Tänzerische Passionsmusik
EIN KATHOLISCHER LUTHERANER
So viel Leid der Konflikt zwischen Katholiken und Protestanten auch über die Welt gebracht hat: Es ist bemerkenswert, wie durchlässig die konfessionellen Grenzen in gewissen Fällen sein konnten – so im Fall des Lutheraners Georg Friedrich Händel, 21 Jahre war er alt, als er Hamburg wegen der Einladung eines toskanischen Adeligen verließ. Nach einem Aufenthalt in Florenz gelangte Händel schließlich nach Rom und fand dort in mehreren Kardinälen begeisterte Fürsprecher und Auftraggeber. Es hat den Deutschen offenbar nicht gestört, dass diese Aufträge katholischer Kirchenmusik galten; umgekehrt schienen sich Händels Förderer (jedenfalls kurzzeitig) nicht am persönlichen Credo des Komponisten zu stoßen.
Seinen wohl wichtigsten Rom-Förderer fand der junge Musiker allerdings in dem betuchten Aristokraten Francesco Maria Ruspoli: Der brachte Händel in seinem Palazzo unter und nahm ihn auch auf seinen Landsitz in Vignanello mit. Dort, unweit von Rom, hat Händel wohl 1707 seine berührende Fassung des Marien-Andachtslieds „Salve regina“ geschrieben. Die kleine Besetzung – ein Sopran, zwei Geigen, ein Cello und eine Orgel – dürfte den beschränkten Möglichkeiten vor Ort geschuldet gewesen sein, förderten zugleich aber auch die meditative Wirkung der Musik. Lange Vokallinien ertönen zu Beginn, scheinen in Himmelshöhen zu steigen und gehen mit beschwörenden Violine-Figuren einher. Chromatische Schärfen vermitteln schon bald die Nöte der menschlichen Existenz. Dazu passt, dass der Sopran bei den Worten „Ad te clamamus“ eine kleine None emporspringt – ein besonders herbes Intervall für das Ohr. Während der folgende, virtuose Abschnitt mit beschwingten Tönen für Abwechslung sorgt, kehrt die Schlusspassage wieder zum langsamen
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Andreas Kirchhoff
Suite à 4 g-Moll
Georg Friedrich Händel, früher James
Thornhill zugeschriebenes
Porträt, um 1720
Anfangstempo zurück. Der Schmerz scheint sich hier in Seelenfrieden aufzulösen; die Musik gipfelt in einem berückenden Schluss von stiller Eindringlichkeit.
WERKE AUS DER „DÜBENSAMMLUNG“
Ein gewisser Andreas Kirchhoff hatte rund ein halbes Jahrhundert davor wirkungsvolle Musik zu Papier gebracht. Drei Stücke von ihm sind in die sogenannte „Dübensammlung“ eingegangen – ein Kompendium, das hauptsächlich der schwedische Hofkapellmeister Gustav Düben der Ältere zusammengestellt hatte. Wer genau dieser Andreas Kirchhoff war, bereitete der Musikwissenschaft aber lange
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Kopfzerbrechen. Die Familie Kirchhoff, ursprünglich in deutschen Landen beheimatet, verzweigte sich im 17. Jahrhundert nach Nordeuropa und brachte dort mehrere Musiker hervor; gleich drei trugen denselben Vor- und Nachnamen.
Der fragliche Komponist dürfte wohl jener Andreas Kirchhoff gewesen sein, der das Amt des Stadtmusikers in Kopenhagen bekleidete –eine prestigeträchtige und gut bezahlte Position. Kirchhoff trat wohl nicht nur in der Kirche und vor dem Magistrat auf, sondern auch bei privaten Festen und bisweilen gemeinsam mit der Hofkapelle. Nur eine Lobesstimme aus der Zeit ist erhalten, sie gehörte einem Lateinschuldirektor: Kirchhoff, so urteilte der Pädagoge, sei ein „exzellenter Instrumentalmusiker“ und ein Komponist vieler Werke, darunter auch „glänzende, aber ungedruckte“.
