Michael Schade, André Ferreira & Christoph Hammer | 15.12.2024

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15. Dezember 2024

18:00 Uhr, Mittlerer Saal

Michael Schade, André Ferreira & Christoph Hammer

Winterreise

Liederabende I Saison 24–25

›Schubertiaden‹ gelten.

Für viele ist Schuberts Winterreise bis heute der Liederzyklus schlechthin: In der Verschränkung von Wilhelm Müllers eindringlich zwischen Volkslied und Dramatik schwankender Lyrik mit Schuberts kongenialer Musik zeichnet das Werk zugleich das Bild einer realen Reise auf verschneiten Pfaden wie auch einer emotionalen Wanderschaft in die Tiefen der menschlichen Psyche.

Besetzung

Michael Schade | Tenor

André Ferreira | Biedermeiergitarre

Christoph Hammer | Hammerklavier

Programm

Johann Kaspar Mertz 1806–1856

Wasserfahrt am Traunsee für Gitarre und Hammerklavier // o. J.

Franz Schubert 1797–1828

Winterreise D 911 // 1827

Erste Abteilung

Nr. 1 Gute Nacht

Nr. 2 Die Wetterfahne

Nr. 3 Gefror’ne Tränen

Nr. 4 Erstarrung

Nr. 5 Der Lindenbaum

Johann Amon 1763–1825

Nr. 1, 2 & 3 aus: Sechs Walzer für Gitarre und Hammerklavier op. 61 // 1812

Nr. 6 Wasserflut

Nr. 7 Auf dem Flusse

Nr. 8 Rückblick

Nr. 9 Irrlicht

Nr. 10 Rast

Nr. 11 Frühlingstraum

Nr. 12 Einsamkeit

Johann Amon

Nr. 4, 5 & 6 aus: Sechs Walzer für Gitarre und Hammerklavier op. 61 // 1812

Zweite Abteilung

Nr. 13 Die Post

Nr. 14 Der greise Kopf

Nr. 15 Die Krähe

Nr. 16 Letzte Hoffnung

Nr. 17 Im Dorfe

Nr. 18 Der stürmische Morgen

Nr. 19 Täuschung

Johann Kaspar Mertz

Einsiedlers Waldglöcklein für Gitarre und Hammerklavier // o. J.

Nr. 20 Der Wegweiser

Nr. 21 Das Wirtshaus

Nr. 22 Mut!

Nr. 23 Die Nebensonnen

Nr. 24 Der Leiermann

Konzertende ca. 19:30 Uhr

Brucknerhaus-Debüt

Der Weg ins Innere

»Was denn, er singt! Wie man in stierer, gedankenloser Erregung vor sich hin singt, ohne es zu wissen, so nutzt er seinen abgerissenen Atem, um halblaut für sich zu singen:

›Ich schnitt in seine Rinde  So manches liebe Wort –‹

[…] Er macht sich auf, er taumelt hinkend weiter mit erdschweren Füßen, bewußtlos singend:

›Und sei-ne Zweige rau-uschten, Als rie-fen sie mir zu –‹

Und so, im Getümmel, in dem Regen, der Dämmerung, kommt er uns aus den Augen.«

So endet die Geschichte Hans Castorps, Thomas Manns »Gralssucher« in den hermetischen Höhen des 1924 erschienenen Zauberbergs, der sich zuletzt im »Donnerschlag« des Ersten Weltkriegs wiederfindet. Das Lied, das er »mit abgerissenem Atem« gegen den Kugelhagel singt, ist Franz Schuberts Lindenbaum, jenes zeitlose, oftmals zum volkstümlichen Idyll verkürzte »Urbild des Innigen« (Mann) aus der Winterreise, in dem verklärte Vergangenheit und schicksalsschwere Gegenwart zu nebulöser Einheit verschmelzen. Auf den letzten Seiten seines Romans fängt Mann die Faszination einer gleichermaßen tröstenden wie trostlosen Stimmung ein, durch die sich Schuberts Musik und nicht zuletzt Wilhelm Müllers Dichtung der Winterreise vor den Werken ihrer Zeit auszeichnet und die bis heute nichts von ihrer Eindringlichkeit verloren hat.

