BIG BUSINESS 1/11

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www.big.at Ausgabe Nr. 9 • Juni 2011

Das Magazin der Bundesimmobiliengesellschaft

Wunschkonzert

Beim Schulbau wollen viele mitreden. Nicht zwangsläufig führt erhöhte Beteiligung zu einem harmonischeren Ergebnis.

Das Kreuz mit den Kirchen Gotteshäuser sind nicht gerade die Cashcow im Portfolio der BIG. Erhalten werden wollen sie aber allemal.


Inhalt

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Foto: Richard Tanzer

BIG Business Inhalt

Impressum

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Foto: Fotolia

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Foto: Michael Grühbaum

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Spatenstiche, Gleichenfeiern, Eröffnungen oder sonstige Ereignisse, die die BIG im vergangenen halben Jahr bewegt hat.

Babylonische Verwirrung

Zahlen zur Beschreibung von Kosten sind bei Bauprojekten nur dann etwas wert, wenn die Herleitung auch klar ist. Das Thema eignet sich trefflich, um gezielt aneinander vorbeizureden.

20 „Ohne Kompromisse geht es nicht“

Barrierefreiheit ist für „gesunde“ Menschen selbstverständlich. Viele können aber keine Stufen steigen oder sehen den Eingang nicht. Das wird vor allem auch in Hinblick auf die „alternde“ ­Gesellschaft eine Herausforderung.

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Das Kreuz mit den Kirchen

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Die Jäger des verlorenen Schatzes

Gotteshäuser sind nicht gerade die Cashcow im Portfolio der BIG. ­Erhalten werden wollen sie aber allemal. In den Häusern der BIG hängen, stehen, schlummern enorme Kunstschätze. In Einzelfällen verwahrlosen sie aber auch.

40 Basisdemokratisches Wunschkonzert

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Foto: Gisela Erlacher Foto: Michael Hetzmannseder

Zeitraffer

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Das Gebot der Stabilität

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„Schutzbedürftig“

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Der Einfluss des Gebäudes auf die Lernergebnisse ist unbestritten. In der Frage, wie ein optimales Schulgebäude aussehen soll, scheiden sich allerdings die Geister. Mitreden wollen jedenfalls alle. Das neue Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen bestimmt, wie lange ein Meter auf der ganzen Welt zu sein hat. Den Raum dafür hat die BIG geschaffen. Aus Angst vor Kriegen hat die Republik Schutzräume geschaffen. Für den akuten Ernstfall stehen die wenigsten bereit.

Lauschangriff aus Muggendorf

Auf dem Trafelberg in einem eher verschlafenen Teil Nieder­ österreichs ist die Ruhe von enormem Vorteil. Von dort aus wird nämlich quasi die ganze Welt abgehört.

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Ein Quantum Erkenntnis

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Galerie

Bis vor Kurzem blieb der Atomreaktor im Wiener Prater von der ­Öffentlichkeit unbemerkt. Durch das Erdbeben in Japan waren die Forscher plötzlich medial gefragte Experten. Ende Mai war Zeit der Messen. Die BIG präsentierte sich nahezu gleichzeitig auf der Real Vienna und dem Städtetag in St. Pölten.

Impressum Ausgabe: Nr. 9/2011 Herausgeber: Bundesimmobiliengesellschaft mbH, Hintere Zollamtsstraße 1, 1031 Wien, T 05 02 44-0, F 05 02 44-1199, office@big.at, www.big.at Geschäftsführung: Wolfgang Gleissner, Hans-Peter Weiss Chefredaktion: Ernst Eichinger Redaktion: Herbert Hutar, ­Christian Mayr, Paul Frühauf Produktion und Artdirektion: Martin Jandrisevits, Hans Ljung Lektorat: Nicole Tintera Fotos Titelblatt, U4: Harald A. Jahn Druck: Grasl Druck & Neue Medien GmbH, 2540 Bad Vöslau

Dieses Druckwerk zeichnet sich durch eine nachhaltige und ressourcenschonende Produktion aus und wurde klimaneutral gedruckt. Das Papier dieses Produktes stammt aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern sowie kontrollierten Quellen und ist somit PEFC zertifiziert. PEFC steht somit als Synonym für nachhaltige Waldbewirtschaftung. Die Zertifizierung der gesamten Verarbeitungskette vom Wald bis zum Endprodukt garantiert, dass die Holzherkunft unzweifelhaft nachvollziehbar ist und geprüft wurde. Durch unabhängige, renommierte Zertifizierungsgesellschaften wird sichergestellt, dass die Wälder nach hohen PEFC-Standards bewirtschaftet werden. PEFC-Zertifikationsnummer: HCA-CoC-0249. Klimaneutral drucken bedeutet, die CO2-Emission für die Herstellung eines Druckproduktes durch den Erwerb anerkannter Umweltzertifikate auszugleichen.

PEFC zertifziert Das Papier dieses Produktes stammt aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern und kontrollierten Quellen www.pefc.at


Editorial

Foto: Richard Tanzer

Seit 1. Juni 2011 leitet die auf fünf Jahre neu bestellte Geschäfts­ führung, bestehend aus Hans-Peter Weiss (links) und Wolfgang Gleissner, das Unter­ nehmen.

Mit Qualität in die Zukunft

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ie BIG hat einmal mehr ihre hohe Leistungsfähigkeit und Effizienz unter Beweis gestellt und im vergangenen Jahr ein Bauvolumen von insgesamt 636 Millionen Euro abgewickelt. Nie in der zehnjährigen Firmengeschichte – bezogen auf den Zeitpunkt des Kaufs der Liegenschaften – war dieser Wert so hoch. Ein Symbol für diesen „Bauboom“ ist die neue Wirtschaftsuniversität Wien (WU), die im Prater seit Anfang 2010 errichtet wird. Das definitiv größte Bauvorhaben der BIG seit Bestehen des Unternehmens ist voll auf Schiene. Aus heutiger Sicht halten sowohl Zeitplan als auch Kosten. Das soll selbstverständlich bis zur Übergabe so bleiben und gilt auch für alle anderen 47 derzeit in Ausführung befindlichen Großprojekte quer durch ganz Österreich, die in den kommenden Jahren fertiggestellt werden. Diese ­solide Dienstleistungsqualität wird nicht nur von Projektpartnern, sondern auch vom Kapitalmarkt honoriert. Gerade die Einschätzung der Marktteilnehmer ist für die BIG von enormer Bedeutung. Denn ob die Anleihen – und damit letztendlich das Unternehmen – bei Investoren gefragt sind, entscheidet über die Zukunft des Unternehmens. Generell reagieren wir rasch auf neue Herausforderungen, kennen unsere Stärken, bauen sie kontinuierlich aus und behaupten uns damit im offenen Wettbewerb. FlexiNr. 9 | 2011 | www.big.at

bel waren wir auch bei den Inhalten unseres Magazins BIG Business. So wurde nach dem Nuklearunfall in Fukushima das Konzept radikal umgestellt. In der aktuellen Ausgabe stellen wir Ihnen daher den neu errichteten Messstollen vor, in dem Erdbeben zukünftig zeitnah und genauestens aufgezeichnet werden. Im Zuge der Katastrophe in Japan hat der Reaktor im Wiener Prater zum ersten Mal die gebührende, mediale Aufmerksamkeit erreicht. Nicht zuletzt stieg bei der Bevölkerung in den vergangenen Monaten das subjektive Sicherheitsbedürfnis massiv. Daher kamen auch Schutzräume wieder ins Gespräch, die allerdings derzeit eher ein Schattendasein fristen. Wir blicken für Sie nicht nur hinter die Kulissen, sondern in diesem BIG Business auch in die Keller der Amtsgebäude und wünschen viel Spaß beim Lesen!

Wolfgang Gleissner

Hans-Peter Weiss

BIG Business

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Zeitraffer

Foto: boanet.at

15 Kräne und im Durchschnitt 350 Arbeiter arbeiten pro Tag mit Hochdruck auf der Baustelle der neuen WU. Alleine die Kräne zu koordinieren ist bereits eine logistische Meisterleistung. Bauliche Herausforderungen gibt es auch genug. Im Bild rechts die „schiefen“ Wände des Learning and Library Center (LLC) von Zaha Hadid.

Fotos: Richard Tanzer

Foto: LBS Redl

WU

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BIG Business

Nr. 9 | 2011 | www.big.at


WU

Kranballett im Wiener Prater Fotos: Zaha Hadid Architects

Zügig schreitet der Bau im Wiener Prater voran: Der Campus WU nimmt Formen an! Das 492-Millionen-Euro-Projekt stellt zumindest aufgrund seiner Dimension alle anderen Bauvorhaben der BIG in den Schatten.

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Finanzierungsfragen

Vor allem ganz große Bauprojekte haben den Ruf, grundsätzlich später fertig und dafür viel teurer zu werden. Diese Sorgen zerstreut BIG-Geschäftsführer Wolfgang Gleissner mit Nachdruck. Selbstverständlich liege man im Zeitplan. Und auch die Kosten halten. „Zwei Drittel der Bauaufträge wurden bereits vergeben, bis Ende 2011 werden es 90 Prozent sein. Die meisten davon an inländische Unternehmen. Insgesamt sind bisher rund 100 Millionen Euro in den Neubau geflossen“, sagt Maximilian Pammer, Geschäftsführer der Projektgesellschaft, die für die Abwicklung des Bauvorhabens zuständig ist. Zu den Gesamtkosten kommen noch 46 Mil­lionen Euro für die Inneneinrichtung, sagt Michael ­Holoubek, Rektoratsbeauftragter der WU für den neuen Campus: „In diesem Betrag enthalten sind die komplexe Uni-IT ebenso wie Nr. 9 | 2011 | www.big.at

Foto: BUSarchitektur/boanet.at

on der Aussichtsplattform, die übrigens allen Interessierten von 8 bis 20 Uhr offen steht, ist ein Wald von Kränen zu sehen, schwere Baumaschinen, die auf den rund 90.000 Quadratmetern in bester Innenstadtlage ein kompliziertes Ballett aufführen. Noch ist schwer vorstellbar, dass hier bereits im Herbst 2013 die ersten Vorlesungen stattfinden sollen. Die Größe kann der Besucher schon erahnen, mit der Leichtigkeit im Entwurf der Architektin Zaha Hadid tut man sich noch etwas schwerer. Doch die künftigen Formen sind schon vorgegeben: Inmitten der Betonplatten werden einige schiefe Wände betoniert – die Grundpfeiler der kühnen, nach vorne geschwungenen Form des künf­tigen Library & Learning Centers, Herzstück des riesigen ­Bauvorhabens. der Umzug im Sommer 2013. Darauf richten wir uns jetzt schon ein. Wenn wir am alten Standort einen Semi­nartisch kaufen, dann schauen wir, dass wir ihn später mitnehmen können.“

Standortvorteile

Der neue Campus wird so ziemlich alles bieten, was Studenten- und Lehrendenherzen begehren. Die innerstädtische Lage direkt an der U2 und Radwege im und rund um das Gelände sorgen für staufreie Verbindungen. Die direkte Nachbarschaft zum Prater sowie eine Kooperation mit der USI – „wir verhandeln aber noch“, so Holoubek – sollen für ausreichend Sportmöglichkeiten sorgen. Als Wasserballer würde sich der Professor eine Schwimmhalle wünschen, aber „die wird sich nicht ausgehen“.

BIG Business

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Zeitraffer

Foto: BIG

Beim Spatenstich waren neben Bundesministerin Beatrix Karl auch die Repräsentanten der beteiligten Institutionen gekommen: der Brucker Finanzamtsleiter Alfred Brunnsteiner, der Präsident des Oberlandesgerichts Graz Manfred Scaria, der Vizepräsident des Bundesamts für Eich- und Vermessungswesen Johann Pacher, Brucks Bürgermeister Bernd Rosenberger, der steirische Landtagspräsident Manfred Wegscheider sowie BIG-Geschäftsführer Wolfgang Gleissner.

Foto: pittino & ortner architekturbüro

Amtsgebäude Bruck/Mur | HTL & HAk St. Pölten

Ende für schweißtreibende Sommer & kalte Winter

Foto: pittino & ortner architekturbüro

Das Amtsgebäude in Bruck an der Mur soll nach Fertigstellung des Bauvorhabens das Vorzeigeprojekt der BIG punkto energieeffiziente Sanierung sein.

■  Die Modernisierung der Liegenschaft in Bruck/Mur, in dem Bezirksgericht, Finanzamt und Bundesamt für Eichund Vermessungswesen untergebracht sind, wurde im Mai in Angriff genommen. Die neue Hülle für die Gebäude aus den 60er-Jahren wird mit Solarwaben verkleidet, die zusammen mit anderen Maßnahmen wie etwa einer Tiefbohr-Wärmepumpe den Energieverbrauch auf die Hälfte senken sollen. Eine starke Photovoltaik-Anlage auf dem Dach könnte sogar noch Strom ins Netz einspeisen. Außerdem wird das Gerichtsgebäude aufgestockt und mit einem kleinen Neubau versehen, um der Justiz dringend benötigten Platz zu verschaffen. Die BIG demonstriert mit diesem Projekt, wie viel Energie durch innovative Maßnahmen bei Altbauten gespart werden kann. „Die in Bruck gewonnenen Erfahrungen ­werden in viele weitere Sanierungen einfließen“, sagt Wolfgang Gleissner, Geschäftsführer der BIG anlässlich des Spatenstichs.

Lange ersehntes Großprojekt verbindet Schulen Die sanierungsbedürftigen und aus allen Nähten platzenden Schulen HAK und HTL St. Pölten wachsen zusammen und werden auf modernsten Stand gebracht.

Foto: www.ypsilonef.com

Die neue „Spange“ wird zwei große Schulen mitein­ ander verbinden. Alleine in der ­Höheren ­Technischen ­Lehranstalt sind 1.800 Schüler und rund 200 Lehrer ­untergebracht.

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BIG Business

■  Die Bauarbeiten an der HTL und HAK St. Pölten haben begonnen! Die Schulen aus den 60er-Jahren werden nicht nur von Grund auf saniert, sondern auch räumlich näher zusammengeführt. Dazu wird ein Campus geschaffen, während ein neuer, gemeinsamer Eingangsbereich neue städtebauliche Akzente setzt. Die weitläufige, transparente Bauweise nach Plänen der YF Architekten aus Wien und gemeinsam genutzte Einrichtungen wie etwa der Bibliothek und einer Mensa sollen für offene Kommunikation sorgen. Außerdem bekommt die HTL als eine der größten Schulen Österreichs den lange gehegten Wunsch nach einem ­neuen Turnsaal erfüllt. Die Arbeiten an dem über 60 Millionen Euro teuren Großprojekt werden in zwei Etappen abgewickelt und rund vier Jahre dauern – zwei für die Neubauten, zwei, um den Bestand zu sanieren. Der Unterricht wird in dieser Zeit in Containern stattfinden, die vor allem im Innenhof aufgestellt werden. Nr. 9 | 2011 | www.big.at


