5. März 2025
19:30 Uhr, Großer Saal
5. März 2025
19:30 Uhr, Großer Saal
Das Große Abonnement VII Saison 24–25
Karten und Infos: +43 (0) 732 77 52 30 brucknerhaus.at
Di, 25. Mär 2025, 19:30
Mittlerer Saal
Paul Lewis
Der Pianist Paul Lewis verbindet Werke von Beethoven und Brahms mit der Österreichischen Erstaufführung einer neuen Klaviersonate aus der Feder von Thomas Larcher.
Fr, 11. Apr 2025, 19:30
Großer Saal
Händels Messiah
Mit Händels berühmtem Oratorium Messiah für Soli, Chor und Orchester feiern wir das 50-jährige Jubiläum des Linzer Musikgymnasiums.
Mi, 23. Apr 2025, 19:30
Mittlerer Saal
New York Polyphony
Das Grammy-nominierte Vokalquartett New York Polyphony lädt zu einer Reise von gregorianischen Gesängen des Mittelalters bis hin zu Stücken der 1920er- und 30er-Jahre.
Das Programm auf einen Blick
Drei verschiedene Meister der Instrumentationskunst sind am heutigen Konzertabend zu erleben: In seiner Pavane pour une infante défunte zeigt Maurice Ravel gekonnt die Facetten seines vielfarbigen impressionistischen Orchesterklangs. Erich Wolfgang Korngold verbindet wiederum in seinem Violinkonzert kunstvoll den ›Hollywood-Sound‹ der 1930er- und 1940er-Jahre mit der romantisch-europäischen Klangtradition, der der in Wien geborene Komponist ursprünglich entstammt.
Schließlich erweckt Nikolai Rimski-Korsakow in seiner symphonischen Suite Scheherazade mit betörenden Klangfarben, einprägsamen Melodien und dramatischen Spannungsbögen die gleichnamige Heldin aus Tausendundeine Nacht zum Leben. Entstanden 1888 zu einer Zeit, als die ›Bilder laufen lernten‹, entwickelt seine meisterhafte Orchestrierung ihren ganz eigenen filmischen Sog.
Gil Shaham | Violine
Deutsches Symphonie-Orchester Berlin
David Robertson | Dirigent
Maurice Ravel 1875–1937
Pavane pour une infante défunte M. 19 // 1899, 1910
Erich Wolfgang Korngold 1897–1957
Konzert für Violine und Orchester D-Dur op. 35 // 1937–39, 1945
I Moderato nobile
II Romance. Andante
III Allegro assai vivace
// Pause //
Nikolai Rimski-Korsakow 1844–1908
Scheherazade op. 35 // 1888
I Largo e maestoso – Lento – Allegro non troppo –Tranquillo
II Lento – Andantino – Allegro molto – Vivace scherzando –
Moderato assai – Allegro molto ed animato
III Andantino quasi allegretto – Pochissimo più mosso –
Come prima – Pochissimo più animato
IV Allegro molto – Lento – Vivo –
Allegro non troppo e maestoso
Konzertende ca. 21:30 Uhr
Brucknerhaus-Debüt
Maurice Ravel // Pavane pour une infante défunte
Musikmäzenin und Salondame Winnaretta Singer, spätere Prinzessin Edmond de Polignac, war eine der wichtigsten Persönlichkeiten des Pariser Musiklebens um 1900. Sie war eines der 24 Kinder des Nähmaschinen-Herstellers Isaac Merritt Singer, der durch den Verkauf der Nähmaschine Singer’s Number 1 zu spektakulärem Reichtum gekommen war. Ihre üppige Erbschaft steckte Winnaretta Singer in erster Linie in die Förderung von Musik, ihrer großen Leidenschaft. Sie sei »verliebt in die Musik wie eine Nähmaschine in den Stoff«, stellte der Autor Jean Cocteau einmal fest. Singer war lesbisch, lebte allerdings mit dem schwulen Komponisten Prinz Edmond de Polignac in einer harmonischen Scheinehe. Gemeinsam führten die beiden in der Avenue Henri Martin den wohl einflussreichsten Musiksalon der französischen Hauptstadt, in dem Persönlichkeiten wie Marcel Proust, Pablo Picasso, Coco Chanel, Claude Debussy, Igor Strawinski und Maurice Ravel