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Sonderwaldreservat Obere Au Zizers zugunsten der Amphibienförderung Biodiversitätsförderung im Übergang von Wald und
P. Weidmann, M. Arpagaus
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Entstehung Sonderwaldreservat Obere Au
Das Sonderwaldreservat Obere Au Zizers entstand aufgrund einer Initiative zur Förderung der Amphibien. Das Waldgebiet erstreckt sich entlang des Rheins zwischen der Tennishalle und der ChessiRüfe. Es handelt sich um ein Auengebiet und ein Amphibienlaichgebiet beides von nationaler Bedeutung (Abb. 1). Im Rahmen einer Wirkungskontrolle der Amphibienbiotope wurde festgestellt, dass sich das Gebiet für die Amphibien in den letzten 15 Jahren deutlich verschlechtert hat. Es bestand dringender Handlungsbedarf, die Laichgebiete der Amphibien zu verbessern. 2013 wurde dem Amt für Wald und Naturgefahren ein entsprechendes Konzept vorgestellt, das vom Büro Atragene (Daniela Lemp, Peter Weidmann) im Auftrag des Amtes für Natur und Umwelt ausgearbeitet wurde. Die bestehenden Amphibienbiotope im Gebiet Obere Au sollten saniert werden und es kam der Vorschlag, das Amphibiengebiet zu erweitern. Der Wald ist ein inaktiver Auenwald mit grossmehrheitlich Laubhölzern ohne Buchenvorkommen. Der Waldstandort Obere Au Zizers besitzt aktuell Vorkommen von sechs Amphibienarten (Bergmolch,
Abb.1: Ehemaliger Auenwald mit Gewässer.
(Bild: P. Weidmann) Grasfrosch, Erdkröte, Gelbbauchunke, Wasserfrosch-Komplex, Seefrosch-Komplex). Wasserfrosch und Seefrosch sind erst ab 2010 eingewandert und gehen vermutlich auf Aussetzungen zurück. Eine weitere Art, der Teichmolch, wurde bis ins Jahr 1995 nachgewiesen, danach wurde er nicht mehr gesehen. Ebenfalls historisch belegt ist das Vorkommen des Laubfrosches bis ca. Mitte der 1980er-Jahre. Diese Art ist nach 1980 im ganzen Churer Rheintal ausgestorben. Heute sind in der Oberen Au mit Ausnahme der sich ausbreitenden Wasser- und Seefrösche alle Amphibienarten als stark förderungswürdig anzusehen, weil sie nur noch kleine Bestände aufweisen. Am stärksten bedroht ist die Gelbbauchunke, deren Bestand bis auf wenige Tiere zurückgegangen ist. Sie ist deshalb die wichtigste Zielart im Gebiet. Die Gelbbauchunke ist ursprünglich eine typische Waldart und besitzt ihre natürlichen Lebensräume in den Flussauen. Im Zuge der Begradigungen der Fliessgewässer und des Lebensraumverlustes in den Auengebieten musste diese Amphibienart in Ersatzlebensräume wie Kiesgruben ausweichen. Das Konzept zur Amphibienförderung sah deshalb vor, die bestehenden Laichgewässer aufzuwerten und verschiedene neue Gewässer zu erstellen. Es entstand die Idee, neben den Amphibienbiotopen auch den Wald darum herum nach ökologischen Kriterien und auf die Ansprüche der Amphibien im Speziellen hin zu bewirtschaften.
Sonderwaldreservat im inaktiven Auenwald
Markus Bichsel vom Büro Atragene arbeitete 2014 für die Waldfläche Obere Au ein waldbauliches Konzept zur Förderung des Auenwaldes aus. Gesetzt waren dabei die bestehenden und die neu geplanten Gewässer. Um diese herum werden Flächen bewusst durch Mähen offengehalten und mit einer Waldrandpflege wird das zu starke Einwachsen verhindert. Die neuen Amphibienbiotope sol-
Abb.2: Gelbbauchunke.
(Bild: P. Weidmann)
len vom ausgleichenden Waldklima profitieren, ohne dabei zu stark beschattet zu werden. Besonders die Gelbbauchunken sind auf eine gute Besonnung ihrer Laichgewässer angewiesen. Diese bewirkt eine rasche Erwärmung des Wassers, was die Larvenentwicklung beschleunigt. Die konkurrenzschwachen Larven der Gelbbauchunken sind auf eine rasche Entwicklungszeit angewiesen, um während einer möglichst kurzen Zeit der Prädation und Konkurrenz anderer Arten ausgesetzt zu sein (Abb. 2). Auf den restlichen Waldflächen besteht die Zielsetzung darin, einen inaktiven Auenwald zu erhalten und die besonderen Baumarten zu fördern. Durch die Erstellung der Rheinwuhre und die damit einhergehende Sohlenabsenkung des Rheins ist die Obere Au heute kein aktiver Auenwald mehr, sondern ein ehemaliger Hartholz-Auenwald, der bereits im Übergangsstadium zum Laubmischwald ist. Die Bestände können mit gewissen Einschränkungen noch dem Ulmen-Eschen-Auenwald (Typen
Abb. 3: Auenwald im Sonderwaldreservat.