Wie der Name bereits nahelegt, ist die Suite à 4 g-Moll für vier Stimmen gesetzt: Kirchhoff hatte sie ursprünglich für drei erste Violinen, drei zweite Geigen, eine tiefe Gambe (Violone) und ein Tasteninstrument vorgesehen. Die insgesamt rund zehn Minuten sind kurzweilig gestaltet: Ein lebhaftes Präludium steht vor einer nachdenklichen Allemande, eine aufgeweckte Courante (mit überraschenden rhythmischen Ruhepunkten) geht einer sanglichen Sarabande voraus, eine pfiffige Gigue bildet das Schlusslicht.
Musik von Christian Ritter ist ebenfalls in die „Dübensammlung“ eingegangen. Rund um 1645 geboren, arbeitete der Sänger, Organist und Komponist in verschiedenen deutschen Städten, über längere Phasen aber auch für die schwedische Hofkapelle. Dort erreichte er eine tonangebende Position, erhielt den Leitungsposten aber letztlich nicht zugesprochen und kehrte nach Deutschland zurück. Die Nachwelt bescheinigte Ritter (der mit Georg Friedrich Händels Vater, dem Wundarzt Georg Händel, bekannt war) eine „expressive, reiche Harmonik“ und ein „Streben nach freien und unschematischen formalen Lösungen“. Das lässt sich heute aber nur mehr an wenigen Beispielen nachvollziehen. 23 Werke aus Ritters Feder kennt die „Dübensammlung“, abgesehen davon sind nur eine Handvoll Instrumentalstücke
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Christian
Ritter Suite c-Moll
Johann Sebastian Bach
aus seiner Hand überliefert. Zu dieser schmalen Gruppe zählt die Suite c-Moll für Cembalo. Die Widmung des ersten Satzes erlaubt eine Datierung der gesamten Partitur: Die eröffnende, todtraurige „Allemanda“ (sic!) gedenkt dem Ableben des schwedischen Königs Karl XI., der im Jahr 1697 verschieden ist. Betrübt zeigt sich aber nicht nur der Stirnsatz. Auch die nachfolgende Courante hellt die Stimmung, trotz ihrer tänzerischen Energie, nicht wesentlich auf. Es folgen eine schwermütige Sarabande und eine Gigue von elegantem, kontrapunktischem Schliff.
„WIDERSTEHE DOCH DER SÜNDE“
Mit der Kantate BWV 54 hat Johann Sebastian Bach eine Art musikalisches Warnschild komponiert: „Widerstehe doch der Sünde“ heißt das Vokalwerk für Alt, eine Handvoll Streicher und Basso continuo; es ist wohl 1714 entstanden und war für den Gottesdienst am dritten Sonntag der Fastenzeit (Oculi) gedacht. Die drei Sätze bestechen nicht nur durch Bachs kontrapunktische Meisterschaft, sondern auch durch die Suggestionskraft seiner Klangmalerei. Ein Beispiel dafür ist das instrumentale Vorspiel zu Beginn: Statt auf dem Grundakkord EsDur zu beginnen, schraubt sich eine Harmoniefolge von der zweiten Stufe aus aufwärts und entfaltet dabei eine klangsinnliche Wirkung. Allein die Bassstimme harrt während dieser Steigerung auf dem fundamentalen Ton Es aus – und liefert damit gewissermaßen ein Sinnbild für Standfestigkeit im Angesicht (sündiger) Schönheit. Nach der darauffolgenden Da-capo-Arie warnt ein Rezitativ vor den Tücken der Sünde: Unter ihrer goldenen Oberfläche verberge sich innere Hässlichkeit, heißt es da, punktgenau unterstrichen durch fahle Klangfarben. Der dritte Satz, eine Arie und gleichermaßen eine sprudelnde Fuge, verlangt dem Alt höchste Geläufigkeit ab.