Interview

GF Weiss

„Der BIG verpflichtet“

die BIG bisher kennengelernt ■ Was hat Sie bewogen, den Job bei der BIG anzustreben? habe, wird hier sehr gute Ar­ Weiss: Die BIG ist für mich ein spannendes Unternehmen beit geleistet. Die BIG ist in ei­ mit einer herausfordernden Aufgabenstellung im Span­ nem speziellen Umfeld tätig, nungsfeld zwischen Politik und Wirtschaft und ein wirk­ in dem auch besondere Im­ lich großer Player in der Immobilienbranche. Ein solches mobilien Platz haben. Und im Unternehmen mitgestalten zu dürfen ist schon eine reiz­ Gegensatz zu anderen Immo­ volle Aufgabe. Und die BIG hat eine unglaubliche Breite bilienunternehmen hat sich und Fülle an Aufgaben. Aufgrund der Themenstellungen die BIG an besondere Richtli­ in meiner früheren Tätigkeit hatte ich auch mit vielen ver­ nien wie das Bundesvergabe­ schiedenen Institutionen zu tun und genieße es, sowohl gesetz zu halten. Wenn nach mit Kunden, der Politik als auch der Bevölkerung ständig diesen Überlegungen noch Kontakt zu haben – das liegt mir. immer übrig bleibt, dass wir Andererseits: Diese Breite, also viele Positionen unter einen zu teuer sind, dann werden Hut zu bekommen, ist nicht immer einfach. Anders gefragt: wir das verbessern. Auch da­ Wie stark ist Ihre Leidensfähigkeit? für bin ich angetreten. Weiss: Das ist keine Frage der Leidensfähigkeit, sondern Man sagt: „Der erste Eindruck eher der Leidenschaft, mit der man an eine Aufgabe heran­ zählt.“ Was war Ihrer, nach­ geht und letztlich auch eine Frage der Konsequenz. Na­ dem Sie die BIG das erste Mal türlich ist die Bewältigung eines breiten Spektrums oder betreten haben? anders gesagt die Erfüllung unterschiedlichster Wünsche Weiss: Ich hatte sofort den nicht einfach, aber es ist zugleich eine Herausforderung an Eindruck, dass eine positive das Management. Man könnte es auch Kundenorientie­ Stimmung in diesem Haus herrscht und dass alle, die in rung nennen. diesem Unternehmen arbeiten, genau wissen, welche be­ Der Eigentümer der BIG ist gleichzeitig Hauptmieter. Gele­ sonderen Aufgaben sie hier jeden Tag erledigen dürfen. Die gentlich vermischen sich diese Positionen. Wie sehen Sie BIG ist ein spannendes Unternehmen mit einer breiten ­dieses Spannungsfeld? Themenstellung – das spürt man sofort. Aber man spürt Weiss: Das ist mit Sicherheit eine besondere Herausforde­ auch, dass sich die BIG selbst noch zu wenig als Unter­ rung. Es ist aber vor allem eine Frage der Kommunikation. nehmen versteht. An diesem Selbstverständnis werden Wir sind gefordert klarzumachen, dass die BIG Eigentümer wir arbeiten. ihrer Immobilien ist und wir im Interesse dieses Unterneh­ Wie wichtig ist Ihnen familiäres Klima in einem Unter­ mens handeln müssen. Das bedeutet permanente, aktive nehmen? Kommunikation. Aber ich glaube mit dem nötigen guten Weiss: Mir ist ein offener, ehrlicher und persönlicher Um­ Willen und der Begeisterung für die Aufgabe lässt sich das gang sehr wichtig. Das ist die Basis für ein erfolgreiches lösen. Unternehmen, weil es Sicherheit und letztlich auch Ver­ Der BIG wird gelegentlich vorgeworfen, sie wäre zu teuer. bundenheit zum Unternehmen vermittelt. Und nur wenn Daneben müssen aber Stollen, Kirchen & Co. mitgetragen diese beiden Aspekte gegeben sind, werden. Wie passt das zusammen? kann man nachhaltig erfolgreich Muss man das, was unter den ein­ « Wir sind gefordert klarzumachen, sein. zelnen Segmenten zusammenge­ dass die BIG Eigentümer ihrer Sie sind privat Ehemann und Vater fasst ist, noch stärker voneinander von zwei Kindern. Wie wichtig ist trennen? Immobilien ist und wir im Interesse ­Ihnen ­Familie? Weiss: Man muss die Frage präzisie­ dieses Unternehmens handeln Weiss: Meine Familie ist mir sehr ren. Was heißt zu teuer? Womit ver­ müssen.» wichtig und gibt mir persönlich gleicht man die BIG? Das ist wieder Hans-Peter Weiss, BIG Kraft. so ein Fall von KommunikationsVielen Dank für das Interview! und Informationsbedarf. So wie ich Nr. 9 | 2011 | www.big.at

BIG Business

Foto: Richard Tanzer

Seit rund einem Monat amtiert der neue BIG-Geschäftsführer Hans-Peter Weiss. Im Interview mit BIG Business spricht er über seine Motivation, Leidensfähigkeit und die kommunikativen Herausforderungen.

Der neue BIGGeschäftsführer Hans-Peter Weiss will verstärkt informieren und kommunizieren.

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Zeitraffer

Fotos: wiesflecker-architekten zt gmbh

BG Kufstein | Bezirksgericht Graz-Ost

Helle Klassen und eine markante Fassade für den Gymnasium-Zubau.

Neue Flächen für Gymnasium im Innenhof Anfang Juli fahren in Kufstein die Bagger auf. Der Erweiterungsbau setzt architektonische Akzente. ■  Das mehr als 100 Jahre alte Bundesgymnasium Kufstein wird ab Sommer 2011 saniert und erweitert. Im Bestand werden die Elektroinstallationen, Teile der Haustechnik und der Brandschutz erneuert. Zusätzlich wird ein Neubau mit insgesamt 15 neuen Klassen errichtet. Dazu kommen neue Werkräume sowie ein Mehrzwecksaal und eine ­Bibliothek. Die wichtigste Änderung am existierenden ­Gebäude wird die Bereinigung des Innenhofes sein, wo der

­Eingangsbereich rückgebaut und die Ausleuchtung ­deutlich verbessert wird. Im Erdgeschoß entsteht eine ­naturwissenschaftliche Etage. Die 21 bestehenden Klassenräume bieten nach Abschluss der Arbeiten mehr Platz für zeitgemäßes Lernen. Der Neubau wird modern, licht­ durchflutet und steht im krassen Gegensatz zu den eher ­traditionellen Bauten in der Umgebung. Insgesamt beträgt das Investitionsvolumen rund zwölf Millionen Euro und die Fertigstellung des Neubaus ist für Sommer 2012 geplant. Die Sanierung des Bestandes soll ein Jahr später abgeschlossen sein.

Altbau der Justiz erscheint in neuem Glanz

Fotos: Robert Frankl

Das Bezirksgericht in der steirischen Landeshauptstadt wurde vom Keller bis ins Dach runderneuert. Außen wurde nur „behübscht“.

Die mittlerweile Ex-Justizministerin Claudia BandionOrtner bei der Eröffnung des frisch renovierten BG Graz-Ost.

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BIG Business

■  Die Generalsanierung des Bezirksgerichts Graz-Ost wurde nach rund eineinhalb Jahren im Februar 2011 fertiggestellt. Das Objekt präsentiert sich damit punktgenau zum 100. Geburtstag in neuer Frische. Während die historische Substanz von 1910, von kosmetischen Eingriffen abgesehen, nach außen hin unverändert blieb, wurde das Innere des von Architekt Anton Spinler gebauten Hauses komplett umgekrempelt und auf den neuesten Stand der Technik gebracht. Barrierefreiheit und helle, freundliche Warteräume sind deutliche Zeichen der Modernisierung. Auch Böden, Fenster, Türen, die gesamte Elektro-Installation inklusive EDV sowie die Haustechnik sind jetzt auf dem neuesten Stand. Vollste Zustimmung zum Projekt kommt auch von der Grazer Altstadterhaltungs-Kommission, deren strenge Auflagen genau eingehalten wurden. Das entstandene Gebäude vereint damit den Charme des Altbaus mit der effizienten Funktionalität des 21. Jahrhunderts. Insgesamt steht dem Bezirksgericht nun eine Nutzfläche von rund 4.800 Quadratmetern zur Verfügung. Die Gesamt­ investitionen für alle baulichen Maßnahmen belaufen sich auf rund 6,5 Millionen Euro, und die komplette Sanierung wurde bei laufendem Gerichtsbetrieb abgewickelt. Nr. 9 | 2011 | www.big.at


BIG

BILANZ

Foto: Hertha Hurnaus

Das im letzten Jahr fertiggestellte Neubauprojekt AHS Contiweg ist beispielhaft für einen massiven Investitionsschub.

FACTS & FIGURES (Zahlen nach UGB) BIG IN ÖSTERREICH 2010

Investitionsrekord

Bilanzsumme Umsatz Gewinn Eigenkapitalquote Projekt-Investitionen Mitarbeiter Gebäude Gebäudefläche

Das von der BIG abgewickelte Projektvolumen erreichte im Jahr 2010 völlig neue Höhen. Ein Ende des Baubooms ist nicht in Sicht. Auch in den Jahren 2011 und 2012 bleiben die Investitionen voraussichtlich auf einem Niveau, das deutlich über dem Durchschnitt der vergangenen Jahre liegt.

I

m Jahr 2010 hat die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) massiv investiert. Insgesamt wurden 636 Millionen Euro (nach 522 Millionen Euro 2009) für neue Bauvorhaben (inklusive WU-Projektgesellschaft) oder Instandhaltungsmaßnahmen geleistet. Das ist so viel wie nie zuvor in der über zehnjährigen Unternehmensgeschichte (seit Eigentumserwerb 2000/2001). So flossen 2010, ohne Campus WU, rund 372,4 Millionen Euro (2009: 291,3 Millionen) in Neubauten und Generalsanierungen. 48 Bauvorhaben wurden im laufenden Geschäftsjahr 2010 fertiggestellt. Prominente Fertigstellungen sind: Neubau Lehartrakt TU Wien, Neubau AHS Contiweg Wien, Neubau Chemiegebäude TU Graz. Die Instandhaltungsaufwendungen zur Wertsicherung der Objekte betrugen 222,7 Millionen Euro (nach 210,7 Millionen Euro im Jahr 2009).

Gewinn gesunken

Bei einer Bilanzsumme von rund 4,6 Milliarden Euro stiegen die Umsatzerlöse der BIG leicht von 791,4 Millionen Euro im Jahr 2009 auf 792,3 Millionen Euro im Jahr 2010. Mehr als 85 Prozent des Umsatzes resultiert aus Mieteinnahmen (653,4 Millionen Euro). Hauptkunde der vermieteten Flächen ist der Bund oder bundesnahe Institutionen. 2010 wurde gemäß UGB ein Jahresgewinn von rund 14,7 Millionen Euro (nach 47,7 Millionen Euro im Jahr 2009) erwirtschaftet, der zur Gänze im Unternehmen belassen wird. Nr. 9 | 2011 | www.big.at

ca. 4,6 Mrd. Euro ca. 792 Mio. Euro 14,7 Mio. Euro 13,97 Prozent ca. 636 Mio. Euro ø 813 ca. 2.800 ca. 7 Mio. m2

Gründe für die Belastung des Jahresgewinnes waren gestiegene Aufwendungen für Instandhaltungsmaßnahmen und Abwertungen von Immobilien. Insgesamt wurden 2010 Liegenschaften um rund 40,3 Millionen Euro verkauft. Daher fließen aus dem Titel der Nachbesserungsverpflichtung 20,6 Millionen Euro an das Bundesministerium für Finanzen. Die Nettoverschuldung betrug zum Stichtag 31. Dezember 2010 rund 3,316 Milliarden Euro. Im Jahr 2010 hat die international renommierte Ratingagentur Moody’s die höchste Bonitätsstufe (AAA) wieder bestätigt. Investitionen 700 600 500 400 300 200 100 in Mio. € 2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

2008

2009

2010

Instandhaltung

121

Neubau & Generalsanierungen

214

165

183

143

135

116

125

183

210

223

178

206

189

206

243

187

229

307

Gesamt

335

413

342

388

332

341

359

312

412

517

636

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Zeitraffer Schloss Wieselburg

Herrschaftliche Bildung Das Schloss Weinzierl in Wieselburg ist nach der Sanierung beispielhaft für moderne Schulbauten in altem Gewand und repräsentiert gleichzeitig den Schlussstein eines gewaltigen Bauvorhabens.

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S

ieben seiner neun Jahre als Direktor des Francisco ­Josephinum in Wieselburg hat Alois Rosenberger auf einer Baustelle verbracht. Auch angesichts des mehr als befriedigenden Ergebnisses nimmt er die Zeit sportlich. „Wir kommen aus der Landwirtschaft“, sagt er. „Wir sind hart im Nehmen!“ Die Renovierung des Schlosses war die letzte Etappe und ist jetzt erfolgreich abgeschlossen. Zuvor wurden Neubauten wie das Lebensmitteltechnische Prüfzentrum, ein Turnsaal mit Photovoltaik-Anlage, ein Biomasse-Kraftwerk und das Internat errichtet. Das Ergebnis am Standort ist die perfekte Mischung aus Altbau-Charme und modernem Funktionsbau mit dem Anspruch, alles, nur nicht fad zu sein. Ein besonderes Zuckerl für den Direktor gibt’s als Trost: „Ich bin ziemlich stolz auf mein neues Büro“, sagt Rosenberger. „40 Quadratmeter, Stuck, der einzige Raum im ganzen Schloss mit Originalmöblierung und Originalboden. Noch mehr persönliche Note geht nicht!“ „Ein besonderes Anliegen war mir die Gestaltung des ­Innenhofes. Ich wollte, dass so viele Menschen wie möglich Nr. 9 | 2011 | www.big.at


Wieselburg

Fotos: Michael Grühbaum

Schloss

Foto: Harald A. Jahn

Das Schloss Wieselburg wurde vom Keller bis zum Dachziegel generalsaniert. Der überdachte Hof bietet Platz für diverse ­Veranstaltungen. Zuvor wurde die Schule bereits erweitert.

Nr. 9 | 2011 | www.big.at

« Ich bin ziemlich stolz auf mein neues Büro – der einzige Raum im ganzen Schloss mit Originalmöblierung und Originalboden.» Alois Rosenberger, Direktor des Francisco ­Josephinum

Die Kletterwand ist nur eines von vielen Highlights an dem mittlerweile runderneuerten ­Bildungsstandort.

Foto: Harald A. Jahn

in dieser Aula Platz haben, da wir immer wieder Veranstal­ tungen im Haus haben, bei denen wir an die Kapazitäts­ grenze stoßen. Daher wurde eine geplante Stiege vom Fest­ saal im ersten Stock nicht realisiert. Auch eine geplante Glaswand in diesem Bereich ist weggefallen“, so Rosen­ berger. Im Bereich der Schularchitektur spielt das Josephinum jetzt jedenfalls ganz vorne mit. Die Klassen sind in Neubau­ ten untergebracht – „aber auch im Schloss selbst, darauf habe ich bestanden, damit es keine Trennung zwischen Schülern und Verwaltung gibt“ – und nach modernsten pä­ dagogischen Standards errichtet. Alles ist auf Teamwork ausgerichtet, vom Hörsaal für 140 Personen bis zu unterein­ ander verbundenen Räumen für kleine Arbeitsgruppen. Im Schloss stehen voll ausgestattete Übungsfirmen zur Verfü­ gung. Aber ist das jetzt eigentlich sicher für Schüler und Lehrer? „Aber natürlich“, lacht Rosenberger. „Allerdings ist so ein altes Gemäuer nie ganz berechenbar. Das macht aber auch den Charme aus und setzt es von modernen Funk­ tionsbauten ab.“

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Zeitraffer AHS Diefenbachgassealzburg

„Grüne Klasse“ im Innenhof

Fotos: Arch. DI Thomas Wagensommerer

Eines der großen Wiener Schulprojekte geht im Juli an den Start: Baubeginn an der AHS Diefenbachgasse im 15. Wiener Gemeindebezirk.

Der luxuriöse Innenhof dient nicht nur der Erholung, sondern auch Lernzwecken in angenehmer Umgebung.

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B

ei dem Projekt Erweiterung und Sanierung AHS Diefenbachgasse werden nicht einfach nur Klassen und Gänge im Bestand saniert, sondern auch in einem Neubau viel Platz für einen fächerübergreifenden Unterricht geschaffen. Es wurde sorgfältig darauf geachtet, sämtliche fachspezifische Unterrichtsgebiete zu Zentren zusammenzufassen. Die Schüler werden durch eine Mischung aus Lernzonen, On- und Offline-Lernräume und Freiflächen motiviert, sich auch außerhalb des regulären Unterrichts Wissen anzueignen. Durch eine „Grüne Klasse“ im Innenhof wird der Unterricht auch ins Freie verlegt. Aufatmen können aber nicht nur die Schüler, sondern auch die (urbane) Natur: Der Neubau der AHS wird in NiedrigenergieBauweise ausgeführt, was auch die städtebaulich günstige Kompaktbauweise unterstützt. Beinahe luxuriös wird die neue Schule für Direktor und Administration: Die Büros sind durch ihre Positionierung im obersten Geschoß ruhig und überblicken das gesamte Areal. Es steht auch eine Terrasse zur Verfügung.

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Donaustadt

Foto: sglw architekten

Business Academy

Durch Einbeziehen von Schülern und Lehrern soll nach dem Bauvorhaben ein hoher Zufriedenheitsgrad erreicht werden.

„Schule plant Schule“ In der „business academy donaustadt“ in der Wiener Polgarstraße (22. Bezirk) werden die pädagogischen Konzepte von morgen baulich umgesetzt.

M

it dem Zubau kommt auch in die Architektur der BHAK/HAS frischer, innovativer Wind. Denn an der Planung waren nicht nur Architekten beteiligt, auch Vertreter der Schule wurden aktiv eingebunden – schließlich müssen sie das Gebäude ständig nutzen. Unter dem Motto „Schule plant Schule“ wurde noch vor der ­Ausschreibung ein 70-seitiges Pflichtenheft für die Architekten entwickelt. Von der Schule selbst wurden etwa 900 Stunden in die Ausarbeitung gesteckt.

