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INSIDE – News aus der Literaturszene
It’s Britney, Bitch!
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Achtung, Achterbahn: ein von seinen Eltern dominierter, beachtungssüchtiger Kinderstar. Zusammen mit Christina Aguilera, Ryan Gosling und ihrem späteren Freund Justin Timberlake auf der Besetzungsliste des TV-Formats Mickey Mouse Club. Ende der 90er der kometenhafte Aufstieg zur Princess of Pop. Aus der Schulmädchenuniform wird roter Latex, aus ihren Albumtiteln Baby One More Time und Oops! … I Did It Again eine sich selbst erfüllenden Prophezeiung: Grammys, MTV-Awards, eine nach Stunden annullierte Heirat. Neuer Mann, zwei Söhne, Scheidung. Lieblingsopfer der Paparazzi. Alkohol, Drogen, Entzugsklinik. 2007 rasiert sie sich öffentlich die Haare ab – der Absturz als Ausbruchsversuch. Entmündigung auf Antrag ihrer Eltern, der Vater als Betreuer. 13 Jahre lang kein Zugriff auf eigene Konten, keine selbstbestimmten Entscheidungen. Comebacks, Eskapaden, Hashtag #freebritney. Als am 12. November 2021 ihre Betreuung per Gerichtsentschluss aufgehoben wird, stehen diesmal Film und Feuilleton, Literatur und Theater bereits voll in Britney Spears’ Bann – seit Januar 2022 auch als Figur auf der Bühne des Berliner Ensembles: It’s Britney, Bitch! heißt das Einpersonenstück mit der Schauspielerin Sina Martens: „Ein Abend über unglückliche Liebe und Abhängigkeit, über Wahrheit und Wahrhaftigkeit im Pop, über Frauen auf der Bühne, über Väter und Töchter und über die Britney in uns allen.“ Was die wahre Britney Spears zu erzählen hat? Laut Medienberichten hat sich der Verlag Simon & Schuster nach einem heftigen Bietergefecht für 15 Millionen Dollar die Rechte an ihrer Autobiografie gesichert. Sie soll Spears’ Sicht auf ihr Leben, ihre Karriere und ihr „toxisches“ Verhältnis zu Britney Spears & Sina Martens ihrer Familie aufarbeiten. Die Summe liegt weit über dem, was Verlage für die Memoiren von Hillary Clinton, Keith Richards oder Papst Johannes Paul II. zu bezahlen bereit waren. Spears’ Memoiren könnten ja durchaus Brisantes enthüllen: „Gott möge den Seelen meiner Familie gnädig sein, sollte ich dazu jemals ein Interview geben“, hatte sie noch im November 2021 bei Instagram gepostet. Aus dem Interview wird nun ein Buch.
