Martin Riccabona | 08.06.2024

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Leben von Tänze undTod

8. JUNI 2024

ORGELKONZERTE III

SAISON 2023/24

KOMMENDE HIGHLIGHTS SAISON 2023/24

Jonathan Berlin | Sprecher

Lawrence Foster | Dirigent

Vinzenz Praxmarer | Dirigent

Rafael Fingerlos | Bariton

SO 9 JUN 18:00

MITTLERER SAAL

JONATHAN BERLIN LIEST VASLAV NIJINSKY

Der Schauspieler Jonathan Berlin und das Klavierduo Shalamov begeben sich auf die Spuren des legendären Tänzers und Choreografen Vaslav Nijinsky.

DO 20 JUN 19:30

GROSSER SAAL

SO 23 JUN 11:00

GROSSER SAAL

LAWRENCE FOSTER & BRUCKNER ORCHESTER LINZ

Ein Konzert im Zeichen von Richard Strauss’ Don Quixote (das Cellosolo spielt Christoph Heesch), mit Werken von Viktor Ullmann und Jacques Ibert

VINZENZ PRAXMARER & ORCHESTER DIVERTIMENTO VIENNESE

Nur den zweiten Akt eines geplanten Balletts hat Zemlinsky 1904 vollendet. Das Werk, Ein Tanzpoem genannt und erst 1992 uraufgeführt, erlebt nun seine Brucknerhaus-Premiere.

DI 2 JUL 20:00

ARKADENHOF LANDHAUS LINZ

RAFAEL FINGERLOS & CO.

Der junge österreichische Starbariton zeigt anhand der Musik von Schubert und Brahms, dass die Grenzen zwischen Volks­ und Kunstlied fließend sind.

Karten und Infos: +43 (0) 732 77 52 30 | kassa@liva.linz.at | brucknerhaus.at

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Tänze von Leben und Tod

Samstag, 8. Juni 2024, 19:30 Uhr

Großer Saal, Brucknerhaus Linz

Martin Riccabona | Orgel

Sebastian Wielandt | Schlagwerk

Saison 2023/24 – Orgelkonzerte III

3. von 3 Konzerten im Abonnement

Programm

Camille Saint-Saëns (1835–1921)

Danse macabre (Totentanz). Sinfonische Dichtung für Violine und Orchester op. 40 (1872, rev. 1874)

[Arrangement für Orgel von Edwin Henry Lemare (1865–1934)]

Petr Eben (1929–2007)

Vier biblische Tänze (1992)

Nr. 1 Davids Tanz vor der Bundeslade

Nr. 2 Tanz der Schulamit

Nr. 3 Tanz von Jephtas Tochter

Nr. 4 Hochzeit zu Kana

Anton Heiller (1923–1979)

Tanz-Toccata (1970)

– Pause –

Pierre Cochereau (1924–1984)

Boléro sur un thème de Charles Racquet für Orgel und Perkussion (1973)

[Transkription von Jean-Marc Cochereau (1949–2011)]

Jehan Alain (1911–1940)

Deux Danses à Agni Yavishta (1932)

Nr. 1 Allegro –

Nr. 2 Pas vite – Plus animé

Trois Danses (1937–40)

Nr. 1 Joies (Freuden). Andante – Allegro

Nr. 2 Deuils (Trauer). Adagio – Molto scherzando Nr. 3 Luttes (Kämpfe). Même mouvement. Presser peu à peu – Rapide, staccato

Konzertende ca. 21:30

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alla breve

Das Programm auf einen Blick

Tänze von Leben und Tod – existenziell und doch beschwingt: Mit dieser Ambivalenz spielt das Programm des heutigen Orgelrecitals und tanzt dabei virtuos zwischen den Stilen.

So ließ sich etwa Camille Saint-Saëns vom sakral-schaurigen Reiz des mittelalterlichen Dies irae-Hymnus anregen, als er 1872 seinen Danse macabre auf das Gedicht Égalité, Fraternité seines Zeitgenossen Henri Cazalis schrieb. Ursprünglich für Gesang und Klavier komponiert, bearbeitete und erweiterte er das Lied zwei Jahre später zu einer klangmächtig instrumentierten Sinfonischen Dichtung, die heute in einer Fassung für Orgel solo erklingt. Zugleich gravitätisch und leichtfüßig präsentieren sich auch Petr Ebens Vier biblische Tänze, über die der Komponist selbst schrieb: „Nach dem tragisch gestimmten und eher introvertierten Zyklus Hiob wollte ich in meinem nächsten Zyklus etwas mehr Aufgelockertes schreiben. Da mich von jeher das rhytmische Moment des Orgelspiels inspiriert hat, wählte ich das in der Orgelliteratur seltener angewandte Genre der Tänze. Die Orgel und der kirchliche Raum führten mich aber dazu, den spirituellen Charakter bewahren zu wollen und deshalb entnahm ich die Tänze dem biblischen Geschehen.“

Neben zwei in ihrer Expressivität ebenfalls eigentümlich zwischen Leben und Tod stehenden Werken – Anton Heillers Tanz-Toccata und Pierre Cochereaus Boléro sur un thème de Charles Racquet – stehen zudem fünf Tänze von Jehan Alain auf dem Programm, der sich in seinen Deux Danses à Agni Yavishta mit der gleichnamigen Feuergottheit des Hinduismus auseinandersetzte und in seinen Trois Danses mit mal jazzig-groovenden, mal motorisch-repetitiven Rhythmen den Themen Freuden, Trauer und Kämpfe Ausdruck verlieh.

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Tänze von Leben und Tod

Michael Preis: Herr Riccabona, es gibt zwar in der Bibel eine ganze Reihe von einprägsamen Tanzszenen. Aber ein Tanz im Gottesdienst stört doch eigentlich die Andacht. Wie passen der Tanz und die Orgel zusammen?