Modulares Lernen

Durch diesen direkten Input ist ein modulares Cluster­ system entstanden, das Lehrenden erlaubt, während einer ­Unterrichtseinheit ohne weite Wege verschiedene Räume und ihre Ressourcen zu nutzen. Was natürlich perfekt mit dem Lehrkonzept von Schuldirektor Christian Posad harmoniert: Denn der setzt auf modulares Lernen, statt wie bisher üblich fixe Lehrpläne einfach abzuarbeiten. Das bedeutet nicht nur sehr viele Raumwechsel, sondern auch, dass während des Unterrichts auf Ressourcen von anderen Räumen zugegriffen werden muss. Das traditionelle SchulLayout mit aneinander gereihten Klassenzimmern ist dafür denkbar ungeeignet. So entstand die Idee einer wabenförmigen Anordnung rund um ein offenes Atrium, das gleichzeitig als Kommunikations- und Veranstaltungsplatz dient. Schulchef Posad ist zufrieden: „Frontalunterricht ist out, es muss auch Raum für selbstständiges, interdiszipliNr. 9 | 2011 | www.big.at

näres Arbeiten und Teamarbeit geben, um die jungen Leute auf das Leben nach der Matura und Überleben in der Wirtschaft vorzubereiten“, betont er. Für den Architekten stellte sich eine völlig neue Herausforderung im Schulbau. Guido Welzl von sglw architekten musste sowohl die Anforderungen der Schule als auch Platzbeschränkungen und natürlich auch finanzielle Anforderungen unter einen Hut bringen. Gar nicht so einfach: „Wir mussten natürlich Kompromisse eingehen“, sagt Welzl. Diese konnten allerdings klein gehalten werden und stören das neue Schulkonzept nicht.

Ruhezone

Ein besonderes Highlight des Neubaus ist die Einbeziehung der Außenflächen. Schulräume sind ja eigentlich nicht als besonders naturnah bekannt, daher hat man sich für eine bewusste Gegensteuerung entschieden: Alle Klassen im Erdgeschoß haben Ausgänge ins Freie. Das im Übrigen dreigeteilt wird, geht es nach der Schule. Eine Ruhezone soll für Entspannung sorgen, Lernzonen für genug Platz, sich im Team Wissen anzueignen, und eine Kreativzone mit Bühne, um überschüssige Energien produktiv abbauen zu können. Der Neubau besteht aus einem vierstöckigen Gebäude und wird insgesamt 8.200 Quadratmeter umfassen. Damit sollte der Platzbedarf der beliebten Schule erst einmal gedeckt sein: Ab Sommer 2013 wird es Platz für rund 570 zusätzliche Schülerinnen und Schüler geben.

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Zeitraffer Tourismusschule Donaustadt | Kinderhaus TU Graz

Mehr Platz für Tourismusschüler in der Donaustadt ■  Im 22. Wiener Gemeindebezirk wurde der Neubau der Hertha Firnberg Tourismusschule am gleichnamigen Platz feierlich eröffnet. Das barrierefreie Gebäude bietet Platz für 31 Klassen und etwa 600 Schülerinnen und Schüler. Nachdem der bestehende Standort in der Wassermanngasse schon aus allen Nähten geplatzt war, kann mit dem neuen Bauteil auch der lang geplante Ausbildungszweig CSM (Computer Science Management) in den Lehrplan auf­genommen werden. Um ein wenig vom harten Lernalltag abzulenken, wird die Schule mit Leihgaben der Arthotek Wien auch ästhetisch aufgewertet – ein Angebot, das bei Schülern und Lehrern gleichermaßen gut ankommt!

Begeistert von der auf moderne pädagogische Erkenntnisse ausgerichteten Architektur: BIG-Geschäftsführer Wolfgang Gleissner, Präsidentin des Stadtschulrates Susanne Brandsteidl, Nationalratsabgeordnete Ruth Becher, Direktorin Marlies Ettl, Unterrichtsministerin Claudia Schmied, Bildungsstadtrat Christian Oxonitsch und Bezirksvorsteher Norbert Scheed.

Fotos: Helmut Lunghammer

Ein Würfel für die Kleinen Gleichenfeier im Kinderhaus der TU Graz.

Die technische Universität auf den Inffeldgründen in Graz wächst unaufhörlich. Zukünftig wird auch der ForscherNachwuchs dort Platz finden.

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Fotos: BIG

Barrierefreies Gebäude bietet mehr Platz und Komfort für Schüler und Lehrpersonal.

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■  Rasante Fortschritte machen die Neubauten rund um das neue Produktionstechnikzentrum der TU Graz. Das würfelförmige Haus des Kindes, unigerecht „Nanoversity“ getauft, hat nach nur einem halben Jahr Bauzeit schon im Februar Dachgleiche erreicht. Ab Herbst 2011 werden hier insgesamt 120 Kinder von Mitarbeitern und Studenten im Alter von null bis zwölf Jahren spielend lernen. Herzstück ist dabei das Marie-Curie-Zimmer, Labor und Werkstatt in einem für alle Altersstufen. Ganz besonders stolz ist die Volkshilfe, der zukünftige Betreiber, auf den Erlebnisspielpark rund um das Gebäude. Der wurde nämlich von Pädagogen gemeinsam mit Kindern entwickelt und bietet jede Menge alters- und talentgerechter Aktivitäten. Nr. 9 | 2011 | www.big.at


St. Pölten

Fotos: Thomas Ott

Landesgericht

Viele St. Pöltener hätten auf dem ­nunmehr architekto­ nisch gestalteten Platz lieber geparkt. Der Raum für Kraft­ fahrzeuge befindet sich versteckt darun­ ter, ist aber nur für die Justiz reserviert.

Raumwunder Am 27. April wurde der neue Bauteil des ­Landesgerichts St. Pölten feierlich eröffnet.

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Transparente Flächen sind das Markenzeichen des Zubaus. Landtagsabgeordnete Heidemaria Onodi, B ­ gm. Matthias Stadler, Bischof Klaus Küng, Pfarrer ­Daniel ­Vögele, Landes­ gerichtspräsident Franz Cutka, Präsident des Oberlandesgerichts Wien Anton Sumerauer, Land­ tagsabgeordneter Martin Michalitsch und BIG-­ Geschäftsführer ­Wolfgang Gleissner.

Foto: BIG

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er spektakuläre Zubau bietet endlich ausreichend Platz für Gericht und Staatsanwaltschaft sowie eine neue Bibliothek. Neben der goldglänzenden Fassade fallen im Inneren vor allem die wellenförmigen Gänge auf, in deren Nischen Wartezonen eingerichtet sind. In den Ansprachen wurde vor allem auf die Wichtigkeit einer starken Justiz für den Wirtschaftsstandort St. Pölten hingewiesen. Für Diskussionen und kreative Namensgebungen im Vorfeld sorgte hingegen der Vorplatz zum neuen Gerichtsgebäude. Der spiegelt nämlich mit verschieden hohen Säulen die Fassade wider und ist nicht nur für St. Pölten ein ungewöhnlicher Anblick. Doch inzwischen sind die ­Blumentöpfe begrünt, die Sitzgelegenheiten werden gerne angenommen und die Bevölkerung freut sich nach einer kurzen ­Eingewöhnungsphase über ein kleines architektonisches Meisterwerk in der Stadt.

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Thema Baukosten

Babylonische Verwirrung Mediale Diskussionen zu diversen Bauskandalen inklusive Kostenexplosionen geben selten Einblick in die dahinter liegende Problematik. Denn zu einem großen Bauprojekt gibt es viele unterschiedliche Zahlen. Jede davon kann richtig sein. Ohne genaue Definition sind aber alle Angaben bloße „Hausnummern“.

Foto: Seidl Thoma Kummer

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Unvollständige Angaben sind oft in der Trickkiste zu fin­ den. Bei Tunnelprojekten werden gern die Zulaufstrecken verschwiegen. Oder – nicht nur bei Tunnels – die Finanzie­ rungskosten, wenn Kredite aufgenommen werden und diese die Budgets auf Jahrzehnte hinaus belasten. Sind bei einem öffentlichen Schwimmbad etwa die Grundstücks­ kosten dabei oder nicht? Die Parkplätze, die Bäume oder nur das Schwimmbecken?

Festgelegt

Dabei gibt es eindeutiges Regelwerk für Bauleistungen, nämlich die Önorm. „Nahezu jedes Detail steht in der Önorm B 1801“, stellt Alexandra Petermann fest, „man müsste sich nur daran halten.“ Da wird genau unterschieden zwischen Bauwerkskosten (Rohbau, Technik und Ausbau), Baukosten (Aufschließung, Rohbau, Technik und Ausbau sowie Einrichtung und Außenanlagen), Errichtungskosten, bei denen Honorare zum Beispiel für Architekten und Sta­ tiker, Nebenkosten z. B. für Baustellenbewachung oder Spa­ tenstichfeier sowie Reserven für böse Überraschungen bei der Grundbeschaffenheit dazukommen, und schließlich die Gesamtkosten, bei denen zu den bisherigen Positionen ›

Fotos: BIG

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it Zahlen lässt sich trefflich streiten. Und es gibt kaum einen Bereich, wo dieser Sinnspruch so zutrifft wie in der Bauwirtschaft, vor allem in der öffentlichen. Kostenangaben hängen vom Standpunkt ab. Auf der politischen Bühne sind die Wortwahl und die Zahlen tendenziell andere als zwischen Auftraggebern, Banken und Baufirmen und – bei Vertrags­ erstellung oder im Streitfall – den Juristen. „Beliebte Begriffe sind da Investitionsvolumen oder Bau­ summe“, sagt Alexandra Petermann, Leiterin der Abteilung Projektcontrolling in der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG), „darunter kann man sich alles Mögliche vorstellen, mit oder ohne Finanzierungskosten, mit oder ohne Mehr­ wertsteuer, da sollte man doch genauer nachfragen.“ Dabei steht jeder Politiker, der ein Projekt zu vertreten hat, vor einem Dilemma: Soll er sich den Bürgern als Wohl­ täter präsentieren und mit der Faszination der großen Zahl Eindruck machen, oder als sparsamer Verwalter von Steuer­ geld? Muss ein Projekt etwa vom Gemeinderat genehmigt werden, werden die Kosten gern kleingeredet. Ist die Ge­ nehmigung über die Bühne, werden spätere Korrekturen nach oben meist zähneknirschend akzeptiert.

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Foto: BIG

Baukosten

Aufschlüsselung der KostenZusammensetzung eines Projektes.

0 Grund 1 Aufschließung 2 Bauwerk-Rohbau 3 Bauwerk-Technik 4 Bauwerk-Ausbau 5 Einrichtung

Bauwerkskosten

Baukosten

Errichtungskosten

Gesamtkosten

6 Außenanlagen 7 Honorare 8 Nebenkosten

Fotos: Heinz Redl

9 Reserven

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Der Neubau des Zentrums für Molekulare Biowissenschaften in Graz wurde quasi „auf der grünen Wiese“ errichtet. Während der verschiedenen Projektabschnitte differieren auch die Kosten zum Teil erheblich. Alleine vom Ende des Architekturwettbewerbs bis zur Einreichplanung beträgt die Schwankungsbreite bis zu 30 Prozent.

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THEMA

«Sobald der erste Bagger aufgefahren ist, sind die Kosten nur mehr schwer zu beeinflussen.» Alexandra Petermann, BIG

die Kosten für den Baugrund dazugerechnet werden. Auf elf Seiten sind die Bauleistungen und Kostenpositionen detailliert angeführt, bis hin zum Mobilklo auf der Baustelle (siehe Tabelle). Trotzdem ist die Önorm keine Garantie. Denn jedes Projekt hat ein Eigenleben. Michael Steibl, Geschäftsführer der Vereinigung Industrieller Bauunternehmen Österreichs (VIBÖ), vergleicht: „Jedes Bauprojekt ist wie ein Prototyp im Autobau. Das ist – im Gegensatz zur Serienfertigung – ein Einzelstück, da fallen auch unvorhergesehene Kosten an, wenn das Fahrzeug nicht so wird, wie es sich die Konstrukteure vorstellen.“ Und auf den Bau übertragen: „Auch beim Fertigteilhaus gibt es einen Fixpreis erst ab dem Keller, denn die Grundbeschaffenheit kann Überraschungen bringen.“ Um dennoch die Gesamtkosten eines Projektes im Vorhinein möglichst genau zu bestimmen, verfolgt die BIG einen festen Stufenplan: Projektidee, Studie, Planersuche, Vorentwurf, Entwurf, Ausschreibung und Bauverträge, dann Baubeginn. Allerdings stehen gerade während dieses Prozesses viele unterschiedliche Zahlen im Raum. Und was vor drei Monaten gegolten hat, kann schon längst überholt sein. Denn alleine zwischen Ergebnis des Architekturwettbewerbs und Baubeginn dürfen die Kosten „ganz legal“ um rund 30 Prozent differieren. Allgemein gilt: Jede dieser Stufen bringt ein Stück mehr Kenntnis über die Kosten. Gleichzeitig können die Kosten aber mit zunehmendem Planungsfortschritt immer weniger beeinflusst werden. Mit anderen Worten: Je früher der Bauherr die Kostenbremse zieht, indem er zum Beispiel das Projekt verkleinert, desto wirksamer ist sie. Je gründlicher geplant wird, je detaillierter die Ausschreibung und die Verträge, umso besser kann der Bauherr die Baukosten kontrollieren. „Sobald der erste Bagger aufgefahren ist, sind die Kosten nur mehr schwer zu beeinflus-

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Foto: Fotolia

Foto: BIG

BAUKOSTEN

sen“, betont Petermann. „Die BIG befasst sich daher besonders intensiv mit der Frühphase eines Projektes“, erklärt sie, „die Phase vor Baubeginn dauert bei uns mindestens zwei Jahre und damit länger als der Bau selbst.“ Pläne und Vorbereitungsarbeiten kosten aber viel Geld. Zum Beispiel: Wie viele Probebohrungen braucht man, um die Beschaffenheit des Baugrundes festzustellen? Vom Ergebnis hängt es ab, wie teuer das Fundament dann wird. „Daher ist es zweckmäßig, Planung und Bauvorbereitung von der Bauausführung zu trennen“, meint VIBÖGeschäftsführer Michael Steibl. „Ich brauche für das eine Architekten und Zivilingenieure, und für das andere die Baufirma.“ Auch lange Bauzeiten treiben die Kosten, nicht nur wegen der Dauer der Bauarbeiten, sondern auch wegen neuer technischer Standards, die nachträglich in das Projekt aufgenommen werden, ob von Behörden verlangt oder vom Bauherrn gewünscht.

Aktueller Stand

„Besonders sensibel sind öffentliche Projekte mit hohen Sicherheitserfordernissen, wo es um Brandschutz und Fluchtwege geht“, sagt Baumeister Walter Ester, gerichtlich beeideter und zertifizierter Sachverständiger für Bauwesen, mit Erfahrung bei der Abwicklung von Großprojekten. „Die Technik ändert sich, und bei öffentlichen Bauten ist der je- › Nr. 9 | 2011 | www.big.at


BAUKOSTEN

KARL-FRANZENS-UNI GRAZ Zentrum f체r Molekulare Biowissenschaften

Fotos: Paul Ott

Baubeginn: Juli 2005 Fertigstellung: Dezember 2006 Nutzfl채che: 11.350 Quadratmeter Errichtungskosten netto: 35,29 Mio. Euro

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Thema Baukosten

Dass die veranschlagten Kosten für den überwiegenden Teil der Bauvorhaben eingehalten werden, beweist die BIG immer wieder aufs Neue. weils aktuelle technische Standard gefragt, eine irgendwann erteilte Bewilligung ist dann überholt.“ Baumeister Ester macht auf ein weiteres Merkmal von Großprojekten aufmerksam: „Funktion und bauliche Gestaltung von ­großen Bauwerken sind oft nicht von der Önorm erfasst. In solchen Fällen ist die Önorm dann die Grundlage für neue, gesondert auf das Projekt abzustimmende Standards ­zwischen Bauherrn, Baufirma und Behörden.“ VIBÖ-Geschäftsführer Michael Steibl betont, solche Leistungsänderungen seien eine Besonderheit der Bauwirtschaft und oft Bestandteile von Bauverträgen. Und er nimmt einen weiteren Vergleich zu Hilfe: „Ein Schneider kann darauf bestehen, einen braunen Anzug zu liefern, wenn ihn der Kunde so bestellt hat. Er ist nicht verpflichtet, den Auftrag nachträglich auf einen blauen Anzug zu ändern, das ist im ABGB geregelt. Anders in der Bauwirtschaft: In der Önorm 2110, in den Allgemeinen Vertragsbestimmungen für Bauleistungen, gibt es ein Auftragsänderungsrecht des Auftraggebers.“ Das aber muss der Auftraggeber auch bezahlen. Bei der BIG ist es ähnlich. Vielfach sind solche Änderungsevidenzen vertraglich abgesichert. „Wenn ein Auftraggeber realisierbare Wünsche hat, die von der Planung abweichen, erfüllen wir sie ihm als Dienstleister selbstverständlich. Allerdings sollte die höhere Abrechnung dann auch keine Überraschung mehr sein“, sagt Günther Sokol, Leiter der Abteilung Planen und Bauen der BIG, und fügt mit einem Lächeln hinzu: „Gelegentlich sind die Konsequenzen der eigenen Bestellungen aber doch nicht ganz so klar und wir blicken in lange Gesichter.“ Auch unklare Verantwortungsbereiche treiben die Kosten ebenfalls, betont Steibl: „Wenn ich als Bauherr selbst ­einen Dachdecker und einen Spengler beauftrage und es regnet dann herein, wer ist verantwortlich? Der eine deu-