»Fremd zieh’ ich wieder aus«

Doch wer war Wilhelm Müller? Gerne und nicht ohne Grund wird für den am 7. Oktober 1794 in Dessau geborenen Sohn eines Schneidermeisters heutzutage das Bild des »zu Unrecht vernachlässigten und unterschätzten Dichter[s]« (Erika von Borries) bemüht. Denn Müller, der nach Studien der Philologie und Germanistik als Gymnasiallehrer und späterer Hofrat in seiner Geburtsstadt wirkte, war zu Lebzeiten beileibe kein Unbekannter: Seine zwischen 1821 und 1826 entstandenen Lieder der Griechen, mit denen er sich auf die Seite der griechischen Revolution gegen die Osmanische Herrschaft und damit indirekt gegen die reaktionäre Marschrichtung des Deutschen Bundes infolge der Karlsbader Beschlüsse stellte, wurden begeistert aufgenommen und brachten ihm sogar den populären Beinamen ›Griechen-Müller‹ ein. Seine durch Schubert unsterblich gemachten Gedichtzyklen Die schöne Müllerin und Die Winterreise wurden

Wilhelm Müller, posthumer Kupferstich von Johann Friedrich Schröter, um 1830

hingegen zu seinen Lebzeiten kaum wahrgenommen. Dennoch gewann Müller gerade durch die hier erstmals erprobte Form des »lyrischen Schauspiels und Monodrams«, in der er in Anlehnung an die Ästhetik Jean Pauls »alles Geschehen und mit ihm die gesamte Szenerie […] aus einer Figur entfaltet[e]« (Hans Martin Ritter), die Bewunderung einiger namhafter Kollegen. Für Friedrich de la Motte Fouqué war er der »erste Lyriker seiner Zeit« und Heinrich Heine huldigte ihm 1826 in einem überschwänglichen Brief: »Wie rein, wie klar sind Ihre Lieder und sämmtlich sind es Volkslieder. […] es drängt mich mehr, Ihnen zu sagen, daß ich keinen Liederdichter außer Goethe so sehr liebe wie Sie.« Vor allem in seiner Winterreise gelang Müller jene Synthese eines ebenso kunstvollen wie schlichten Volksliedtons, in dessen beißender Ironie sich »eine Verzweifung breit[macht], an der gar nichts Poetisches mehr ist« (Rolf Vollmann).

»Ach, dass die Luft so ruhig!«

Nachdem Schubert bereits 1823 Müllers Dichtung Die schöne Müllerin vertont hatte, stieß er im Februar des Jahres 1827 in der Bibliothek seines Freundes Franz von Schober auf den Leipziger Almanach Urania. Taschenbuch auf das Jahr 1823, eine liberale Zeitschrift, die in der Zeit des Biedermeiers und der Restauration unter Fürst von Metternich verboten worden war. Wie Müller stand auch Schubert zu den gesellschaftlichen Tendenzen seiner Zeit in Opposition, der freundschaftliche Zirkel seiner privaten ›Schubertiaden‹ geriet mehrmals in polizeiliche Untersuchungen, vereinzelt kam es sogar zu Verhaftungen. Der Entstehungsgeschichte der Winterreise haftet somit auch eine politische Dimension an, weshalb etwa der Musikwissenschaftler Harry Goldschmidt in der »lautlose[n] Öde der Winterreise […] eine beklemmende Szenerie europäischer Friedhofsstille« erkannte. Im Urania-Band fand Schubert unter dem Titel Wanderlieder von Wilhelm Müller. Die Winterreise zwölf Gedichte, die er innerhalb weniger Wochen vertonte. Im Sommer desselben Jahres gelangte er in den Besitz des 1824 veröffentlichten zweiten Bandes der Gedichte aus den hinterlassenen Papieren eines reisenden Waldhornisten, in dem Müller seine Winterreise auf 24 Gedichte erweitert und infolge dessen auch die Reihenfolge des bereits veröffentlichten ersten Teils umgestellt hatte. Schubert, der seine bereits komponierte »Erste Abtheilung«

als geschlossenes Ganzes ansah, übernahm diese Änderungen nicht und fügte stattdessen die neuen Lieder in ihrer abgedruckten Reihenfolge und unter Auslassung der bereits komponierten Stücke zu seiner eigenen »Zweiten Abtheilung« zusammen, wobei er einzig die Müller’sche Reihenfolge der Gedichte Die Nebensonnen und Mut! vertauschte.