regelmäßig ein und aus gingen. Letzterer war von seinem Kompositionslehrer Gabriel Fauré bei den Polignacs eingeführt worden. Singer widmete er seine 1899 entstandene Pavane pour une infante défunte, ein Klavierstück aus seiner Studienzeit, das er 1910 nochmals in orchestrier ter Fassung veröffentlichte. Ravel hatte am Konservatorium zunächst eine pianistische Ausbildung erhalten, tat sich allerdings im akademischen Kontext schwer. Als Interpret mangelte es ihm nicht an künstlerischen Einfällen, aber am klassischen Virtuos:innentum hatte er nur wenig Interesse. Nachdem er das Klavierstudium schließlich an den Nagel gehängt hatte, versuchte er es 1898 nochmals in der Kompositionsklasse von Fauré. Auch hier verlor Ravel bald wieder seinen Status als ordentlicher Student. Um den renommierten Prix de Rome, ein wichtiges Karrieresprungbrett für aufstrebende Komponist:innen, bemühte er sich fünfmal: In den Jahren 1900 und 1905 schied er bereits in der Vorrunde aus, 1901, 1902 und 1903 musste er sich mit dem zweiten Preis zufriedengeben – herbe Rückschläge, nach denen sich Ravel nur noch entschlossener in die Arbeit stürzte.
Die wichtigsten künstlerischen Erfahrungen machte Ravel ohnehin außerhalb des Konservatoriums im vibrierenden Musikleben von Paris. Seine Pavane für eine entschlafene Infantin – so lautet die deutsche Übersetzung des Titels – bekamen zuerst Ravels engste Freunde zu Gehör: Maler, Dichter, Musiker und Kritiker, die gemeinsam die Künstlergruppe Les Apaches gegründet hatten. Die Männer trafen sich regelmäßig jeden Samstag in Ateliers, Salons oder bei Konzerten. Als musikalisches Erkennungszeichen unter den Mitgliedern pfiff man auf Ravels Vorschlag das Kopfthema von Alexander Borodins 2. Symphonie. Zuerst war die Wahl auf das Thema des Sultans aus Nikolai Rimski-Korsakows Scheherazade gefallen, das aber zu schwer zu pfeifen war. Ravel beschrieb seine Komposition als »eine Erinnerung an eine Pavane, die eine kleine Prinzessin in alter Zeit am spanischen Hof getanzt haben könnte«. Ihm war es ein Anliegen klarzustellen, dass es sich bei der Komposition nicht um eine Totenklage für ein verstorbenes Kind handelt, sondern um eine Stilisierung eines historischen Tanzes mit modernen musikalischen Mitteln. Der Titel, den Ravel hauptsächlich wegen seiner wohlklingenden Assonanz ausgewählt hatte, wurde vom Publikum immer wieder missverstanden.
Dass Ravel beim Komponieren eine Infantin vor Augen hatte, die aus einem Gemälde von Diego Velázquez stammen könnte, wird beim Hören schnell klar. Eine Pavane ist ein langsamer Schreittanz, der im 16. und 17. Jahrhundert in ganz Europa verbreitet war. Tatsächlich wirkt Ravels liebliche Melodie, die im Laufe des Stückes immer wiederkehrt, bei aller Modernität auch historisch, wie aus vergangenen Zeiten. In der orchestrierten Fassung zeigt Ravel dabei eine seiner absoluten kompositorischen Stärken: das Instrumentieren. Er war stolz darauf, wie farbenfroh und plastisch er seine eigenen Klavierwerke auf den Orchesterapparat übertragen konnte. Die Streicher verstand Ravel dabei als die Seele des Orchesters – meistens notierte er den Streichersatz vor allen anderen Instrumenten. Aber auch die Hörner, die Ravel prominent solistisch besetzt, spielen für die Klangwelten der Pavane eine wichtige Rolle. Das Resultat sind impressionistische Orchesterklänge, die mal süffig, mal glitzerndperlend, mal flirrend daherkommen.
