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Donatella Di Pietrantonio zieht uns in ein geheimnisvolles Italien
Donatella Di Pietrantonio Borgo Sud 224 S., 20,00 € eBook 15,99 € Kunstmann
Donatella Di Pietrantonio
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stammt aus den Abruzzen und lebt heute in der Nähe von Pescara. Mit Meine Mutter ist ein Fluss debütierte die studierte Zahnmedizinerin 2011 als Schriftstellerin. Nach Bella mia gelang ihr 2018 mit ihrem dritten Roman Arminuta der internationale Durchbruch.
Schweigender Ort
In ihrem Erfolgsroman Arminuta erzählt Donatella Di Pietrantonio von den Nöten einer bitterarmen Großfamilie in den Abruzzen der 1970er-Jahre. Ebendort hin kehrt sie zurück und zeigt in Borgo Sud, wie sich die Leben zweier Schwestern mit unterschiedlichen Startbedingungen über die Jahre entwickeln: Während Adriana prekär in Pescaras verwahrlostem Hafenviertel Borgo Sud lebt, lehrt ihre ältere Schwester an der Universität in Grenoble. Dort erfährt sie, dass Adriana nach einem Sturz vom Balkon auf der Intensivstation liegt. Die Nachricht katapultiert die junge Frau zurück in ihre Heimat. Sie denkt an Adrianas unbedingte Liebe zu dem jungen Fischer Rafael, für den sie die Schule geschwänzt hat, mit dem sie nachts zum Fischen rausfährt, und für den sie einsteht, egal in welche Angelegenheiten er verwickelt ist. Sie denkt an ihre eigene gescheiterte Ehe mit Piero – und vor allem an die Nacht, als Adriana mit einem Baby auf dem Arm vor ihrer Tür stand. In Borgo Sud scheinen alle zu wissen, was Adriana widerfahren ist. Ihre Schwester bleibt außen vor. Höchst emotional, empathisch und mit poetischer Kraft zieht uns Donatella Di Pietrantonio in ein geheimnisvolles Italien jenseits von Kitsch und Klischee.
Schöne neue Welt?
Wir schreiben das Jahr 2045. Nathanael träumt davon, als Arzt Gutes zu tun. Entsprechend verstört reagiert der 15-Jährige, als ihn seine Eltern aus der Schule nehmen. Er soll später Menschen als Prediger beistehen. Darin scheint die Zukunft zu liegen: Nach einer Katastrophe auf eine karge bäuerliche Existenz zurückgeworfen, suchen die Menschen Trost im Glauben. Universitäten sucht man auf dieser neuen Welt hingegen vergebens. Als Nathanael dennoch von einem Polytechnikum in Italien hört, beschließt er, dorthin zu gehen. Gemeinsam mit seiner Mitschülerin Vanessa entflieht er der Enge des Dorfes – verfolgt von dem Lehrer Ludwig, der sich anders als die Jugendlichen an die Zeit vor der Katastrophe erinnert und auf keine Besserung mehr hofft. Eindringlich schildert Simone Weinmann ein archaisches Leben und zeigt auf, was für uns alle auf dem Spiel steht.
Simone Weinmann Die Erinnerung an unbekannte Städte 272 S., 24,00 € eBook 18,99 € Kunstmann
LITERATUR
Traumhaft erzählt Aus der Sicht einer Zeitzeugin
Bao ist eine Maus und Nhi ein hübsches Mädchen. „Das Schicksal hat uns zusammengeführt. Wie auch ich war sie anders, etwas Besonderes. Irgendwie verloren, nicht zugehörig, schwerlich akzeptiert. Doch ihre Worte und Taten haben sie zu dem gemacht, was sie heute ist. Unsere Königin.“ Bao und Nhi begegnen sich zufällig im Haus der Versehrten. Beide haben die Folgen der vergangenen Kriege in Vietnam zu ertragen, wollen aber ihren ganz eigenen Weg finden und gehen. Doch besonders Nhi fällt das schwer, denn sie hat keine Beine. Dafür kann sie etwas, was niemand anderer auf der Welt je konnte … Die Mäusekönigin ist eine magische Geschichte voller Wunder. Aus der Perspektive einer kleinen Maus erzählt sie von träumenden Schlangen, einer Villa bevölkert von Hühnern und dem letzten Brief von Ho Chi Minh – und ist genauso wundersam wie das Leben im heutigen Vietnam.
Jay Kay Die Mäusekönigin 288 S., 18,00 € eBook 5,99 € Even Terms Press Jami Attenberg Ist alles deins! 320 S., 24,00 € eBook 18,99 € Schöffling & Co.
Brillanter Familienroman
Ein heißer Augusttag im New Orleans der Trump-Ära. Der schwerreiche skrupellose Geschäftsmann und brutale Patriarch Victor Tuchman, wird mit einem schweren Herzinfarkt in die Notaufnahme eingeliefert. Seine Tochter Alex hat kaum Kontakt zu ihren Eltern, aber sie fährt nach New Orleans – aus einem einzigen Grund: „Es gab Veränderung, es gab Bewegung – ein lange vereister Fluss in ihr taute und die Stromschnellen sprudelten. Auch wenn sie das nie laut gesagt hätte, konnte sie nun kaum erwarten, dass ihr Vater starb, damit sie endlich die Wahrheit über ihn erfuhr.“ In ihrem tiefgründigen Roman Ist alles deins! porträtiert Jami Attenberg die einzelnen Familienmitglieder mit analytischem, gleichwohl humorvollem Blick und lotet die ungeheuren Auswirkungen missbrauchter Macht und gefährlicher Abhängigkeiten aus. Gabriele Tergits größter Wunsch war es, nach den Effingers noch einmal einen großen Roman zu schreiben. Nun ist So war’s eben erstmals aus dem Nachlass der Autorin erschienen. Im Mittelpunkt stehen die Geschicke verschiedener Familien in der Zeit vom Ende des 19. Jh. bis in die Fünfzigerjahre. Es tobt der Erste Weltkrieg und die Weimarer Republik findet ihren Widerhall in jenem Milieu der Zeitungsredaktionen, in dem die Journalistin Tergit zuhause war. Nach einer Familienfeier im Januar 1933 beginnt die Emigration verschiedener Romanfiguren nach Prag, Paris, London und in die USA, während andere zurückbleiben. Meisterhaft fängt die Autorin das Leben ihrer Generation mit allen Hoffnungen, Enttäuschungen und Lebensbrüchen ein. Sie selbst emigrierte 1933 nach Palästina und zog 1938 nach London. „Ein mitreißendes Kaleidoskop einer unbestechlichen Zeitzeugin.“ (P.M. History)
Gabriele Tergit So war’s eben 624 S., 28,00 € eBook 22,99 € Schöffling & Co.