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tet auf den anderen, und als Bauherr bleibe ich dann übrig.“ Ein Generalunternehmer als Gegenüber schafft dem Bauherrn Klarheit. Trotz alledem kann es zwischen den Partnern am Bau zum Streit kommen. VIBÖ-Geschäfts­ führer Steibl räumt ein: „Bei der Ausschreibung steht die Baufirma im Wettbewerb mit anderen Anbietern, Mehrkosten werden oft erst auf den Tisch gelegt, wenn der ­Zuschlag schon erteilt ist.“ BIG-Projektcontrollerin Petermann sagt: „Die Baufirmen suchen da besonders gern nach angeb­lichen oder wirklichen Mängeln in der Planung und in der Ausschreibung.“ Der Fachausdruck dafür: Claim ­Management. „Die Letztverantwortung gegenüber den ausführenden Firmen hat der Bauherr. Er ist dafür verantwortlich, dass die Ausführungsunterlagen termingemäß bereitgestellt werden, auch wenn eine Planungsfirma nicht rechtzeitig Nr. 9 | 2011 | www.big.at


Fotos: Helga Loidold

Baukosten

Das Palais Epstein, Dependance des Parlaments, wurde in den Jahren 2004 bis 2005 saniert. Der ursprünglich veranschlagte Kostenrahmen wurde exakt eingehalten.

liefert“, so Gerichtssachverständiger Walter Ester. Und zur Frage des Delegierens: „Jede Machtstellung in einem Projekt bedeutet auch Verantwortung. Gibt der Bauherr Verantwortung an einen Totalunternehmer ab, hat er auch keine Einflussmöglichkeit mehr.“

Punktlandung

Dass die veranschlagten Kosten für den überwiegenden Teil der Bauvorhaben eingehalten werden, beweist die BIG immer wieder aufs Neue. Auch sensible Projekte wie die Sanierung des Palais Epstein in Wien gehören dazu. Die Architekten Georg Töpfer und Alexander van der Donk, die Akademie der bildenden Künste, das Bundesdenkmalamt und die BIG haben an dem Vorhaben zusammengewirkt. Dabei ging es nicht nur um die Restaurierung, betonen die Architekten: „Die Schwierigkeit bestand darin, einen völlig Nr. 9 | 2011 | www.big.at

neuen Bauteil in den wertvollen Bestand behutsam einzufügen.“ Bange Momente haben sie auch erlebt: „Immerhin mussten Wanddurchbrüche für die Haustechnik vorgenommen, Parkettböden abgetragen und Türen durchgebrochen werden. Da gab es Momente, in denen wir dachten, wir würden dieses Haus nie wieder hinbekommen.“ Letztendlich war es doch eine finanzielle Punktlandung nach nur 19 Monaten Bauzeit. 19.674.000 Euro Errichtungskosten netto inklusive Honorare und Nebenkosten lautete die Berechnung zum Entwurf. 19.753.000 Euro Errichtungskosten netto inklusive Honorare und Nebenkosten wurden abgerechnet. Die Kosten seien nicht nur laufend verfolgt, sondern auch gesteuert worden, so Projektleiter Karl ­Lehner. Immer wieder seien die einzelnen Gewerke, also Ausschreibungen für gesonderte Arbeitsschritte, an den veranschlagten Kostenrahmen angepasst worden. Wenn etwa die Restaurierung eines Saales teurer ausfiel als geplant, wurden anderswo billigere Fliesen verwendet. Zuvor in der allerersten Projektphase, noch vor dem Architektenwettbewerb, waren noch die künstlerischen und denkmalpflegerischen Grundlagen für die Restaurierung zu schaffen. Dafür sorgten das Institut für Restaurierung und Konservierung der Akademie der bildenden Künste gemeinsam mit dem Denkmalamt. „Mit dem Skalpell haben die Studentinnen und Studenten die Wände, Fenster, Türen, Böden und sonstige Oberflächen untersucht, und das Denkmalamt hat regelrechte Tabuzonen für künftige bauliche Eingriffe festgelegt“, berichtet Lehner. So konnten viele möglicherweise teure Überraschungen vermieden werden. Zufrieden waren schließlich alle: Die Akademie der bildenden Künste, das Denkmalamt, die BIG und – für den Benutzer des restaurierten Palais Epstein – das Präsidium des Nationalrates. ‹

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Thema Barrierefreiheit

„Ohne Kompromisse geht es nicht“

Foto: Fotolia

„Barrierefreiheit“. Das oft strapazierte und seit 2006 gesetzlich verankerte Zauberwort verspricht Menschen mit Behinderungen spätestens bis zum Jahr 2019 uneingeschränkte Teilhabe am sozialen Leben und Bewegungsfreiheit im öffentlichen Raum. Bis dahin gibt’s aber noch einiges zu tun – auch für die BIG.

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Fotos: Hannes Kohlmeier

Foto: Richard Tanzer

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chwere Eingangstüren, die nur mit im Fitnesscenter gestählter Armmuskulatur oder der tatkräftigen Unterstützung eines hilfsbereiten Adonis zu öffnen sind. Enge Stiegenaufgänge, die den Transport eines Kinderwagens in Schwerarbeit verwandeln. Paternoster, die nicht nur für Menschen mit Krücken eine spitzensportliche Herausforderung darstellen. Türglocken und Gegensprechanlagen, die für kleinwüchsige Menschen, Kinder und Rollstuhlfahrer so unerreichbar sind wie der Gipfel des Mount Everest für Hobbysportler. Die Liste baulicher Barrieren, die es abzubauen gilt, ist lang. Was jungen, gesunden Menschen oft gar nicht auffällt, stellt für Mütter mit Kleinkindern, ältere, gebrechliche Personen und Menschen mit Bewegungs- oder Sinnesbeeinträchtigungen ein oft unüberwindbares Hindernis dar. Bis spätestens 2019 müssen alle öffentlichen Gebäude des Landes barrierefrei – das bedeutet für alle Menschen ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar – sein. Die Übergangsfrist, die das 2006 in Kraft getretene Bundesbehindertengleichstellungsgesetz für die Adaptierung öffentlicher Gebäude, die vor 2006 errichtet wurden, eingeräumt hat, läuft dann endgültig aus. Die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) ist als einer der größten Haus- und Grundstückbesitzer des Landes stark gefordert, ihre 2.800 Objekte, von denen rund 95 Prozent ­öffentlich zugänglich sind, barrierefrei zu machen. Dabei Nr. 9 | 2011 | www.big.at

Freiheit

Viele scheinbar belanglosen Kleinigkeiten können den Aktionsradius beschränken. So erschweren nicht nur zu hoch aufgehängte „Einwurfkästen“, sondern auch bauliche Barrieren den Alltag von Menschen mit Behinderungen.

ist allerdings der Kooperationswille aller Beteiligten gefragt. Denn das Behindertengleichstellungsgesetz richtet sich nicht vorrangig an die Vermieter und ist vor allem auch nicht im Detail formuliert. Auch der Begriff „Ge­ bäude“ existiert nicht, sondern es solle „… im Bereich der ­hoheitlichen Vollziehung und der Privatwirtschaftverwaltung des Bundes ein Diskriminierungsverbot normiert werden …“, wie es im Gesetzestext heißt. Es darf inter­ pretiert werden. Sinngemäß lautet die Vorgabe des Gesetzgebers also: „Alle Informationen oder Leistungen müssen ohne fremde Hilfe erreichbar sein.“ Bauliche Veränderungen sind nicht explizit erwähnt.

„So schnell wie möglich“

„Nichtsdestotrotz sieht die BIG es als ethische Pflicht, ­ihren Beitrag zur Erreichung der gesetzlichen Vorgaben zu leisten. Das selbst definierte Ziel lautet – unabhängig von den verlängerten Übergangsregelungen –, den barrierefreien Zugang für alle im BIG-Eigentum stehenden Häuser so schnell wie möglich herzustellen. Derzeit sind rund ein Drittel der Objekte barrierefrei erreichbar. Insgesamt werden diese Maßnahmen im Bestand rund 20 Millionen Euro kosten“, sagt BIG-Geschäftsführer Wolfgang Gleissner. Für die mit der Umsetzung betrauten BIG-Mitarbeiter ­eine Aufgabenstellung, die „schon ein bisserl schwierig ist“, wie Hausverwalter und BIG-Spezialist für Barrierefreiheit ›

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Thema Barrierefreiheit

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Foto: BIG

Foto: BIG

Dies obwohl in den Bauvorschriften der Einbau unter gewissen Bedingungen erlaubt ist. Was tut ein BIG-Projektleiter in diesem Fall? „Alternativen überlegen, verhandeln, hoffen, dass einer der Behördenvertreter sich überreden lässt, auf einige wenige Zentimeter zu verzichten und ein Auge zudrückt.“ Erfahrungsgemäß ergeben sich auch Interessenkonflikte durch den Einbau von Brandschutztüren, die selbstständig schließen und dabei ­eine bestimmte Mindestkraft erreichen müssen, um möglichst dicht abzuschließen. Diese Türmechanismen müssen deshalb sensibel ein­ gestellt werden. Nicht zu leichtgängig, da sonst nach kurzer Zeit der Druck zu schwach wird, aber auch nicht zu stark, weil sich die ­Türen nur mit Mühe öffnen lassen und für ältere, schwächere Menschen oder Kinder somit nicht mehr nutzbar sind. Für frühzeitige Ergrauung von BIG-Objektmanagern sorgen mit­ unter auch Denkmalschützer, die die Kompromisse Bedürfnisse älterer oder gebrech­ licher Menschen gnadenlos dem Zudem darf man beim Wort Barrie­Erhalt des historischen Baustils hintrefreiheit nicht nur an Benützer von anstellen oder so wie im folgenden Rollstühlen und Kinderwägen denFall auch Sicherheitsbestimmungen ken. „Auch die Bedürfnisse von Menignorieren. Bei der Akademie der schen mit Sinnesbeeinträchtigun­bildenden Künste am Schillerplatz gen müssen berücksichtigt werden Bei Sanierungen oder Neubauten sind wird gerade darüber gestritten, ob und die lassen sich oft nur schwer sämtliche Standards erfüllt. Im Bestand am festlichen, breiten Stiegenaufmiteinander vereinbaren“, sagt Lamüssen diverse Maßnahmen sukzessive gang zum Haupteingang vier Handzarus und veranschaulicht dies an nachgezogen werden. läufe errichtet werden müssen, könfolgendem Beispiel: Schwellen oder nen, sollen, dürfen – oder nicht. Das Gehsteigkanten müssen so stark abDenkmalamt sagt: „Nein, das sieht ja dann aus wie der Eingeschrägt werden, dass man mit einem Rollstuhl oder Kingang zu einem Fußballstadion.“ Die Sicherheitsbestimderwagen ohne Erschütterung drüberrollen kann. Gut für mungen im Veranstaltungsstättengesetz schreiben jedoch Rollstuhlfahrer, schlecht für Menschen mit Sehbeeinträchin einer Entfernung von vier Metern Handläufe vor. Und in tigungen. Denn die markanten Niveauunterschiede, die puncto Barrierefreiheit sind Stiegenaufgänge ohne ausreisehschwache Menschen zur Orientierung mit dem Blinden­ chende Handläufe und Absturz­sicherungen per se tabu. stock benötigen, fehlen dann. Wer sich bei diesem Streit durchsetzen wird, hänge vom „Ohne Kompromisse geht es nicht“ – so das Resümee der Verhandlungsgeschick und der Überredungskunst der beBIG-Projektleiter. Sie können mittlerweile ein Lied davon teiligten Behördenvertreter ab, so die Erfahrung der BIGsingen, wie schwierig es oft ist, die Auflagen der unterExperten. schiedlichen Behörden unter ein Dach zu bringen. Ein Beispiel: In den meisten älteren Gebäuden führen vom EinEine Frage der Organisation gang Stufen hinauf ins Erdgeschoß. Rampen sind hier unmöglich. Der Neigungswinkel wäre zu groß, die Rampe so„Nichts ist unlösbar, alles ist machbar.“ Die Leiterin des mit zu steil. Einziger Ausweg: ein Treppenlift. „Geht nicht“, BIG-Objektmanagements, Silvia Gepp, bleibt trotz aller sagt die Feuerwehr. Der Treppenlift verenge den Fluchtweg Schwierigkeiten und Streitfragen, die es auch in Zukunft zu stark, die im Brandschutzgesetz vorgeschriebene Durchnoch zu lösen gilt, optimistisch. „Unsere Devise ist es, möggangsbreite könne nicht mehr erreicht werden. lichst lösungsorientiert und bedarfsgerecht zu arbeiten Alfred Lazarus vorsichtig ausdrückt. Dabei bereiten ihm die Neu- und Zubauten noch am wenigsten Bauchweh, „weil da können alle nötigen barrierefreien Bau- und Gestaltungselemente, die klar in Önormen deklariert sind, von Anfang an mitgedacht und eingeplant werden“. Aufwendiger, komplizierter und kostenintensiver wird es allerdings bei nachträglichen Umbauten und der Adaptierung des alten Gebäudebestands. „Mit der Errichtung von Rollstuhlrampen beim Eingang ist es in den meisten Fällen nicht getan“, erklärt Lazarus. Oft sind Türen und Gänge zu eng, um sich mit einem Rollstuhl mühelos bewegen oder gar wenden zu können, die bestehenden WCs zu winzig, um sie behindertengerecht auszubauen. „Schnell ein paar Mauern einreißen, um Platz zu schaffen, geht nicht so einfach, weil oft nicht nur Leitungen in den ­Wänden verborgen, sondern auch Brand- und Denkmalschutz zu berücksichtigen sind.“

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Barriere

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und nicht bloß die starren Richtlinien und Normen im Kopf zu haben“, beschreibt Gepp die weitere Vorgangsweise. „In vielen Fällen ist es gar nicht notwendig, Barrierefreiheit baulich umzusetzen. Barrierefreiheit kann auch organisiert werden, indem beispielsweise im Erdgeschoß Informationsschalter eingerichtet werden, die barrierefrei erreichbar sind und wo der Kundenverkehr abgewickelt werden kann. Hier muss auch nicht in jedem Stockwerk ein BehindertenWC installiert werden, es reicht dann eines im Bereich des Info-Schalters.“ Anders die Situation, wenn mobilitätseingeschränkte Angestellte im Gebäude tätig sind. Für behinderte Mitarbeiter muss die Barrierefreiheit vom Hauseingang bis zum Arbeitsplatz gewährleistet sein. In diesem Fall gilt das ­Behinderteneinstellungsgesetz.

Fotos: Richard Tanzer

Im Wiener Justizpalast müssen Rollstuhlfahrer nicht die Rampe bewältigen, sondern können über einen Seiteneingang ins Gebäude.

Die Aula der Technischen Universität Wien wurde vor Kurzem saniert – Leitlinien für Sehbeeinträchtigte inklusive.

Barrierefreiheit für alle

Der Abbau von Barrieren komme ja nicht nur Rollstuhlfahrern oder sehbehinderten Menschen zugute, er bringe Erleichterung für alle. Lazarus verweist dabei auf die demografische Entwicklung, die für die Zukunft eine stark überalterte Bevölkerungsstruktur prognostiziert. Menschen mit Gehhilfen werden dann tagtäglich das Straßenbild prägen. Mit zunehmendem Alter lässt mitunter auch die Hör- und Sehkraft nach. „Darum ist es wichtig, bei der Herstellung der Barrierefreiheit nicht nur an Rollstuhlfahrer zu denken, sondern möglichst viele Formen von Beeinträchtigungen zu berücksichtigen. Nur so können andere Diskriminierungen vermieden werden“, betont Katharina Kohlmaier, Leiterin der BIG-Rechtsabteilung. Denn es sei ebenfalls dis­ kriminierend, wenn zwar Barrieren für Rollstuhlfahrer beseitigt, für sehbehinderte Menschen aber aus Kostenspargründen keine Maßnahmen gesetzt werden. Aus diesem Grund handelt die BIG in der Praxis nach folgendem Prinzip: „Nur wenn die Umsetzung eines gesamten Konzeptes › Nr. 9 | 2011 | www.big.at

Schwellen oder Gehsteigkanten müssen so stark abgeschrägt werden, dass man mit einem Rollstuhl oder Kinderwagen ohne Erschütterung drüberrollen kann. Gut für Rollstuhlfahrer, schlecht für Menschen mit Sehbeeinträchtigungen.

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Thema Barrierefreiheit

Barrierefreiheit mit Augenmaß Mark Wassermann, Behindertenbeauftragter der Universität Klagenfurt, über die Kosten des barrierefreien Bauens, die Schwächen des Behindertengleichstellungsgesetzes und über das nicht immer glückliche Zusammenwirken öffentlicher Institutionen.