Erich Wolfgang Korngold // Violinkonzert D-Dur
Erich Wolfgang Korngold war ein waschechtes musikalisches Wunderkind. Nachdem er mit seinem Pantomimenballett Der Schneemann die Aufmerksamkeit der Wiener Hocharistokratie auf sich gezogen hatte, begann er im Alter von nur elf Jahren eine steile Karriere als Komponist. Gefördert wurde er unter anderem von Hofoperndirektor Gustav Mahler, der ihn als Schüler an Alexander Zemlinsky vermittelte. Mit 22 trat Korngold dann selbst eine Stelle als Musikdirektor an der Hamburger Oper an und landete mit Die tote Stadt einen Welterfolg: An mehr als 80 Opernbühnen weltweit wurde die Komposition ins Programm genommen; in Österreich und Deutschland gehörte Korngold bald gemeinsam mit Richard Strauss zu den meistgespielten (und bestbezahlten) Opernkomponisten. Aus den Höhenflügen rissen den seit seiner Jugend von Erfolg Verwöhnten jäh die politischen Entwicklungen ab 1933. Korngold war Jude und hatte in der Zeit des Austrofaschismus zunehmend mit Repressionen zu kämpfen. Er folgte deshalb bereits 1934 einer Einladung von Warner Brothers nach Hollywood, um dort die Musik zu Max Reinhardts Neuverfilmung von A Midsummer Night’s Dream zu komponieren. Erste Kontakte nach Los Angeles waren so hergestellt: Noch vor Adolf Hitlers Einmarsch in Österreich komponierte Korngold mehrere Filmmusiken; der Soundtrack zu Anthony Adverse wurde 1936 sogar mit einem Oscar ausgezeichnet. Korngold hatte allerdings zu diesem Zeitpunkt noch nicht vor, endgültig nach Amerika auszuwandern. Zum Exil in Hollywood wurde er durch den ›Anschluss‹ Österreichs am 12. März 1938 regelrecht gezwungen: Korngold befand sich zu diesem Zeitpunkt gerade wieder in Los Angeles, um dort für Warner Brothers die Musik zum Film The Adventures of Robin Hood zu komponieren und verlängerte seinen Aufenthalt auf unbestimmte Zeit. Seine Kontakte zum Filmstudio ermöglichten es ihm, seine Familie und seine Eltern nachzuholen.
Während des Zweiten Weltkriegs weigerte sich Korngold strikt, andere Werke neben seiner ›Brotarbeit‹ für den Film zu komponieren. »Es war, als hätte er ein Gelübde abgelegt, daß er, solange das Grauen über der
Welt lastete, keine Note außerhalb der Filme schreiben wolle«, erinnerte sich seine Ehefrau Luzi Korngold an die Zeit im amerikanischen Exil. Nichtsdestotrotz hoffte Korngold auf eine Rückkehr in die Konzertsäle seiner alten Heimat. Mit der Komposition seines Violinkonzerts hatte er bereits in den Jahren vor dem Exil begonnen – nach Kriegsende nahm er sich das Werk nochmals vor und realisierte einige Überarbeitungen.