Vor allem spirituelle Vokalwerke beherbergt die mittelalterliche Notensammlung Piae cantiones – ein Kulturschatz, der aus nordeuropäischen Pergamentfragmenten besteht. Die meisten dieser Noten stammen aus Liederbüchern des 14. und 15. Jahrhunderts, die ältesten Papiere datieren aus der Zeit rund um das Jahr 1000. Von dem Finnen Jaakko Finno zusammengestellt, gingen die Piae cantiones
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„Widerstehe doch der Sünde“. Geistliche Kantate Es-Dur
1582 erstmals in Druck; 1616 ist eine finnische Übersetzung angefertigt worden. Dass sich die Sammlung aus einzelnen Pergamentstücken zusammensetzt, liegt an den Verwerfungen der Reformationszeit. Mit der Abwendung Finnlands von Rom verloren die bisherigen Liturgiebücher schlagartig an spirituellem Wert. Da Pergament jedoch rar und teuer war, wurden die kostbaren Bände kurzerhand zerrissen und zweckentfremdet. Etliche dieser Seiten gelangten schließlich aber wieder in wertschätzende Hände. Eine erfreuliche Fügung: Ohne die Piae cantiones wären nicht nur etliche gottesfürchtige Gesänge in Vergessenheit geraten, sondern auch einige diesseitige Vagantenlieder der Scholaren des Mittelalters.
EIN JUBELNDES STABAT MATER
Nur 26 Lebensjahre waren dem Komponisten Giovanni Battista Pergolesi vergönnt. Seinem Ruhm hat dieser frühe Tod 1736 keinen Abbruch getan, im Gegenteil. Nachdem der Italiener zu Lebzeiten an Neapels Opern- und Gotteshäuser mit Werken im „galanten Stil“ Furore gemacht hatte, begann sich posthum ganz Europa für ihn zu begeistern.
Der Gesang „Ad perennis vitae fontem“ in der Sammlung Piae cantiones, 1625
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Giovanni Battista Pergolesi Stabat Mater f-Moll
Eine besonders steile Karriere machte sein Stabat Mater. Unzählige Male war das mittelalterliche Gebet über Mariens Leid im Angesicht des gekreuzigten Jesu schon in Musik gesetzt worden. Die Vertonung des Italieners ließ jedoch bereits mit ihrem Beginn aufhorchen: Weit ausschwingende Kantilenen der Alt- und Sopranstimme überlappen einander, lassen schmerzliche Sekundreibungen entstehen und wieder verschwinden, setzen auf immer höheren, ätherischeren Tönen an. Pergolesis Fassung verzichtet weitgehend auf eine verästelte Kontrapunktik und harmonische Komplexität und rückt stattdessen vor allem seine eingängigen, berückenden Gesangslinien ins Rampenlicht. Und: Er versteht es, in seiner Musik geschmeidige, suggestive Stimmungsverläufe zu formen. So klein dieses Stabat Mater auch besetzt ist (mit nur zwei Stimmen, drei Streichern und Basso continuo), wurde es europaweit als Großtat auf dem Gebiet der Kirchenmusik gefeiert.
Schon früh hat es dabei Konfessionsgrenzen überwunden: In der Dekade nach Pergolesis Ableben faszinierte das Werk den ergrauten Johann Sebastian Bach. Einer Aufführung in deutschen Landen stand allerdings ein massives Hindernis entgegen: Das Stabat Mater hatte nur in der katholischen Welt Tradition, die inbrünstige Marienverehrung war nicht Sache der Protestanten. Bach beseitigte den Makel jedoch, indem er den Text durch eine Neufassung ersetzen ließ: Ein heute unbekannter Autor erstellte eine dramatisierte Fassung des 51. Psalms in der Lutherübersetzung und passte die Worte penibel an das Reimschema des Stabat Mater an. Ergebnis: die Bach-Kantate „Tilge, Höchster, meine Sünden“ BWV 1083.
