Hrůša, Trifonov & Bamberger Symphoniker | 05.11.2024

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5. November 2024

19:30 Uhr, Großer Saal

Hrůša, Trifonov & Bamberger Symphoniker

Das Große Abonnement III Saison 24–25

Weitere Highlights 24–25

Karten und Infos:

+43 (0) 732 77 52 30 brucknerhaus.at

Mi, 13. Nov 2024, 19:30

Mittlerer Saal

Quatuor Mosaïques

Das legendäre Quatuor Mosaïques gastiert mit den meisterhaften letzten Quartettwerken Joseph Haydns und Franz Schuberts sowie dem ›Höllenquartett‹ von Joseph Wölfl im Brucknerhaus Linz.

Sa, 23. Nov 2024, 19:30

Mittlerer Saal

Hiemetsberger & Company of Music

Johannes Hiemetsberger und sein Vokalensemble Company of Music bringen Francis Poulencs mitreißende Kantate Figure humaine sowie Morton Feldmans Rothko Chapel auf die Bühne.

So, 1. Dez 2024, 11:00

Großer Saal

Radulović & Double Sens

Der serbische Geiger Nemanja Radulović und sein Ensemble Double Sens eröffnen mit ihrer unkonventionellen, frischen Herangehensweise neue Blickwinkel auf Bach und Beethoven.

Nemanja Radulović

alla breve

Das Programm auf einen Blick

Antonín Dvořák und Ludwig van Beethoven: zwei gewichtige, einflussreiche und bis heute enorm populäre Namen. Doch selbst im Schaffen solcher Größen gibt es Werke, die aus verschiedenen Gründen ›unter dem Radar‹ bleiben, denen trotz ihrer herausragenden Qualität stets das Etikett ›Geheimtipp‹ anhaften bleibt.

Zwei solcher Werke treten im heutigen Konzert, beim Brucknerhaus­Debüt des Ausnahmepianisten Daniil Trinfonov, in den Dialog miteinander:

Antonín Dvořáks vergleichsweise selten zu hörendes Klavierkonzert ist kein virtuoses Showstück, vielmehr ein vielschichtiges, symphonisches Werk, bei dem das Orchester dem Soloinstrument als gleichwertiger Dialogpartner gegenübertritt. Ludwig van Beethovens Symphonie Nr. 4 hingegen führt die klassischen Hörerwartungen fulminant ad absurdum: nicht dramatisch und monumental wie ihre beiden Schwesterwerke Nr. 3 und Nr. 5, sondern schlank, filigran und voll unbezähmbarer Spielfreude.

Besetzung

Daniil Trifonov | Klavier

Bamberger Symphoniker

Jakub Hrůša | Dirigent

Programm

Antonín Dvořák 1841–1904

Konzert für Klavier und Orchester g­Moll op. 33 // 1876

I Allegro agitato

II Andante sostenuto

III Finale. Allegro con fuoco

// Pause //

Ludwig van Beethoven 1770–1827

Symphonie Nr. 4 B­Dur op. 60 // 1806

I Adagio – Allegro vivace

II Adagio

III Menuetto. Allegro vivace – Trio. Un poco meno Allegro

IV Allegro ma non troppo

Konzertende ca. 21:30 Uhr

Brucknerhaus-Debüt

Tiefschürfende Virtuosität

Im Jahr 1874 sieht sich der 32-jährige Antonín Dvořák in Prag mit den Schattenseiten des Daseins als freiberuflicher Komponist konfrontiert. Obwohl er zu diesem Zeitpunkt bereits auf ein erstaunlich umfangreiches Œuvre zurückblicken kann – darunter drei Opern, drei Symphonien und vier Streichquartette –, ist er, abgesehen von einigen Achtungserfolgen wie beispielsweise der umjubelten Uraufführung seines Hymnus Die Erben des Weißen Berges op. 30, selbst in seiner Heimatstadt Prag als Komponist kaum bekannt. Drei Jahre zuvor hat er seinen Dienst als Bratschist des Prager Opernorchesters quittiert und verdient seinen Lebensunterhalt seither mehr schlecht als recht durch privaten Klavierunterricht; eine Anstellung als Organist an der Pfarrkirche St. Adalbert garantiert ihm seit Beginn des Jahres – wenige Monate nach seiner Hochzeit mit Anna Čermáková –immerhin ein kontinuierliches, wenn auch spärliches Einkommen. Trotz dieser Umstände tüftelt Dvořák zu dieser Zeit praktisch ununterbrochen an neuen Werken, deren Partituren allerdings meist den direkten Weg vom Schreibtisch in die Schublade antreten, zuweilen noch bevor die Tinte der letzten Takte vollends getrocknet ist. »Wenn wir sonntags Buchteln haben sollten«, erinnert er sich später humorvoll,