Martin Riccabona: Zum einen muss man natürlich die Rolle der Orgel in der Zeit betrachten, in der die Kompositionen des heutigen Konzerts entstanden sind. Wir bewegen uns da fast ausschließlich im 20. Jahrhundert. Das ist die Zeit, in der es zunehmend auch Instrumente außerhalb der Kirchen gibt, also in den Konzertsälen. Außerdem waren Haus- oder Salonorgeln in Mode, besonders in Frankreich. Damit löst sich die Orgel von der rein kirchlichen Tradition, wobei es ja bereits in der Bibel eindrückliche Tanzszenen gibt, wie sie beispielsweise Petr Eben in seinen Vier biblischen Tänzen verarbeitet hat. Tanz per se ist also überhaupt nichts Antireligiöses. Er ist nur in den christlichen Riten, wie wir sie heutzutage kennen, eher ein ungewöhnliches Thema.

Preis: Und wie gehen Orgel und Tanz instrumentaltechnisch zusammen? Anders als dem Klavier mit seinen Hämmern fehlt der Orgel ja in der Klangerzeugung das direkt perkussive Element …

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Riccabona: … das für uns ganz allgemein den Charakter eines Tanzes mitdefiniert! Ja. Da kommen ein paar instrumententechnische Besonderheiten ins Spiel, dass vieles im Orgelklang sehr perkussiv wirken kann, gerade durch die Zusammensetzung der Obertöne oder die unterschiedliche Intonation, die Bauweise der einzelnen Klangfarben, Registerstimmen und so weiter. Besonders die große sinfonische Konzertorgel ist prädestiniert dazu, auch ‚Geräuschhaftes‘ von sich zu geben, was sich dann im Rhythmus unterstützend äußert.

Preis: Gibt es weitere musikalische Parameter, die aus Ihrer Sicht zum Thema Tanz gehören?

Riccabona: Was mir beim Thema Tanz außerdem wichtig ist, das ist die Vielfalt der Klangfarben. Auf der Orgel kann man sehr viel Kontrast ausdrücken und eine Art Instrumentierung vornehmen durch die

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Camille Saint-Saëns Danse macabre Totentanz, Ausschnitt aus dem Fragment eines Bilderzyklus von Bernt Notke, um 1500

Wahl der Register. Damit kann man eine unglaubliche Abwechslung, einen unglaublichen Reichtum an Klangfarben erzeugen. Ich denke, das macht auch das Bild, den optischen Eindruck von Tanz aus: Man sieht da vielleicht Gewänder vor sich in verschiedenen Farben, da gibt es sehr viel Bewegung. Ich denke, die Orgel ist sehr gut dazu in der Lage, diese Vielfalt klanglich umzusetzen.

Preis: Camille Saint-Saëns war ein Komponist, der einen ganz feinen Klangsinn hatte, seine Orgelsinfonie ist ein bekanntes Beispiel dafür. Obwohl er selbst ein virtuoser Organist war, kennen wir heute aber nur wenig Orgelmusik von ihm. Wie stehen Sie zu seiner Orgelmusik?

Riccabona: Tatsächlich gibt es von Saint-Saëns eine ganze Reihe von Orgelwerken, die leider relativ selten gespielt werden. Ich versuche da ein bisschen entgegenzuwirken, weil mir die Musik wirklich ganz ausgezeichnet gefällt. Die mangelnde Popularität ist ein bisschen darin begründet, dass er nicht in diesem sinfonischen Stil komponiert hat wie seine Zeitgenossen César Franck, Charles-Marie Widor oder Louis Vierne. Deren Stil ist uns heute wesentlich geläufiger und vielleicht auch einfacher zugänglich. Saint-Saëns bleibt insbesondere in seinen Orgelwerken bei einer sehr klassischen Kompositionsweise, die auch kontrapunktisch durchsetzt ist. Manchmal klingt das ein bisschen wie Bach im Klanggewand des späten 19. Jahrhunderts. Kurioser weise muss man feststellen, dass der Danse macabre in der sehr gekonnten Orgelbearbeitung von Edwin Henry Lemare im Prinzip zum meistgespielten ‚Orgelwerk‘ von Saint-Saëns geworden ist. Das würde Camille Saint-Saëns genauso absurd vorkommen wie der Welterfolg seines Karneval der Tiere – der natürlich nie als solcher konzipiert war.

Preis: Als Ouvertüre zum heutigen Programm passt der Danse macabre wie angegossen. Was macht die Bearbeitung Lemares so besonders?

Riccabona: Der Danse macabre ist in seiner Bearbeitung für Orgel mindestens zu einem Drittel englisch, da Lemare die Möglichkeiten der englischen Konzertsaalorgel hier ganz explizit einsetzt. Das hat

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Camille Saint-Saëns Danse macabre

zum einen mit der sehr sonoren, relativ dunklen, sehr orchestralen Klangpalette zu tun, die sich hervorragend auf unserem Instrument im Brucknerhaus darstellen lässt. Zum anderen ist da die Werk- beziehungsweise Manualanordnung auf englischen Orgeln, die es zum Beispiel zulässt, eine Solostimme allein mit den Daumen auf einem darunterliegenden Manual auszuführen. Man kann mitunter auch mit zwei Händen auf drei Manualen gleichzeitig spielen. Dazu braucht man eben eine große Konzertorgel, auf der das möglich ist. Das sind Kunstgriffe, die einen beim Üben oft in die Verzweiflung stürzen. Aber wenn man es dann gehört hat, dann ist der Effekt doch frappant und überzeugend. Es war ein besonderes Anliegen von mir, in einem Orgelkonzert auch einmal eine Transkription hörbar zu machen, weil meines Erachtens unsere Orgel im Brucknerhaus mit dieser sinfonischen Klangprägung, mit dieser unendlichen dynamischen Flexibilität sehr gut für die Wiedergabe von Orchestertranskriptionen geeignet ist.

