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Editorial
Seilbahnen bilden seit langer Zeit ein bewährtes Hilfsmittel für Materialtransporte im Gebirge. In meiner Kindheit und Jugend war mir der Heutransport am Seil sehr vertraut. Aus dem Tal wurden sechs bis acht Millimeter starke Drahtseile zu den entlegenen und nicht erschlossenen Bergwiesen gespannt. Dabei handelte es sich um permanente Einrichtungen, die jährlich oder auch nur in jedem zweiten Jahr zum Einsatz kamen. Das Heu der Magerwiesen duftete besonders nach feinen Kräutern und wurde oben auf einer Höhe zwischen 2100 und 2400 m ü. M. zu Ballen gebunden. Das Handwerk, die Ballen so zu binden, dass auf der Fahrt am Seil kein Heu verloren ging, wollte gelernt sein. Es brauchte auch das richtige Augenmass, um die Ballen nicht zu schwer zu machen, da sie sonst unterwegs an der einen oder anderen Geländekante streiften und in seltenen Fällen sogar auseinanderbarsten. Dieser Duft des Bergheus war für mich auch ein gewisser Ausdruck der Freiheit und der Verbundenheit zur Natur. Das Pfeifen der Rollen am Seil faszinierte und so mancher Junge rauschte wohl in seinen kühnen Kinderträumen einmal auf einer Heuballe zu Tal. Der Lohn der Helfer war meist eine gemütliche Marend mit trockenem Brot, feinem Speck, Käse, «Tschungga» (Rohschinken) und einem Tee mit Wein. Das reichte damals auch, um zufrieden zu sein. Ähnlich filigrane Konstruktionen mit dünnen Seilen kennen wir sogar heute noch bei der Versorgung von Berghütten im gesamten Alpenbogen. Die oft alten und heute noch eher schwachen Motoren ziehen die Lasten meist nur langsam, aber sicher bis ins Gebirge zu einer Unterkunft. Die Gemeinsamkeiten dieser beiden Einrichtungen sehe ich vor allem im Vergleich zu den modernen Transportmöglichkeiten von heute. Die einst entlegenen Bergwiesen sind heute mit Betonstrassen erschlossen und die meisten Berghütten im Hochgebirge werden mit dem Helikopter versorgt. Auch wenn die Fahrt auf jenen Strassen und der Flug mit dem Helikopter grösste Konzentration verlangen, die Beziehung zur Leistung, welche hinter solchen Transporten steckt(e), ist nicht mehr dieselbe. In meiner Forstwartlehre lernte ich dann auch, dass Holz mit einer Seilbahn aus dem Wald befördert werden kann. Im Lehrbetrieb arbeiteten wir in der zweiten Hälfte der 1980er-Jahre mit einem Dreiseilsystem. Es war eine Nessler-Zweitrommelwinde mit einem VW-Käfer-Motor, die zwar keine Hochleistungsmaschine war, aber zuverlässig funktionierte. Der damalige Vorarbeiter meines Lehrbetriebs schrieb mir letzthin folgende Zeilen zu dieser Anlage: «Funktion genau gleich wie heute noch die Baukräne. Supersystem und idiotensicher, keine Elektronik und Ölscheisse mit täglichen Reparaturen. War das schön damals.» Vor allem bezüglich der Temperaturresistenz der hochmodernen und mit Elektronik gespickten Anlagen dürfte mit diesen Worten leider so manchem Forstmann aus dem Herzen gesprochen sein … Es ist ja glücklicherweise nicht einfach alles schlecht, was neu ist. Aber punkto Dauerhaftigkeit und Benutzerfreundlichkeit hinkte so manche alte Maschine und Einrichtung der heutigen Technik keineswegs nur hinterher. Es liegt vermutlich irgendwie in der menschlichen Genetik, dass neue technische Errungenschaften gerne als gut, besser und am besten angesehen werden. Erst beim täglichen Einsatz (in der Kälte und Nässe) stellt sich dann heraus, ob die neue Technik schon ausgereift ist. Die Pionierarbeit leisten daher nicht nur die Konstrukteure, sondern in gleichem Masse auch jene, welche den neuen Maschinen vertrauen und sie im täglichen Einsatz auf harte Prüfsteine setzen. Erst in dieser Phase können Probleme wirklich erkannt und praxistaugliche Lösungen gefunden werden. Wo früher mit geschickten Händen sogar im Wald noch selbst Anpassungen vorgenommen werden konnten, braucht es heute Geduld und sehr viel gegenseitiges Verständnis, um Gutes besser zu machen.
Jörg Clavadetscher, Redaktor
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