»Vom Magistrat der königlichen Hauptstadt Prag wird dem Herrn Anton Dvořák, Musiklehrer, geboren 1841, verheiratet, Vater eines unversorgten Kindes, zum Behufe der Erlangung eines Staatsstipendiums nach amtlich gepflogener Erhebung bestätigt, daß derselbe kein Vermögen besitzt und außer einem Gehalte jährlich 126 fl. [i. e. Gulden] als Organist an der St. Adalbertskirche und einem Unterrichtsgelde monatlicher 60 fl. für die Erteilung von Musikstunden sonst kein anderweitiges Einkommen bezieht.«

Mittellosigkeitszeugnis Dvořáks durch das Prager Magistrat vom 24. Juni 1874

Antonín Dvořák Konzert für Klavier und Orchester g-Moll

»wandte sich das Dienstmädchen stets vertrauensvoll an mich. Papier zum Feuermachen war bei mir stets zu haben!« Die finanzielle Not der jungen Familie – schon bald erblickt der erste Sohn Otakar das Licht der Welt – reicht so weit, dass Dvořák nach mehrmaligem Ansuchen am 24. Juni 1874 vom Prager Magistrat sogar ein Mittellosigkeitszeugnis erhält.

Ein neuer Weg

Auch auf künstlerischer Ebene muss Dvořák zu dieser Zeit einige Rückschläge hinnehmen. So wird seine Oper Der König und der Köhler op. 14 zwar auf den Spielplan des Tschechischen Interimstheaters in Prag gesetzt und von dessen musikalischem Direktor Bedřich Smetana als »ernsthafte Arbeit voll von genialen Ideen« gelobt, jedoch schon nach einer Ensembleprobe als zu schwer und unspielbar abgelehnt. Enttäuscht und von anhaltenden Misserfolgen zermürbt macht der Komponist reinen Tisch mit seinem bisherigen Schaffen und vernichtet mindestens fünfzehn größere Partituren sowie die Hälfte aller zwischen 1871 und 1873 geschriebenen Werke. Dvořák schafft sich damit auch gedanklichen Freiraum, einen neuen Weg einzuschlagen, der ihn vom Einfluss der ›Neutdeutschen‹ um Franz Liszt und Richard Wagner hin zu einer eigenständigen Musiksprache führen soll, bei der er sich nunmehr an Smetanas slawischer Folklore orientiert. Eines der ersten Werke dieser sogenannten ›slawischen Periode‹ Dvořáks ist das auf Anregung des Pianisten Karel Slavkovský im Sommer 1876 komponierte Konzert für Klavier und Orchester g­Moll. Slavkovský ist es auch, der das Werk am 24. März 1878 in einem »Slawischen Konzert« in Prag mit dem Orchester des Tschechischen Interimstheaters unter der Leitung von Adolf Čech zur Uraufführung bringt, wofür Dvořák sein Werk, wie auch für die Drucklegung im Jahr 1883, noch einmal überarbeitet.

Anders als das Violoncellokonzert h­Moll, das Dvořák 1894–95 in den USA auf dem Höhepunkt seines Ruhms komponiert und das bis heute zu den meistgespielten Werken der Gattung gehört, sowie das Violinkonzert a-Moll, das er 1882 bereits als international renommierter Komponist vollendet und das zum Repertoire vieler großer Geiger:innen

