8 minute read
Aus Überzeugung massives Schweizer Holz
Seit 1988 leitet der gelernte Schreiner Hannes Nägeli seine eigene Holzbaufirma im appenzellischen Gais.
Infrastruktur und Personalbestand wurden über die Jahre angepasst, erneuert und aufgestockt.
Advertisement
Vieles änderte sich über die Jahre, eines blieb bestehen: Die Liebe zum (Schweizer) Holz. Bei einem
Telefongespräch durfte ich Hannes Nägeli einige Fragen stellen.
Interview von Jörg Clavadetscher
Herr Nägeli, herzlichen Dank, dass Sie sich Zeit nehmen für dieses Gespräch. Was fällt Ihnen ein zum Stichwort «Schweizer Holz»? Da fällt mir spontan natürlich ein, dass bei Schweizer Holz die Wertschöpfung in der Region bleibt. Angefangen bei der Waldwirtschaft, weiter bei allen Transporten, bei der Sägerei wie auch beim Zimmermann oder Schreiner – der Franken bleibt hier. Wenn ich mein Holz beispielsweise am Rand Europas einkaufe, so dauert das sehr lange, bis dieser Franken (wenn überhaupt je einmal) wieder in die Schweiz zurückkommt.
Die aktuelle Ausgabe unserer Zeitschrift trägt den Titel «Schweizer Holz – ja, wir wollen es». Will es der Durchschnittsschweizer wirklich oder ist das ein Wunschdenken der Wald- und Holzbranche? Ja, ich denke, dass der Kunde Schweizer Holz will. Oft ist es aber auch so, dass der Kunde einfach davon ausgeht, dass er Schweizer Holz erhält, wenn er in der Schweiz einer Zimmerei oder Schreinerei eine Arbeit vergibt resp. dort etwas bestellt. Die Endkunden kennen die Wege und Vorgänge im Holzhandel gar nicht. Hier stehen bestimmt auch wir Unternehmer in der Pflicht, denn oft sind wir es, die einfach das Billigste einkaufen, um die Konkurrenz preislich unter Druck zu setzen.
Heisst das also, dass der Holzverarbeiter von seinem Lieferanten einfach das billigste Holz des gewünschten Sortiments erhält, wenn nicht explizit CH-Holz bestellt wurde? Ja, genau. Und das ist eigentlich auch das Problem. Auf der Rechnung steht dann wohl irgendwo «EU-Raum» oder «heimisch», aber heimisch geht ja bekanntlich auch weit über unsere Landesgrenzen hinaus. Viele Holzbaubetriebe glauben selber gar nicht, dass wir – wenn es richtig organisiert ist – mit Schweizer Holz bauen können.
Fragen die heutigen Bauherren nach Schweizer Holz? Wie bereits erwähnt: Grundsätzlich glaube ich, dass CH-Holz gewünscht ist. Doch die Bauherrschaft befasst sich meistens zu wenig damit, um letztendlich sicher zu wissen, ob da wirklich CH-Holz drinsteckt. Es ist auch ein Problem des Labels. Ein Betrieb kann problemlos einen einzelnen Betriebszweig oder ein einzelnes Produkt mit dem CH-Holz-Label zertifizieren, gleichzeitig aber den Grossteil des Betriebs mit Importware von irgendwo betreiben. Für den Kunden sind diese Gegebenheiten undurchsichtig. Wer beim Eingang meines Betriebs das CH-Label sieht, nimmt an, dass der gesamte Betrieb entsprechend zertifiziert ist und so handelt.
Wo liegt betreffend Mehrpreis für Schweizer Holz die gefühlte Schmerzgrenze seitens der Bauherrschaft? Dieser Mehrpreis ist für uns und unsere Bauherrschaften vor allem beim Vollholzbau überhaupt kein Thema. Die Kunden, die zu uns kommen, wollen nur Schweizer Holz. Abgesehen vom Vollholzbau gibt es natürlich unterschiedliche Ansichten. Doch auch dort: Wenn wir Unternehmer alle nur mit Schweizer Holz offerieren würden, so wäre das überhaupt kein Problem.
Wie sieht es bei den Architekten aus? Wollen diese auch Schweizer Holz? Und wollen sie überhaupt Holz? Wenn wir die Zusammenhänge und Vorteile von CH-Holz gut erklären und vorstellen, so ist ein gewisses Verständnis spürbar. Oft ist es aber bei den Architekten auch so, dass sie generell unter hohem Kostendruck arbeiten und deshalb die billigste Variante im Vordergrund steht.