Erich Wolfgang Korngold // Konzert für Violine und Orchester D-Dur
Dabei ließ Korngold thematisches Material aus insgesamt vier zwischen 1936 und 1939 entstandenen Filmpar tituren in sein Werk einfließen: Das prägnante erste Thema, das den Kopfsatz eröffnet, stammt aus seiner Musik zum Film Another Dawn aus dem Jahr 1937, während das zweite Thema desselben Satzes aus der Filmmusik zu Juarez von 1939 zitiert wird. Der als Romance bezeichnete zweite Satz entlehnt sein Hauptthema aus der oscarprämierten Musik zu Anthony Adverse von 1936, während das vor virtuosen Effekten strotzende Finale ein Thema aus der Filmmusik zu The Prince and the Pauper von 1937 aufgreift. Korngold gelang so die Verschmelzung eines nostalgischen ›Hollywood-Sounds‹ der 1930er-Jahre mit einer geigerischen Tour de force im spätromantischen Stil.
Die Motivation für die Rückkehr zum Komponieren von ›absoluter Musik‹ beschrieb Korngold selbst wie folgt: »Zuerst war ich ein Wunderkind, dann ein erfolgreicher Opernkomponist in Europa und dann ein Filmmusikkomponist. Ich glaube, dass ich jetzt eine Entscheidung treffen muss, wenn ich nicht für den Rest meines Lebens ein Hollywoodkomponist bleiben will.« Nach dem Zweiten Weltkrieg schaffte es Korngold allerdings nicht mehr, im internationalen Konzertbetrieb Fuß zu fassen. Seine Werke wurden von der Musikkritik nun als anachronistisch und kitschig empfunden. »More corn than gold« (»mehr Kitsch als Gold«) urteilte der Kritiker Irving Kolodin abschätzig über die New Yorker Uraufführung des Violinkonzerts, bei der Jascha Heifetz den anspruchsvollen Solopart übernommen hatte. Verbittert und resigniert verstarb Korngold 1957 im Alter von nur 60 Jahren an den Folgen einer Herzattacke. In den Jahren nach seinem Tod sollte sich sein Violinkonzert allerdings im Konzertsaal bewähren: Den zu Zeiten der Uraufführung bemängelten ›Hollywood-Kitsch‹ hört man heutzutage dank Komponisten wie John Williams, Howard Shore oder Hans Zimmer, die alle maßgeblich von Korngolds Musiksprache beeinflusst wurden, mit ganz anderen Ohren.
Nikolai Rimski-Korsakow // Scheherazade
Der persische Sultan Schahryâr hat ein Problem mit Frauen. Seitdem er seine Gattin in flagranti beim Ehebruch erwischt hat, ist er davon überzeugt, dass es auf der ganzen Welt keine einzige treue Frau geben kann. Um nie wieder getäuscht zu werden, fasst er einen grausamen Entschluss: Jeden Tag heiratet er eine neue Frau, um die Nacht mit ihr zu verbringen. Beim Morgengrauen lässt er sie töten. Die listige Scheherazade will diesem Morden ein Ende setzen und lässt sich deshalb ebenfalls dem Sultan zur Frau geben. In der Hochzeitsnacht beginnt sie, ihm eine Geschichte zu erzählen, die ausgerechnet im Morgengrauen ihren spannendsten Punkt erreicht. Scheherazades Cliffhanger ver fehlt seine Wirkung nicht: Begierig zu erfahren, wie die Geschichte weitergeht, schiebt der Sultan ihre Hinrichtung Tag für Tag auf, da sie geschickt immer wieder neue Handlungsstränge in ihre Erzählung einzuweben weiß. Nach tausend Nächten voller Fabeln, Liebesgeschichten, Tragödien und Legenden rückt der Sultan schließlich von seinem Schwur ab und begnadigt Scheherazade. Der Teufelskreis ist durchbrochen.