Antonín Dvořák Konzert für Klavier und Orchester g-Moll

Antonín Dvořák, Fotografie des Ateliers J. Šmejkal, 1868

gehört, fristet das Klavierkonzert bis heute ein Schattendasein. Einer der Hauptgründe ist dabei die enorme spieltechnische Komplexität des Soloparts: Der legendäre Swjatoslaw Richter bezeichnete das Konzert gar als das »schwerste Werk«, das er je gespielt hätte. Anders jedoch als im Fall der vergleichbaren Virtuosenkonzerte von Franz Liszt, Frédéric Chopin oder den imposanten pianistischen Klangwogen in den Konzerten von Johannes Brahms ist Dvořáks Virtuosität eines nicht: vordergründig effektvoll. Statt einer großformatig inszenierten Darstellung akrobatischer Tastenkünste versucht Dvořák, der selbst kein überragender Pianist war, vielmehr, die Solostimme als ›Primus inter pares‹

mit dem Orchesterklang zu verschränken. Ein Solokonzert, das spieltechnisch hochkomplex ist und bei dem sich das Klavier dennoch nicht im Scheinwerferlicht in Szene setzen kann – kurz gesagt: der Albtraum jedes Pianisten beziehungsweise jeder Pianistin.

Man tut dem Werk also unrecht, wenn man hier die falschen Maßstäbe ansetzt, wie etwa der tschechische Pianist Vilém Kurz, dessen Überarbeitung des Soloparts lange Zeit dem Original vorgezogen wurde und 1956, unterhalb von Dvořáks Originalfassung abgedruckt, sogar Eingang in die Dvořák­Gesamtausgabe fand. Vergleicht man beide Versionen, wird schnell offensichtlich, wie wenig der Komponist den Erwartungen seiner Zeit an ein virtuoses Solokonzert entsprach: Wo Dvořák zarte Melodielinien spinnt, verdoppelt Kurz diese durch vollgriffige Akkorde, wo er differenzierte kontrapunktische Stimmführungen kreiert, banalisiert Kurz sie zu pianistischen Showeffekten, wo er die Solostimme durch weiche, tief liegende Klänge in den Orchesterklang einwebt, lässt Kurz sie durch hektische Oktavsprünge hervorstechen.

Schon das weit ausladende, zu majestätischer Wucht sich ausbreitende Eröffnungsthema des Kopfsatzes macht klar: Hier geht es nicht um leichtfertigen Tastenzauber, sondern buchstäblich ums ›Eingemachte‹. Der symphonische Charakter wird durch den spannungsvollen Kontrast eines beschwingten, böhmisch gefärbten Seitenthemas – gewissermaßen die zwei Jahre später entstandenen Slawischen Tänze vorausahnend – und eines andächtigen Streicherchorals als drittes Thema noch verstärkt. Auch die Durchführung, eine der längsten in Dvořáks gesamtem Schaffen, greift diesen symphonischen Gestus auf, dessen opulente Klangwelt im anschließenden Andante sostenuto einer fast überirdischen Szenerie weicht: ein sanft schwebendes Hornsolo, getupfte Melodielinien im Klavier, kammermusikalisch begleitet, ein zartes Anund Abschwellen, eine schier unbeirrbare rhythmische Gleichmäßigkeit. Man möchte meinen, der Komponist wollte den größtmöglich denkbaren Kontrast zu den rahmenden Ecksätzen erzeugen, wenn das Soloinstrument im finalen dritten Satz mit einer launigen, auf Konfrontation schielenden Tanzmelodie anhebt, die in ihren verspielten Passagen nichts von ihrem Trotz verliert. Rondoförmig reiht Dvořák Episode an Episode, lässt kraftvoll Voransprengendes auf atemholende, oft melancholisch

Ausschnitt aus dem 1. Satz von Dvořáks Klavierkonzert in der 1956 veröffentlichten Gesamtausgabe. Das mit »D« bezeichnete System stellt Dvořáks Fassung des Soloparts dar, das mit »K« bezeichnete die Überarbeitung von Vilém Kurz.

gefärbte Abschnitte treffen und steuert zuletzt in eine von hochvirtuosen Tonleiterkaskaden des Klaviers durchzogene Schlusssteigerung, in der die Charakterbezeichnung des Satzes noch einmal eindrücklich vor Augen und Ohren geführt wird: »con fuoco«, »mit Feuer«!