Franz Schubert
Franz Schubert, Ölgmälde von Gábor Melegh, 1827

»Wie eine trübe Wolke«

»S[chubert] war durch einige Zeit düster gestimmt und schien angegriffen. Auf meine Frage, was in ihm vorgehe, sagte er mir: ›Ihr werdet es bald hören und begreifen.‹ Eines Tages sagte er zu mir:

›Komm heute zu Schober, ich werde Euch einen Cyclus schauerlicher Lieder vorsingen, ich bin neugierig zu sehen, was Ihr dazu sagt. Sie haben mich mehr angegriffen, als dies je bei anderen Liedern der Fall war.‹ Er sang uns nun mit bewegter Stimme die ganze Winterreise durch. Wir waren durch die düstere Stimmung dieser Lieder ganz verblüfft, und Schober sagte endlich, es habe ihm nur ein Lied darunter gefallen, nämlich der Lindenbaum. S[chubert] sagte hierauf: Mir gefallen diese Lieder mehr als alle anderen und sie werden Euch auch noch gefallen.«

»Ich bin krank. Ich habe schon 11 Tage nichts gegessen u[nd] nichts getrunken u[nd] wandle matt u[nd] schwankend von Sessel zu Bett u[nd] zurück«, schrieb Schubert am 12. November 1828 an seinen Freund Franz von Schober. Sieben Tage später starb er. Als er im Jahr zuvor begonnen hatte, die Wanderschaft seiner Winterreise anzutreten, wusste er bereits um seine langjährige Syphilis-Erkrankung, die ihm, im Zusammenspiel mit häufigem Schwindel und starken Kopfschmerzen immer stärker zusetzte. Es wäre falsch, das ›junge Spätwerk‹ des Komponisten infolge seiner persönlichen Leidensgeschichte als romantischen Schwanengesang zu verklären, dennoch scheint sich Schuberts desolate körperliche Verfassung in Verbindung mit seiner vergeblichen Bewerbung um die Position als Vizekapellmeister der kaiserlichen Hofkapelle sowie erfolglosen Opernplänen mehr und mehr in seinem Gemüt niedergeschlagen zu haben. So berichtete sein Freund und Förderer

Joseph von Spaun rückblickend: »Eines Tages sagte er zu mir: ›Komm heute zu Schober, ich werde Euch einen Cyclus schauerlicher Lieder vorsingen, ich bin neugierig zu sehen, was Ihr dazu sagt. Sie haben mich mehr angegriffen, als dies je bei anderen Liedern der Fall war.‹«

Joseph von Spaun über Franz Schuberts Winterreise

Es wundert nicht, dass diese »schauerliche[n] Lieder« auf Schuberts Freunde zunächst befremdlich wirkten. Zwar war das Wandern »als Metapher

menschlicher Existenz« (Elmar Budde) das romantische Motiv schlechthin, am Ende der Winterreise steht allerdings weder glückliche Heimkehr noch resignative Weltfucht, ja noch nicht einmal das von Schubert 1816 vertonte »Dort, wo du nicht bist, ist das Glück!«, sondern eine bedrückende Leere, in der die gleichfalls leeren Quinten des Leiermanns als »dissonanter Schlußpunkt unter das romantische ›träumerische Wanderleben‹« (Borries) widerhallen. War die vom Dichter Novalis am Beginn des 19. Jahrhunderts geprägte ›Blaue Blume‹ zum künstlerischen Motiv für das Streben und Suchen nach Ferne und Unendlichkeit und damit für das Wandern selbst geworden, so stellt der Protagonist der Winterreise erschrocken fest: »Die Blumen sind erstorben, der Rasen sieht so blass.«

»Dort, wo du nicht bist, ist das Glück!« Schlusszeile von Schuberts Lied Der Wanderer D 489 auf einen Text von Georg Philipp Schmidt von Lübeck

»Nur Täuschung ist für mich Gewinn!«

Die Zahl der motivischen Pfade und melodischen Wegweiser, die die Winterreise durchzieht, ist beinahe endlos, die teilweise direkte Gegenüberstellung von Dur und Moll innerhalb einzelner Lieder dabei ein auffälliges und immer wiederkehrendes Stilmittel. Dabei gelingt Schubert der Kunstgriff, dem verklärenden, träumenden Ton der Dur-Passagen sogar noch wehmutsvollere Stimmungen zu entlocken als der harten, trostlosen Realität der Moll-Abschnitte. Der musikalische Einfallsreichtum, mit dem er die monotonen Schritte des Wanderers (Gute Nacht), das Heulen des Windes (Die Wetterfahne), das Hornsignal einer Postkutsche (Die Post) oder das Rauschen der Blätter (Der Lindenbaum) malt, reicht weit über das Ausdrucksspektrum seiner Zeitgenoss:innen hinaus. Der wahre Kunstgriff liegt jedoch darin, auf welche Weise diese ›Tonmalereien‹ mit abstrakten Elementen ›absoluter Musik‹ verwoben und verschränkt sind. So ficht Schubert zum einen ein engmaschiges Netz musikalischer Themen, wie beispielsweise die leitmotivisch wirkende, absteigende Melodielinie des ersten Lieds Gute Nacht – drei herausgerissene Seiten des Originalmanuskripts legen die Vermutung nahe, dass Schubert eine erste Version des Liedes nach Beendigung des Zyklus tilgte und die finale Version im Hinblick auf das Gesamtwerk neu komponierte –, zum

anderen greift er auf kunstvolle Stilmittel, wie einen schreitenden Sarabande-Rhythmus (Wasserflut), eine Chaconne (Auf dem Flusse) oder einen elegischen Choralsatz (Im Dorfe) zurück; kunstvolle Stilelemente, die nicht immer eindeutig wahrnehmbar sind, die jedoch gleich dem in der Winterreise besungenen Fluss unsichtbar unter der gefrorenen, verschneiten Oberfäche mitfießen.