Preis: Dieses Phänomen, dass man mit einer Hand auf zwei und also mit zwei Händen zugleich auf drei Manualen spielen kann, ist das im Brucknerhaus grundsätzlich auch realisierbar?

Riccabona: Auf drei Manualen gleichzeitig zu spielen, ist kein Problem im Brucknerhaus. Ein bisschen zum Problem wird die andere Werkanordnung. Auf englischen Orgeln ist das Positiv auf dem ersten Manual, das Hauptwerk auf dem zweiten und das Schwellwerk auf dem dritten. In unseren Breiten, und so auch im Brucknerhaus, ist das Hauptwerk auf dem ersten und das Positiv auf dem zweiten Manual. Um das dann spielbar zu halten an den Stellen, wo man auf allen Manualen gleichzeitig spielen muss, muss man hier öfters einfach die Manualreihenfolge vertauschen und die Registrierungen so anpassen, dass das Positiv zum Hauptwerk wird und umgekehrt. Es ist aber in den meisten Fällen eigentlich kein Problem.

Preis: Das heißt, Sie umgehen das technische Problem dadurch, dass Sie anders registrieren?

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Riccabona: Genau so ist es. Und oft ist es sogar so bei der Dis position unserer Orgel, dass sich dann die geeigneten Klangfarben zufälligerweise ohnehin auf dem anderen Manual finden und dadurch die Aufteilung ganz problemlos so möglich ist, wie sie komponiert wurde.

Preis: Der Tscheche Petr Eben lebte im 20. Jahrhundert und er war –historisch, kulturell und vor allem politisch – in einer ganz anderen Situation als vor seiner Zeit Saint-Saëns in Frankreich oder Lemare in England. Das Komponieren für Orgel war unter den Kommunisten nicht gern gesehen, weil Musik, die für die Kirche gedacht war, keinen leichten Stand hatte. Für Petr Eben war das Komponieren für Orgel also ein Akt des Widerstands oder zumindest ein Akt der Selbstbehauptung in einem System, das die Individualität gerade auch der Künstlerinnen und Künstler unterdrückt hat. Was reizt Sie heute an seiner Musik?

Riccabona: Da muss ich vorausschicken, dass mich mit Petr Eben und seiner Musik sehr, sehr viel verbindet. Es fügt sich makabererweise, dass Eben am selben Tag gestorben ist, als ich zum ersten Mal ein Stück von ihm gespielt habe. Ich hoffe natürlich, dass das nicht in ursächlichem Zusammenhang miteinander steht. Ich hatte damals, ich glaube, das war noch im Jahr 2006, in einem Konzert in Innsbruck, Ausschnitte aus seinem Orgelzyklus Hiob gehört. Das war eine Musik, die mich als natürlich etwas ,nerdigen‘, aber doch jugendlichen Menschen unmittelbar gepackt und fasziniert hat. Ich wollte diesen Zyklus dann unbedingt selbst spielen und so habe ich ihn mir in den darauffolgenden Jahren erarbeitet. Mittlerweile habe ich diese Komposition, glaube ich, vier- oder fünfmal öffentlich aufgeführt und da ist eine Verbindung geblieben. Diese Klangsprache liegt mir einfach, sie geht mir nahe. Besonders diese unprätentiöse, ganz klare, zugleich aus dem Glauben, aber auch einer unglaublichen Musikalität gespeiste Art zu komponieren, das spricht mich als Interpret einfach immer wieder unmittelbar an.

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Petr Eben Petr Eben Vier biblische Tänze

Preis: Auch die Vier biblischen Tänze sind eingängige Musik, klanglich reizvoll, rhythmisch sehr prägnant. Was macht diese Orgeltänze so charakteristisch?

Riccabona: Petr Eben war abhängig davon, dass westliche Organistinnen und Organisten seine Werke gespielt haben. Zum einen, weil seine Musik damals im eigenen Land nicht unbedingt willkommen war. Und zum anderen, weil es einfach nicht so viele gute Organisten in Tschechien gab – und vielleicht auch nicht unbedingt die Instrumente, um diese Musik adäquat aufzuführen; die Vier biblischen Tänze zum Beispiel, das große Werk nach dem Zyklus Hiob, sind für die schottische Organistin Susan Landale geschrieben worden. Bei Eben ist immer ein sehr interessanter Widerstreit in den Klangfarben der Orgel zu beobachten, der sich auch in der Entwicklung der Orgel in den 1960er-, 70er-, 80er-Jahren widerspiegelt. Zum einen braucht man diese ganz grellen, prägnanten Klangfarben, wie sie für die neobarocke Orgel dieser Zeit typisch sind und zum anderen setzt Eben schon auf sinfonische Klangfarben und ein relativ reich besetztes Schwellwerk. Man muss also immer versuchen, diesen Spagat zu bedienen.

Preis: Wie machen Sie das im Brucknerhaus?

Riccabona: Im Brucknerhaus ist es ein bisschen schwieriger, die obertönigen, grellen, charakteristisch näselnden und klirrenden Klangfarben zu finden; da muss man dann oft mit einigen Tricks arbeiten: Register zusammenkoppeln aus verschiedenen Werken oder auch Dinge oktaviert spielen, damit man wirklich dieses Klanggewand bekommt, das er sich vorgestellt hat.

Preis: Wie geht Eben formal vor?