Cliffhanger dramatisches Ereignis am Ende eines Buchkapitels oder einer Folge einer Rundfunk-, Film- oder Fernsehserie, das Neugier auf die Fortsetzung wecken soll
Der gewieften Geschichtenerzählerin Scheherazade verlieh der russische Komponist Nikolai Rimski-Korsakow mit seiner gleichnamigen symphonischen Suite ein farbenfrohes musikalisches Gewand. Die Komposition, die zu den bekanntesten Werken Rimski-Korsakows zählt, entstand 1888 zu einer Zeit, in der im Russischen Reich alles ›Orientalische‹ hochpopulär war. Inspiriert worden war der 1844 geborene Rimski-Korsakow aber auch durch das Werk eines Freundes. Ein Jahr vor Entstehung der Scheherazade war Rimski-Korsakows Komponistenkollege Alexander Borodin verstorben. Er hinterließ eine unvollständige Opernpartitur: In Fürst Igor vertonte er das mittelalterliche Igorlied, das von einem missglückten Feldzug in den Weiten der russischen Steppe erzählt. Rimksi-Korsakow machte sich daran, die Oper, an deren Instrumentation er schon zu Borodins Lebzeiten beteiligt gewesen war, zu vervollständigen und für die
Nikolai Rimski-Korsakow // Scheherazade
Uraufführung einzurichten. Die Klangwelten von Fürst Igor tauschte Rimski-Korsakow schließlich gegen Scheherazades abenteuerliche Geschichten aus dem Orient ein. Auch hier schöpfte er im Bereich der Instrumentierung aus dem Vollen: Die symphonische Suite gilt als exemplarisch für Rimski-Korsakows Orchestrationskunst. In einer Abhandlung über das Thema, die Rimski-Korsakow 1906 vollendete, nachdem er in den Jahrzehnten zuvor schon mehrfach dazu Anlauf genommen hatte, tauchen immer wieder Passagen aus Scheherazade als prominente Fallbeispiele auf.
Bei der symphonischen Suite handelt es sich dabei im weitesten Sinne um Programmmusik: Obwohl Rimski-Korsakow ein zugrundeliegendes ›außermusikalisches‹ Sujet vertont – und sich in der Musik zahlreiche klangmalerische Motive finden – legte der Komponist zugleich darauf Wert, dass das Werk keine musikalische ›Übersetzung‹ von Tausendundeine Nacht darstellen sollte. Die programmatischen Satztitel, die die Musik konkreter im Stoff verorteten, da sie einzelnen Märchen aus Tausendundeine Nacht entsprechen, zog Rimski-Korsakow deshalb bald schon wieder zurück. Das Publikum sollte seine Fantasie benutzen und sich die zugrundeliegende Geschichte hörend erschließen. Was genau RimskiKorsakow in seiner Scheherazade vertonte, ließ er stets offen. Eine mögliche Lesart deutet die symphonische Suite Scheherazade als eine Fortsetzung zu Tausendundeine Nacht: Während der Hochzeit von Scheherazade und dem Sultan, die auf einem Schiff stattfindet, zieht ein Sturm auf. Schließlich zerschellt das Schiff an einer Klippe und das Hochzeitspaar ertrinkt in den Fluten. Rimski-Korsakow verstand die Komposition als »Kaleidoskop von Märchenbildern und Modelle orientalischen Charakters«. Diese Offenheit für verschiedene Deutungs- und Hörweisen zeichnet die Musik der symphonischen Suite aus. Es handelt sich eben nicht nur um eine ›musikalische Geschichte‹, sondern zugleich um eine suggestive, facettenreiche Verdichtung und ständige Transformation von zwei kontrastierenden Hauptthemen, die sich bis zum Schluss durch die vier Sätze der Suite ziehen.
Der erste Satz – ursprünglich Das Meer und Sindbads Schiff genannt –beginnt mit einem Thema in den Blechbläsern, das den Sultan symbolisieren soll und den bedrohlichen Kontext erahnen lässt, in dem dieser
Nikolai Rimski-Korsakow
zum ersten Mal auf Scheherazade trifft. Nach einer Akkordreihe in den Holzbläsern ertönt in der Solovioline, begleitet von der Harfe, zum ersten Mal das Thema der Scheherazade, das einen zarten, lyrischen, hier zunächst fast schon unterwürfigen Gegenpol zur Musik des Sultans bildet.