Der Thomaskantor hat dabei aber auch Hand an das Notenmaterial des jungen italienischen Kollegen gelegt. So sehr ihm Pergolesis „Sound“ gefiel, erschien ihm dessen Partitur offenbar ein wenig unterkomplex. Bach hat nicht nur den Vokallinien einen Feinschliff verpasst, sondern vor allem die Bratschenstimme aufgewertet. Während sie in Pergolesis Vorlage den Bass verdoppelt, erhält sie bei Bach über ausgedehnte Strecken ein kontrapunktisches Eigenleben. Zudem beschert das deutsche Barockgenie dem Werk ein Happy End, indem er Pergolesis Finale in f-Moll noch einen versöhnlichen, fast jubilie-
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Giovanni Battista Pergolesi Stabat Mater f-Moll
Giovanni Battista Pergolesi Stabat Mater f-Moll Angebliches Porträt
renden Ausklang in F-Dur anhängt. Das heutige Konzert bringt Bachs Partitur ausnahmsweise gemeinsam mit den ursprünglichen Worten von Pergolesis Komposition zum Klingen – und überwindet damit die konfessionellen Grenzen, die zwischen den Musikgenies Pergolesi und Bach standen.
Christoph Irrgeher
Giovanni Battista Pergolesis, vermutlich von Domenico Antonio Vaccaro, um 1730
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Gesangstexte
Georg Friedrich Händel
„Salve, Regina“
Text: Hermann von Reichenau (zugeschrieben) (1013–1054)
Salve, Regina, mater misericordiae; Vita, dulcedo et spes nostra, salve.
Ad te clamamus, exsules filii Hevae.
Ad te suspiramus, gementes et flentes in hac lacrimarum valle. Eia ergo, Advocata nostra, illos tuos misericordes oculos ad nos converte.
Et Jesum, benedictum fructum ventris tui, nobis post hoc exsilium ostende. O clemens, o pia, o dulcis virgo Maria.
Anonymus
„Ad perennis vitae fontem“
Text: Petrus Damiani (um 1006–1072) | Übersetzung: Ludwig de Marées
Ad perennis vitae fontem mens sitivit arida, Claustra carnis praesto frangi clausa quaerit anima, Gliscit, ambit, eluctatur, exul frui patria
Dum pressuris, ac aerumnis se gemit obnoxiam, Quam emisit, cum deliquit, contemplatur gloriam, Praesens malum auget boni perditi memoriam.
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Sei gegrüßt, o Königin, Mutter der Barmherzigkeit, unser Leben, unsre Wonne und unsere Hoffnung, sei gegrüßt!
Zu dir rufen wir verbannte Kinder Evas; zu dir seufzen wir trauernd und weinend in diesem Tal der Tränen. Wohlan denn, unsre Fürsprecherin, deine barmherzigen Augen wende uns zu und nach diesem Elend zeige uns Jesus, die gebenedeite Frucht deines Leibes. O gütige, o milde, o süße Jungfrau Maria.
Nach des ew’gen Lebens Quelle dürstend ist mein Sinn entbrannt, Eingeschlossen, will die Seele brechen durch des Fleisches Band, Glühet, müht sich, strebet kämpfend aus der Fremde heimatwärts,
Und erseufzet unter Sorgen und Beschwerden voller Schmerz. Sie betrachtet die durch Abfall ihr entrissne Herrlichkeit, Des verlornen Guts Erinnrung mehrt ihr gegenwärtig Leid;
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Gesangstexte
Nam quis pro,at summae pacis quanta sit laetitia, Ubi vivis margaritis surgunt aedificia Auro celsa micant tecta, radiant triclinia.
Solis gemmis preciosis haec structura nectitur, Auro mundo tanquam vitro urbis via sternitur, Abest limus, de est fimus, lues nulla cernitur.
Flos perpetuus rosarum, ver agit perpetuum, Candent lilia, rubescit Crocus, sudat balsamum, Pigmentorum spirat odor, liquor et aromatum.
Hyems horrens aestas torrens, illic nunquam saeviunt, Virent prata, vernant sata, rivi mellis influunt, Quod cives beati semper, atque semper appetunt.
Pigmentorum spirat odor, liquor et aromatum, Pendent poma floridorum non lapsura nemorum, Non alternat Luna vices, Sol vel cursus syderum.
Agnus est faelicis urbis lumen inocciduum, Nox et tempus desunt ei, diem fert continuum, Mera lux est, nulla crux est; gaudiu’ est perpetuum.
Nam et sancti quiquae velut Sol praeclarus, rutilant, Post triumphum coronati mutuo conjubilant, Et prostrati pugnas hostis jam securi numerant.
