8 minute read
Cordial beinvegni a Ilanz/Glion – ina Svizra el pign
Vor einem Jahr hat Sie an dieser Stelle der Stadtpräsident der dritten Stadt am Rhein, Heinz Dürler aus Maienfeld, willkommen geheissen. Nun kommt diese Ehre der Gemeindepräsidentin der ersten Stadt am Rhein zu. Moment – wieso nicht Stadtpräsidentin oder gar Frau Stadtammann, wie es in Ilanz, das seit dem Mittelalter stolz Stadtrecht besitzt, seit jeher heisst? Mit dieser kleinen Konfusion sind wir schon mitten im Thema, welches die Gemeinde Ilanz/Glion seit einigen Jahren beschäftigt. Denn per 1. Januar 2014 hat sich die damalige Stadt Ilanz mit zwölf umliegenden Gemeinden zur Grossgemeinde Ilanz/Glion zusammengetan. Da die neue Gemeinde keine 10 000 Einwohner hat, um als Stadt im modernen Sinn zu gelten, und die ehemalige Stadtgemeinde Ilanz ein mittelalterliches Stadtrecht hat, das sich nicht einfach so auf Pigniu, Duvin und Ladir ausdehnen lässt, sind wir nun eine Gemeinde mit einem Zentrum, das sich Stadt nennt. In diesem Sinn vereinen sich in der neuen Gemeinde Stadt und Land, Berg und Tal, Natur und Kultur. Dazu Deutsch und Romanisch, katholisch und reformiert, Landwirtschaft und Dienstleistungen und vieles mehr. Cun quella heterogenitad sin in territori relativamein pign e cun mo 4700 habitonts essan nus ina Svizra el pign. Quei ei sfidae schanza en ina. Suenter ina fusiun vala ei da harmonisar quei ch'ei fa da basegns ch'ei seigi per tuts tuttina. Denton era da scuvierer la rihezia dallas differenzas per tgirar e mantener ellas. En quei senn ei ina fusiun in act da balance denter crear zatgei niev sil prau verd e construir vinavon sin fundaments existents. Aber eigentlich kommen Sie nicht wegen Gemeindeangelegenheiten nach Ilanz, sondern wegen des Waldes. Davon haben wir viel auf unserem Gemeindegebiet. Er beschützt uns vor Naturgefahren, ist Freizeit- und Erholungsraum für die Menschen, Lebensraum für die Tiere und liefert eine wertvolle natürliche Ressource. Einzig unser berühmtester Baum – die Panera von Luven – können Sie leider nicht mehr bewundern. Vor eineinhalb Jahren, im Dezember 2018, mussten unsere Förster die grösste Fichte der Schweiz wegen Krankheit fällen. Rund um den Baumstrunk der Tanne haben die Luvener einen neuen Begegnungsort geschaffen – ein gelungenes Beispiel, wie aus den Überresten von Vergangenem Neues entstehen kann. Namens des Gemeindevorstands Ilanz/Glion wünsche ich Ihnen eine gute Jahresversammlung, anregende Begegnungen und einen schönen Aufenthalt in Ilanz – kommen Sie bald wieder.
Dr.Carmelia Maissen, Gemeindepräsidentin Ilanz/Glion
Advertisement
Dr.Carmelia Maissen, Gemeindepräsidentin Ilanz/Glion
Aus 13 mach 1 – vom Werden der Gemeinde Ilanz/Glion
Eine Gemeindefusion mag als grosser historischer Akt in die Geschichtsbücher eingehen, im Moment der Entscheidung Freunde und Gegner haben, aber bei der Umsetzung wenig Glanz und Gloria ausstrahlen, vielmehr zähe Kleinarbeit mit sich bringen, bis alles unter einen Hut gebracht ist. Das mag nach viel Widerspruch klingen, aber irgendwie trägt jede Facette einen Kern Wahrhaftigkeit in sich. Mittlerweile haben wir in Graubünden viel Übung in Gemeindefusionen und sehen sie schon fast als alltäglicher Akt an. Wie aussergewöhnlich dieser Akt ist und welch ein Privileg es bedeutet, dass eine derart weitreichende Entscheidung in einem direktdemokratischen Prozess getroffen und umgesetzt werden kann, ist mir so richtig bewusst geworden, als ich vor vier Jahren in Peking war. Im Rahmen der bilateralen Beziehungspflegezwischen der Schweiz und China durfte ich im Auftrag der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit DEZA ein Seminar zum Thema Nachhaltigkeit und öffentliche Verwaltung halten. Die Teilnehmer waren Mitarbeiter des chinesischen Staats im Bereich des Personalwesens. Die Dimensionen und Aspekte des Themas habe ich
Stadt und Land, Berg und Tal – ein Blick auf die Fraktionen Sevgein, Luven, Ilanz, Schnaus, Rueun, Siat, Ruschein und Ladir.