Jedes Mal, wenn im Verlauf der vier Sätze die Solovioline erklingt, steht sie für Scheherazades Stimme. Aus der Kombination dieser beiden entgegengesetzten Klangwelten entwickelt sich dann ein Dialog, in dessen Folge sich beide Ausgangsthemen verändern: Rimski-Korsakow erreicht
Scheherazade, Ölgemälde von Sophie Gengembre Anderson
Nikolai Rimski-Korsakow // Scheherazade
diese Transformationen nicht nur durch die Weiterentwicklung und Variation der beiden Themen, sondern zugleich auch durch die Instrumentierung. So wird die rohe Brutalität des Sultan-Themas vom Beginn schließlich vom weicheren Timbre des Solohorns abgelöst. Variierte Fragmente aus Scheherazades Thema türmen sich wiederum in den Holzbläsern und Violinen zu wilden Sequenzen auf. Nach einem ersten, fast schon chaotischen Höhepunkt folgt eine dialogische Passage zwischen Solovioline und Holzbläsern, so als würde Scheherazade hier eine ihrer Geschichten erzählen, während der Sultan sie immer wieder unterbricht, um Nachfragen zu stellen und sich zu erkundigen, wie die Geschichte weitergeht. Dabei ahmen Spannungsbögen, die ins Leere zu gehen scheinen, sowie zahlreiche Tempo- und Dynamikänderungen Scheherazades von Cliffhangern geprägten Erzählstil nach.
Während der erste Satz vom Thema des Sultans eingeleitet wurde, beginnt der zweite Satz – ursprünglich von Rimski-Korsakow mit dem Titel Der Prinz Kalendar versehen – mit der Solovioline: Scheherazade setzt zu einer neuen Geschichte an. Das Satzgefüge, das von zahlreichen solistischen Passagen in Fagott, Oboe, Klarinette, Horn und Violoncello bestimmt wird, verbindet lyrisch-zarte Melodien mit abenteuerlichen, dramatischen Episoden. Auch Fragmente aus dem Thema des Sultans werden immer wieder in den Orchestersatz eingewoben. Den dritten Satz nannte Rimski-Korsakow Der Prinz und die Prinzessin, ohne sich damit auf ein konkretes Märchen aus Tausendundeine Nacht zu beziehen. Dass eine junge Liebe im Mittelpunkt dieses Satzes steht, verdeutlicht die zärtliche Melodie, die in den ersten und zweiten Geigen erklingt. Nach einer frühen Londoner Aufführung der Suite wurde in der Presse kontrovers diskutiert, ob die rasanten auf- und absteigenden Tonleitern in den Holzbläsern und Geigen leidenschaftliche Küsse symbolisieren sollen. Die lyrische Melodie vom Beginn des Satzes wird in unterschiedlichen Klangfacetten vorgestellt: mal eher militaristisch, begleitet von Schlagwerk, mal romantisch dahinschmelzend in den Streichern. Scheherazades Thema taucht hier erst in der Mitte des Satzes auf. Aus der einprägsamen Melodie entwickelt sich ein Klangteppich aus gebrochenen Akkorden in der Solovioline, über den die Holzbläser erneut das Hauptthema des Satzes spielen –die Grenzen zwischen Scheherazade und Prinzessin, zwischen Prinz und Sultan verschwimmen.
›GallandHandschrift‹, ca. Mitte 15. Jahrhundert.
