, Lukas Eckerstorfer
Leiter Programmplanung, Dramaturgie und szenische Projekte
Mag. Jan David Schmitz
Abbildungen
A. Abrar (S. 2), Internationale Stiftung Mozarteum, Salzburg (S. 7), privat (S. 9), Österreichische Nationalbibliothek, Wien (10–11 & S. 13), M. Benguigui (S. 17), S. Sevindik (S. 21)
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