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Die Weidenarten Graubündens und deren ökologischer Wert

Von den 37 Weidenarten (Salix L.) der Schweiz kommen in Graubünden 29 Arten vor. Mit dabei ist auch der kleinste Baum Europas, die Krautweide. Aus forstwirtschaftlicher Sicht haben die Weidenarten keinen besonderen Wert. Als Nutzweiden für spezifische Anwendungen hingegen und besonders aus ökologischer Sicht haben die unterschiedlichen Weidenarten eine grosse Bedeutung.

R. Fluor

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Die Weiden Graubündens

Deutsch Lateinisch Vorkommen/Spezielles

Alpen-Weide Salix alpina Nur Lej da Rims, Val Müstair

Blaugrüne Weide Salix caesia Entlang von Flüssen, vor allem in Südbünden

Bruch-Weide Salix x fragilis Churer Rheintal, Flussufer, Auenwälder

Flaum-Weide Salix laggeri

Seltene Weide, fehlt in Nordbünden. Am St.Moritzersee, vor dem Lag da Cavloc im Bergell Grau-Weide Salix cinerea Tümpel und Gräben, staunasse Böden. Im ganzen Kanton vertreten Grossblättrige Weide Salix appendiculata Hochstaudenwälder, oft in Nordlagen. Im ganzen Kanton häufig vorkommend Hegetschweilers Weide Salix x hegetschweileri Verbreitung unklar. Wird oft mit der Schwarzweiden-Unterart Alpicola verwechselt

Korb-Weide

Salix viminalis Meist angepflanzt, an Flussufern der tieferen Lagen vorkommend Kraut-Weide Salix herbacea In der alpinen Zone im ganzen Kanton vorkommend, kalkmeidend Kurzzähnige Weide Salix breviserrata Auf Kalkblockschutt. In der alpinen Zone im ganzen Kanton vorkommend

Lavendel-Weide

Lorbeer-Weide Salix eleagnos Vorwiegend in der montanen Zone vorkommend. Sehr schöne Exemplare bei Bergün und Tschierv Salix pentandra Feuchte Wiesen und Bachufer. Vor allem im Oberengadin vorkommend

Mandel-Weide Moor-Weide

Netz-Weide Ohr-Weide Salix triandra Hochwasserbereich von Flüssen. Im ganzen Kanton vorkommend

Salix repens

Kalkhaltige Flachmoore. Val Müstair, Unterengadin und vorderes Prättigau Salix reticulata Auf Kalk. In der alpinen Zone im ganzen Kanton vorkommend Salix aurita Moore, lichte Wälder. Fehlt in Südbünden Purpur-Weide Salix purpurea Ufer, Gebüsche. Im ganzen Kanton häufig vorkommend Quendelblättrige Weide Salix serpillifolia Steinige Rasen. In der alpinen Zone im ganzen Kanton vorkommend Reif-Weide Salix daphnoides Auenwälder. Im ganzen Kanton häufig vorkommend Rosmarin-Weide Salix rosmarinifolia Nur am Rombach bei Tschierv in der Val Müstair vorkommend Sal-Weide Salix caprea Auenwälder, Waldlichtungen. Im ganzen Kanton häufig vorkommende Waldart

Schwarzwerdende Weide Salix myrsinifolia Ufer, Gebüsche. Im ganzen Kanton häufig vorkommend. Sehr vielgestaltig Schweizer Weide Salix helvetica Kalkfreier, feuchter Blockschutt. In der alpinen Zone vorkommend, fehlt in den nördlichen Randketten Seidenhaarige Weide Salix glaucosericea Kalkfreier Blockschutt. In der alpinen Zone vorkommend Silber-Weide Salix alba Grösste Weide Graubündens. Ufer, Auenwälder, keine natürlichen Vorkommen im Engadin

Spiess-Weide Salix hastata Feuchte, felsige Rasen. Im ganzen Kanton häufig vorkommend

Stink-Weide Salix foetida

Sonnige, feuchte Orte. Im ganzen Kanton in der subalpinen und alpinen Zone häufig vorkommend Stumpfblättrige Weide Salix retusa Felsen, Schutt. In der alpinen Zone im ganzen Kanton vorkommend Waldsteins Weide Salix waldsteiniana Auf kalkhaltigem Gesteinsschutt. Vor allem subalpin vorkommend. Schöne Exemplare am Albulapass und oberhalb Scuol, Richtung Lischana Hütte

Spezifische Anwendungen der Weiden Imkerweiden

Bäume und Sträucher der Gattung Weiden (Salix L.) werden von Bienen gerne beflogen und gelten deshalb als vorzügliche Bienenweiden. Bereits früh im Frühjahr, wenn die ersten wärmenden Sonnenstrahlen die Bienen ins Freie locken, stehen die ersten Weiden als Pollenspender bereit. Blütenstaub der männlichen Weiden enthält die Aufbaustoffe, welche das Bienenvolk zu dieser Jahreszeit dringend braucht. Der ebenfalls aus Weidenkätzchen (männliche und weibliche Exemplare) verfügbare Nektar liefert den Bienen energiereiche Kohlenhydrate. Gesammelt und als Honig im Stock eingelagert dient er der Vorratshaltung. Als Imkerweiden besonders geeignet sind die früh blühenden Reifweide (Salix daphnoides) und die Salweide (Salix caprea). Gut geeignet sind auch die Purpurweide (Salix purpurea) und die Schwarzweide (Salix myrsinifolia).