Ewig unergründlich

Ludwig van Beethoven // Symphonie Nr. 4 B-Dur

»Ich bin nur wenig zufrieden mit meinen bisherigen Arbeiten. Von heute an will ich einen neuen Weg einschlagen.« Mit diesen Worten unterstreicht Ludwig van Beethoven den Erinnerungen seines Schülers Carl Czerny zufolge »um das Jahr 1803« den angestrebten ›Neuanfang‹ innerhalb seines Schaffens, sein wiedergewonnenes Selbstbewusstsein nach einer Phase tiefster Niedergeschlagenheit. Mehr als die Hälfte des Jahres 1802, von Mai bis Oktober, hat sich der Komponist auf Anraten seines Arztes Johann Adam Schmidt im nördlich von Wien gelegenen Heiligenstadt (heute Teil des 19. Wiener Gemeindebezirks Döbling) aufgehalten, von dessen Quellwasser er sich Linderung seiner Gehörleiden erhofft, nachdem er dem Jugendfreund Franz Gerhard Wegeler schon ein Jahr zuvor von seinem katastrophalen gesundheitlichen Zustand berichtet hat: »[…] nur meine ohren, die sausen und Brausen tag und Nacht fort; […] um dir einen Begriff von dieser wunderbaren Taubheit zu geben, so sage ich dir, daß ich mich im Theater ganz dicht am Orchester anlehnen muß, um den schauspieler zu verstehen, die hohen Töne von Instrumenten singstimmen, wenn ich etwas weit weg bin höre ich nicht, im sprechen ist es zu Verwundern daß es Leute giebt die es niemals merkten, da ich meistens Zerstreuungen hatte, so hält man es dafür […].« Im Oktober 1802, wenige Tage vor seiner Rückreise nach Wien, bringt Beethoven mit dem sogenannten ›Heiligenstädter Testament‹ ein eindrückliches Zeugnis seiner seelischen Zerrüttung zwischen kämpferischer Akzeptanz und lebensmüder Verzweiflung zu Papier. In dem vierseitigen, an seine Brüder Kaspar Anton Karl und Nikolaus Johann gerichteten Dokument – der Name des Letzteren ist wohl aufgrund des konfliktreichen Verhältnisses beider Brüder nur durch eine Leerstelle angedeutet – berichtet der Komponist von seiner fortschreitenden Ertaubung und der damit einhergehenden gesellschaftlichen Isolation sowie seiner Angst, der Grundlage seiner Profession als Musiker beraubt zu werden, bekräftigt zugleich aber auch seinen Entschluss, dem harten Schicksal um der Kunst Willen trotzen zu wollen:

Ludwig van Beethoven

Symphonie Nr. 4 B-Dur

»[…] es fehlte wenig, und ich endigte selbst mein Leben – nur sie die Kunst, sie hielt mich zurück, ach es dünkte mir unmöglich, die Welt eher zu verlassen, bis ich das alles hervorgebracht, wozu ich mich aufgelegt fühlte […]«.

Ludwig van Beethoven, Ölgemälde von Isidor Neugaß, 1806

Ludwig van Beethoven Symphonie Nr. 4 B-Dur

»Beethovens grosse Sinfonie in Es [i. e. Nr. 3], die in Ihren Blättern vor kurzem mit so viel Unparteylichkeit und Anstand beurtheilt worden ist, wird, nebst den beyden andern Sinfonieen dieses Komponisten (aus C u. D.) nächstens, mit einer vierten, noch ganz unbekannten Sinfonie von ihm, in einer sehr gewählten Gesellschaft, welche zum Besten des Verfassers sehr ansehnliche Beyträge subscribirt hat, aufgeführt werden. Auch ziehen drey neue, sehr lange und schwierige Beethovensche Violinquartetten, dem russischen Botschafter, Grafen Rasumovsky zugeeignet, die Aufmerksamkeit aller Kenner an sich.«

Allgemeine musikalische Zeitung vom 18. März 1807

Bereits in seinen ersten beiden zwischen 1799 und 1802 entstandenen Symphonien hat Beethoven die Grenzen der Gattung ausgereizt, hat sich wie die Allgemeine musikalische Zeitung noch 1812 über die 2. Symphonie berichtet, in den Augen und Ohren seiner Zeitgenoss:innen »über das Gewöhnte, wenn auch etwas gewaltsam« hinweggesetzt. Nun ist es an der Zeit, diese Grenzen zu sprengen: Noch während der Vollendung seiner 3. Symphonie beginnt Beethoven mit ersten Entwürfen zur späteren Fünften, deren Arbeit er jedoch zugunsten seines Violinkonzerts, des 4. Klavierkonzerts sowie der Symphonie Nr. 4 unterbricht.