(Bild: A. Beilstein)
Abb.4: Grundwassergespiesene Teiche nahe Rhein. Abb.5: Frisch erstelltes Pioniergewässer mit Ablassvorrichtung.
gemäss Waldstandorte Graubünden: 29, 29*, 29C) zugeordnet werden. Von der Baumartenzusammensetzung her sind die natürlich vorkommenden Baumarten aber dem ehemaligen Auenwald noch sehr ähnlich mit: Silberweide, Schwarzpappel, Silberpappel, Ulmen, Eschen, Bergahorn, Spitzahorn, Waldföhre, Vogelkirsche. Teilweise wurden in den 1960er-Jahren auch gebietsfremde Baumarten angepflanzt, welche wir bei einem waldbaulichen Eingriff zu entfernen versuchen. Beispielsweise wurde die Hybridpappel angepflanzt (eine Kreuzung zwischen der europäischen Schwarzpappel und der eingeführten Kanadischen Pappel) (Abb. 3). Ein weiterer wichtiger Bestandteil des Konzepts ist die Ausscheidung von Altholzinseln. Da zu einem Auenwald natürlicherweise auch einiges an Alt- und Totholz gehört, sind auf einer Fläche von 2,7 ha insgesamt 4 Altholzinseln umgesetzt worden. Teilweise sind die Bäume noch nicht sehr alt, aber Weichhölzer wachsen sehr schnell und in 50 Jahren dürfte sich so einiges an Alt- und Totholz ansammeln.
Berücksichtigung der Naherholung
Für die Einrichtung eines Sonderwaldreservates und für den Bau weiterer Amphibiengewässer ist die Zustimmung der Standortgemeinde eine Voraussetzung. Die Politische Gemeinde Zizers war als Grundeigentümerin von Beginn weg sowohl für eine Förderung der Amphibien als auch für die Einrichtung eines Sonderwaldreservates positiv eingestellt. Da die Obere Au auch ein bedeutendes Naherholungsgebiet von Zizers darstellt, galt es, die Belange der Öffentlichkeit und der Naherholung gebührend zu berücksichtigen. Einerseits sollen die Massnahmen für das Sonderwaldreservat und die Amphibienförderung die Naherholung nicht schmälern, und andererseits sollen vor allem die neuen Amphibienbiotope vor zu grossem Freizeitbetrieb geschützt werden. Dies konnte realisiert werden, indem die neuen Amphibienbiotope im Schutz von Gehölzkulissen erstellt wurden.
Umsetzung
Der Vertrag des Sonderwaldreservates und der Altholzinseln wurde mit der Gemeinde Zizers 2018 für 30 Jahre abgeschlossen. Massnahmen finden auf kleinen Flächen verteilt statt und werden durch den Revierförster geleitet. Die Planung der Amphibienmassnahmen bis zur Baubewilligung dauerte fast drei Jahre (2017–2020). Verschiedene Aspekte mussten während der Planungsphase detailliert behandelt werden (Altlastenuntersuchung, Konzept für Lenkungs-
Abb. 6: Aufbau eines Weihers.
massnahmen, Konzept Abtiefung der Badgumpe, Massnahmen zum Schutz von Flusskrebsen, Konzept für eine Erfolgskontrolle). Die Amphibienbiotope wurden im Auenwald verteilt auf fünf verschiedene Standorte auf einer Gesamtfläche von ca. 1,5 ha realisiert. Ein Teil des Umlandes der Gewässer wird in Form von gestuften inneren Waldrändern wieder einwachsen. An zwei Orten sind grundwassergespiesene Gewässer geschaffen worden und an drei Standorten mussten abgedichtete Gewässer gewählt werden (Abb. 4 und 5). Insgesamt wurden 15 Gewässer unterschiedlicher Grösse und Tiefe realisiert. Da sich alle Gewässer südlich der Badgumpe im Bereich von Altlastenstandorten befinden, durften diese Gewässer nicht ausgehoben werden, sondern mussten durch Aufschüttung auf dem bestehenden Terrain aufgebaut werden. Dies erforderte grössere Materialumlagerungen, die einerseits aus Flusskies vom Aushub der Grundwasserweiher stammen und andererseits aus sandigem C-Horizont von einer Grossbaustelle in Chur (Abb. 6). Die Realisation der Amphibienfördermassnahmen fand von Oktober 2020 bis März 2021 statt, Bepflanzungen und Ansaaten wurden im April 2021 durchgeführt und weitere Bepflanzungen sind für Herbst 2021 vorgesehen. Die Pflege der neuen Amphibienbiotope und ihrer Umgebung in der Oberen Au erfolgt in Zukunft nach Massgabe eines Unterhalts- und Pflegekonzeptes, welches auch eine Bewirtschaftung der Gewässer im Sinne der Amphibienförderung umfasst (z.B. Ablassen oder Absenken der Wasserstände im Herbst). Die Unterhalts- und Pflegemassnahmen werden sich im Laufe der Jahre verändern. Um eine langfristige Kontinuität des Unterhaltes sicherzustellen, wird eine Begleitgruppe gebildet aus Vertretern der beteiligten Ämtern AWN und ANU und der Gemeinde Zizers. Durch eine begleitende Erfolgskontrolle soll das nötige Wissen einfliessen, um im künftigen Unterhalt die richtigen Entscheide zu treffen. Die Realisation dieser relativ umfangreichen Amphibienfördermassnahmen im Rahmen des Sonderwaldreservates Obere Au Zizers ist ein vorbildliches Beispiel für eine gelungene interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen verschiedenen kantonalen Amtsstellen und der Gemeinde Zizers (Abb. 7).
Abb. 7: Folienweiher mit erster Begrünung.
(alle Bilder: P. Weidmann)