Älteste erhaltene arabische Textfassung von Tausendundeine Nacht
Nikolai Rimski-Korsakow // Scheherazade
Selbstbewusst-martialisch wird der vierte und letzte Satz der Suite erneut durch das Sultan-Thema eingeläutet, zweimal unterbrochen von der Solovioline. Scheherazades Thema klingt im Gegensatz zu den vorherigen Sätzen hier tiefer, lauter, nachdrücklicher. Im Laufe des Satzes, dem Rimski-Korsakow zuerst den dreiteiligen Titel Feier in Bagdad. Das Meer. Das Schiff zerschellt an einer Klippe unter einem bronzenen Reiter gegeben hatte, verdichtet sich das musikalische Gefüge zu einem letzten Höhepunkt. Motive aus den ersten drei Sätzen tauchen erneut auf und stellen so einerseits eine zyklische Geschlossenheit zwischen allen vier Sätzen, andererseits narrative Bezüge zu den vorherigen Episoden her. Der Satz mündet schließlich in ein finales Solo der Violine, das sich ausgehend von einer virtuosen Kadenz in schwindelerregende Höhen hinaufschwingt. Im Pianissimo setzen darunter die tiefen Streicher mit dem Thema des Sultans ein, aber von den dominant-protzigen Tönen des Anfangs ist keine Spur mehr zu hören. Scheherazade hat den Teufelskreis durchbrochen, alle Grausamkeit löst sich in Wohlgefallen auf: ein musikalisches Happy End?
Paula Schlüter
Klänge sehen – Bilder hören
Sa, 13. Sep 2025, 19:30
Daniele Gatti und die Sächsische Staatskapelle Dresden bringen Gustav Mahlers 5. Symphonie und Tōru Takemitsus Requiem für Streichorchester ins Brucknerhaus Linz.
Do, 18. Sep 2025, 19:30
Das ORF Radio-Symphonieorchester Wien und Saxofonistin Asya Fateyeva präsentieren unter der Leitung von Mei-Ann Chen Werke von Erich Wolfgang Korngold, Péter Eötvös und John Williams.
So, 28. Sep 2025, 18:00
Ivor Bolton und das Tonkünstler-Orchester Niederösterreich bringen eine vollendete Rekonstruktion von Bruckners 9. Symphonie in ihrer ganzen Farbenpracht zum Klingen.
So, 5. Okt 2025, 18:00
Das wohl berühmteste Streicherensemble der Welt interpretiert neben Anton Bruckners »Locus iste« Werke von Heitor Villa-Lobos, Gabriel Fauré und George Gershwin, Filmmusik und mitreißenden Tango.
brucknerfest.at
Der in den USA geborene und in Israel aufgewachsene Geiger Gil Shaham ist einer der bedeutendsten Geiger unserer Zeit. Er zählt zu den wenigen, deren Spontaneität, musikalischer Witz und Analysefähigkeit jeden Auftritt zum Ereignis werden lassen. Seine Ausbildung absolvierte er bei Dorothy DeLay und Hyo Kang an der New Yorker Juilliard School. Bereits im Alter von zehn Jahren gab der Geiger beim Jerusalem Symphony Orchestra sein erstes Konzert, bald darauf folgte ein Soloauftritt mit dem Israel Philharmonic Orchestra unter Zubin Mehta.
Gil Shaham tritt mit renommierten Orchestern wie den Berliner Philharmonikern, dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, dem Boston, dem Chicago und dem San Francisco Symphony Orchestra, dem Israel Philharmonic Orchestra, der Los Angeles und der New York Philharmonic sowie dem Orchestre de Paris auf. Der Musiker arbeitet mit Dirigenten wie Antonio Pappano, David Robertson, Lionel Bringuier und Gustavo Dudamel zusammen. Zudem konzertiert er regelmäßig mit seinem langjährigen Duo-Partner, dem Pianisten Akira Eguchi.
Zu den Höhepunkten der letzten Jahre gehören die Einspielung und Aufführung der gesamten Sonaten und Partiten für Violine solo von Johann Sebastian Bach. Seine CD-Einspielungen erhielten höchste Auszeichnungen: den Grammy, den Grand Prix du Disque, den Diapason d’Or und den Grammophone Editor’s Choice. Gil Shaham nahm unter anderem das Klavier trio von Pjotr Iljitsch Tschaikowski mit Yefim Bronfman und Truls Mørk sowie Edvard Elgars Violinkonzert mit dem Chicago Symphony Orchestra unter David Zinman auf. 1990 und 2008 wurde er mit dem Avery Fisher Prize ausgezeichnet und 2012 von Musical America als »Instrumentalist of the Year« geehrt.