Als er im Herbst 1806 die letzten Noten dieser Werke zu Papier bringt, blickt er auf das produktivste Jahr seiner Karriere zurück. Und obwohl kaum ein Werk den Geist des Schaffensrausches und inneren Drängens jener Zeit besser widerspiegelt als die 4. Symphonie, steht das Werk, nicht zuletzt mangels anekdotischer Ausschmückungen, bis heute im Schatten seiner beiden Schwesterwerke: der monumentalen Eroica (Nr. 3) und der dramatischen, legendenumrankten ›Schicksalssymphonie‹ (Nr. 5). Zur Uraufführung kam die Vierte – gemeinsam mit den Symphonien Nr. 1, 2 und 3 – im Rahmen eines Privatkonzertes von Beethovens Förderer Fürst Franz Joseph Maximilian von Lobkowitz.

Ludwig van Beethoven Symphonie Nr. 4 B-Dur

Ein Spiel mit den Erwartungen

Beethovens 4. Symphonie beginnt mit einer langsamen Einleitung. So weit, so bekannt. Schon Joseph Haydn, Wolfgang Amadé Mozart und zahlreiche andere Komponist:innen vor ihm haben ihre Symphonien mit solchen langsamen Abschnitten im Wortsinne ›eingeleitet‹. Beethoven allerdings geht einen, zwei und schließlich sogar viele Schritte weiter: In seiner 1. Symphonie beginnt er mit einem dissonanten Septklang, der gleich zu Beginn von der Grundtonart C-Dur wegführt, im Kopfsatz der 2. Symphonie inszeniert er den Anfang als dramatischen Konflikt zwischen Dur und Moll und schafft damit gewissermaßen die ›Schablone‹ für den gesamten Satzverlauf – in der Vierten schließlich führt er das Publikum in harmonisch vieldeutige, klanglich zerklüftete Gefilde, die vielmehr vom anschließenden Allegro vivace weg- als zu ihm hinzuführen scheinen. Ein über fünf Oktaven aufgespanntes Unisono-B bildet den Rahmen für ein nebelverhangenes Bild: ein b-Moll, das sich über die enharmonische Umdeutung des Ges zum Fis in h-Moll wandelt, schließlich G-Dur, C-Dur, ehe völlig unerwartet und nur für einen kurzen Moment die Grundtonart B-Dur aufscheint, die allerdings durch das unmittelbar davor und danach klingende A­Dur eher wie ein ›Ausrutscher‹ als wie das Ziel der Reise erscheint. Nun, da es so wirkt, als habe sich der Komponist heillos in sich selbst verloren, zieht Beethoven sein ›Ass‹ aus dem Ärmel: Das mehrmals wiederholte A wird zur Terz eines F-DurDreiklangs umgedeutet und mit zwei grandios auftrumpfenden Fortissimo-Akkorden ist der Weg frei für das in B-Dur stehende Allegro vivace. »Der Beginn des ›Allegro vivace‹ der Vierten Symphonie«, so der nicht unbedingt zu Subjektivismus neigende Musikwissenschaftlicher Rudolf Bockholdt, »ist einer derjenigen Augenblicke in Beethovens Musik, die uns den Atem verschlagen.« An der Schnittstelle zwischen Durchführung und Reprise greift Beethoven dieses imposant inszenierte ›Suchen‹ und ›Finden‹ wieder auf: Nach abermaligem harmonischen ›Abschweifen‹ verwandelt sich auch hier – zunächst nur im Partiturbild sichtbar – unmerklich ein Fis in ein Ges und über einem insistierenden Paukenwirbel bahnt sich das aufsteigende Fanfarenmotiv des Hauptthemas seinen Weg zur strahlenden Wiederkehr.