Was scheint den Bauherren wichtiger, Schweizer Holz, FSC oder Minergielabel? Oder ist nebst dem Preis alles egal? Bauherren, die zu uns kommen, wissen natürlich genau, dass wir nur CH-Holz verwenden, welches innerhalb eines 30-Kilometer-Radius um unseren Betrieb gewachsen ist. Genau diese Tatsache, aber auch unsere Lehrlingsausbildung in den verschiedenen Berufen liegt ihnen sehr am Herzen. Ich denke, es ist das Gesamtbild, das authentisch sein und auf beiden Seiten passen muss.
Heisst das, dass Ihre Kundschaft CH-Holz auch wirklich schätzt? Auf jeden Fall! Es ist die Wertschätzung gegenüber dem Roh- und Baustoff und jedem einzelnen Mitarbeiter, der am Bauwerk beteiligt ist.
Hannes Nägeli, Holzbauer mit Leib und Seele. (Bilder: zVg Nägeli AG)
Es ist genau diese Wertschätzung entlang der gesamten Verarbeitungskette, die uns allen viel zurückgibt und uns dazu anspornt, immer das Beste zu geben. Dies beginnt schon im Wald. Wenn der Baum beim Anzeichnen oder beim Fällen nur eine Materie ist, so fühlt sich dies anders an, als wenn dem Baum auch in diesen Momenten Respekt und Dankbarkeit entgegengebracht wird. Der Baum ist während rund 100 Jahren an seinem Standort gewachsen, und es ist nicht selbstverständlich, dass wir später einmal darin wohnen dürfen. Ich bin der Überzeugung, dass Respekt, Wertschätzung und Dankbarkeit in unserer Gesellschaft künftig nicht nur einen grösseren Stellenwert haben müssen, sondern diesen auch wieder haben werden. Denn es wächst eine junge Generation heran, die in vielen Bereichen sensitiver ist und sich selbst wieder mehr spürt. So wie wir das als kleine Kinder auch konnten und unsere Entscheide damals mit Bauch und Herz fällten.
Hand aufs Herz, baut Ihre Firma nur mit CH-Holz? Ja. Es gibt da nur ganz wenige Produkte, die in der Schweiz nicht oder kaum erhältlich
Massivholz – ein Element, zu dem Hannes Nägeli zu 100 Prozent steht.
sind, wie zum Beispiel die weiche Holz-FlexDämmung, die in der Schweiz gar nicht mehr produziert wird. Aber auch mit solchen Einkäufen haben wir uns selbst limitiert. Da wir den gesamten Betrieb mit dem Label CH-Holz zertifiziert haben, können wir nur in geringen Mengen Holzwerkstoffe aus dem Ausland beziehen. Würden wir bei der Isolation auf Glasoder Steinwolle ausweichen, so wäre es bezüglich dem Herkunftslabel egal, woher dieses Material bezogen wird, weil es kein Holz ist.
Wir sprachen bis jetzt fast nur über die Beziehung, welche der Endkunde zu unserm Holz hat. Wie sieht das mit Ihren Mitarbeitern aus? Spürt man da die Verbundenheit mit CH-Holz? Sehen Sie, ich gründete vor gut 30 Jahren mein Unternehmen. Damals hatte ich vier Mitarbeiter. Heute stehen wir bei einem Personalbestand von rund 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Ich musste aber für die Mitarbeiterrekrutierung noch nie ein Inserat schal ten. Das ist bestimmt nur möglich, wenn das Klima und die Philosophie des Betriebs passen und authentisch sind. Es ist wie mit den Kunden. Wo die Leute zufrieden sind, wird dies auch nach aussen getragen. Wichtig ist aber, dass dies nicht ausgenutzt wird, sondern dass zu diesen Grundsätzen Sorge getragen wird und sie gelebt werden.
In anderen Ländern konnte sich der (Massiv-)Holzbau auch im Luxus segment der Gastronomie etablieren. In der Schweiz scheint mir der Holzbau in der Gastronomie schwach vertreten. Täusche ich mich da? Nein, der Eindruck täuscht nicht. Hier hinken wir in der Schweiz tatsächlich noch hinterher. Wir sind mit unserem Betrieb diesbezüglich in
«Ein gesundes Urvertrauen, das uns sagt, dass nicht einfach gleich alles in Schutt und Asche liegt, ist wichtig für uns alle. Das heisst aber noch lange nicht, dass wir überall einfach nur wegschauen sollen.»
verschiedene Objekte involviert. Was dann letztendlich wirklich daraus wird, ist derzeit noch offen. Einmal ein Massivholz-Hotel bauen zu dürfen, ist jedoch nach wie vor ein Traum von mir.