Riccabona: Es ist typisch für ihn, dass die einzelnen Sätze episodenhaft durchgearbeitet sind. Das ist eine Praxis, die auch stark aus der Improvisation kommt. Petr Eben hat ja immer betont, dass er die Stücke zumeist nicht am Schreibtisch, sondern am Instrument selber entwickelt und dann am Schreibtisch fertig ausgearbeitet hat. Das

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merkt man als Interpret: Wenn man die Noten vor sich liegen hat, denkt man sich erst einmal, um Gottes Willen, diese ganzen Vorzeichen und Strukturen, die muss ich jetzt in den Kopf bekommen. Aber wenn man die Musik dann greift, stellt man fest, dass das meiste eigentlich exzellent liegt und grifftechnisch sehr schlau gedacht und entwickelt ist. Es finden sich auch immer wieder Fingersätze von Eben selbst, die sehr gut funktionieren und bei denen man merkt, dass er sich überlegt, wie diese Musik am besten dargestellt werden kann.

Die einzelnen Episoden innerhalb seiner Sätze zeichnen sich jeweils durch ein oder mehrere zentrale Elemente aus, meistens durch einen bestimmten Rhythmus. Es kommen häufiger ostinate Formen vor oder einfach Klanggebilde, die sich in einer Hand oder im Pedal verselbstständigen, während andere Elemente dazutreten. Diese Abfolge von einzelnen Episoden hat manchmal etwas, das Gemeinsamkeiten mit Filmmusik zeigt.

Preis: Petr Eben war auf der Orgel ein Autodidakt …

Riccabona: So ist es, ganz genau. Trotzdem hat er eigentlich stets betont, dass die Orgel das Instrument sei, das zu ihm als Komponist gehört.

Preis: Spürt man das beim Spielen, dass da jemand saß, der das Instrument auf eine ganz eigene, vielleicht originelle Art zu behandeln wusste? Denn die französische Orgeltradition beispielsweise war doch eine, die sich von Lehrer zu Schüler über die Generationen hinweg weiterentwickelt hat. Bei Petr Eben war das anders.

Riccabona: Ganz genau. Er hat zum Beispiel erzählt, dass er als Kind sehr viel an den Orgeln in seiner Heimatstadt in Český Krumlov unterwegs war und da nach Herzenslust experimentiert hat. Das war in dieser schwierigen Zeit im Auftakt zum Zweiten Weltkrieg natürlich auch eine Möglichkeit, um irgendwie seine Jugend auszuleben. Eigentlich, finde ich, merkt man seinen Orgelwerken nicht an, dass da ein Autodidakt am Werk war. Es wirkt alles sehr gekonnt, sehr überlegt. Und seine Strukturen sind nicht unbedingt etwas ganz Neues,

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Petr Eben Vier biblische Tänze

sondern speisen sich natürlich aus einer langen Tradition. Trotzdem hat die Musik Ebens überhaupt nichts Scholastisches an sich, sondern man merkt, hier kommt immer etwas ganz unmittelbar an die Oberfläche, eben im besten Sinne improvisatorisch. Für mich kommt dieses Improvisierende, Erforschende am ehesten dadurch heraus, dass es wirklich eine Musik ist, die gegriffen werden möchte, die also nicht so sehr aus irgendwelchen Reihen konstruiert ist oder auf irgendwelche bestimmten Akkordzusammensetzungen abzielt. Man hat den Eindruck, er hat gesucht nach Griffen, die interessant klingen und die seiner Tonsprache dienlich sind. Und was dabei herauskommt, ist etwas, was in meiner vielleicht naiven Vorstellung zu einer typisch nationalen Orgelmusik wird.

Preis: Inwiefern?

Riccabona: Von mir zu Hause aus sind es gerade einmal 35 Minuten bis zur Grenze nach Tschechien und eineinhalb Stunden nach Český Krumlov. Für mich klingt diese Musik im besten Sinne nach böhmischer Landschaft. Diese Klänge passen so wunderbar dorthin. Ich sehe das vor meinem inneren Auge eigentlich immer, wenn ich Petr Ebens Musik spiele.

Preis: Auch von Wien aus, wo Anton Heiller gelebt hat, ist Český Krumlov zügig erreichbar. Wie geht Heiller in seiner Komposition mit dem perkussiven Aspekt um, den die Toccata als Gattung in sich trägt? Und wie verbindet er das Perkussive mit dem Tanzcharakter, den er mit dem Titel Tanz-Toccata aufruft?

Riccabona: Wie bei vielen anderen Kompositionen an diesem Abend liegt der Tanz-Toccata kein ganz bestimmter Tanz zugrunde, sondern es geht um eine sehr persönliche Vorstellung, die Heiller vor wiegend durch unregelmäßige Rhythmen umsetzt. Es gibt jede Menge Fünferund Siebenergruppen, sei es durch die Takteinteilung oder sei es durch die Gliederung kleinerer Notenwerte. Es geht um das Gefühl, dass sich die Musik nie ganz niedersetzt, sondern durch diesen unregelmäßigen Rhythmus eigentlich immer so ein bisschen swingt,

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stolpert und in Bewegung bleibt. Ich habe Anton Heiller, der 1979 gestorben ist, natürlich nie selber kennengelernt, kenne aber einige seiner Schüler, die Geschichten von ihm erzählt haben. Diese Toccata ist bis zu einem gewissen Grad Ausdruck seiner Persönlichkeit und

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Anton Heiller, Fotografie von Josef Vouk, 1953 Anton Heiller Tanz-Toccata

seines Musikerdaseins. Sie ist außerdem ein unglaublich virtuoses Stück, das damals bestimmt nicht von besonders vielen Musikern adäquat gespielt werden konnte.