(Foto: Gemeinde Ilanz/Glion) am Beispiel der Gemeindefusion von Ilanz/Glion aufgezeigt, und zwar anhand des Ablaufs von der Einleitung der Abklärungen über die Erarbeitung des Fusionsvertrags, über die Abstimmungen bis zum Start der Umsetzung, anhand der relevanten Diskussionspunkte im Vorfeld wie Umgang mit Minderheitssprachen, alten Rechten und Traditionen und anhand der Orts- und Raumplanung und der neuen Gemeindestruktur. Was für uns demokratische Normalität ist, klingt in den Ohren der Chinesen fremd. Insbesondere drei Fragen der Teilnehmenden gehen mir nicht mehr aus dem Kopf. So wollten sie wissen, ob tatsächlich jede einzelne Gemeindeversammlung, auch jene von Pigniu mit bloss knapp zwei Dutzend Stimmberechtigten, selber entscheiden durfte, ob sie der neuen Gemeinde beitreten will oder nicht. Für den autoritären Staat China eine unvorstellbare Idee, so viel Kompetenz einer so kleinen Einwohnergruppe zu übergeben. Zudem fragten sich die Teilnehmenden, ob in der neuen Gemeinde jeder Einwohner selber entscheiden könne, in welcher Fraktion er oder sie leben möchte. Was für uns eine Selbstverständlichkeit ist, die Niederlassungsfreiheit, ist für das Milliardenvolk der Chinesen ein unerfüllter Traum. Und drittens interessierte die Chinesen, ob der Staat resp. die Gemeinde private Grundbesitzer enteignen könne, wenn Land für Industrie oder Wohnraum benötigt wird. Wohl kennt die Schweiz die Möglichkeit der Enteignung, doch sind die Hürden zu Recht sehr hoch. Allein, in China ist dies ganz anders. Ich war froh, dass ich die Fragen so beantworten konnte, wie die Dinge bei uns in der Schweiz eben funktionieren. Gerade für das Wachsen und Werden einer jungen Gemeinde wie Ilanz/ Glion ist die demokratische Verankerung und Kultur eine zentrale Ressource.
Eine neue politische Kultur
Trotzdem hat die Gemeindefusion für die Einwohnerinnen und Einwohner einen umfassenden Wandel der bisherigen Kultur von Gemeindepolitik,
Partizipation und Kommunikation mit den Behörden mit sich gebracht, an den sich zu gewöhnen seine Zeit braucht. Die grösste Veränderung ist der Wechsel von der Gemeindeversammlung hin zum Gemeindeparlament, in dem 25 Volksvertreter Einsitz nehmen. Tagte das Parlament in den ersten beiden Jahren fast monatlich, um möglichst rasch die Rechtsgrundlage für die neue Gemeinde zu schaffen, trifft es sich nun noch fünf- bis sechsmal pro Jahr. Die Sitzungen sind öffentlich. Zusätzlich können sich die Einwohnerinnen auf der Homepage oder in den Medien über die Geschäfte informieren, die im Parlament beraten werden. Verändert hat sich auch die Nähe und der direkte Kontakt zu den Behörden. Amteten vor der Fusion in den 13 Gemeinden 67 Personen als Mitglieder der Gemeindevorstände, besteht die Exekutive heute noch aus fünf Personen. Die Chance, auf der Strasse beim Gang durchs Dorf ein Gemeindevorstandsmitglied oder die Gemeindekanzlistin anzutreffen, wo man rasch etwas fragen oder unkompliziert ein Anliegen platzieren kann, ist damit massiv gesunken. Es braucht den aktiven Gang ins Rathaus nach Ilanz oder den Griff zum Telefonhörer, um mit den Behörden in Kontakt zu treten. Was eigentlich recht gewöhnlich klingt, ist für viele dennoch gewöhnungsbedürftig. Und als Gemeinde sind wir gefordert, mit den Kommunikationsformen auf diese Veränderungen zu reagieren. So findennun vermehrt Informationsveranstaltungen statt und eine regelmässige Sprechstunde der Gemeindepräsidentin bietet eine niederschwellige Anlaufstelle.