Foto: Hannes Kohlmeier

Leitsystem für Blinde und Sehbehinder■ Beim Bauen geht es immer auch um te für gehbehinderte Personen natürlich Geld. Wenn Sie auftauchen, wird’s für zum Hindernis werden. Aber auch da den Bauherrn zumindest einmal nicht gibt es Möglichkeiten, wie man das umbilliger. Werden Sie gelegentlich mit gehen kann. ­Reaktionen konfrontiert wie: Was will Sind Sie prinzipiell mit dem Behinderten­ der denn schon wieder? Wir machen eh gleichstellungsgesetz und auch dessen schon alles! Umsetzung zufrieden? Wassermann: Die Kosten für BarriereWassermann: Prinzipiell geht es von der freiheit sind bei richtiger Planung miniGrundidee in die richtige Richtung. Aber mal – auch bei Sanierungen. Teuer wird in Teilen ist es einfach zu schwammig es nur, wenn Fehler passieren. Werden formuliert. Ein Beispiel: Wenn ich nicht am Anfang die Betroffenen miteinbezoin ein Gebäude hineinkomme, kann ich gen, gibt es sicher immer überzogene sagen: Mir wird diese Leistung nicht anForderungen. Dann muss man sich zugeboten. Daraus resultiert ein persönlisammensetzen und besprechen: Was ist cher Schaden. Den kann ich einklagen. notwendig, was ist realisierbar, was ist Aber ich kann im Zuge dieses Verfahrens finanzierbar? Der Konsens ist wichtig. nicht erreichen, dass die Behinderung, Denn das Behindertengleichstellungsdie Barriere – Menschen mit Behindegesetz sagt auch ganz klar: Es muss in eirungen werden meist behindert und erst dadurch entsteht nem wirtschaftlichen Kontext stehen und es darf die Leisihre Behinderung – beseitigt wird. Das kann ich rechtlich tungsfähigkeit der Organisation nicht beeinträchtigen. Ich nicht einfordern. Ich kann zwar am nächsten Tag wieder kann nicht von einem kleinen Greißler erwarten, dass er sagen, diese Barriere behindert mich und wieder Schadenum 100.000 Euro sein Geschäft barrierefrei macht. ersatz einklagen, aber das ist ein endloses Spiel. Da ist der Die Harmonie ist aber eher utopisch. So gibt es viele Arten große Schwachpunkt. von Beeinträchtigungen. Daraus resultieren unterschied­ Wie sind Sie – ich denke jetzt an das Bezirksgericht Klagen­ liche Anforderungen, die einander sogar widersprechen. furt – mit dem Zusammenspiel mehrerer öffentlicher ­Zusätzlich gibt es scheinbar keinen einheitlichen Verband, ­Institutionen zufrieden? der gleichzeitig alle Menschen mit Beeinträchtigung vertritt. Wassermann: Da hapert es sicher ganz extrem. Viele Köche Sind da nicht auch die Grenzen eines Bauherrn schnell verderben den Brei. Es ist sehr mühsam, wenn zuerst ge­erreicht? klärt werden muss, wer überhaupt zuständig ist. Beispiel Wassermann: Es gibt einen Verband, der alle gemeinLeitsystem. Die BIG hat ein relativ gutes Leitsystem vom schaftlich vertritt: die Österreichische ArbeitsgemeinEingang des Gerichtsgebäudes Richtung Gehsteig gelegt. schaft für Rehabilitation. Das ist der Dachverband für alle Dann hat die Stadt oder das BehindertenorganisatioLand oder wer auch immer nen, der auch maßgeblich so ein Mini-Leitsystem an Themen wie dem Behin­daraus gemacht. Darüber dertengleichstellungsgehinaus ist noch das Aufsetz mitgearbeitet hat. Ziel « Das Behindertengleichstellungsgesetz   merksamkeitsfeld bei der ist, Mindeststandards und muss in einem wirtschaftlichen Kontext Haltestelle völlig falsch damit ein größtmögliches Maß an Barrierefreiheit zu stehen und es darf die Leistungsfähigkeit der ausgeführt. Es ist schwierig mit der Bürokratie. Aber schaffen. Es stimmt: In Organisation nicht beeinträchtigen.»   das Thema gibt es ja nicht ­Teilbereichen kann es bei Mark Wassermann, Behindertenbeauftragter der Universität Klagenfurt nur beim barrierefreien schlechter Ausführung ProBauen. ‹ bleme geben. So kann ein

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Barriere

« Barrierefreies Bauen ist noch immer nicht verpflichtend in die Architekturausbildung integriert.»

Freiheit

und die dazugehörenden Önormen nicht eingehalten werden. Bei „design for all“ macht man fehlende effiziente baupolizeiliche Kontrollen dafür verantwortlich. „Wenn sich ­jemand diskriminiert fühlt, kann er zwar beim Bundessozialamt ein Schlichtungsgespräch und bei Nichteinigung auch Klage einreichen, aber der vorgesehene Schadenersatz, der schlimmstenfalls zu bezahlen wäre, ist so gering, dass er niemanden abschreckt“, wettert Bernhard Hruska, Architekt, Berater und Gutachter für barrierefreies Gestalten (design for all). Hruska fordert diesbezüglich auch die BIG auf, strengere Kontrollen durchzuführen.

Monika Klenovec, TU Wien

erfolgt, bei dem sowohl Mieter/Nutzer als auch die BIG ­ihren Beitrag leisten, ist diese sinnvoll. Die barrierefreie ­Adaptierung soll ja möglichst umfangreich und nicht nur eine Pseudo-Maßnahme sein“, versichert Lazarus. „Ich stehe auch regelmäßig den Mietern als Berater zur Verfügung. Wir machen gemeinsame Sanierungs- und Umbaukonzepte und erstellen Etappenpläne.“ Je nach Dringlichkeit und Zumutbarkeit müssen die Umbaumaßnahmen bis spätestens 2016 umgesetzt werden.

Vom Zwang zur Normalität

„Die BIG würde sich viel Geld ersparen, wenn sie die korrekte Umsetzung der Baumaßnahmen prüfen und Rückforderungen an die Architekten stellen würde. Denn es ist auch bei der Sanierung von BIG-Gebäuden schon passiert, dass um teures Geld nachgebessert werden musste, weil

Der Aufwand, bestehende Gebäude barrierefrei zu gestalten, ist von Fall zu Fall verschieden. So wird bei unter Denkmalschutz stehenden Gebäuden vorrangig der Eingangsbereich barrierefrei gestaltet. Wenn dies nicht möglich ist, dann ist der Hinweis auf einen barrierefreien Neben- oder Hintereingang erlaubt. Wenn in öffentlichen Gebäuden Kundenverkehr in mehrstöckigen Gebäuden angeboten wird, dann müssen diese mit Treppenliften oder barrierefreien Aufzügen, taktilen und akustischen Leitsystemen und Behinderten-WCs in jedem Stockwerk ausgestattet sein. In vielen Fällen ist es Ermessenssache der Mieter, Nutzer und Eigentümer, die Dringlichkeit oder Nicht-Durchführbarkeit bestimmter Adaptierungsmaßnahmen begründen zu müssen. Gebäude, die niemals barrierefrei zugänglich sind, brauchen eine Zumutbarkeitsprüfung. Beispiele für solche Gebäude sind der Stephansdom oder Burgruinen.

Genormte Menschlichkeit

Generell ist für Neubauten und Generalsanierungen die Einhaltung folgender Mindeststandards wie stufenlose Eingänge, genügend große Türdurchgangsbreiten von mindestens 80 Zentimeter, bequem begehbare geradläufige Treppen mit stabilem Geländer, ausreichend Platz in den Sanitärräumen und der Einsatz von akustischen und optischen Hilfssystemen verbindlich umzusetzen. Allzu oft scheitere die barrierefreie Gestaltung jedoch an der Unwissenheit der Architekten, kritisiert Monika Klenovec, Lehrbeauftragte an der TU Wien, Architektin und Gründerin des Zentrums für barrierefreie Lebensräume „design for all“. Barrierefreies Bauen sei noch immer nicht verpflichtend in die Architekturausbildung integriert. 85 Prozent der Architekturabsolventen haben keine Ausbildung in barrierefreien Gestaltungsgrundsätzen. So passiert es immer wieder sogar bei Neubauten, dass die in den Bauordnungen verankerten Richtlinien zur barrierefreien Gestaltung Nr. 9 | 2011 | www.big.at

Foto: Richard Tanzer

Ermessenssache

Rampen die maximale Steigung von zehn Prozent oder die in den Önormen vorgegebenen Türbreiten nicht eingehalten wurden“, weiß Hrsuka zu berichten. „Ich kenne wenige solcher Fälle“, so BIG-Chef Wolfgang Gleissner, der hin­ zufügt: „Dabei handelt es sich ausschließlich um Gewährleistungen. Das ist zwar unangenehm, geht aber nicht ­zulasten der BIG.“ „Solange die Architekten barrierefreies Gestalten als Zwang und Einschränkung sehen, werden diese Fehler auch weiterhin passieren“, ist sich die design for all-Expertin Klenovec sicher. „Die Architekten müssen lernen, den Menschen in den Vordergrund ihrer Planung zu rücken und den Menschen in all seiner Vielfalt (Diversity) zu berücksichtigen. Denn den Idealtypus mit Modelmaßen gibt es nicht. Die wenigsten Menschen sind starke Muskel­ protze, die locker die schweren Brandschutztüren öffnen können.“ Ihr Resümee: „Es ist an der Zeit, dass menschenfreundliche Bauweise selbstverständlich wird und nicht ­eine Vision von ein paar wenigen Idealisten bleibt.“ ‹

Auch die Über­ alterung unserer Gesellschaft wird in den kommenden Jahren ein massives Thema. Denn viele ältere ­Menschen sind im Normalfall keine Leistungssportler mehr.

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Thema

Foto: GĂźnter Kresser

Kirchen

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Die Kapelle zur Schmerzhaften Muttergottes beim Wiesenhof liegt an der StraĂ&#x;e nach Gnadenwald auf dem Areal des ehemaligen Wiesenhofes. Sie wird von der Ausbildungseinrichtung des Innenministeriums genutzt.

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Kirchen

Das Kreuz mit den Kirchen

Foto: Andreas Kolarik

Die BIG ist Eigentümer einiger Gotteshäuser, deren Instandhaltung aufgrund von Verpflichtungen aus dem Konkordat immer wieder teuer kommt. Nicht zuletzt sorgen komplizierte Nutzungsverhältnisse wie bei der Salzburger Kollegienkirche für besondere Kraftanstrengungen.

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Der Altarraum der Kollegienkirche in der Stadt Salzburg erstrahlt in neuem Glanz: Um 1,4 Millionen Euro wurde die von Barockbaumeister Fischer von Erlach konzipierte Stuckglorie › restauriert.

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THEMA KIRCHEN

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ass in heimischen Klassenzimmern Kreuze hängen, ist in einer schriftlichen Übereinkunft zwischen dem Vatikan und Österreich aus dem Jahr 1933 geregelt. Dieses viel zitierte Konkordat regelt nicht nur diese zuletzt oftmals diskutierte Frage, sondern auch die Instandhaltungspflicht der Republik für alle im Bundesbesitz stehenden kirchlichen Gebäude – was rund 80 Jahre später mitunter zu einer millionenschweren Last geworden ist. Laut Paragraf 8 des Konkordats verpflichtete sich der damalige Ständestaat, dass alle „Gebäude und Grundstücke des Bundes, welche gegenwärtig unmittelbar oder mittelbar kirchlichen Zwecken dienen“ auch weiterhin „diesen Zwecken überlassen“ sein müssen. Dieser Passus ist auch für die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) insofern von großer Bedeutung, als diese Verpflichtung im Zuge des Bundesimmobiliengesetzes im Jahr 2001 auf die BIG übertragen wurde und daher „namens des Bundes“ zu erfüllen ist. Und das nicht selten unentgeltlich.

„Alles sehr kompliziert“

Rund eine Handvoll Kirchen und Kapellen sind es, die nun im Portfolio der BIG als Sonderimmobilien geführt werden – kleine Andachtsstätten und Gebetshäuser auf Friedhöfen ebenso wie bedeutsame Kirchen, die für etliche Millionen saniert und in Schuss gehalten werden müssen. Sowohl Rechtskonstruktionen als auch finanzielle Rahmenbedingungen sind höchst unterschiedlich. So gehört beispielsweise das rund 4.000 Quadratmeter große Grundstück am Georgenberg in Wien Liesing, auf dem 1974 die WotrubaKirche erbaut wurde, der BIG. Das Gebäude selbst jedoch nicht. „Erst 50 Jahre nach der Errichtung dürfen wir Miete einheben. KIRCHEN IM BIG-EIGENTUM Aber auch danach halten sich die Einnahmen in Grenzen, zumal sich die St.-Markus-Kirche, Klagenfurt, Kaufmanngasse 11, damals vereinbarten Konditionen, Altkatholische Kirchengemeinde selbst bei Einrechnung der Inflation, Sacellum, Salzburg, Universitätsplatz/Uni Salzburg in überschaubarer Höhe bewegen“, Kollegienkirche, Salzburg, Universitätsplatz/ sagt BIG-Objektmanager Thomas Uni Salzburg Peneder. Mehr Aufwand verursachen Kapelle zur Schmerzhaften Muttergottes, Absam, da schon andere Kirchen, wie die im Walderst/BMI Jahr 2002 sanierte Schlosskapelle Jesuitenkirche, Innsbruck, Karl-Rahner-Platz/ Weinzierl. Inklusive vergoldeter Universität Innsbruck Turmspitzen wurden dabei St.-Ursula-Kirche, Wien, Johannesgasse 8 406.000 Euro investiert. Die Kehrseite Wotruba-Kirche, Wien, Mauer-St. Georg der Medaille: „Wir heben dort weder Kapelle, Wien, Ungargasse 69/HTL Hauptmietzins noch anteilige BePatrozinium zur heiligen Gottesmutter, Wieselburg triebskosten ein“, sagt Irene Haiden, an der Erlauf, Francisco Josephinum Objektmanagerin bei der BIG. Zusam-

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mengefasst: null Einnahmen. Auf der anderen Seite wartet das Portal der frühbarocken Schlosskapelle im Jahr 2011 auf seine Sanierung. Kosten: immerhin rund 6.000 Euro.

Freiwillige Leistungen

Grundsätzlich wird der heilige Boden seitens der BIG-Techniker ohne besondere Ehrfurcht begangen. Nämlich standardisiert zwei Mal im Jahr, um allfällige bau- oder haustechnische Mängel aufzunehmen. Wobei die Frage der rechtlichen Verpflichtung keineswegs eindeutig geklärt ist. „Unbestritten ist unsere Zuständigkeit bei Erhaltung der Gebäudehülle und Wahrung der Sicherheit“, sagt Katharina Kohlmaier, Leiterin der BIG-Rechtsabteilung. Ob der Innenraum dagegen repräsentativ ist oder eher weniger Glanz und Gloria versprüht, falle nicht in den Kompetenzbereich des Unternehmens. Wenn die ,BIG in solchen Fällen in die eigene Tasche greift, handelt es sich eindeutig um freiwillige Leistungen. Bestes Beispiel ist die Kollegienkirche im Herzen der Stadt Salzburg: Überdeutlich nagt an dem von Johann Bernhard Fischer von Erlach in den Jahren 1696 bis 1707 erbauten Gotteshaus der Zahn der Zeit. Doch für eine umfassende und nachhaltige Sanierung, die in Summe mehr als 16 Millionen Euro kosten würde, fehlt nicht zuletzt aufgrund der komplizierten Eigentümer-, Miet- und Nutzungsverhältnisse das Geld. Denn die Kollegienkirche fällt einerseits in die Zuständigkeit der Theologischen Fakultät der Paris-Lodron-Universität Salzburg, andererseits natürlich auch in jene der katholischen Kirchen, namentlich der Erzdiözese Salzburg. Da aufgrund der Übereinkunft keine Mieten gezahlt werden, greift das etwa bei Universitäten angewandte bewährte BIG-System, über befristete Zuschlagsmieten eine Sanierung zu finanzieren, in diesem Fall nicht. Außerdem hat das Unternehmen den klaren Auftrag vom Gesetzgeber, dass die Bewirtschaftung des Portfolios nach marktorientierten Kriterien zu erfolgen hat – in diesem Fall können aber nicht einmal die anfallenden Betriebskosten vollständig abdeckt werden. Das gesamte Interieur einer Kirche plus die Innensanierung fällt, wie die BIG-Chefjuristin Katharina Kohlmaier nicht müde wird zu betonen, streng nach den Bezug habenden Regelwerken in die Verpflichtung des Mieters respektive des Nutzers und nicht des Eigentümers.

Qualität erkennen

Also waren und sind im Fall Salzburg Sonderlösungen nötig geworden: Für eine erste Bauphase verpflichtete sich die BIG, rund 3,2 Millionen Euro in das Objekt zu investieren – unter der Bedingung, dass auch die anderen Institutionen › Nr. 9 | 2011 | www.big.at


Kirchen

Fotos: Stefan Zenzmaier

In m端hevoller Handarbeit wurde der erste Teil der Kollegienkirche vom Schmutz befreit und konserviert.