Preis: Dass das Stück passagenweise wie improvisiert klingt, ist ein trügerischer Eindruck, nehme ich an?

Riccabona: O ja. Dieses Stück ist kompositorisch eigentlich, was man nicht so merkt beim Hören, total stringent durchgearbeitet. Jeder einzelne Ton basiert auf dem zweiten Modus von Olivier Messiaen, und zwar ausnahmslos, es gibt keine einzige Ausnahme, es ist alles absolut durchgearbeitet, wirklich seriell. Aber der improvisatorische Charakter, der der Gattung Toccata traditionell zugrunde liegt, kommt eben trotzdem sehr gut zur Geltung – in virtuosen Passagen im Manual und im Pedal und durch relativ lose Verknüpfungen des thematischen Materials, die trotzdem sehr planvoll durchgearbeitet sind.

Preis: Wie würden Sie diese Toccata insgesamt charakterisieren?

Riccabona: Wir hören da eine Verbindung aus Eleganz und unglaublicher Bäuerlichkeit und Rustikalität. Und genauso konnte Heiller selber auch sein: sehr tiefsinnig, sehr, sehr religiös. Aber auch einfach, unkompliziert, wahnsinnig lustig, derb. Er konnte brüllen vor Lachen. Er konnte einen ganzen Tisch einen Abend lang unterhalten, konnte mit den Bauern stundenlang Karten spielen. Ich finde alle diese Elemente in diesem Stück wieder. Und das macht es für mich so genial und so spielfreudig.

Preis: Die Nähe zur Improvisation verbindet Heillers Toccata mit der Musik Cochereaus. Er ist bekannt geworden durch eine ganze Reihe von Improvisationen, die nachträglich transkribiert worden sind. Wie transkribiert man eigentlich eine Improvisation?

Riccabona: Das ist eine Tradition, die, wenn ich mich nicht irre, tatsächlich in Frankreich entstanden ist. Und es hat damit begonnen, wenn ich mich recht erinnere, dass Maurice Duruflé fünf Improvisa­

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tionen von Charles Tournemire, die auch auf Schallplatte eingespielt wurden, nachträglich transkribiert hat für Orgel. Duruflé hat es so beschrieben, dass er sich nächtens in seiner Wohnung hingesetzt hat – weil es nur dann ruhig war und er etwas hören konnte – und dann hat er einfach in Dauerschleife einzelne Passagen nachgehört, bis er sich sicher war, dass er möglichst genau herausgehört hat, was da gespielt wird. Natürlich wusste Duruflé, wie Tournemire improvisiert hat und welche Stilmittel er verwendet hat, das dürfte das Transkribieren erleichtert haben.

Preis: Es ist wie eine Art Hördiktat für weit Fortgeschrittene, wie man es einfacher aus der klassischen Gehörbildung kennt?

Riccabona: Ja, das ist vergleichbar. Ich stelle mir vor, dass es JeanMarc Cochereau, als er diesen Boléro seines Vaters transkribiert hat, ähnlich gemacht hat wie Duruflé. Leider ist es mir in diesem Fall nicht genau bekannt, wie er vorgegangen ist. Ich würde ihm aber unterstellen, dass er das Ganze vielleicht ein bisschen zu notentreu gehandhabt hat. Es gibt ja Fälle, in denen die Komponisten selbst Improvisationen nachträglich umgearbeitet haben. Was aber Jean-Marc Cochereau hier gemacht hat, ist, einfach wirklich Note für Note das wiederzugeben, was man auf der Aufnahme hört. Dazu muss man sagen, dass Pierre Cochereau auf dieser Aufnahme sichtlich nervös war und dass hier einfach Missgeschicke passiert sind, wie sie für eine Improvisation typisch sind. Da hätte es sich vielleicht gelohnt, sie hinterher zu korrigieren oder zu versuchen, die eigentlich beabsichtigte Form dahinter zu finden.

Preis: Können Sie ein Beispiel nennen?

Riccabona: Auf dem dynamischen Höhepunkt, dort, wo es im Tut ti zur Sache geht, flitzt die rechte Hand in vierstimmigen Akkorden auf und nieder. Man merkt ganz eindeutig, dass Cochereau an dieser Stelle versucht, möglichst viel Lärm zu machen, aber die Akkorde ergeben relativ wenig Sinn. Man muss sich da als Interpret einfach fragen: Was möchte ich zu Gehör bringen? Ist es das rhythmische

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Pierre Cochereau Boléro sur un thème de Charles Racquet

Element? Dann ist es im Grunde genommen egal, was man spielt. Möchte man sehr notentexttreu sein und versuchen, zu spielen, was Cochereau improvisiert hat? Oder versucht man etwas zu finden, was in diese Klangsprache hineinpasst, was aber von der Improvisation weg eher in Richtung einer darauf aufbauenden Komposition führt? Es gibt mehrere solcher Stellen, an denen man als Interpret, denke ich, gefragt ist, eigene Entscheidungen zu treffen. Ich bin nicht Pierre Cochereau und ich improvisiere dieses Stück nicht, wie er es 1973 getan hat.

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Pierre Cochereau Pierre Cochereau Boléro sur un thème de Charles Racquet

Preis: Sie halten sich also nicht streng an die Transkription von JeanMarc Cochereau?