Gil Shaham spielt die Stradivari »Gräfin Polignac« von 1699. Er lebt mit seiner Frau, der Geigerin Adele Anthony, und ihren drei Kindern in New York.
Gegründet wurde das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin (DSO) 1946 als RIAS-Symphonie-Orchester und 1956 in Radio-Symphonie-Orchester Berlin umbenannt. Seinen heutigen Namen trägt es seit 1993. Ferenc Fricsay, Lorin Maazel, Riccardo Chailly, Vladimir Ashkenazy, Kent Nagano, Ingo Metzmacher und Tugan Sokhiev waren seine Chefdirigenten, bevor Robin Ticciati von 2017 bis 2024 an der Spitze des DSO stand. Durch zahlreiche Gastspiele ist das Orchester als Kulturbotschafter Berlins und Deutschlands international gefragt. Es zeichnet sich durch die beziehungsreiche Dramaturgie seiner Programme, den Einsatz für Musik der Gegenwart und regelmäßige Repertoireentdeckungen ebenso aus wie durch den Mut zu ungewöhnlichen Formaten und innovative Impulse wie seine Initiative feministischer Musikpolitik unter dem Motto Kein Konzert ohne Komponistin!, mit der das DSO weltweit Aufmerksamkeit erregte.
David Robertson war Chefdirigent und künstlerischer Leiter des Sydney Symphony Orchestra, Musikdirektor des St. Louis Symphony Orchestra, des Orchestre National de Lyon und des Ensemble InterContemporain. Die Saison 2024/25 führt ihn zum NDR Elbphilharmonie Orchester, zum Philadelphia Orchestra, zum Gewandhausorchester, zum Cleveland Orchestra, zum Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, zur San Francisco Symphony, zur New York Philharmonic und zum Seoul Philharmonic Orchestra. Seit seinem Debüt an der Metropolitan Opera 1996 hat er mehrere Produktionen an der Met dirigiert, darunter Porgy and Bess in der Saison 2019/20, wofür er einen Grammy Award für die beste Opernaufnahme erhielt. David Robertson ist Director of Conducting Studies, Distinguished Visiting Faculty an der Juillard School in New York und Mitglied des Tianjin Juilliard Advisory Council.
Impressum
Herausgeberin
Linzer Veranstaltungsgesellschaft mbH, Brucknerhaus Linz, Untere Donaulände 7, 4010 Linz
Redaktion
Paula Schlüter, MA
Biografien & Lektorat
Romana Gillesberger
Gestaltung
Anett Lysann Kraml
Abbildungen
K. Kikkas (S. 2), gemeinfrei (S. 7 & 13), Österreichische Nationalbibliothek, Wien (S. 9), Bibliothèque nationale de France (S. 15), C. Lee (S. 19 & 21), L. Hopp (S. 20)
Programm-, Termin- und Besetzungsänderungen vorbehalten LIVA – Ein Mitglied der Unternehmensgruppe Stadt Linz
Wir danken für Ihren Besuch und wünschen Ihnen ein schönes Konzert!
Werke von Brahms, Debussy, Skrjabin und Wagner/Liszt
19.März 2025 · 19:30 Uhr
VERANSTALTUNGSORT UND KARTEN
Brucknerhaus Linz · Untere Donaulände 7 · 4010 Linz +43 (0) 732 77 52 30 · kassa@liva.linz.at
C.Bechstein Centrum Linz / Klaviersalon Merta GmbH
Bethlehemstraße 24 · A-4020 Linz · +43 (0) 732 77 80 05 20
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