Beginn der Winterreise in Schuberts Handschrift, 1827

»Bin gewohnt das Irregehen«

Anders als noch in der Schönen Müllerin folgt der Wanderer der Winterreise keinem klar erkennbaren Pfad. Der Reiz der Winterreise liegt gerade in ihrer musivischen Erzählstruktur, durch die sich der gehetzte Blick gleichsam ins Innere verlagert und dort ein Bild zeichnet von einem, der auszog, »das Irregehen« zu lernen. Das in der Romantik populäre Bild des ›wahnsinnigen Geliebten‹ wird hier bis ins Letzte und mit fataler Konsequenz verfolgt. »Wo einer nicht weg kann von dem Ort, an dem er doch nicht bleiben kann, bricht er aus in den Wahnsinn und ist fortan gleichzeitig da und nicht da, ist bei allen andern und weit von ihnen entfernt. Dieser Verrückte denkt und erlebt nicht das Falsche, Verkehrte und Absurde, sondern das andere, das außerhalb der Abmachungen der Vernünftigen über die Wirklichkeit und das Gute liegt«, schreibt der Schweizer Germanist Peter von Matt und fängt damit die virtuose ›Vielbödigkeit‹ der Winterreise ein. Am Ende der Straße, »die noch keiner ging zurück« (Der Wegweiser), trifft der Wanderer schließlich auf einen »barfuß auf dem Eise« schwankenden Leiermann, tritt auf ihn zu und fragt: »Willst zu meinen Liedern deine Leier dreh’n?« Ist es der Tod der hier aufspielt? Nimmt der einsame Umherirrende sein Schicksal als Ausgestoßener in Gesellschaft des Leiermanns an? Die Gesangsstimme endet auf der Quinte des Moll-Akkords, die Frage bleibt offen, der Wanderer steht still und »in dem Regen, der Dämmerung, kommt er uns aus den Augen« (Thomas Mann).

Gesangstexte

Erste Abteilung

Nr. 1 Gute Nacht

Fremd bin ich eingezogen, fremd zieh’ ich wieder aus. Der Mai war mir gewogen mit manchem Blumenstrauß.

Das Mädchen sprach von Liebe, die Mutter gar von Eh’, –nun ist die Welt so trübe, der Weg gehüllt in Schnee.

Ich kann zu meiner Reisen nicht wählen mit der Zeit, muss selbst den Weg mir weisen in dieser Dunkelheit.

Es zieht ein Mondenschatten als mein Gefährte mit, und auf den weißen Matten such’ ich des Wildes Tritt.

Was soll ich länger weilen, dass man mich trieb hinaus?

Lass irre Hunde heulen vor ihres Herren Haus; die Liebe liebt das Wandern –Gott hat sie so gemacht –von einem zu dem andern.

Fein Liebchen, gute Nacht!

Will dich im Traum nicht stören, wär’ schad’ um deine Ruh’, sollst meinen Tritt nicht hören –sacht, sacht die Türe zu!

Ich schreibe nur im Gehen an’s Tor noch gute Nacht, damit du mögest sehen, an dich hab’ ich gedacht.

Nr. 2 Die Wetterfahne

Der Wind spielt mit der Wetterfahne auf meines schönen Liebchens Haus. Da dacht ich schon in meinem Wahne, sie pfiff den armen Flüchtling aus.

Er hätt’ es ehr bemerken sollen, des Hauses aufgestecktes Schild, so hätt’ er nimmer suchen wollen im Haus ein treues Frauenbild.

Der Wind spielt drinnen mit den Herzen wie auf dem Dach, nur nicht so laut. Was fragen sie nach meinen Schmerzen? Ihr Kind ist eine reiche Braut.

Nr. 3 Gefror’ne Tränen

Gefror’ne Tropfen fallen von meinen Wangen ab: Ob es mir denn entgangen, dass ich geweinet hab’?

Ei Tränen, meine Tränen, und seid ihr gar so lau, dass ihr erstarrt zu Eise wie kühler Morgentau?