Mehrere Monate war der hintere Bereich der Kollegienkirche einger端stet. Erst nach dem Abbau wurde der Blick wieder frei f端r jenen Gegenlichteffekt, den der Architekt konzipiert hatte (siehe Bild Seite 27).

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Thema Kirchen

Foto: BIG

Die Wotruba-Kirche am Wiener Georgenberg ist auf BIG-eigenem Grund gebaut. Ab 2021 darf die BIG pro Jahr 349 Euro dafür in Rechnung stellen.

kräftig mitziehen. So gelang es unter anderem über Spenden rund 1,3 Millionen Euro aufzutreiben; der World Monuments Fund – eine internationale Organisation mit Sitz in New York, die sich weltweit für die Erhaltung von Denkmälern und historischen Stätten einsetzt – steuerte als größter Einzelspender 500.000 Dollar bei. Seit Jahren engagiert ist auch der „Verein Kulturerbe Salzburg“, der möglichst viele private und öffentliche Quellen anzuzapfen versucht. Mit diesen Mitteln konnte die Sanierung des Dachs sowie der Türme (Fertigstellung 2011), aber auch der Apsis im ­Inneren finanziert werden. Wie Ronald Gobiet, Leiter des Salzburger Denkmalamtes und Schaltstelle bei den Restaurierungsarbeiten, erklärt, soll über allen Anstrengungen die Rückführung des barocken Prachtbaus in den ursprünglichen Zustand stehen: „Wir wollen zu den Intentionen von Fischer von Erlach zurück, damit man dessen Qualität auch erkennt.“ Bestes Beispiel ist etwa der teils gelungene Plan, das von Fischer von Erlach konzipierte raffinierte Spiel mit Licht und Gegenlicht wieder zum Leben zu erwecken. So erstrahlt die zentrale Figur der Maria Immaculata wieder in natürlichem Licht. „Es gelang uns nämlich, ein jahrhundertelang geschlossenes Fenster über dem Altar in den früheren Zustand zu versetzen, weshalb nun das Licht wieder einfallen kann“, so BIG-Projektleiter Karl Lehner. Doch diese Arbeiten waren erst der Anfang, denn für eine umfassende, große Lösung fehlen noch etliche Millionen Euro. Auch für die zweite Bauphase hat die BIG zugesagt, weitere 3,5 Millionen Euro aufzuwenden. Laut Lehner gehe es nun vorrangig darum, das Bauwerk für die Besucher sicher zu machen und allen voran die Marmor-Fußböden, die weiteren Fenster und den durchfeuchteten Putz in Ordnung zu bringen. Allerdings hört beim Wandanstrich in

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etwa zwei Meter Höhe die Zuständigkeit des Eigentümers auf, weshalb Lehner für eine Gesamtlösung plädiert. „Es wird wenig Sinn machen, wenn wir dann bei zwei Metern einfach aufhören.“ Außerdem hielte er eine nachhaltige Lösung betreffend Lüftung für angebracht, damit neuerliche Schäden vermieden werden können – dazu bräuchte es aber etwa auch einen neuen Eingangsbereich.

„Es läppert sich“

Für die große Innensanierung inklusive neuer Elektroinstallation fehlen laut Landeskonservator Gobiet dann noch etwa acht Millionen Euro, die über verschiedenste Kanäle fließen sollen: „Wir werden wieder unsere Anstrengungen unternehmen, wobei diese Art von Lobbyismus nicht unsere eigentliche Aufgabe ist.“ So habe Gobiet mit dem World Monuments Fund bereits eine grundsätzliche Vereinbarung für eine weitere Unterstützung akkordiert, von einer Münchner Stiftung gebe es 50.000 Euro, das Kunstministerium habe 100.000 Euro zugesagt: „So läppert sich das zusammen.“ Zukünftig sollen die Salzburger Festspiele und konkret Dirigent Ricardo Muti noch stärker mit Veranstaltungen eingebunden werden, auch plant Gobiet eine Art Spenden-Canossagang zu den Benediktinern: „Früher wurde die Universität von diesem Orden geführt, daher sollen sie jetzt auch ein Scherflein beitragen.“

„Spendenanimation“

Die rechtliche Konstruktion als Universitätskirche ohne faktische Pfarrgemeinde macht die Finanzierung laut Gobiet nicht gerade einfacher: „Eine Pfarre hat ja gewisse Einnahmen und Latifundien. Aber hier gibt es ja gar nicht so viele theologische Studenten.“ Kein Geld zu haben, also ­eine nicht dotierte Universitätspfarre zu sein, gibt auch › Nr. 9 | 2011 | www.big.at


Foto: Günter Kresser

Kirchen

Foto: Günter Kresser

Die Kapelle zur Schmerzhaften Muttergottes wurde ab 1723 durch Graf Ferdinand Karl von Wicka als Familiengrablege der Wicka errichtet, die Weihe erfolgte 1732. Das Kirchlein selbst schmücken ein prachtvoller Altar sowie ein herrliches Fresko. Das Stifterehepaar selbst ruht in einer Gruft unter dem Steinboden.

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Foto: Michael Grühbaum

Foto: Michael Grühbaum

Das Patrozinium zur heiligen Gottesmutter befindet sich auf dem Areal der niederösterreichischen Landwirtschaftsschule Francisco Josephinum in Wieselburg. Der frühbarocke Saalbau mit nachgotischen Elementen wurde urkundlich erstmals 1675 erwähnt.

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Thema Kirchen

Christian Wallisch-Breitsching, Verwaltungsdirektor der Universitätspfarre und seitens der Diözese für die Renovierung zuständig, unumwunden zu. „Unsere Mitglieder sind sehr vage. Jeder, der studiert, ist eigentlich Mitglied der Pfarre. Wir sind also eine Pfarre, die auf Personen und nicht auf ein Territorium bezogen ist.“ Dementsprechend gibt es nur ein Mal pro Woche eine Heilige Messe; zum Winter-Semesterstart leitet der Salzburger Bischof Alois Kothgasser einen Gottesdienst. Das Gros der Kirchenbesucher bilden laut Wallisch-Breitsching die Touristen, sommers treten pro Tag etwa 300 bis 400 Personen über die Kirchenschwelle. Und selbstverständlich versucht man sie zum Spenden zu animieren. Die Konkurrenz im Herzen der Mozartstadt sei allerdings groß: Es gibt gleich daneben den Dom, St. Peter, und die Franziskanerkirche. An Eintritt zur Finanzierung der Arbeiten wird freilich (noch) nicht gedacht: „Das wäre in Salzburg

sein, Kirchen zu sanieren.“ Und eigentlich geht der Trend in Österreich in die umgekehrte Richtung: Aufgrund der Missbrauchsskandale samt Austrittswellen ist es die katholische Kirche, die mittlerweile Gotteshäuser notgedrungen an verwandte Religionsgemeinschaften abgeben muss – etwa in Wien die Neulerchenfelder Kirche in Ottakring an die serbisch-orthodoxe Gemeinde. Bleibt die Frage, wie lange wohl für die Kollegienkirche gesammelt werden muss, um die Restaurierung finanzieren zu können. Schon ein Mal hat die BIG einen ähnlich heiklen Fall wie die Kollegienkirche positiv über die Bühne gebracht: Im Jahr 2004 konnte die Innsbrucker Jesuiten­ kirche, ebenfalls eine Konkordatskirche in universitärer Nutzung, nach jahrelangem Tauziehen fertig saniert neu eröffnet werden. „Auch damals ging es um die Zurückführung der Kirche in den Originalzustand. Und aufgrund des vehementen Engagements des damaligen Bürgermeisters ­Herwig Van Staa konnte eine große Lösung, bei der alle an einem Strang gezogen haben, realisiert werden“, erinnert sich ­Gerald Lobgesang, BIG-Objektmanagement Team­ leiter Tirol.

Generalsanierung

Auf der Orgel in St. Ursula in Wien ­werden Musik­ studenten auf ihre erlernten Fähig­ keiten geprüft.

ein absolutes Novum. Wenn man die Diskussionen in Wien um Stephansdom und Karlskirche ansieht, weiß man, wie sensibel das ist“, gesteht Wallisch-Breitsching. Was es gebe, seien verschiedene andere Ideen, die allesamt aber noch nicht ausgereift seien.

Geschenkt ist noch zu teuer

Was sicher nicht dazugehöre, sei aber eine Übernahme der Kirche von der BIG – denn worüber sich in früheren Zeiten wohl viele gefreut hätten, gilt heute als klassisches Danaergeschenk: „Hier hat es nie offizielle Gespräche gegeben“, winkt Wallisch-Breitsching ab. Auch Gabriele Pfeifer, Sprecherin des Rektorats der Universität Salzburg, hat in Zeiten klammer Uni-Budgets andere Sorgen: „Herschenken ist so eine Sache, da halst man sich eine Riesengeschichte auf. Auch wenn es ein wertvolles Bauwerk ist, würde uns das ein Vermögen kosten. Und unsere Aufgabe kann es nicht

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Nachdem zunächst von 1990 bis 1998 die Erneuerung der Fassade vorgenommen worden war, startete im Jahr 2003 die Sanierung des Innenraumes in dem Frühbarock-Kleinod (von 1627 bis 1646 erbaut). Im Zweiten Weltkrieg war das Bauwerk von Bomben getroffen und schwer beschädigt worden, unter anderem war der Hochaltar dabei vollkommen zerstört worden. Im Zuge der Sanierung wurden diese Kriegsschäden allesamt behoben, und auch der Hochaltar wurde wiederhergestellt, was freilich bei Denkmalschützern nicht wirklich auf ungeteilte Zustimmung stieß, da es sich um eine historisierende Form handelte. So wie nun in Salzburg geplant, gelang eine völlige Erneuerung der Fenster, außerdem wurde ein neuer Zugang zur Krypta geschaffen. Zugleich wurde der Sakralbau, um ihn auch für Veranstaltungen nutzen zu können, mit einer Sanitärgruppe versehen sowie beleuchtungs- und tontechnisch auf den letzten Stand der Technik gebracht. Die Investitionskosten im Fall Innsbruck betrugen für die BIG rund drei Millionen Euro, insgesamt kostete das Projekt fast neun Millionen Euro – Land, Bund und zahlreiche private Spender retteten schließlich das Barockjuwel dauerhaft. Wobei es damit keineswegs getan ist. „Die laufende technische Betreuung ist für uns keineswegs Routine“, so Lobgesang. Der Umgang mit zerfallenden Sarkophagen oder barocken Blasengerln sei doch immer wieder herausfordernd. So sehr sich die Kollegien- und Jesuitenkirche in der ­Restaurierungsgenese ähneln, so unterschiedlich seien die beschrittenen Wege gewesen, betont BIG-Chef Wolfgang ­Gleissner: „Einen fix fertigen Plan, wie wir als BIG mit unseren Kirchen umgehen, gibt es leider nicht. Jeder Fall muss im Einzelnen betrachtet werden. Und nur weil wir ein Projekt freiwillig mitfinanzieren, ist das noch kein Präjudiz.“ Göttlicher Beistand für zündende neue Ideen im Umgang mit geweihten Flächen kann also nicht schaden. ‹ Nr. 9 | 2011 | www.big.at


Kirchen

Fotos: Helga Loidold

Der markante und geschichtsträchtige Bau ist eines der hervorragenden Beispiele des frühen Barocks in Westösterreich. Die Jesuitenkirche in Innsbruck wurde ab 1627 nach den Plänen des Schweizer Architekten Santino Solari errichtet. Im Zuge der Generalsanierung der alten Innsbrucker Universität wurde auch die betont strenge, elegante Fassade der Kirche zwischen 1990 und 1998 saniert. Anfang 2003 begann in Absprache mit dem Bundesdenkmalamt die behutsame Restaurierung und Adaptierung des Innenraumes nach Plänen des Haller Architekten Helmut Dreger.

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Thema Kunst

Missachtete Kunst in der HTBLA Salzburg: Vor den 1985 entstandenen ­Bildern des österreichischen Malers ­Lucas Suppin sind Getränkeautomaten und Kopierer platziert, manche der Werke sind ­sogar mit ­Schautafeln ­behängt (rechts oben).

Fotos: Kunsterkennung

Die Stahlplastik ­ omas Hokes im T Stiegenhaus des Klagenfurter ­Landesgerichts wird gelegentlich als Aschenbecher ­verwendet (rechts unten). Von der Schulleitung unerwünscht: Eine Raumplastik Gustav Trogers in einem Grazer Gymnasium soll abgehängt werden (oben).

Die Jäger des verlorenen Kunstschatzes In der bis dato wohl aufwendigsten KunstInventarisierung des Landes hat die BIG alle ihre Objekte nach Kunstwerken durchforsten lassen. Nun gibt es eine Datenbank mit 7.000 Datensätzen und Zigtausenden Fotos. Und die Debatte, wem was gehört beziehungsweise wie wertvoll dies alles ist.

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Kunst

Fotos: Gisela Erlacher

Foto: Kunsterkennung

„Wiederent­ deckung“ eines ­Frühwerks von ­Gustav Klimt. ­Historistische ­Ausstattungskunst für das Palais ­Sturany an der ­Wiener Ringstraße. Das Palais wurde vor Kurzem ­verkauft.

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on A wie Abondio, Isella, bis Z wie Zumbusch, Kaspar. Zigtausende Fotos, 7.000 Datensätze mit 50 Gigabyte Speichervolumen, gesammelt aus 800 Gebäuden mit fast sieben Millionen Quadratmetern Nutzfläche. Das Ganze in fast fünf Jahren Arbeit bei 30 Stunden wöchentlich. Das sind die nackten Zahlen eines der größten und aufwendigsten Kunst-Inventarisierungsprojekte der Republik Österreich, das vor Kurzem zu einem vorläufigen Ende gekommen ist. Im Auftrag der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG), des größten Immobilienbesitzers des Landes, hat die Firma Kloser & Pointner Kunstverwaltung in den vergangenen Jahren alle BIGObjekte in ganz Österreich untersucht und die dort vorhandenen Kunstwerke dokumentiert. Eine Vermessung von Österreichs Kunstschätzen am und im Bau, bei dem auch teils vergessene und teils unbekannte Werke wieder an die Oberfläche befördert wurden. Das Zwei-Mann-Team, bestehend aus den Kunsthistorikern Alexander Pointner und Peter Kloser, war es auch, das im Jahr 2006 für eine kleine Kunstsensation gesorgt hat – gleichsam als Auftakt der Inventarisierungsarbeit für die BIG. Damals wiederentdeckten sie im Palais Sturany am Wiener Schottenring vier Deckengemälde, an denen ­Gustav Klimt maßgeblich mitgearbeitet hat. Das BesondeNr. 9 | 2011 | www.big.at

re an diesem Kunstwerk ist, dass es sich um eines der ersten Auftragswerke des jungen Klimt handelt und sich dort auch sein Bruder Ernst künstlerisch verewigte. „Wir haben das aus dem Dehio (dem Handbuch der Kunstdenkmäler, Anmerkung) irgendwie schon gewusst und uns das dann einfach näher angeschaut“, berichtet Pointner, der damals bescheiden in der zweiten Reihe geblieben ist und anderen den Vortritt gelassen hat. „Durch den Namen Klimt wurde es auch etwas hochgepusht und so gesehen ist das die vielleicht wichtigste Entdeckung für unsere Datenbank.“ Persönlich freilich hätte Pointner, der mittlerweile auch die Kunstdatenbank für die Albertina betreut, auf seiner Kunst-Tour quer durchs Land ganz andere Werke zu schätzen und lieben gelernt – beispielsweise das Landesgericht Krems.

Inventur

Was ist bitte so faszinierend an einem so schlichten wie unspektakulären Gebäude aus der Zwischenkriegszeit des 20. Jahrhunderts? „Es ist von der Ausstrahlung und der Schlichtheit ziemlich lässig“, schwärmt Pointner. Fast skurril für den Schauplatz nimmt sich etwa die Wandmalerei im Schwurgerichtssaal aus, prangen doch ausgerechnet dort die sieben Todsünden. Fasziniert ist Pointner aber ›

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Thema Kunst

In einer Salzburger Schule landete eine vom Direktor als Schrott verunglimpfte Installation kurzerhand im Müll.

auch von den eleganten Stiegenhäusern oder den edlen Messingleuchten, die das Landesgericht zu einem Geheimtipp für Kunstfreunde mache – vor allem, da Bauwerke aus dieser Zeit selten seien, aber von immer größerer Bedeutung wären. Warum die BIG in dieses Inventarisierungsprogramm investiert hat, ist leicht erklärt: „In jedem unserer Gebäude wird permanent irgendetwas repariert oder saniert. Bisher war es ein großes Übel, dass die Kollegen vor Ort zwar mit den Kunstwerken konfrontiert waren, aber nicht wussten, was es damit auf sich hat. Außerdem wurden sie vielfach auch gar nicht als Kunst wahrgenommen“, beschreibt Ute Woltron von der BIG das Grundpro­blem. Nunmehr sei die Information über all diese Kunstwerke in den einzelnen BIG-Gebäuden sofort per Mausklick verfügbar, haben doch grundsätzlich alle Mitarbeiter Zugriff auf diese neue ­Datenbank.