Hercule Poirot und Miss Merkel
Sie ist nicht nur eine der wandlungsfähigsten deutschsprachigen Schauspielerinnen, sondern auch ein Multitalent – vor der Kamera, hinter der Kamera und auf den Brettern, die die Welt bedeuten. Sie ist Regisseurin – gerade inszeniert sie an der Dresdner Semperoper Verdis Aida – spricht Hörspiele und Hörbücher ein, arbeitet als Synchronsprecherin. Katharina Thalbach, die 33 Jahre mit dem Schriftsteller Thomas Brasch zusammen war, liebt zwar „Listen und Tabellen, die ich abarbeiten kann“, ihre besondere Liebe aber gehört dem Buch und der Literatur in all ihren Spielarten. Da trifft es sich gut, dass sie demnächst am Berliner Schiller Theater den Meisterdetektiv Hercule Poirot in Agatha Christies Mord im Orientexpress verkörpert. Außerdem wird sie „an einem Film mitwirken, in dem unsere Ex-Kanzlerin im Ruhestand zur Hobbydetektivin wird – Miss Merkel statt Miss Marple“. Dabei könnte es sich um die Verfilmung von David Safiers Roman Miss Merkel – Mord in der Uckermark handeln. Welche Rolle sie dabei übernimmt? Tja. Es hilft nicht unbedingt weiter, wenn man weiß, dass Katharina Thalbach wie auch Angela Merkel Jahrgang 1954 sind. Und dass die Größe auch irgendwie hinkäme. Wäre doch schön …
Katharina Thalbach
Charlotte Casiraghi
Die souveräne Leserin
Der literarische Salon als ein von Adel und Bürgertum organisierter privater gesellschaftlicher Treffpunkt für Lesungen, Diskussionen und Musik hat eine lange Tradition. Unter den meist wohlhabenden, gebildeten Gastgeberinnen ragen Namen wie Bettina von Arnim, Rahel Varnhagen, Gertrude Stein und andere bis in unser Jahrhundert. Charlotte Casiraghi, 35, die ihren Vater Stefano im Alter von vier Jahren verlor, ist die Tochter von Caroline von Hannover, Enkelin von Gracia Patricia, Nichte des monegassischen Staatsoberhauptes Fürst Albert II., Turnier-Springreiterin und seit 2021 auch Markenbotschafterin von Chanel. Mit Karl Lagerfeld, einem engen Freund ihrer Mutter, hat sie einmal ihre Sommerferien damit verbracht, Lagerfelds mehr als 200.000 Bücher umfassende Bibliothek in seiner Villa in Biarritz zu sortieren. Zum Sortieren sei man aber kaum gekommen. Man sei sich eher vorgekommen „wie zwei Kinder alleine in einem Geschäft mit Süßigkeiten“, verriet sie der Süddeutschen Zeitung. „Umgeben von seinen Büchern war er enthusiastisch, glücklich, aufgeregt. Das war etwas, was wir teilten, diese Gefühl von Seligkeit, umgeben von Büchern zu sein.“ Denn die studierte Philosophin ist vor allem eine souveräne Leserin – „am Strand muss es nicht immer Baudelaire sein“ –, die Bücher liebt, für Literatur lebt und die Tradition des literarischen Salons wieder aufleben lässt. Bereits 2015 rief sie die Rencontres Philosophiques de Monaco ins Leben. Jetzt initiierte sie, zusammen mit Chanel, die Rendez-vous littéraires Rue Cambon. Die Tradition, die aus der engen Verbindung des von Gabrielle Chanel und Karl Lagerfeld geprägten Hauses mit der Literatur hervorging, möchte sie fortführen: „Lesen bietet die Möglichkeit zu innerer Emanzipation, völlig unabhängig von Geld.“ Casiraghis literarische Rendezvous mit Schriftstellerinnen und Schauspielerinnen wie Leïla Slimani, Keira Knightley und Marion Cotillard sind jeweils einem Werk, einer Autorin oder einem Autor gewidmet und auch online mit englischen Untertiteln zu verfolgen.
Hautnah – Die Methode McDermid
Gibt es Fußballklubs, die mit dem Namenszug von Autorinnen oder Autoren auf der Brust antreten? Ja, gibt es. Besser gesagt – gab es. Die aus der schottischen Hafenstadt Kirkcaldy stammende Schriftstellerin Val McDermid, offensive Fürsprecherin des Referendums über die Unabhängigkeit Schottlands, ist mit bemerkenswerten Thrillern, Kriminalromanen und den TV-Serien Hautnah – Die Methode Hill und Traces bekannt geworden. Mit der Marke McDermid auf der Brust bestritten die Kicker des Zweitligisten Raith Rovers aus Kirkcaldy bislang ihre Spiele. Bis sie mit dem Profifußballer David Goodwillie nicht nur einen neuen Stürmer, sondern auch einen 2016 zivilrechtlich verurteilten Vergewaltiger verpflichteten. Daraufhin kündigte die Autorin auf Twitter ihre lebenslange Unterstützung für den Klub und ihr Trikotsponsoring auf: „Ich werde auch meine Dauerkarte zerreißen.“ Goodwillie „habe nie auch nur ein bisschen Reue gezeigt. Der Gedanke, dass der Vergewaltiger mit meinem Namen auf seinem Shirt aufs Feld läuft, macht mich körperlich krank.“ MitarbeiterInnen des Klubs, darunter die Kapitänin des Frauenteams, legten aus Protest über die Verpflichtung des Fußballers ihre Posten nieder. Nicola Sturgeon, schottische Regierungschefin, lobte deren „prinzipientreue Haltung“. Dass sie sich in dieser Position wiederfänden, sei ein Zeichen dafür, dass „unsere Gesellschaft noch einen weiten Weg vor sich hat, um Nulltoleranz gegenüber sexueller Gewalt zu verwirklichen“. Inzwischen haben sich die Raith Rovers von ihrem Neuzugang distanziert und denken über eine VerVal tragsauflösung nach.