Omni labe defaecati carnis bella nesciunt, Caro facta spiritalis, et mens unum sentiunt, Pace multa per fruentes scandala non perserunt.
Mutabilibus exuti repetunt originem, Et praesentem veritatis contemplatur speciem, Hinc vitalem vivi fontis hauriunt dilcedinem.
16 Gesangstexte
Denn wer spräche jenes höchsten Friedens ganze Wonne aus Dort, wo aus lebend’gen Perlen ist erbaut ein jedes Haus?
Golden schimmern hohe Dächer, herrlich ist der Tafeln Schein,
Ineinander fügt der Bau sich nur durch köstliches Gestein.
In der Stadt gleich hellem Glase lautres Gold die Straßen deckt, Schmuz und Unrath sind ihr ferne, keine Seuche sie erschreckt.
Niemals wüthet rauher Winter, nie ist Sommerglut entfacht, Ewig währt der Fühling, ewig währt der Rosen Blütenpracht; Lilien schimmern, Balsam duftet und des Safrans Farben glühn,
Honigbäche rieseln, Saaten, Wiesen kleidet frisches Grün. Salben duften, und der Würzen Wohlgerucht in Lüften weht, Fruchtbeladen stehn die Haine noch mit Blüten übersät.
Niemals wechselt der Gestirne, nie des Monds, der Sonne Lauf, Unvergänglich Licht im Lamme geht der Stadt voll Wonnen auf.
Nacht und Zeit ihr fehlen: weiß sie doch von ew’gem Tag allein,
Denn es strahlen alle Heil’ge gleich der Sonne Feuerschein. Ueberwinderkronen tragend preisen sie frohlockend Gott, In den Kämpfen, die sie zählen, ward der stolze Feind zu Spott.
Aller Schwachheit ledig kennen Streit sie mit dem Fleische nicht, Eines thut so Geist, wie Fleisch nun, das erfüllt von Geisteslicht. Tiefer Friede herrscht, und nimmer naht ein Aergerniß herbei;
Heimwärts streben sie zum Urquell, alles Wandelbaren frei. In der gegenwärt’gen Wahrheit Bild hat sich der Geist versenkt, Die belebend und lebendig als ein süßer Born sie tränkt.
Sind auf ew’gem, wandellosem Grund sie alle doch erbaut, Daß dem hehren Freudenleben nie vor einem Unfall graut.
Krankheit flieht die stets Gefunden, niemals wird die Jugend alt,
17 Gesangstexte
Inde sunt omnes ab omnibus beati partibus, Clari, vividi, jocundi, nullis patent casibus, Absunt morbi semper sanis, senectus juvenibus.
Hinc perenne tenent esse, nam transire transiit, Inde virent, vigent, florent, corruptela corruit
Immortalitatis vigor mortis jus absorbuit.
Cuncta possunt, cuncta sciunt, nam sciunt omniscium, Et cunctis Coeleste confertur en aequo gaudium. Unum volunt, unum nolunt, unitas est mentium.
Licet cuique sit diversum pro labore meritum; Charitas hoc suum facit, dum hic amat alterum, Proprium sic singulorum fit commune omnium.
Ubi corpus, illic jure congregatur aquilae, Quo cum Angelis et sanctae recreentur animae. Uno pane vivunt cives utriusque patriae.
Avidi & semper pleni, quod habent, desiderant, Inhiantes semper edunt, & edentes inhiant, Non satietas fastidiens, famesve cruciant.
Novas semper harmonias vox crepat dulcisona, Et in jubilum prolata mulcent aures organa, Digna, per quem sunt victores regi dant praeconia.
Felix Coeli quae praesentem regem cernit anima, Et sub alta sede volvi spectat infima
Solem, lunam, et globosa cum planetis, sydera.
Christe, palma bellatorum hoc in municipium
Introduc nos post solutum militare cingulum
Fac consortes Donativi beatorum civium. Amen.
18 Gesangstexte
Ewig leben sie, vergangen ist vergängliche Gestalt.