Und dringt doch aus der Quelle der Brust so glühend heiß, als wolltet ihr zerschmelzen des ganzen Winters Eis!

Nr. 4 Erstarrung

Ich such’ im Schnee vergebens nach ihrer Tritte Spur, wo sie an meinem Arme durchstrich die grüne Flur.

Ich will den Boden küssen, durchdringen Eis und Schnee mit meinen heißen Tränen, bis ich die Erde seh’.

Wo find’ ich eine Blüte, wo find’ ich grünes Gras? Die Blumen sind erstorben der Rasen sieht so blass.

Soll denn kein Angedenken ich nehmen mit von hier?

Wenn meine Schmerzen schweigen, wer sagt mir dann von ihr?

Mein Herz ist wie erfroren, kalt starrt ihr Bild darin:

Schmilzt je das Herz mir wieder fießt auch das Bild dahin.

Nr. 5 Der Lindenbaum

Am Brunnen vor dem Tore, da steht ein Lindenbaum: Ich träumt’ in seinem Schatten so manchen süßen Traum.

Ich schnitt in seine Rinde so manches liebe Wort; es zog in Freud’ und Leide zu ihm mich immer fort.

Ich musst’ auch heute wandern vorbei in tiefer Nacht, da hab’ ich noch im Dunkel die Augen zugemacht.

Und seine Zweige rauschten, als riefen sie mir zu: Komm her zu mir, Geselle, hier find’st du deine Ruh’!

Die kalten Winde bliesen mir grad ins Angesicht; der Hut fog mir vom Kopfe, ich wendete mich nicht.

Nun bin ich manche Stunde entfernt von jenem Ort, und immer hör’ ich’s rauschen: Du fändest Ruhe dort!

Nr. 6 Wasserflut

Manche Trän’ aus meinen Augen ist gefallen in den Schnee; seine kalten Flocken saugen durstig ein das heiße Weh.

Wenn die Gräser sprossen wollen weht daher ein lauer Wind, und das Eis zerspringt in Schollen und der weiche Schnee zerrinnt.

Schnee, du weißt von meinem Sehnen, Sag’ mir, wohin doch geht dein Lauf? Folge nach nur meinen Tränen, nimmt dich bald das Bächlein auf.

Wirst mit ihm die Stadt durchziehen, munt’re Straßen ein und aus; Fühlst du meine Tränen glühen, da ist meiner Liebsten Haus.

Nr. 7 Auf dem Flusse

Der du so lustig rauschtest, du heller, wilder Fluss, wie still bist du geworden, gibst keinen Scheidegruß.

Mit harter, starrer Rinde hast du dich überdeckt, liegst kalt und unbeweglich im Sande ausgestreckt.

In deine Decke grab’ ich mit einem spitzen Stein den Namen meiner Liebsten und Stund’ und Tag hinein:

Den Tag des ersten Grußes, den Tag, an dem ich ging; um Nam’ und Zahlen windet sich ein zerbroch’ner Ring.

Mein Herz, in diesem Bache erkennst du nun dein Bild? Ob’s unter seiner Rinde wohl auch so reißend schwillt?

Nr. 8 Rückblick

Es brennt mir unter beiden Sohlen, tret’ ich auch schon auf Eis und Schnee, ich möcht’ nicht wieder Atem holen, bis ich nicht mehr die Türme seh’.

Hab’ mich an jeden Stein gestoßen, so eilt’ ich zu der Stadt hinaus; die Krähen warfen Bäll’ und Schloßen auf meinen Hut von jedem Haus.

Wie anders hast du mich empfangen, du Stadt der Unbeständigkeit!

An deinen blanken Fenstern sangen die Lerch’ und Nachtigall im Streit.

Die runden Lindenbäume blühten, die klaren Rinnen rauschten hell, und ach, zwei Mädchenaugen glühten. –

Da war’s gescheh’n um dich, Gesell’!

Kömmt mir der Tag in die Gedanken, möcht’ ich noch einmal rückwärts seh’n, möcht’ ich zurücke wieder wanken, vor ihrem Hause stille steh’n.

Nr. 9 Irrlicht

In die tiefsten Felsengründe lockte mich ein Irrlicht hin: Wie ich einen Ausgang finde, liegt nicht schwer mir in dem Sinn.

Bin gewohnt das Irregehen, ’s führt ja jeder Weg zum Ziel: Unsre Freuden, unsre Wehen, alles eines Irrlichts Spiel!

Durch des Bergstroms trock’ne Rinnen wind’ ich ruhig mich hinab, jeder Strom wird’s Meer gewinnen, jedes Leiden auch ein Grab.