McDermid
LITERATUR
Maxim Leo Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße 304 S., 22,00 € eBook 18,99 € Kiepenheuer & Witsch
Ein Hochstapler verliebt sich
September 2019: Michael Hartung bekommt Besuch von einem Journalisten. Der recherchiert zu einer Massenflucht aus der DDR, bei der 127 Menschen in einer S-Bahn am Bahnhof Friedrichstraße in den Westen gelangten. Der Journalist hat Stasiakten entdeckt und meint, dass Hartung – als früherer Stellwerksmeister – die Flucht eingefädelt hat. Dieser dementiert, ist aber nach Zahlung eines ordentlichen Honorars bereit, die Geschichte zu bestätigen. Schließlich war er noch nie ein Held, und wenn es nun mal so in den Akten steht … Wenig später reißen sich die Medien um ihn, er wird vom Bundespräsidenten empfangen, seine Geschichte soll Vorlage für einen Kinofilm werden. Hartungs Leben ist plötzlich so traumhaft leicht. Doch dann trifft er Paula …
Eine Geschichte voll subtiler Überraschungen
Inti Flynn kommt nach Schottland, um wieder Wölfe in den Highlands anzusiedeln. Als Wissenschaftlerin weiß sie, dass die wilden Tiere die einzige Rettung für die zerstörte Landschaft sind. Als Frau hofft sie sehnlichst auf einen Neuanfang. Sie ist schon zu lange nicht mehr die, die sie einmal war, und hat sich mehr und mehr von den Menschen zurückgezogen. Denn die Wolfsbiologin besitzt eine seltene Fähigkeit: Sie ist hochsensibel und vermag, die Gefühle von anderen Lebewesen körperlich nachzuempfinden. Als ein Farmer tot aufgefunden wird und eine wilde Hetzjagd auf ihre Tiere beginnt, muss sie sich jedoch ihren eigenen Ängsten stellen: Wer ist wirklich die Bestie in den Wäldern? Der böse Wolf? Oder der verrohte Mensch? Und wird sie nach den Geschehnissen je wieder menschliche Nähe zulassen können – oder von der Wildnis verschlungen werden, die sie mit allen Kräften retten will? Wo die Wölfe sind ist eine fesselnde Geschichte über die
Erscheint am 30.03.2022
Charlotte McConaghey Wo die Wölfe sind 432 S., 22,00 € eBook 18,99 € S.FISCHER
Charlotte McConaghy
Die Autorin, Jahrgang 1988, hat irisch-schottische Wurzeln und wuchs in Australien auf. Den internationalen Durchbruch erlebte sie mit ihrem Debüt Zugvögel. Sie hat einen Abschluss als Drehbuchautorin der Australian Film Television and Radio School. McConaghy lebt in Sydney.
bedrohten Orte und Geschöpfe unserer Erde – und die Gabe, die sie vielleicht noch retten kann: die große Macht der Empathie.