Riccabona: So ist es. Ich habe natürlich die Aufnahme von Pierre Cochereau selbst mehrere Male gehört. Da gibt es an vielen Stellen mehrere Deutungsmöglichkeiten: Weil zum Beispiel die kleine Trommel ununterbrochen den Boléro-Rhythmus spielt, kann man manchmal nicht exakt hören, wann die große Orgel diesen Rhythmus quasi colla parte mitspielt und wann das einfach nur liegende Klangflächen

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Pierre Cochereau Boléro sur un thème de Charles Racquet

sind. Der Abwechslung halber muss man da oft selber entscheiden: Wann spielt man diesen Rhythmus mit und wann nicht. Eine weitere Komponente kommt dazu: Die Registrierangaben in der Transkription richten sich nach dem großen Instrument von Notre-Dame, an dem diese Aufnahme entstanden ist. Und es ist natürlich nicht sinnvoll, das eins zu eins wiederzugeben. Zum einen gibt es im Brucknerhaus rein größenmäßig nicht die gleichen Möglichkeiten wie bei der Orgel von Notre-Dame. Und zum anderen klingen in dieser Akustik andere Klangkonzepte vielleicht besser. Ich habe mir hier die Freiheit genommen, die Klanggestaltung mitunter relativ individuell vorzunehmen und auch die Anpassungen so zu machen, dass sich das Crescendo und Decrescendo, das sich durch das ganze Stück zieht, ein bisschen lückenloser realisieren lässt.

Preis: Mit Jehan Alain steht zuletzt ein weiterer Vertreter der französischen Orgeltradition auf dem Programm. Nach seinen Deux Danses à Agni Yavishta – den beiden Tänzen für den indischen Feuergott –spielen Sie die Trois Danses, eines der umfänglichsten Orgelwerke von Alain. Der zweite dieser drei Tänze ist ein Danse funèbre, also ein Toten- beziehungsweise Trauertanz. Damit schlagen Sie einen Bogen zurück zum Danse macabre von Saint-Saëns, zu dem Totentanz also, mit dem Sie Ihr Programm begonnen haben. Gibt es weitere Verbindungen zwischen Camille Saint-Saëns und Jehan Alain?

Riccabona: Ich denke, was die beiden verbindet, ist – Sie hatten eingangs davon gesprochen – dieser unglaubliche Klangsinn, der bei Saint-Saëns vielleicht besonders gut in seinen Orchesterwerken zur Geltung kommt. Bei Alain, der dagegen ganz deutlich ein Orgelkomponist war, sorgt dieser Klangsinn dafür, dass er ein Gespür entwickelt für ganz eigene Klangfarben, die eigentlich sonst niemand verwendet. Das ist nicht zuletzt dem Umstand geschuldet, dass er einen Großteil seiner Orgelwerke für die recht eigenwillige Hausorgel komponiert hat, die von seinem Vater erbaut wurde. Dieses Instrument gibt es noch. Das steht mittlerweile in der Schweiz, in Romainmôtier, kann dort gespielt werden und ist natürlich ein Ohrenzeuge ersten Ranges für die Musik von Jehan Alain.

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Jehan Alain

Deux Danses à Agni Yavishta & Trois Danses

Preis: Wird diese Orgel der Dimension der Trois Danses gerecht?

Riccabona: In den Trois Danses verlässt Jehan Alain das doch etwas enge Klanggewand der Hausorgel und man merkt, dass er sich hier ein deutlich größeres Instrument von sinfonischen Dimensionen wünscht. Der Mittelsatz ist in der Tat ein Totentanz beziehungsweise ein Trauertanz, der zunächst für sich als ein Einzelstück entstanden ist und mit der Bemerkung versehen ist, es sei eine Sarabande zum Gedenken an eine heroische Begebenheit. Diese heroische Begebenheit, die kennen wir ganz genau, das war der Unfalltod seiner Schwester Marie-Odile auf dem Berg, die dabei allerdings ihrem jüngeren Bruder Olivier das Leben gerettet hat. Sie hat sich also geopfert für den kleinen Bruder. Das hat Jehan Alain natürlich sehr stark getroffen und er hat versucht, diese Trauer in diesem ostinat gearbeiteten Mittelsatz zu verarbeiten. Bei Jehan Alain ist es ganz wichtig – das berichten uns auch Zeitzeugen –, dass nie ein reiner Affekt vorherrscht, sondern dass Freude immer auch von Trauer durchsetzt ist und dass selbst die Trauer immer wieder das Bedürfnis nach Komik und nach Freude evoziert. Und so gibt es auch in diesem Trauertanz einen Mittelteil, der mit Molto scherzando überschrieben ist.

Preis: Musikalisch ist das reizvoll. Können Sie es psychologisch nachvollziehen?

Riccabona: Vielleicht kann man es am besten so übersetzen: Wenn man so sehr getrauert hat, dass man eigentlich gar nicht mehr kann, dann entsteht irgendwann eine Art von Bedürfnis nach anderen Gefühlsregungen. Und diese Vielfalt an verschiedenen Gemütszuständen, die bildet Jehan Alain wie kein anderer Orgelkomponist dieser Epoche ab. Die Musik etwa von Marcel Dupré oder von Olivier Messiaen, die findet auf einer ganz anderen Ebene statt, ist in gewisser Weise viel distanzierter. Bei Alain kommt die Musik aus dem Inneren und wirkt ganz unmittelbar.

Preis: Erste Skizzen zu den Trois Danses stammen von 1937. Den Mittelsatz hat Jehan Alain im Februar 1938 in der Église de la Sainte-

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Trinité uraufgeführt. Er hat dann auch an einer Orchesterfassung gearbeitet. Vollständig überliefert aber ist uns, soweit wir wissen, nur die Orgelfassung, die Alain 1940 fertiggestellt hat, als er schon Kriegsdienst leisten musste.