Sie erstarken, grünen, blühen, die Verführung ist entflohn, Der Unsterblichkeit Gewalt hier spricht dem Recht des Todes Hohn.
Den, der alles weiß, sie kennen, nichts ist ihnen unbekannt,
Denn sie können selbst ergründen, was geheim die Brust empfand.
Eins sie wollen, Eins nicht wollen, einig immerdar gesinnt,
Ob nach seiner Müh’ ein jeder auch verschiednen Preis gewinnt. Was sie liebt an ihrem Nächsten, eignet sich die Liebe an, Allen ist damit gegeben, was die Einzelnen gethan.
Wo ein Aas ist, wird der Adler Menge ja mit Recht erblickt: Also werden mit den Engeln heil’ge Seelen einst erquickt. Ein Brot ist es, das die Bürger einer jeden Heimat speist,
Hungernd und stets voll, begehren, was sie haben, sie zumeist. Sättigung weiß nicht von Ekel, Hunger schafft auch keine Qual; Immer beut ein Mahl dem Munde und ein Mund sich dar dem Mahl.
Immer neue Weisen bringt die liederreiche Stimm’ hervor, Und mit Jubel muß erfüllen hier der Orgeln Klang das Ohr, Würdig loben sie den König, welchen ihnen Sieg beschied;
Heil der Seele, die des Himmels König gegenwärtig sieht!
Unter ihrem hehren Sitze schauet sie des Erdballs Drehn, Sonn’ und Mond und mit Planeten funkelnde Sternkugeln gehn. –
Christus, Siegespreis der Streiter, nimm mich in der Freistadt an, Löst der kriegerische Gürtel einst sich, wann man Dienst gethan!
Schenke, was den Himmelsbürgern du verliehen hast, auch mir,
Kräftige den, der im steten Kampfe ist erlegen schier!
Gäbest du nach der Umgürtung doch dem Ausgedienten Rast, Bis als Lohn, der nimmer endet, meine Seele dich umfaßt!
19 Gesangstexte
Gesangstexte
„Jesu dulcis memoria“
Text: Anonymus (um 1200) | Übersetzung: Andreas Meier
Jesu dulcis memoria, dans vera cordis gaudia:
Jesu dulcedo cordium, fons vitae, lumen mentium, excedens omne gaudium.
Jesu süßes Gedenken, du schenkst wahre Herzensfreude:
Jesu Süße der Herzen, Quelle des Lebens, Licht des Geistes, alle Freude übertreffend.
Johann Sebastian Bach (1685–1750)
„Widerstehe doch der Sünde“
Text: Georg Christian Lehms (1684–1717)
I Aria
Widerstehe doch der Sünde, Sonst ergreifet dich ihr Gift.
Lass dich nicht den Satan blenden; Denn die Gottes Ehre schänden, Trifft ein Fluch, der tödlich ist.
II Recitativo
Die Art verruchter Sünden
Ist zwar von außen wunderschön; Allein man muss
Hernach mit Kummer und Verdruss
Viel Ungemach empfinden.
Von außen ist sie Gold; Doch will man weiter geh’n, So zeigt sich nur ein leerer Schatten
Und übertünchtes Grab.
Sie ist den Sodomsäpfeln gleich, Und die sich mit derselben gatten, Gelangen nicht in Gottes Reich.
Sie ist als wie ein scharfes Schwert, Das uns durch Leib und Seele fährt.
III Aria
Wer Sünde tut, der ist vom Teufel, Denn dieser hat sie aufgebraucht.
Doch wenn man ihren schnöden Banden Mit rechter Andacht widerstanden, Hat sie sich gleich davon gemacht.
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Giovanni Battista Pergolesi/Johann Sebastian Bach
Stabat Mater
Text: Anonymus (um 1200) | Übersetzung: Christoph Martin Wieland
Duett
Stabat mater dolorosa
Juxta crucem lacrimosa, Dum pendebat Filius.
Solo
Cujus animam gementem, Constristatam et dolentem, Pertransivit gladius.
Duett
O quam tristis et afflicta
Fuit illa benedicta
Mater unigenti.
Solo
Quae moerebat et dolebat, Et tremebat, cum videbat
Nati poenas incliti.