Weshalb konnte das Schweizer Holz in der Spitzengastronomie bis heute nur schwach Fuss fassen? Wäre dies nicht auch eine vorzügliche Werbeplattform für unseren Rohstoff? Natürlich wäre dies eine erstklassige Werbeplattform. Es ist aber auch bekannt, dass gerade die Gastronomie unter einem extremen Preis- und Kostendruck steht. Die Finanzierung von Gastronomiegebäuden ist sehr schwierig. Ich bin der Ansicht, dass die junge Generation, die sich unter anderem auch mit dem Thema Ernährung viel bewusster auseinandersetzt, irgendwann anders vorgehen wird. Denn eine Speisekarte mit gesunden und regionalen Produkten beginnt nicht einfach in der Küche und endet am Tisch. Es gehören eben auch der entsprechende Rahmen, sprich das entsprechende Gebäude, die Überzeugung, die Freude und positive Energien dazu, um den Genuss vollkommen zu machen. Bis alles rund ist und rundlaufen kann, müssen viele Faktoren beachtet werden. Nur eine gute Gebäudehülle reicht nicht aus, wenn der Bauherr mit einem
«Der Luxus der Zukunft besteht nicht aus teuren Autos oder bestimmten Uhren, sondern in der
Ruhe und dem Wohlgefühl in den eigenen vier Wänden.»
grossen Rucksack eintritt und diesen nicht abladen kann. Der Mensch muss mit sich selbst im Reinen sein, und bevor überhaupt mit dem Bau begonnen wird, sollte natürlich auch der Bauplatz energetisch entstört sein. Es braucht eine gesamtheitliche Sicht.
Wie sehen Sie die Situation bei öffentlichen Bauten? Ist das Holz da ausreichend vertreten? Das grösste Problem beim Vergabeprozedere der öffentlichen Hand ist die Messbarkeit. Schwarz auf weiss ist der Preis fast das einzige, wirklich messbare und vergleichbare Kriterium. In unserer Zeit, in der jeder immer von irgendwem kontrolliert und überwacht wird, sind Entscheide mit Bauch und Herz nicht mehr erwünscht. Die Leute sind es leid, sich immer und für alles rechtfertigen zu müssen.
Manchmal scheint es, als hätten dort nur die ganz extravaganten Projekte eine Chance. Findet man da auch Schweizer Holz? Na ja, da wir in solche Projekte nicht involviert sind, kann ich nur Vermutungen anstellen. Aber es gibt hierzulande nach wie vor den einen oder anderen Betrieb, der CH-Holz verleimt. Allerdings sind das dann bestimmt die vergleichbar kleineren Objekte. Der Löwenanteil kommt vermutlich aus der ausländischen Grossindustrie.
Die Holzindustrie ruft laut nach Fichte und leise nach Tanne. Ökologen und NGOs propagieren mehr Laubholz im Wald. Laut der Forschung machts der Klimawandel für die Fichte künftig nicht einfacher. Gibt es bei der Holzindustrie ein Verständnis für diese Anliegen und Tatsachen? Bestimmt haben wir Verständnis für diese Probleme. Es ist nur so, dass eben das Fichtenund Tannenholz wirklich auch enorme Vorteile in sich trägt. So sind beispielsweise viele Werkzeuge auf die Bearbeitung dieser Holzarten ausgerichtet, die Wärmedämmung ist nahezu optimal und auch das Gewicht ist in einem Bereich, in dem mit angemessenen Geräten gearbeitet werden kann. Mit anderem, schwererem Holz müssten wir zum Beispiel unser Massivholzsystem grundlegend überdenken und wahrscheinlich sogar wieder auf irgendein Ständersystem umsteigen, um den Holzanteil zu minimieren.
Wie sieht Ihr Holzhaus 2100 aus? Gibt es eine Alternative zur Fichte? Mit welchen Holzarten bauen Ihre Enkel und wo kaufen sie dieses Holz ein? Nun, ich möchte mir unter keinen Umständen anmassen, zu sagen, was in 50 oder 70 Jahren ist. Das Appenzellerland, wo wir unser Holz einkaufen, liegt zwischen 900 und 1700 m ü. M. In dieser Gegend bin ich zuversichtlich, dass auch in 50 bis 70 Jahren noch Fichten- und Tannenholz wächst.
Objekt Butzengasse in Nussbaumen, schönes Beispiel für einheitliche Verwendung des Werkstoffes Holz beim Holzbau und Innenausbau.