Riccabona: Die Entstehungsgeschichte der Trois Danses ist in der Tat relativ verworren. Die ersten Entwürfe sind eigentlich für eine Klavierfassung. Jehan Alain hat dann schon in den Kriegswirren an einer Orchesterfassung gearbeitet und kurz vor seinem Aufbruch an die Front gleichzeitig anscheinend eine Orchesterpartitur fertiggestellt und die Fassung für Orgel erstellt, zumindest die Fassung des ersten und des dritten Satzes. Die Orchesterpartitur, wenn sie jemals abgeschlossen wurde, ist aber verschollen. Von der Orchesterfassung wissen wir also nichts weiter. Die Orgelfassung dagegen hat er we-

Deux Danses à Agni Yavishta & Trois Danses

Preis: Jehan Alain war ein produktiver Komponist. Aber er ist mit nur 29 Jahren im Krieg umgekommen. Wie ordnen Sie Alain in seiner Bedeutung als Komponist und Organist ein?

Riccabona: Ich finde, Jehan Alain passt im besten Sinne einfach in keine Schublade, sondern er ist ein Komponist, der zu 100 Prozent für sich selber stehen kann. Und ich finde, das ist immer besonders schön, wenn man so etwas sagen kann. Alain hat in den wenigen Jahren seines Schaffens von 1929 bis 1940 ein Werk in einer Dichte und in einer Aussagekraft hinterlassen – vielleicht muss man wirklich sagen, es gibt dem eigentlich nichts hinzuzufügen. Und auch wenn wir gern mehr Werke von ihm hätten, es fehlt an und für sich nichts. Es sind so viele Gattungen berücksichtigt. Jede noch so kleine Skizze ist eigentlich aufführenswert, weil alles mit so einer Liebe zum Detail ausgearbeitet ist. Was ihn im Vergleich mit den Zeitgenossen vielleicht besonders auszeichnet, ist dieses Gespür für Poesie und für Exotisches, was nachgewiesenermaßen besonders durch die Kolonialausstellung 1931 angeregt wurde.

Preis: Damals gab es noch kein Internet …

Riccabona: … aber heutzutage haben wir ohne Weiteres Zugang zu globalen Informationen über alles und jedes. Damals war das natürlich nicht ohne Weiteres möglich und solche Erlebnisse müssen unglaublich prägend auf offene und interessierte Geister wie Jehan Alain gewirkt haben. Das schlägt sich besonders deutlich auch in den Deux Danses nieder, die im besten Sinne eine exotische Klangsprache aufweisen und die den Eindruck von östlicher Musik erzeugen. Dieses Exotische, gepaart mit einem unbedingten Ausdruckswillen, mit einem unglaublichen Gefühl für Poesie, mit einem sehr hintergründigen Humor, das macht Jehan Alain zu einem Orgelkomponisten, wie es ihn sonst wirklich nicht gegeben hat. Auch von Kolleginnen und Kollegen weiß ich: Seine Musik ist uneingeschränkt beliebt, die spielt eigentlich jeder, und es mag sie jeder, weil sie so ungemein persönlich ansprechend ist. Da habe ich noch nie erlebt, dass jemand gesagt hätte, das spiel ich nicht gern oder das höre ich nicht gern.

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Jehan Alain

Und ich denke, ein größeres Lob kann es für einen Komponisten eigentlich nicht geben.

Preis: Wie würden Sie dieses Programm klanglich und rhythmisch in Beziehung setzen zu den Gegebenheiten am Brucknerhaus und was würden Sie dem Publikum im Saal gerne mitgeben auf den Weg durch das Konzert hindurch?

Riccabona: Wir haben hier im Brucknerhaus eine Art Orchesterorgel, die als ebenbürtige Partnerin des Orchesters eingesetzt werden kann, die aber auch förmlich als ein Ein-Mann-Orchester zu bedienen ist mit dieser Vielfalt an Instrumentengruppen und an Klanggruppen, die darin enthalten sind. Ganz banal gesagt versuche ich einfach, möglichst viele von diesen Klangfarben in unterschiedlichen Zusammenhängen zu zeigen und das Publikum in dieses Kaleidoskop an Klängen mit hineinzunehmen. Orgelklänge sind so oft verrufen als statisch, als einseitig. Und das stimmt eigentlich gar nicht. Die Orgel ist ein so wunderbar wandelbares Instrument und ich denke, das Programm ist in besonderer Weise dazu angetan, diese Stärken hervorbringen zu können. Als kleine Hörhilfe kann ich vielleicht mitgeben: Versuchen Sie einfach, die Unterschiedlichkeit und die Biegsamkeit des Orgelklangs mitzuverfolgen und darauf zu achten, an was Sie das persönlich erinnert, was das bei Ihnen für Regungen, für Emotionen auslöst oder an welche anderen Instrumentierungen Sie das vielleicht erinnert.

Preis: Das erinnert mich an die Klanggewänder, eigentlich eine Metapher aus dem Bereich des Sehens und des Tastens, die Sie in unserem Gespräch mehrfach benutzt haben: Die Biegsamkeit des Orgelklangs, kommt die in einem Konzert zum Thema Tanz ganz besonders gut zur Geltung?

Riccabona: Auf jeden Fall. Ein Tanz ohne Biegsamkeit ist eigentlich nicht denkbar. Ich habe selbst als Jugendlicher mit Leidenschaft sowohl klassischen als auch lateinamerikanischen Tanz betrieben. Mehr oder minder erfolgreich. Leider ist das im Laufe der Zeit ein bisschen

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eingeschlafen. Ich habe bei dieser Gelegenheit einfach erlebt, was das heißt, den Körper auf eine ganz andere Art und Weise kennenzulernen. Man spürt da plötzlich Dinge, die man noch nie gespürt hat und man merkt, wie schön es ist, wenn alles im Fluss ist, wenn nichts gehalten ist, sondern wenn sich einfach alles in einer Form von ganz besonderem Ausdruck vereinen darf. Ich versuche, dieses Gefühl auch musikalisch rüberzubringen. Insofern denke ich, die Biegsamkeit im Klang wie auch in der Tanzbewegung, die ist ganz, ganz wichtig.