Ein Nebeneinander von dezentraler und zentraler Struktur
Nicht minder einschneidend war die Kulturveränderung für die Mitarbeitenden. Arbeiteten viele davor in einem kleinen überschaubaren Umfeld, das aus der Kanzlistin, dem Schulhausabwart und dem Gemeindearbeiter bestand, fanden sie sich am 1. Januar 2014 in einem Team von rund 80 Mitarbeitenden wieder. Der Allrounder Gemeindekanzlist ist nun nur noch in einem einzelnen Sachbereich tätig, der Kontakt zum Gemeindevorstand führt neu über die Geschäftsleitung, welche die Gemeinde operativ führt und die strategischen Geschäfte zuhanden des Vorstands vorbereitet, und das bisherige Einzelbüro in der kleinen Gemeindekanzlei ist nun ein Dreierbüro im Ilanzer Rathaus. Hier arbeiten knapp 30 Mitarbeitende für die Gemeindekanzlei, die Polizei, die Finanzen und das Steueramt, die Einwohnerkontrolle, das Sozialamt, die Liegenschaftenverwaltung, das Bauamt und die Infrastrukturen. Den Arbeitsort ausserhalb des Rathauses hat der Forstdienst, der in Rueun mit seinen sieben Mitarbeitenden ist. Der Werkdienst ist dezentral in drei Gruppen organisiert; jede Gruppe ist für ein Gebiet zuständig. So profitiertder Werkdienst von dem reichen Wissen der Mitarbeitenden vor Ort. Gleichzeitig helfen sich die Gruppen bei grösseren Arbeiten oder bei Not am Mann aus, werden Gerätschaften geteilt und Weiterbildungen miteinander angegangen. Weitere Mitarbeiter sind für die Wasser- und Abwasserversorgung im Einsatz oder betreiben das Freibad in Ilanz. Zudem sorgt ein Netz an Hauswartinnen und Hauswarten dafür, dass in allen dreizehn Fraktionen die Schulhäuser, Turnhallen und Gemeinschaftslokale gepflegtund gereinigt werden. Auch nach sechs Jahren befindetsich die Gemeindeverwaltung in einem ständigen Lernprozess, werden Abläufe, Kompetenzen und Zusammenarbeit ständig überprüft und an die gemachten Erfahrungen angepasst.
Talentschmieden
Wirtschaftlicher Motor der neuen Gemeinde ist die Stadt Ilanz, die seit jeher auch Regionalzentrum der Surselva ist. Eine wichtige Versorgungsfunktion hat Ilanz als Bildungsstandort, ein Bereich, der immer wieder auch grossen Veränderungen unterworfen ist und die öffentliche Hand stark fordert. Schon vor vielen Jahren mussten die von den Ilanzer Dominikanerinnen geführten Bäuerinnenschule und die schweizweit anerkannte Pflegerinne -
schule ihre Tore schliessen. Nicht zuletzt unter diesem Eindruck wurde 2011 beschlossen, die Angebote auf der Sekundarstufe II unter ein Dach zusammenzuführen und so zu stärken. Zum neu entstandenen Bildungszentrum Surselva, das unter der Trägerschaft der Regiun Surselva steht, gehören eine Handels- und eine Fachmittelschule, eine kaufmännische und eine gewerbliche Berufsfachschule sowie ein Brückenangebot. Die gewerbliche Berufsfachschule ist zusammen mit dem Bildungszentrum Holz in einer Liegenschaft untergebracht, die auch im Mitbesitz der Gemeinde ist. Das in die Jahre gekommene Gebäude musste jüngst umfassend saniert werden. Im Bildungszentrum Holz erhalten junge Schreinerinnen und Zimmermänner ihre praktische Ausbildung. Mit der Sanierung und Erweiterung konnte die Infrastruktur an die heutigen Anforderungen angepasst werden, sodass die künftigen Berufsleute mit modernsten Einrichtungen ihr Handwerk lernen können. Die Gemeinde ist froh, dass sich die Berufsverbände Schweizerischer Schreinermeister und Möbelfabrikanten Graubünden sowie Holzbau Schweiz Sektion Graubünden vor einigen Jahren entschlossen haben, am Standort Ilanz festzuhalten und diesen zu stärken. Es ist ein Bekenntnis zur Peripherie und zum Handwerk als traditionelle, aber eben auch zukunftsträchtige Ressource dieser Räume.
Das Freibad Ilanz ist an heissen Sommertagen ein beliebter Ort für Klein und Gross, Einheimische und Gäste.
(Foto: Gemeinde Ilanz/Glion)
Das neu sanierte Bildungszentrum Holz und Gewerbeschulhaus bietet modernste Einrichtungen für die Ausbildung der künftigen Schreinerinnen und Maurer.
(Foto: Gemeinde Ilanz/Glion)
Zur Attraktivität der hiesigen Bildungslandschaft trägt auch die Talentschule Surselva bei, die bei ihrer Gründung vor zehn Jahren das erste derartige Angebot im Kanton Graubünden war. Die Talentschule ist Teil der Oberstufe der Gemeinde Ilanz/Glion und bietet sportlich oder musikalisch ambitionierten Schülern die Möglichkeit, ihr Talent und eine gute Schulbildung unter einen Hut zu bekommen. Während die Oberstufe zentral in Ilanz angeboten wird, führt die Gemeinde an fünf Standorten eine Primarschule. In Ruschein, Rueun, Castrisch/Sevgein und in Duvin, die letzte Gesamtschule in der Surselva, sind dies rein romanische Schulen. In Ilanz befindetsich nebst der rein deutschen Primarschule seit 2010 auch eine zweisprachige Primarschule. Insgesamt werden 500 Schülerinnen und Schüler unterrichtet. Sie sind unsere Zukunft und auch die Zukunft des Rätoromanischen. Als zweisprachige Gemeinde ist es uns ein grosses Anliegen, das Rätoromanische zu pflege und zu leben, sei es im Alltag der Gemeindeverwaltung, bei der Förderung im Kulturbereich, oder eben in der Schule.