Kunst im Sperrmüll

Auf Basis von Microsoft-Access bietet die Kunst-Datenbank mehrere Suchfunktionen an – etwa nach dem Gebäude­namen, dem Künstler (von denen rund 1.000 angelegt wurden) oder einem Kunstbegriff. Die jeweilige Datei enthält dann kurze Beschreibungen des Gebäudes, des Denkmalschutz-Status und wo sich genau die Kunstwerke befinden, inklusive einer Kurzbiografie des Schöpfers. „So es etwas dazu gibt“, ergänzt Pointner. Denn etwa bei der erstgenannten Isella Abondio gebe es schlichtweg keine Informationen, sondern nur mehr ihre Arbeiten. Und ganz wichtig sind die angefügten Fotos, damit auch für die Mitarbeiter sofort erkennbar ist, worum es sich handelt. Denn wie das bei moderner Kunst durchaus möglich ist, kann es schon einmal zu Missverständnissen kommen, wie Kloser & Pointner am eigenen Leib erfahren mussten. In einer Salzburger Schule etwa landete eine vom Direktor als Schrott verunglimpfte Installation kurzerhand im Müll. „Im Sperrmüll liegen noch zwei Satelliten-Schüsseln, falls Sie noch Fotos machen wollen“, ließ ihnen ein Hausangestellter ausrichten, nachdem die beiden eilig zur Rettung angetreten waren. Auch dieser Frevel wurde nichtsdestotrotz dokumentiert.

Hausbesuche

Ansonsten lernten die beiden die üblichen Licht- und Schattenseiten im Querschnitt der Republik kennen – freundliche und interessierte Menschen hier, grantige und ignorante Zeitgenossen dort. „In Wien waren viele eher genervt, was es am Land teilweise aber natürlich auch gab. Regelrecht stolz über das Kulturgut zeigten sich vor allem die Tiroler“, erzählt Pointner. Nach dem Motto „Gut geplant, ist halb inventarisiert“ organisierten sie ihre Reisen gründlich im Voraus und vereinbarten mit den jeweiligen HausBarockes Theatrum Sacrum im ehemaligen Ursulinenkloster und der jetzigen Universität für Musik und darstellende Kunst in der Seilerstätte, Wien 1. Der Zustand ist allerdings, wie anhand der Klebstreifen sichtbar, eher schlecht.

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Fotos: Kunsterkennung

Kunst

verwaltungen Besuchstermine. Etwa eine Woche wurde pro Bundesland veranschlagt, Linz wurde in drei Tagen durchforstet, am aufwendigsten sei Salzburg-Stadt gewesen: „Kunstmäßig ist das sehr üppig“, so Pointner. Und Wien sei quasi immer wieder zwischendurch begutachtet worden, schließlich haben die beiden Kunsthistoriker ihr Büro in der Seidengasse im 7. Bezirk. Zurück zu Tirol: Dort machten die beiden nicht nur eine ihrer seltsamsten Entdeckungen. Im abgelegenen Brixental wurde das schaurige Folterzimmer in der Polizeistation Hopfgarten dokumentiert – ein Stück Zeitgeschichte, aber auch Theatergeschichte. Felix Mitterer habe dieses Zimmer zum Anlass seines Stückes „Die drei Teufel“ gemacht, erklärt Pointner. Und im Zuge der Inventarisierung der Geisteswissenschaftlichen Fakultät in Innsbruck wurde man wieder auf ein 25 Meter großes Wandmosaik des zeitgenössischen österreichischen Künstlers Hubert Schmalix aufmerksam, das bereits 1985 realisiert worden war. „Das ist ein gutes Beispiel von exzellenter und ausgesprochen › Nr. 9 | 2011 | www.big.at

Die in den frühen 1990ern entstandenen sechs Kontinente von Maitre Leherb sind mit acht mal acht Metern die größten ­Fayencen des 20. Jahrhunderts: Was damit nach Auszug der Wirtschaftsuniversität Wien passiert, ist offen (oben).

„Bedrohte Kunst“: Feuchtigkeit droht eine „Akkord“ genannte Installation von Erwin Wurm vor der Musikuniversität in Graz zu zerstören.

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Thema Kunst

Beliebte Kunst im BG Vöcklabruck: Der „Fliegende Teppich“ Ulrike Lienbachers aus dem Jahr 2006 dient als Treffpunkt, als Freiluftklasse und als Sitz- und Liegegelegenheit in den Pausen und Freistunden (oben).

wertvoller zeitgenössischer Kunst am Bau“, meint Pointner. Prinzipiell regierte bei der Inventarisierung das Prinzip Neugier: „Wir haben alles mit der Kamera aufgenommen, was wir gesehen und für Kunst gehalten haben. Der Wert der einzelnen Stücke war nachrangig.“ So finden sich nun in der Datenbank auch jede Menge unscheinbarer Fassadenmalereien, eine Sonnenuhr von Raiffeisen, gusseiserne Öfen, Dekorationen auf Kriegerfriedhöfen oder Monstranzen in Kirchen. „Uns ging es nicht um den Wert, sondern die Vollständigkeit“, fasst Pointner zusammen.

Vereinbarung in Arbeit

Elegantes Gesamtkunstwerk der frühen 30er-Jahre: das Landesgericht in Krems.

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Um die Bewertung dieses gesammelten Datenschatzes soll es nämlich erst im zweiten Schritt gehen, der derzeit in ­eine Intensiv-Phase gekommen ist. Nun ist die Frage zu ­klären, wem genau diese Kunstwerke gehören und wer sie zu erhalten hat. ­Experten von BIG, Wirtschaftsministerium und Finanzprokuratur haben ein Konzept dazu erarbeitet. Eine grund­legende Vereinbarung gibt es bereits. „­Prinzipiell gehören alle beweg­lichen Kunstwerke in Gebäuden der BIG dem Bund. Daher sollen diese auch in die Bundesmo­ bilienverwaltung des Hofmobiliendepots übernommen Nr. 9 | 2011 | www.big.at


Fotos: Kunsterkennung

Kunst

­ erden“, so Ilsebill Barta, Leiterin des Hofmobiliendepot. w „Grundsätzlich sind wir in dieser Frage einer Meinung“, sagt Katharina Kohlmaier, Leiterin der BIG-Rechtsabteilung, fügt aber hinzu: „Es gibt dabei auch eine Grauzone.“ Bestes Bespiel sind etwa Fresken, die eigentlich mit dem Gebäude direkt verbunden sind – was sie zum Eigentum der BIG macht; handelt es sich jedoch um Fresco-Secco (also Trockenfresken) wären sie theoretisch abnehmbar und dem Bund zugehörig. Ein weiterer Diskussionspunkt betrifft all jene Kunst­ werke, die historisch mit dem Gebäude verbunden sind. Würde etwa der Justizpalast zu einem Hotel umgebaut, wäre die Justitia eine Art Scheidungskind. Wird wiederum ein Gebäude abgerissen und ein mit dem Haus verbundenes Werk gerettet, dann könnte am Ende auch ein Verkauf durch die BIG stehen. Ein Beispiel wäre etwa das große ­Leherb-Werk an der Wiener Wirtschaftsuniversität, die ja 2013 an einen neuen Standort ziehen wird. Wobei sich die BIG laut Experten bei solchen Transaktionen keineswegs eine goldene Nase verdienen würde. „Das Werk ist aufgrund seines Formates und der Substanz eher schwer verkäuflich“, so die Einschätzung eines Kunsthändlers. ‹ Nr. 9 | 2011 | www.big.at

So gut wie unberührt: Hubert Schmalix 1985 entstandenes monumentales Wandmosaik für die Geisteswissenschaftliche Fakultät in Innsbruck (oben).

Raum einer Polizeistation in Hopfgarten im Tiroler Brixental, der früher als Gefängniszelle gedient haben soll. Felix Mitterer hat 1999 in „Die drei Teufel“ ein Stück über diese dunkle Legende verfasst.

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DISKUSSION

Foto: Manfred Seidl

SCHULEN

Das Thema Schule hält sich bereits seit Längerem auf den Aufmacherseiten der österreichischen Tageszeitungen und Magazine. Und das nicht erst seit mäßigen Resultaten heimischer Schüler bei PISA. Der Einfluss des Gebäudes auf die Lernergebnisse ist unbestritten. In der Frage, wie ein optimales Schulgebäude aussehen soll, scheiden sich allerdings die Geister. Mitreden wollen jedenfalls alle.

Basisdemokratisches Wunschkonzert 40

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SCHULEN

Die Bullaugen in der HAK II in Salzburg sind bei den Sch端lern vor allem in den Pausen sehr beliebt und stark frequentiert.

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Diskussion Schulen

Die Heustadelgasse in Wien ist eine ­architektonisch ­bemerkenswerte Schule. Rundum ­zufrieden sind die Nutzer dort aber aus zum Teil ­nachvollziehbaren Gründen nicht. Da ist auch die BIG ­gefragt, für die ­Zukunft zu lernen.

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chon die alten Lateiner wussten: „Quod licet ­Jovi, non licet bovi.“ Frei und auch ein wenig beschönigend übersetzt, dürfen nicht alle das Gleiche. Das erzeugt mitunter sogar ein gerüt­ telt Maß an Missgunst. Auch unter Schulen gibt es also so etwas wie Wettbewerb. Wer unterrichtet nicht gerne die besten Schüler im modernsten Gebäude. Der kommunisti­ sche Ansatz ist dabei eher weniger gefragt. Denn Ge­ schmäcker sind ebenso verschieden wie Führungsstile oder Unterrichtsformen. An diesem Punkt beginnen auch schon die Herausforderungen bei Neubauten oder Sanie­ rungen. Wer soll die Linie vorgeben? Wie viel Basisdemo­ kratie verträgt ein Planungsprozess? Und ist ein vielstim­ miges Konzert am Ende noch harmonisch? Ingeborg Schneider, Direktorin der AHS Heustadelgasse im 22. Wiener Gemeindebezirk, hat die Errichtung „ihrer“ neuen Schule bereits hinter sich. Sie zeigt sich von dem Ge­ bäude „eigentlich“ begeistert. Angetan hat es ihr die helle und transparente Bauweise der Architekten Henke und Schreieck. „Viel Licht und Offenheit zur Außenwelt sind, was sich moderne Pädagogen unter einer Schule vorstel­ len“, sagt Schneider. Zusätzlich, und das ist in einem schnell wachsenden Bezirk wie der Donaustadt besonders wichtig, sorge die Breite der Gänge für genug Platz, um Reibereien zwischen Pubertierenden gleich gar nicht erst aufkommen zu lassen. Entsprechend harmonisch geht es in der Heusta­

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delgasse auch zu. Allerdings werde auch jetzt der Raum schon wieder eng, da deutlich mehr Klassen als geplant in der Schule unterrichtet werden. Sprich rund zehn Jahre nach Errichtung des Objekts platzte man schon wieder „aus allen Nähten“. Und auch bei anderen Kleinigkeiten liege der Teufel be­ kanntlich im Detail. So wäre nicht bedacht worden, dass die Reinigung der gläsernen Fassade aufwendig und teuer sei. Und so sehr die Direktorin ihren auch bei den Schülern sehr beliebten Innenhof schätzt, die Schneeräumung sei nur händisch möglich, weil Maschinen den schicken Stein­ boden beschädigen könnten. Im Sommer ist Schatten Man­ gelware. Ähnliches gilt für die Glasfassade: Im Sommer werden die Innenräume sehr schnell sehr warm, im Winter ist die Beheizung kaum möglich, ohne das Schulbudget zu sprengen. „Das sind“, so Schneider, „Dinge, die man erst im laufenden Betrieb herausfindet.“ Insgesamt wünscht sie sich aber trotz aller Liebe zum Objekt ein „völlig neues Kon­ zept beim Schulbau“.

Offenheit und Orgien

Wesentlich kritischer als seine Kollegin steht Manfred ­Hofer, Direktor der HAK II in Salzburg, seiner 2007 erwei­ terten Schule gegenüber. Und ein kleiner, nur bedingt ernst gemeinter Seitenhieb illustriert dennoch den Wettbewerb der Bildungseinrichtungen untereinander. „Offensichtlich Nr. 9 | 2011 | www.big.at


war, nachdem die Heustadelgasse gebaut wurde, kein Geld mehr da“, so Hofer und war, als es dann doch ernst mit dem Neubau wurde, eher überrascht: „Ich habe jahrelang für ­einen Zubau gekämpft, ohne Fortschritte zu erzielen“, erzählt er. „Dann ist es plötzlich viel zu schnell gegangen. Man sollte sich vorher ein Konzept überlegen und dann erst zu planen anfangen.“ Eines seiner Hauptprobleme mit dem Bau ist gleichzeitig das herausragende architektonische Merkmal: Eine geschwungene Spange, die zwei nebeneinander liegende Schulen verbindet und einen offenen Innenhof erzeugt. „Die war wohl ausschlaggebend, warum der Entwurf den Architektenwettbewerb gewonnen hat“, glaubt Hofer. Die Spange ist bei genauerer Betrachtung aber auch jede ein Problem. Denn die Bauweise auf Stelzen verschwendet Raum, den der von chronischem Platzmangel geplagte Direktor sehr gut brauchen könnte. Nicht nur das: Bei Regen zieht dieser praktische Unterstand sämtliche Raucher aus der Umgebung magisch an, was nicht gerade für Ordnung und Sauberkeit sorgt. Ein „Schildbürgerstreich“ sei der Aufzug im Inneren, der nicht alle Stockwerke erreichen kann und daher im Sinne der Barrierefreiheit durch einen zweiten ergänzt werden muss. Und was sich eines Nachts im nach au- › Nr. 9 | 2011 | www.big.at

« Wir nutzen wirklich  Flexibilität aus, die wir bekommen können.» Elke Delugan, Architektin

Foto: Michael Hetzmannseder

Fotos: Harald A. Jahn

Schulen

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Diskussion

Der Lehrer und Publizist Niki Glattauer sieht im Gespräch mit BIG Business Vorteile für benachteiligte Kinder bei der Ganztagsschule und stellt Pisa schlechte Noten aus.

Foto: Michael Hetzmannseder

■ Sie fordern, dass die Schule von ­allen Beteiligten als Lebensraum betrachtet wird. Würden Schüler und Lehrer das akzeptieren? Glattauer: Am Anfang wahrscheinlich nicht. Ich bin aber dafür, so etwas von oben zu verordnen, dann beginnt es von selbst zu laufen. Lehrerproteste kamen vor allem von ­einer bestimmten Fraktion und ein paar alten Lehrern. In den nächsten Jahren werden sehr viele in Pension gehen, das ist die Gelegenheit für

Glattauer spricht sich vehement für eine Gesamt­ reform des ­„Systems“ aus. Länder sieht er nicht in der ­Verantwortung.