Unisono ital. ›im Einklang‹; gemeinsames Spiel eines Tons oder einer Tonfolge durch mehrere Stimmen

Ludwig van Beethoven Symphonie Nr. 4 B-Dur

Hemiole rhythmische Verschiebung in einem Dreiertakt, wobei zwei Takte zu einem größeren Dreiertakt zusammengefasst werden

Im größtmöglichen Kontrast zur atemlosen Spielfreude des Kopfsatzes steht das schier auf unendlichem Atem singende Adagio: Über einem nachschlagenden ›Klopfmotiv‹ erhebt sich ein lyrisches Violinthema, dessen sanftes Gleiten das rhythmisch pointierte Begleitmotiv zugleich kontrastiert und ergänzt. Buchstäblich mit der Tür ins Haus stürzt das anschließende Scherzo, dessen Dreiklangsbrechnung als auftaktige Hemiole gegen den 3/4-Takt komponiert ist und erst nach zwei Takten die Fassung wiederfindet. Auch im weiteren

Ludwig van Beethoven Symphonie Nr. 4 B-Dur

Beginn des Kopfsatzes der 4. Symphonie in Beethovens Handschrift, 1806

Am oberen Rand findet sich ein Hinweis des Komponisten anlässlich der Drucklegung: »alle Abkürzungen müßen bey dem partitur abschreiben copirt werden.«

Verlauf spielt Beethoven mit den Hörerwartungen, wenn etwa die Idylle des Trios mit seiner »kindlich rührende[n], zu Herzen dringende[n] Melodie« (Karl Nef) nicht nur ein­, sondern zweimal wiederzukehren scheint, ehe der impulsive Auftakt der Hörner von einem unwirschen Fortissimo-Akkord zum Schweigen gebracht wird.

Im Finale schließlich greift Beethoven das atemlose Vorwärtsdrängen des Kopfsatzes wieder auf, steigert das musikalische Geschehen hier jedoch zu einer Art Perpetuum mobile, das sich auch von gellenden Sforzato­Akkorden oder dem Aufscheinen motivischer Bausteine – Melodien kann man es kaum nennen – unterbrechen lässt. Mit der Verschränkung dieser Elemente kreiert Beethoven einen Schlusssatz, der zugleich schwer und leicht, verspielt und kraftvoll, hintersinnig und vorwitzig – und damit wie die gesamte Symphonie – einmalig innerhalb seines Schaffens ist.

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Daniil Trifonov

Klavier

Der Pianist Daniil Trifonov tritt regelmäßig als Solist mit Orchestern auf, ist aber auch als Kammermusiker und Liedbegleiter sowie als Komponist tätig. Sein Spiel, das vollendete Technik mit seltener Sensibilität und Tiefe verbindet, begeistert Publikum und Kritiker:innen immer wieder.

In der Saison 2024/25 ist Daniil Trifonov Artist in Residence beim Chicago Symphony Orchestra und bei der Tschechischen Philharmonie. In Chicago wird er unter der Leitung von Klaus Mäkelä Brahms’ Klavierkonzert Nr. 2 aufführen. Mit der Tschechischen Philharmonie spielte er Dvořáks Klavierkonzert unter Semyon Bychkov bei der Saisoneröffnung in Prag. Weitere Aufführungen in Toronto sowie in der New Yorker Carnegie Hall folgen im Dezember. Zudem eröffnete Daniil Trifonov die Saison des Gewandhausorchesters Leipzig mit Mozarts Klavierkonzert Nr. 25 unter Andris Nelsons. Mit dem San Francisco Symphony Orchestra unter Esa­Pekka Salonen spielt er Prokofjews Klavierkonzert Nr. 2 und mit dem NDR Elbphilharmonie Orchester unter Alan Gilbert Ravels Klavierkonzert in G­Dur. Eine Europatournee mit Jakub Hrůša und den Bamberger Symphonikern führt ihn mit Dvořáks Klavierkonzert neben Linz auch nach Bamberg und Brünn. Mit dem Orchestre symphonique de Montréal unternimmt er eine weitere Europatournee mit Konzerten von Schumann und Beethoven. Auf zwei USA­Tourneen wird er erneut in der Carnegie Hall auftreten, sowohl als Solist als auch gemeinsam mit dem Geiger Leonidas Kavakos.