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Jehan Alain Deux Danses à Agni Yavishta & Trois Danses

Martin Riccabona

Orgel

Seit ihrer Fertigstellung 2018 ist Martin Riccabona Kustos der sinfonischen Konzertsaalorgel im Brucknerhaus Linz, deren Planung und Bau er als Mitglied der Orgelkommission begleitet hatte.

1993 in Hall in Tirol geboren, studierte er Orgel und Cembalo in Linz, Hamburg, München und Wien bei Brett Leighton, Jörg Halubek, Wolfgang Zerer, Pieter van Dijk, Bernhard Haas, Augusta Campagne und Erich Traxler. Alle Studien schloss er mit Auszeichnung beziehungsweise der Höchstnote ab. Derzeit bildet er sich bei Ben van Oosten in Den Haag weiter. Martin Riccabona ist zweiter Preisträger der internationalen Orgelwettbewerbe Daniel Herz in Brixen, Paul Hofhaimer in Innsbruck und Arp Schnitger in Alkmaar sowie Gewinner des Grand Prix d’ECHO in Freiberg, der ihm den Titel Young ECHO-Organist of the Year 2015 einbrachte. 2017 gewann er zudem den NibelungenWettbewerb des Lions Club Linz.

Konzerte als Solist und Ensemblemusiker führen Martin Riccabona durch große Teile Europas, insbesondere an bedeutende historische Orgeln. Darüber hinaus tritt er regelmäßig an Orgel und Cembalo als Continuospieler für Kirchen- und Kammermusik sowie bei Oratorienund Opernproduktionen in Erscheinung. Konzertprojekte brachten ihn unter anderem mit dem Bach Consort Wien, dem Ulster Orchestra, dem MDR-Sinfonieorchester sowie dem Ensemble Klingzeug zusammen. 2014 und 2021 war er Artist in Residence der Paul-HofhaimerTage in Radstadt.

Von 2019 bis 2023 war Martin Riccabona Lehrer für Orgel, Cembalo und Cembalokorrepetition an der Musikschule der Stadt Linz, 2021/22 außerdem Lehrbeauftragter für Orgel respektive Generalbass an der Hochschule für Musik und Theater München und an der Anton Bruckner Privatuniversität in Linz. Seit März 2023 ist er Professor für Orgel an der Hochschule für evangelische Kirchenmusik Bayreuth.

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Biografie
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Sebastian Wielandt

Schlagwerk

Mit 13 Jahren war Sebastian Wielandt Vorstudent der Hochschule für Musik Karlsruhe, anschließend studierte der Multiperkussionist an der Anton Bruckner Privatuniversität in Linz. Seit 2014 wirkt er als regelmäßiger Substitut und seit der Saison 2022/23 mit Zeitvertrag als Schlagzeuger im Bruckner Orchester Linz. Engagements brachten ihn zum WDR Sinfonieorchester, in die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen, ins Brucknerhaus Linz und ins Wiener Konzerthaus sowie zu Festivals wie dem Internationalen Brucknerfest Linz, Wien Modern und Dialoge der Stiftung Mozarteum Salzburg. Er spielte Uraufführungen von Sarah Nemtsov, Georg Friedrich Haas und Philip Glass. Als gefragter Kammermusikpartner arbeitete Sebastian Wielandt mit Martin Grubinger und wirkte mit dem Wave Quartet an der CD Bach Concertos mit. Neben weiteren Auszeichnungen erreichte er 2023 Gold beim Internationalen Musikfest in Wien.

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Marc-André Hamelin

Markus Poschner, Marc-André Hamelin & Bruckner Orchester Linz

Ein Zug voller Dynamit

Freitag, 27. September 2024, 19:30 Uhr

Großer Saal, Brucknerhaus Linz

Werke von Johannes Brahms, Hans Rott

Marc-André Hamelin | Klavier

Bruckner Orchester Linz

Markus Poschner | Dirigent

Karten und Info: +43 (0) 732 77 52 30 | kassa@liva.linz.at | brucknerhaus.at

Herausgeberin: Linzer Veranstaltungsgesellschaft mbH, Brucknerhaus Linz, Untere Donaulände 7, 4010 Linz CEO: René Esterbauer, BA MBA, Kaufmännischer Geschäftsführer LIVA

Redaktion: Andreas Meier | Texte: Michael Preis, Andreas Meier (S. 5) Biografien & Lektorat: Romana Gillesberger | Gestaltung: Anett Lysann Kraml, Lukas Eckerstorfer Leiter Programmplanung, Dramaturgie und szenische Projekte: Mag. Jan David Schmitz

Abbildungen: P. Bünning (S. 2 [1. v. o.]), M. Ginot (S. 2 [2. v. o.]), J. Wesely (S. 2 [3. v. o.]), T. Pewal (S. 2 [4. v. o.]), Eesti Kunstimuuseum, Tallin (S. 7), privat (S. 8, 18–19 & 22), Österreichische Nationalbibliothek, Wien (S. 15), T. Pewal (S. 27), Gabrych Fotografie (S. 28), C. Clarke (S. 30) Programm-, Termin- und Besetzungsänderungen vorbehalten LIVA – Ein Mitglied der Unternehmensgruppe Stadt Linz

VORSCHAU : Internationales Brucknerfest Linz 2024

Mit unserer eigenen Hammerkopfproduktion entfesseln wir das volle tonliche Spektrum unserer Flügel und Klaviere –eine Kunst, die Leidenschaft, Erfahrung und Disziplin erfordert. www.bechstein-linz.de

HAMMERKOPF
HAPPY DIAMONDS

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