Duett
Quis est homo, qui non fleret
Christi Matrem si videret
In tanto supplicio?
Quis non posset contristari, Piam Matrem contemplari
Dolentem cum filio?
Pro peccatis suae gentis
Vidit Jesum in tormentis
Et flagellis subditum.
Schaut die Mutter voller Schmerzen, Wie sie mit zerrißnem Herzen
Unterm Kreuz des Sohnes steht:
Ach! wie bangt ihr Herz, wie bricht es, Da das Schwerdt des Weltgerichtes
Tief durch ihre Seele geht!
O wie bittrer Qualen Beute
Ward die Hochgebenedeite Mutter des Gekreuzigten!
Wie die bange Seele lechzet!
Wie sie zittert, wie sie ächzet, Des Geliebten Pein zu sehn!
Wessen Auge kann der Zähren
Bey dem Jammer sich erwehren, Der die Mutter Christi drükt?
Wer nicht innig sich betrüben, Der die Mutter mit dem lieben Sohn in solcher Noth erblikt?
Für die Sünden seiner Brüder, Sieht sie, wie die zarten Glieder
Schwehrer Geisseln Wuth zerreißt:
21 Gesangstexte
Gesangstexte
Solo
Vidit suum dulcem natum
Morientem desolatum, Dum emisit spiritum.
Solo
Eja, Mater, fons amoris, Me sentire vim doloris Fac, ut tecum lugeam.
Duett
Fac, ut ardeat cor meaum
In amando Christum Deum, Ut sibi complaceam.
Duett
Sancta Mater, istud agas, Crucifixi fige plagas, Cordi meo valide.
Tui nati vulnerati, Tam dignati pro me pati, Poenas mecum divide.
Fac me vere tecum flere, Crucifixo condolere, Donec ego vixero.
Iuxta crucem tecum stare, Te libenter sociare In planctu desidero.
Virgo virginum praeclara, Mihi iam non sis amara, Fac me tecum plangere.
Sieht den holden Sohn erblassen, Trostberaubt, von Gott verlassen, Still verathmen seinen Geist.
Laß, o Mutter, Quell der Liebe, Laß die Fluth der heil‘gen Triebe Strömen in mein Herz herab!
Laß in Liebe mich entbrennen, Ganz für den in Liebe brennen, Der für mich sein Leben gab.
Drük, o Heilge, alle Wunden, Die dein Sohn für mich empfunden, Tief in meine Seele ein!
Laß in Reue mich zerfließen, Mit Ihm leiden, mit Ihm büßen, Mit Ihm theilen jede Pein!
Laß mich herzlich mit dir weinen, Mich durchs Kreuz mit Ihm vereinen, Sterben all mein Lebenlang!
Unterm Kreuz mit dir zu stehen, Unverwandt hinauf zu sehen, Sehn’ ich mich aus Liebesdrang.
Gieb mir Theil an Christi Leiden, Laß von aller Lust mich scheiden, Die ihm diese Wunden schlug!
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Solo
Fac, ut portem Christi mortem, Passionis fac consortem Et plagas recolere.
Fac me plagis vulnerari, Cruce hac inebriari Ob amorem filii.
Duett
Inflammatus et accensus, Per te, virgo, sim defensus In die judicii.
Fac me cruce custodiri, Morte Christi praemuniri, Confoveri gratia.
Duett
Quando corpus morietur, Fac, ut animae denetur Paradisi gloria.
Amen.
Auch ich will mir Wunden schlagen, Will das Kreuz des Lammes tragen, Welches meine Sünde trug.
Laß, wenn meine Wunden fließen, Liebestrunken mich genießen Dieses tröstenden Gesichts!
Flammend noch vom heilgen Feuer, Deck’, o Jungfrau, mich dein Schleyer Einst am Tage des Gerichts!
Gegen aller Feinde stürmen
Laß mich Christi Kreuz beschirmen, Sey die Gnade mein Panier!
Dekt des Grabes düstre Höle Meinen Leib, so nimm die Seele Auf ins Paradies zu dir!
23 Gesangstexte