2016 kürte ihn das Musikmagazin Gramophone zum Künstler des Jahres und 2021 ernannte ihn die französische Regierung zum Chevalier de l’Ordre des Arts et des Lettres. Mit der Sammlung von Liszt­Etüden Transcendental gewann er 2018 den GRAMMY für das beste klassische Instrumental­Solo. Im Oktober 2024 erschien sein neues Doppelalbum

My American Story, das Solostücke mit Konzerten von George Gershwin und Mason Bates kombiniert.

Bamberger Symphoniker

Die Bamberger Symphoniker sind das einzige Orchester von Weltruf, das nicht in einer vibrierenden Metropole beheimatet ist. Als Reiseorchester trägt es seit 1946 seinen charakteristisch dunklen, runden und strahlenden Klang in die ganze Welt hinaus. Mit rund 7.500 Konzerten in über 500 Städten und 64 Ländern wurde das Orchester zum Kulturbotschafter Bayerns und ganz Deutschlands. Regelmäßig ist es auf Tourneen in den USA, in Südamerika, Japan und China unterwegs und wird von renommierten Konzerthäusern und Festivals weltweit eingeladen. Mit Jakub Hrůša steht nach Joseph Keilberth, Eugen Jochum, James Loughran, Horst Stein und Jonathan Nott nun ein Tscheche an der Spitze des Orchesters, das bei seiner Gründung zu zwei Dritteln aus ehemaligen Mitgliedern des Deutschen Philharmonischen Orchesters Prag bestand. Regelmäßig spielen sie mit ihren Ehrendirigenten Herbert Blomstedt, Christoph Eschenbach und Manfred Honeck.

Jakub Hrůša

Dirigent

Seit 2016 ist der in Brünn geborene Jakub Hrůša fünfter Chefdirigent der Bamberger Symphoniker. Er ist außerdem Erster Gastdirigent der Tschechischen Philharmonie und arbeitete in gleicher Funktion mit dem Philharmonia Orchestra, dem Orchestra dell’Accademia Nazionale di Santa Cecilia in Rom und dem Tokyo Metropolitan Symphony Orchestra zusammen. 2025 übernimmt er die Funktion des Generalmusikdirektors des Royal Opera House Covent Garden. Er ist regelmäßig Gast bei bedeutenden Orchestern und dirigiert Opernproduktionen an den renommiertesten Opernhäusern Europas. 2022 gab er sein Debüt bei den Salzburger Festspielen. Für seine Aufnahmen von Hans Rotts Symphonie Nr. 1 mit den Bamberger Symphonikern erhielt er 2023 einen International Classical Music Award, wie bereits zuvor für die Einspielung von Anton Bruckners 4. Symphonie. 2023 wurde Jakub Hrůša mit dem Opus Klassik als Dirigent des Jahres ausgezeichnet.

Impressum

Herausgeberin

Linzer Veranstaltungsgesellschaft mbH, Brucknerhaus Linz, Untere Donaulände 7, 4010 Linz

Redaktion

Andreas Meier

Biografien & Lektorat

Romana Gillesberger

Gestaltung

Anett Lysann Kraml, Lukas Eckerstorfer

Abbildungen

S. Zolak (S. 2), privat (S. 7), ??? (S. 9), Beethoven­Haus Bonn (S. 11), Staatsbibliothek zu Berlin (S. 14–15), D. Acosta (S. 19), A. Herzau (S. 20), M. Lenhard (S. 21)

Programm­, Termin­ und Besetzungsänderungen vorbehalten

LIVA – Ein Mitglied der Unternehmensgruppe Stadt Linz

Wir danken für Ihren Besuch und wünschen Ihnen ein schönes Konzert!

Werke von Vine, Scarlatti, Rachmaninoff, Respighi, Albéniz und Wagner/Liszt

VERANSTALTUNGSORT UND KARTEN

Brucknerhaus Linz · Untere Donaulände 7 · 4010 Linz +43 (0) 732 77 52 30 · kassa@liva.linz.at

7.November 2024 · 19:30 Uhr C.Bechstein Centrum Linz / Klaviersalon Merta GmbH Bethlehemstraße 24 · A-4020 Linz · +43 (0) 732 77 80 05 20

linz@bechstein.de · bechstein-linz.de

Foto: Ben Reason Photography

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