Futterweiden

Wiederkäuer wie Rinder und Schafe, speziell die Ziegen, lieben Blätter von Gehölzpflanzen. Mit bis zu 70% Trockensubstanz ist das Laubwerk vergleichbar mit dem Wert bester Futtergräser. In Bezug auf rasches Wachstum und Regenerierbarkeit haben gerade Weiden einiges zu bieten. Die Futterlaubkultur ist uralt und dürfte noch vor der Heuwirtschaft entstanden sein. Gemäss Gross-

Männliche Reifweidenblüte. (alle Bilder: R. Fluor) Salweide mit der typischen schiefgefalteten Blattspitze.

Mandelweide (Salix triandra) mit drei Staubfäden. Purpurweide mit den purpurroten Blüten.

Schwarzwerdende Weide mit den typischen grünen Blattspitzen.

mann (1923) war die Futterlaubgewinnung bereits den Römern bekannt. Auch im Engadin brachten etliche Bauern mit Laubbündeln, vor allem von Weiden, ihr Vieh durch den Winter. Neben der hohen Trockensubstanz verfügt die Blattmasse von Weiden über 15% Rohprotein. Daneben finden sich gesundheitsfördernde Mengen an Gerbstoffen und Glykosiden, sowie Spurenelemente wie Zink, Selen, Kobalt, Zinn, Mangan und Magnesium (S. Züllig-Morf 2019). Als Futterweiden geeignet sind: Silberweide (Salix alba), Reifweide (Salix daphnoides), Mandelweide (Salix triandra) und die Korbweide (Salix viminalis).

Arzneiweiden

Seit der Antike ist die Verwendung von Weidenrinde als pflanzliches Arzneimittel gegen Fieber und Schmerzzustände gebräuchlich. Das in der Weidenrinde enthaltene Salicin wirkt schmerzstillend und fiebersenkend. Mit der Erfindung von Aspirin 1897 verlor das Salicin an Bedeutung. Aufgrund der minimalen Nebenwirkungen erlebt die Weide als Arzneipflanze in den letzten Jahren eine Renaissance. Als Arzneiweiden besonders geeignet sind die gelbbastigen Arten wie die Reifweide (Salix daphnoides) und die Purpurweide (Salix daphnoides) sowie die Schwarzweide (Salix myrsinifolia).

Flechtweiden

Für Flechtereien eignen sich Weidenruten hervorragend. Das wussten die Menschen bereits in vorchristlicher Zeit. Im Laufe der Jahrhunderte haben sich bestimmte Weidenarten als geeigneter zur Rutengewinnung entpuppt: So die Purpurweide (Salix purpurea) die Korbweide (Salix viminalis), die Mandelweide sowie die Bruchweide (Salix fragilis). Daraus wurden dann Auslesen an besonders geeigneten Individuen getroffen und durch Stecklinge weitervermehrt.

Hangverbau- und Uferschutzweiden

Die Eigenschaften der Weiden, an Sprossteilen Wurzeln zu bilden und auf diese Weise wieder

Blaugrüne Weide (Salix caesia)

Lorbeerweide (Salix pentandra). Die schönste Baum-Weide der subalpinen Höhenstufe. Mit den wohlriechenden und glänzenden Blättern gut von der ähnlichen Reifweide zu unterscheiden. Ein Viertel der schweizweiten Lorbeerweiden wachsen im Oberengadin!

festzuwachsen, kommt bei Begrünungen zur Anwendung. Steile Böschungen und erosionsgefährdete Ufer lassen sich mit Weiden wirksam sichern. Entscheidend für einen erfolgreichen Begrünungserfolg ist die Wahl der geeigneten Weidenart. Empfohlene Arten sind: Silberweide (Salix alba) in tieferen Lagen, Mandelweide (Salix triandra) in steilem Ufergelände, Purpurweide (Salix purpurea) in steilen Böschungen und an stark beanspruchten Flussufern, die Lavendelweide (Salix elaeagnos) festigt groben Schotter und die zähe Blaugrüne Weide (Salix caesia) sichert Bachufer und widersteht heftigem Hochwasser und kommt vorzugsweise in den zentralen Alpentälern zum Einsatz. Die unterschiedlichen Weidenarten besiedeln von den Auenwäldern in Tieflagen bis in die höchsten alpinen Zonen alle Höhenstufen und alle Lebensräume von nass bis trocken und von sauer bis Kalk/Dolomit. Vom kleinsten Baum Europas, den zierlichen Spalierweiden bis zu grossen und dicken Bäumen sind die Weiden in allen möglichen Grössen vertreten. Die Weiden sehen nicht spektakulär aus und sind für Möbelholz kaum geeignet. Gegen Eichen und Nussbäume haben sie daher punkto Stellenwertes keine Chance. Trotzdem haben die Weiden, mit ihren sehr speziellen Eigenschaften, eine wichtige Funktion und verdienen es, erhalten und vermehrt gefördert zu werden.

Krautweiden-Wald mit 6 Bäumen (Salix herbacea). Die alpine Spalierweide kommt im ganzen Gebiet häufig vor, wird jedoch wegen der grasartigen Erscheinung oft übersehen. Besteht aus einem winzigen Stamm und zwei bis drei Blättern und gilt deshalb als kleinster Baum Europas.

Literaturverzeichnis

Sonja ZülligMorf, Weiden Kultursorten (2019) Mario Mastel, Weiden Wildarten (2019) Flora HelveticaApp

Ralf Fluor ist Revierförster der Gemeinden Madulain und La Punt Chamues-ch.

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