Nr. 10 Rast

Nun merk’ ich erst, wie müd’ ich bin, da ich zur Ruh’ mich lege: Das Wandern hielt mich munter hin auf unwirtbarem Wege.

Die Füße frugen nicht nach Rast, es war zu kalt zum Stehen; der Rücken fühlte keine Last, der Sturm half fort mich wehen.

In eines Köhlers engem Haus hab’ Obdach ich gefunden; doch meine Glieder ruh’n nicht aus: So brennen ihre Wunden.

Auch du, mein Herz, in Kampf und Sturm so wild und so verwegen, fühlst in der Still’ erst deinen Wurm mit heißem Stich sich regen!

Nr. 11 Frühlingstraum

Ich träumte von bunten Blumen, so wie sie wohl blühen im Mai; ich träumte von grünen Wiesen, von lustigem Vogelgeschrei.

Und als die Hähne krähten, da ward mein Auge wach; da war es kalt und finster, es schrien die Raben vom Dach.

Doch an den Fensterscheiben, wer malte die Blätter da?

Ihr lacht wohl über den Träumer, der Blumen im Winter sah?

Ich träumte von Lieb’ um Liebe, von einer schönen Maid, von Herzen und von Küssen, von Wonn’ und Seligkeit.

Und als die Hähne krähten, da ward mein Herze wach; nun sitz ich hier alleine und denke dem Traume nach.

Die Augen schließ’ ich wieder, noch schlägt das Herz so warm. Wann grünt ihr Blätter am Fenster? Wann halt’ ich mein Liebchen im Arm?

Nr. 12 Einsamkeit

Wie eine trübe Wolke durch heit’re Lüfte geht, wenn in der Tanne Wipfel ein mattes Lüftchen weht:

So zieh ich meine Straße dahin mit trägem Fuß, durch helles, frohes Leben, einsam und ohne Gruß.

Ach, dass die Luft so ruhig! Ach, dass die Welt so licht! Als noch die Stürme tobten, war ich so elend nicht. Gesangstexte

Zweite Abteilung

Nr. 13 Die Post Von der Straße her ein Posthorn klingt. Was hat es, dass es so hoch aufspringt, mein Herz?

Die Post bringt keinen Brief für dich. Was drängst du denn so wunderlich, mein Herz?

Nun ja, die Post kömmt aus der Stadt, wo ich ein liebes Liebchen hatt’, mein Herz!

Willst wohl einmal hinüberseh’n und fragen, wie es dort mag geh’n, mein Herz?

Nr. 14 Der greise Kopf

Der Reif hatt’ einen weißen Schein mir übers Haar gestreuet; da glaubt’ ich schon ein Greis zu sein und hab’ mich sehr gefreuet.

Doch bald ist er hinweggetaut, hab’ wieder schwarze Haare, dass mir’s vor meiner Jugend graut –wie weit noch bis zur Bahre!

Vom Abendrot zum Morgenlicht ward mancher Kopf zum Greise. Wer glaubt’s? und meiner ward es nicht auf dieser ganzen Reise!

Nr. 15 Die Krähe

Eine Krähe war mit mir aus der Stadt gezogen, ist bis heute für und für um mein Haupt gefogen.

Krähe, wunderliches Tier, willst mich nicht verlassen?

Meinst wohl, bald als Beute hier meinen Leib zu fassen?

Nun, es wird nicht weit mehr geh’n an dem Wanderstabe.

Krähe, lass mich endlich seh’n, Treue bis zum Grabe!

Nr. 16 Letzte Hoffnung

Hie und da ist an den Bäumen manches bunte Blatt zu seh’n, und ich bleibe vor den Bäumen oftmals in Gedanken steh’n.

Schaue nach dem einen Blatte, hänge meine Hoffnung dran; spielt der Wind mit meinem Blatte, zittr’ ich, was ich zittern kann.

Ach, und fällt das Blatt zu Boden, fällt mit ihm die Hoffnung ab; fall’ ich selber mit zu Boden, wein’ auf meiner Hoffnung Grab.

Nr. 17 Im Dorfe

Es bellen die Hunde, es rascheln die Ketten; es schlafen die Menschen in ihren Betten, träumen sich manches, was sie nicht haben, tun sich im Guten und Argen erlaben:

Und morgen früh ist alles zerfossen.

Je nun, sie haben ihr Teil genossen und hoffen, was sie noch übrig ließen, doch wieder zu finden auf ihren Kissen.

Bellt mich nur fort, ihr wachen Hunde, lasst mich nicht ruh’n in der Schlummerstunde!

Ich bin zu Ende mit allen Träumen –was will ich unter den Schläfern säumen?

Nr. 18 Der stürmische Morgen

Wie hat der Sturm zerrissen des Himmels graues Kleid! Die Wolkenfetzen fattern umher im matten Streit. Und rote Feuerfammen zieh’n zwischen ihnen hin; das nenn’ ich einen Morgen so recht nach meinem Sinn!

Mein Herz sieht an dem Himmel gemalt sein eig’nes Bild –es ist nichts als der Winter, der Winter, kalt und wild!

Nr. 19 Täuschung

Ein Licht tanzt freundlich vor mir her, ich folg’ ihm nach die Kreuz und Quer; ich folg’ ihm gern und seh’s ihm an, dass es verlockt den Wandersmann. Ach! wer wie ich so elend ist, gibt gern sich hin der bunten List, die hinter Eis und Nacht und Graus ihm weist ein helles, warmes Haus. Und eine liebe Seele drin –nur Täuschung ist für mich Gewinn!

Nr. 20 Der Wegweiser

Was vermeid’ ich denn die Wege, wo die ander’n Wandrer gehn, suche mir versteckte Stege durch verschneite Felsenhöhn?

Habe ja doch nichts begangen, dass ich Menschen sollte scheu’n, –welch ein törichtes Verlangen treibt mich in die Wüstenei’n?

Weiser stehen auf den Straßen, weisen auf die Städte zu, und ich wandre sonder Maßen ohne Ruh’ und suche Ruh’.

Einen Weiser seh’ ich stehen unverrückt vor meinem Blick; eine Straße muss ich gehen, die noch keiner ging zurück.

Nr. 21 Das Wirtshaus

Auf einen Totenacker hat mich mein Weg gebracht; allhier will ich einkehren, hab’ ich bei mir gedacht.

Ihr grünen Totenkränze könnt wohl die Zeichen sein, die müde Wandrer laden ins kühle Wirtshaus ein.

Sind denn in diesem Hause die Kammern all’ besetzt? Bin matt zum Niedersinken, bin tödlich schwer verletzt.

O unbarmherz’ge Schenke, doch weisest du mich ab?

Nun weiter denn, nur weiter, mein treuer Wanderstab!

Nr. 22 Mut!

Fliegt der Schnee mir ins Gesicht, schüttl’ ich ihn herunter.

Wenn mein Herz im Busen spricht, sing’ ich hell und munter.

Höre nicht, was es mir sagt, habe keine Ohren; fühle nicht, was es mir klagt, Klagen ist für Toren.

Lustig in die Welt hinein gegen Wind und Wetter! Will kein Gott auf Erden sein, sind wir selber Götter!

Nr. 23 Die Nebensonnen

Drei Sonnen sah ich am Himmel steh’n, hab’ lang und fest sie angeseh’n; und sie auch standen da so stier, als könnten sie nicht weg von mir. Ach, meine Sonnen seid ihr nicht!

Schaut Andren doch ins Angesicht!

Ja, neulich hatt’ ich auch wohl drei; nun sind hinab die besten zwei.

Ging nur die dritt’ erst hinterdrein!

Im Dunkeln wird mir wohler sein.

Nr. 24 Der Leiermann

Drüben hinterm Dorfe steht ein Leiermann und mit starren Fingern dreht er, was er kann.

Barfuß auf dem Eise wankt er hin und her und sein kleiner Teller bleibt ihm immer leer.

Keiner mag ihn hören, keiner sieht ihn an, und die Hunde knurren um den alten Mann.

Und er lässt es gehen alles, wie es will, dreht und seine Leier steht ihm nimmer still.

Wunderlicher Alter, soll ich mit dir geh’n? Willst zu meinen Liedern deine Leier dreh’n?

Michael Schade

Tenor

Gefeiert als einer der führenden Tenöre unserer Zeit, ist der DeutschKanadier Michael Schade regelmäßig auf den wichtigsten Opern- und Konzertpodien zu erleben. Er gastierte bei den Festivals in Verbier, Luzern, Grafenegg und Glyndebourne, bei den Salzburger Festspielen, an der Staatsoper Hamburg, der Staatsoper Unter den Linden in Berlin und an der Metropolitan Opera in New York. An der Wiener Staatsoper war er in allen Mozart- und Strauss-Partien seines Fachs zu hören. Highlights der jüngsten Vergangenheit waren sein Rollendebüt als Herodes an der Canadian Opera Company und sein Gastspiel als Idomeneo an der Opera Australia. Darüber hinaus widmet sich Michael Schade intensiv der Konzertliteratur und arbeitet mit führenden Orchestern wie den Wiener, den Berliner und den New Yorker Philharmonikern, dem Royal Concertgebouw Orchestra, dem Cleveland Orchestra sowie den Symphonieorchestern von Toronto, Montreal und Boston unter namhaften Dirigent:innen zusammen. Seine Tätigkeit war stark geprägt von Auftritten mit Nikolaus Harnoncourt. Als Liedsänger wurde Michael Schade unter anderem an der Wiener Staatsoper, im Concertgebouw in Amsterdam, in der Alice Tully Hall und der Carnegie Hall in New York, in der Londoner Wigmore Hall, beim Verbier Festival, bei der Schubertiade Schwarzenberg sowie beim Grafenegg Festival gefeiert. Jüngste Liederabende führten ihn ins Wiener Konzerthaus und in den Musikverein Wien.

In der Saison 2024/25 feiert Michael Schade sein Rollendebüt als Hauptmann in Alban Bergs Wozzeck an der Canadian Opera Company. Im Oktober war er mit dem Concentus Musicus Wien unter Stefan Gottfried und Händels Alexander’s Feast im Musikverein Wien zu erleben.

2007 wurde Michael Schade der Titel Österreichischer Kammersänger verliehen. Er ist künstlerischer Leiter der Internationalen Barocktage Stift Melk und Gesangsprofessor an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien.

André Ferreira

Biedermeiergitarre

André Ferreira stammt aus Portugal und absolvierte seine musikalische Ausbildung am Conservatorio Superior de Música de Vigo, der Akademie für Tonkunst in Darmstadt, der Universität für Musik und darstellende Kunst Graz und an der Hochschule für Musik FRANZ LISZT Weimar. Mit großem Interesse an Alter Musik und inspiriert von verschiedenen Zupfinstrumenten und Spieltechniken, begann er, Laute zu spielen und an der Hochschule für Musik und Tanz Köln bei David Bergmüller zu studieren. Er tritt regelmäßig mit Ensembles wie dem Concentus Musicus Wien und dem Bach Consort Wien in Konzerthäusern und bei Festivals in Wien, Barcelona, Madrid, Köln und Lausanne auf. Dabei teilt er die Bühne mit Musiker:innen wie Stefan Gottfried, Rubén Dubrovsky, Vivica Genaux, Anna Prohaska, Terry Wey und Florian Boesch. André Ferreira unterrichtet Gitarre und Laute an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien.

Christoph Hammer

Christoph Hammer zählt zu den profiliertesten und vielseitigsten Musikern im Bereich der Alten Musik. Er studierte Orgel an der Hochschule für Musik und Theater München, zudem Germanistik und Musikwissenschaft in München und Los Angeles. Als Leiter des Barockorchesters Neue Hofkapelle München realisierte er zahlreiche Aufnahmen und Ersteinspielungen. Zudem wirkt er als Operndirigent. Er arbeitete mit dem Badischen Staatsorchester, den Bremer Philharmonikern und dem Bruckner Orchester Linz. 2003 gründete er das Festival Residenzwoche München. Auch als Solist, Liedbegleiter und Kammermusiker am Hammerfügel und Cembalo genießt er einen internationalen Ruf. Er konzertierte mit Concerto Köln und dem L’Orfeo Barockorchester ebenso wie mit modernen Orchestern und ist Gast bei internationalen Festivals. Seit 2009 ist er Professor für historische Tasteninstrumente an der Univeristy of North Texas.

Impressum

Herausgeberin

Linzer Veranstaltungsgesellschaft mbH, Brucknerhaus Linz, Untere Donaulände 7, 4010 Linz

Redaktion

Andreas Meier

Biografien & Lektorat

Romana Gillesberger

Gestaltung

Anett Lysann Kraml, Lukas Eckerstorfer

Abbildungen

gemeinfrei (S. 7), Ungarische Nationalgalerie, Budapest (S. 9), The Morgan Library & Museum, New York (S. 12–13), L. Beck (S. 23), A. Ferreira (S. 24), M. Johannsen (S. 25)

Programm­, Termin­ und Besetzungsänderungen vorbehalten

LIVA – Ein Mitglied der Unternehmensgruppe Stadt Linz

Wir danken für Ihren Besuch und wünschen Ihnen ein schönes Konzert!

Daria Parkhomenko

Werke von Franck, Enescu und Rachmaninoff

VERANSTALTUNGSORT UND KARTEN

Brucknerhaus Linz · Untere Donaulände 7 · 4010 Linz +43 (0) 732 77 52 30 · kassa@liva.linz.at

19.Dezember 2024 · 19:30 Uhr C.Bechstein Centrum Linz / Klaviersalon Merta GmbH

Bethlehemstraße 24 · A-4020 Linz · +43 (0) 732 77 80 05 20

linz@bechstein.de · bechstein-linz.de

Foto: Michael Reinicke

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