­ inen Paradigmenwechsel. In Wahre heit nimmt eine Ganztagsschule doch Druck von den Lehrern, denn Arbeiten, die jetzt zu Hause passieren müssen, könnten dann an einem gut ausgestatteten Arbeitsplatz in der Schule erledigt werden. Was die Schüler betrifft: Ich denke da vor allem an jene, die zu Hause kein gutes Umfeld haben. Ich selbst unterrichte zum Beispiel welche, die sich daheim zu viert ein Zimmer teilen müssen. Da kann Lernen nicht funktionieren. Eine Ganztagsschule wäre für alle von Vorteil, aber ganz besonders für diese benachteiligten Kinder. Wie viel Freiraum haben Lehrer, was eventuelle Abweichungen vom klassischen Frontalunterricht betrifft? Glattauer: Das kommt auf den Schultyp an. In meiner Schule gibt es nicht

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viel Spielraum. Räumliche Beschränkungen einer hundert Jahre alten AHS, die Schulglocke … Es gibt kleine Reformen, aber die nützen gar nichts. An anderen Schultypen wie HTLs gibt es aber positive Entwicklungen wie zum Beispiel in Richtung Cluster. Das bedeutet klare Zielvorgaben für Schüler, die am Ende des Jahres erfüllt werden müssen. Welcher Lehrer ihnen das Geforderte in welcher Einheit beibringt, ist eigentlich egal. Sind die berüchtigten PISA-Ergebnisse eine Folge der angesprochenen veralteten Konzepte? Glattauer: Dieser Test taugt meiner Meinung nach gar nichts und wird dann auch noch falsch interpretiert. Wie stellen Sie sich eine bessere ­Vernetzung zum Thema Schule vor? Eine Art Schulparlament vielleicht? Glattauer: Ich möchte, dass sich endlich alle Verantwortlichen an einen Tisch setzen. Ganz wichtig dabei ist, dass die einzelnen Bundesländer zusammenkommen, denn dort bewegt sich gar nichts. Meiner Meinung nach sollten die Länder ihre Verantwortung für Schulen überhaupt verlieren – das ganze System gehört zentralisiert. So wie es heute läuft, kommen Ideen und Konzepte dort nämlich nicht an. Was in Wien funktioniert, davon hat man in Vorarlberg vielleicht noch nie was gehört und umgekehrt. Welche Schulen halten Sie für die besten? Ganz allgemein? Glattauer: Die, an denen nichts mehr funktioniert. Das sind zum Beispiel die Polytechnischen Lehrgänge. Dort finden sich kreative Lösungen im Sinne jener Schüler, von denen alle glauben, die sitzen eh nur ihre Zeit ab. ‹

Foto: Manfred Seidl

„Verordneter Lebensraum“

Foto: Manfred Hofer

Schulen

ßen hin offenen Schulhof abgespielt hat, darüber schweigt der diskrete Schuldirektor am liebsten ganz. Die aus lockeren Steinen gebauten Sitzgelegenheiten, die sich trefflich zum Hineinstecken von schwer zu entfernendem Müll ­aller Art eignen, waren jedenfalls im Gegensatz zu einer Sandkiste nicht involviert. Ein Dorn im Auge sind Manfred Hofer auch scheinbare Kleinigkeiten mit großer Wirkung. Ein von ihm gern genanntes Beispiel sind die nicht verfliesten Toiletten. „Die Farbe ist nach nur drei Jahren ab“, sagt er und zeigt dazu gerne das entsprechend unappetitliche Beweisbild. Nicht alle seitens der Direktoren erkannten Mängel sind aber baulicher Natur. So wurde in beiden Praxisbeispielen eine Lösung gewählt, die mit dem Vorteil der offenen Bauweise den Nachteil bringt, dass theoretisch auch unerwünschte Personen Zugang zu dem jeweiligen Grundstück haben. Also eher ein Grundsatzproblem. Auch andere „Unpässlichkeiten“ sind zu relativieren. „Punkto Hygiene sind auch Fliesen mit ihren Fugen nicht das Optimum. Uns ­wurde sogar bereits einmal behördlich untersagt, die Nassräume einer Schule zu verfliesen“, so BIG-Chef Wolfgang ­Gleissner auf den Vorwurf Hofers. Auch der „Schildbürgerstreich“ Aufzugseinbau sei so nicht ganz nachzuvollziehen, da das Behindertengleichstellungsgesetz vorrangig auf ­organisatorische Lösungen abziele. Nr. 9 | 2011 | www.big.at


Foto: Manfred Seidl

Schulen

Generell würde der eine oder andere Schuldirektor aber vermutlich trotzdem gerne mit Manfred Hofer oder Ingeborg Schneider tauschen. So können von der Fußbodenheizung im Winter und entsprechender Kühlung im Sommer viele Direktoren anderer Bildungsbauten im Umfeld der HAK II in Salzburg nur träumen, wie der Direktor einräumt. Und die Weitläufigkeit der Heustadelgasse findet man auch nicht oft in Österreichs Schulen. All diese Aspekte ­heben zwar die existierenden Probleme nicht auf, relativieren sie aber doch erheblich.

« Die BIG sieht es natürlich

Die Lösung für ultimative Zufriedenheit als ihre Pflicht, auf etwaige liegt für beide Direktoren auf der Hand: Mehr Mitspracherecht bei Schulbauten, Planungsmängel hinzuweisen.» auch um neue Konzepte in der Pädagogik Wolfgang Gleissner, BIG-Geschäftsführer) umsetzen zu können. Und im Übrigen müsse man die Gebäude noch nutzen, wenn sich die Erbauer schon lange anderen Projekten zugewandt haben. Derselben Meinung ist auch Architektin Elke Delugan, der allerdings die bürokratischen Grenzen des Schulbaus nur allzu bekannt sind. „Ich würde gerne neue Erkenntnisse in meine Planungen einfließen lassen“, sagt sie. „Das wird jedoch oft von der relativ starren Vorgehensweise beim Schulbau verhindert.“ › Nr. 9 | 2011 | www.big.at

Foto: Michael Hetzmannseder

Mehr Mut zum Spielraum!

In der HAK II Salzburg wurde neben ein klassisches 70er-Jahre-Gebäude eine futuristisch anmutende Spange gebaut – mit Vor- und Nachteilen.

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DISKUSSION

« Man sollte erst ein Pilotprojekt evaluieren, bevor man die traditionelle Bauweise einfach abschafft.» Roland Köll, Asset Manager Schulen

Die erklärt BIG-Geschäftsführer Gleissner genauer: „Das Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur (BMUKK) bestellt eine Schule oder einen Zubau. Es hat bestimmte Wünsche, die wir erfüllen. Grundsätzlich gibt es als Rahmen ein Raum- und Funktionsprogramm, auf die der Architektenwettbewerb aufsetzt, und eine Jury entscheidet sich schließlich für die beste Arbeit. Nach weiterer Abstimmung mit dem BMUKK wird mit dem Bau begonnen.“ Die BIG habe aber selbstverständlich die Pflicht, auf etwaige Mängel hinzuweisen und tut das auch regelmäßig. Klare Kritik an dieser Vorgehensweise äußert Autor und Lehrer Niki Glattauer. „Früher waren Schulen als Kasernen gedacht, in denen Kinder aufbewahrt wurden. Ein Quadratmeter pro Kind, eineinhalb für den Lehrer und noch einmal so viel für einen Holzofen, das war eine Klasse. Nach diesem Muster wird noch heute gebaut. Neubauten sind einfach bessere Kasernen.“ Dem stimmt Elke Delugan nicht ganz zu: „Es gibt schon eine gewisse Flexibilität“, sagt sie. Und in Richtung Unterrichtsministerium: „Die erfordert aber viel Überzeugungsarbeit.“ Noch prägnanter auf den Punkt bringt es Delugans Kollege Peter Riepl und fordert: „Wir brauchen mehr Mut zum Spielraum!“ Punkto Mutlosigkeit fühlt man sich im BMUKK nicht angesprochen. Denn man müsse den vorhandenen Spielraum halt auch SONDERFALL POLGARSTRASSE nutzen. Grundsätzlich betreibe das BMUKK gerade einmal zehn Prozent aller Schulen in Österreich. GeEin Projekt, an dem ein Beteiligungskonzept der nerell sei man aber der einzige Lehrerschaft bewusst erprobt wird, entsteht gerade Schulerhalter ohne gesetzliche oder in der Wiener Polgarstraße im 22. Wiener Gemeinauf Verordnung basierenden Raumdebezirk (siehe Zeitraffer Seite 11). In über vorgaben. Anhand eines Norm900 Stunden arbeitete ein Team aus SchulvertreModells werde jenes Gesamtflätern der „business academy donaustadt“ ein Wachenanbot errechnet, das einen bensystem aus, das der modernen pädagogischen lehrplangemäßen Unterricht siLinie von Schulleiter Christian Posad entgegencherstellt. Die Raumgestaltung, Abkommt. „Die Schule hat sich genau an die Größenfolge von Räumen und Funktionen vorgaben gehalten und sehr gut gearbeitet. Die selbst obläge „idealtypisch“ den Grundidee konnte übernommen werden.“ Sind die Planern im Dialog mit der Schule. Erkenntnisse aus diesem Bau auch auf andere „Allerdings mit der Einschränkung, Schulen umlegbar? „Eher nein“, sagt Regina dass diese Planung auch den UnterStiassny, Asset Managerin Schulen. „Das ist eine richt ermöglicht“, sagt Helmut HAK und die Konzepte können nicht einfach auf Moser, Sektionschef im BMUKK, andere Schultypen umgelegt werden. Gelernt und betont: „Man könnte bei Bunhaben wir aber natürlich in diesem Prozess!“ desschulen daher auch sechseckige

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Foto: BIG

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oder runde Räume bauen. Die scheinen sich aber bisher als nicht sonderlich praktikabel herausgestellt zu haben.“ Die Form obliegt also dem Geschmack von Architekten, Direktoren oder Lehrern. „Zu viele Köche verderben nicht zwangsläufig den Brei“, meint jener Mann, der in der BIG als Asset Manager für Schulbauten verantwortlich ist. Roland Köll hat einen differenzierteren Blick und spielt den Ball nicht zum Ministerium, sondern vor allem zu den Schulen. „Ich glaube nicht“, sagt er, „dass Lehrer, die Frontalunterricht gewohnt sind, plötzlich mit einer 280-Quadratmeter-Klasse umgehen können, wo in einer Ecke die Bastelgruppe der ersten Klasse Lärm macht. Ich finde, man sollte zuerst ein Pilotprojekt in offener Bauweise starten und danach evaluieren. Können die Kinder aus so einer Klasse besser rechnen, besser lesen? An diesen Ergebnissen sollte man zukünftige Planungen ausrichten, bevor man die traditionelle Bauweise einfach so abschafft.“

Grenzen ziehen

Köll kennt natürlich auch die Direktoren sehr gut. „Ich hatte zum Beispiel ein Projekt in Salzburg, das recht typisch für die Wünsche von Schulen ist. Gefordert wurden ein Beachvolleyball-Platz und Spielflächen auf dem Dach. Diese Wunschlisten werden endlos. Da muss man Grenzen ziehen. Als Auftragnehmer des BMUKK müssen wir in erster Linie dessen Anforderungen entsprechen, auch bei der Finanzierung. Es ist trotzdem so, dass die Direktoren immer in den Planungsprozess eingebunden sind.“ Aufgrund der letztgenannten Tatsache kann er auch die Kritik von Manfred Hofer nicht ganz verstehen. „Die hätte schon lange vor Baubeginn geäußert werden können“, wundert sich Köll. „Die BIG bekennt sich zu guter Architektur. Es ist aber so, dass der Funktionsplan Vorrang hat. Unsere Devise ist ‚Form follows Function‘. Durch unsere Erfahrung im Schulbau sind wir in der Lage, Architekten wertvolle Hinweise zu geben. Sinnlose Bauteile, die ausschließlich der Form dienen, werden im Prozess hinausreklamiert. Am Schluss steht ein Gebäude, das eine Einigung zwischen mehreren Beteiligten darstellt.“ Außerdem merkt Köll an: „Kein Mitarbeiter in einem Unternehmen kann seinen Arbeitsplatz selbst planen. Man kann ihn sich herrichten, aber nur selten selbst entscheiden, ob man ein Einzel- oder Großraumbüro haben will. Man muss mit dem arbeiten, was man bekommt.“ Auch auf das spezielle Toilettenproblem von Manfred Hofer geht Köll noch einmal ein, da es ein bisschen symptomatisch sei. „Erstens sind die Vorschriften der BundesNr. 9 | 2011 | www.big.at


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Foto: Fotolia

BeachvolleyballPlätze stehen auf der Wunschliste der Schulen weit oben. Alles ist aber nicht machbar. Gelegentlich sind die Forderungen seitens der Nutzer leicht überzogen und müssen daher auf ein realistisches Maß reduziert werden. Denn irgendwer muss das ja auch zahlen.

länder unterschiedlich. Zweitens halten wir uns an die Vorgaben der Architekten und drittens – wenn der Mieter etwas will, dann bekommt er es auch. Wir haben auch eine Schule mit schwarzen Fliesen, was für mich persönlich ebenfalls etwas befremdlich ist. Das war mit allen Beteiligten so abgestimmt.“ Insgesamt sieht Köll die Thematik sehr abgeklärt: „Man kann es sowieso nicht allen recht machen.“

Im Kompetenzdschungel

Ein Beispiel dafür, wie kompliziert ein Schulbau sein kann, ist der geplante in der Seestadt Aspern im Norden Wiens. 20.000 Menschen sollen im Endausbau auf diesem aufgelassenen Flugfeld wohnen, ebenso viele Arbeitsplätze sollen entstehen. Diese Zahlen verlangen natürlich nach einer Schule. „Und zwar eine, die alles vom Kindergarten bis zur Matura in sich vereint“, sagt Roland Köll. Das ist allerdings leichter gesagt als getan. Denn Gymnasien sind Bundessache, während die Volksschulen dem Land gehören. Und hier beginnt es sich zu spießen. Die Körperschaften haben beispielsweise unterschiedliche Vorschriften, wie Klassenzimmer auszusehen haben. Auch grundsätzliche Fragen des Betriebes – etwa wer die Reinigung von gemeinsamen Bereichen bezahlt – sind Stolpersteine auf dem Weg zur gemeinsamen Errichtung einer Schule. Dem Asset Manager schwebt eine salomonische Lösung vor: „Von außen wird Nr. 9 | 2011 | www.big.at

die Schule wohl wie aus einem Guss aussehen. Innen wird aber eine strikte Trennung herrschen. Das ist auch in Anbetracht der Altersunterschiede eine gute Idee – wer sagt, dass sich Gymnasiasten und Volksschüler verstehen? Wir arbeiten aber auf einige gemeinsame Bereiche hin, um Synergien ausnutzen zu können.“

Die Nachfolgefrage

Mitreden wollen bei der Gestaltung von Schulen praktisch alle. Menschen arbeiten allerdings nur auf Zeit in einem bestimmten Gebäude. Viele der Betroffenen möchten unbedingt ihre eigenen Vorstellungen durchsetzen, was aber den jeweiligen Nachfolgern nicht zwangsläufig gefallen muss. Die klügste Lösung ist daher der Mittelweg. BIG-Geschäftsführer Wolfgang Gleissner pragmatisch: „Die Nutzungsdauer muss länger sein, als einzelne Personen in einem Gebäude arbeiten. Es ist aber so, dass sich Nutzererfahrungen wiederholen, wir daraus lernen und das auch an die Planer weitergeben.“ ‹

DATEN, FAKTEN, ZAHLEN 40 Prozent des Portfolios der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) besteht aus Schulen. Insgesamt verwaltet die BIG 2,8 Millionen Quadratmeter Schulfläche. Für Direktoren und andere Nutzer ist sie erster Ansprechpartner für Wünsche und Beschwerden. Derzeit befinden sich 16 Projekte mit einem Volumen von 192 Millionen Euro in Ausführung. In Planung sind Investitionen von rund 327 Millionen Euro. Besonderen Wert legt Geschäftsführer Wolfgang Gleissner auf die Feststellung, dass die BIG Schulen nach dem Bau nicht abgibt, sondern über die Lebensdauer betreut. Bauund Sanierungsarbeiten werden hauptsächlich über regionale Klein- und Mittelbetriebe abgewickelt.

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Thema

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Das Gebot der Stabilität Das neue Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen in Wien Ottakring setzt globale Maßstäbe – beispielsweise wie lange ein Meter auf der ganzen Welt zu sein hat. Dabei bewegen sich die Techniker in Dimensionen, mit denen Normalsterbliche kaum in Berührung ­kommen. Den Raum dafür hat die BIG geschaffen.

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an nimmt es genau im Bundesamt für Eichund Vermessungswesen (BEV) in Wien, sehr genau: Es geht um Billiardstelsekunden, Millionstelmillimeter sowie Milli- und um Mikrogramm. In so extremen Bereichen des Messens und Wägens ist jede Erschütterung, jede Temperaturschwankung, ja selbst der Schritt eines Menschen in den Messraum eine Fehlerquelle. Die Messgeräte müssen besonders ruhig ­gestellt sein. Der Bau bedarf daher maximaler Stabilität. Stabilität – eine Grundvoraussetzung also für den Neubau des Labortraktes im BEV. Die Anforderungen an die Architekten und Bauleute waren außergewöhnlich. Ein Beispiel: Ein Labortisch mit einer rund 15 Zentimeter starken Platte aus Granit ruht seinerseits auf einem bis zu sieben Tonnen schweren Betonblock. Der wiederum ist auf Luftfedern gelagert. Die fangen Schwingungen ab. „Diese Betonblöcke mussten, obwohl sie Teile der Einrichtung sind, vorgefertigt bereits mit dem Rohbau eingebracht werden und wurden erst später ausgegossen“, erläutert Andreas Stampfer, Projektleiter in der BIG, den baulichen und logistischen Aufwand, die schwierige Planung. Und weil jedes Gebäude eine Eigenschwingung ent­ wickelt, die mit der Höhe zunimmt, wurden besonders sensible Labors möglichst weit unten im Gebäude, also eher im Keller, angesiedelt. ›

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Die Fassade des Erweiterungsbaus in der Wiener Arltgasse ist jedenfalls ein Blickfang. Gleich daneben ist das Stammhaus.

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Thema

Fotos: Gisela Erlacher

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« Wir haben sozusagen eine Wanne gebaut, und in diese Wanne dann erst das Gebäude.» Andreas Stampfer, BIG-Projektleiter

Schwingungen und Erschütterungen von außen kom­ men, wie im Fall des BEV im 16. Bezirk in Wien, vor allem von der Straße. Und deswegen werden sie schon ganz weit „draußen“ am Bau abgefangen. Zwischen dem massiven Baukörper des Kellers und der Umschließung der Baugrube stecken Streifen aus Sylomer. Sylomer ist ein extrem ver­ formungsbeständiger Polyurethan-Schaum. Die massive Bodenplatte des Gebäudes ruht auf einer Kiesschicht, und die wiederum auf einer Unterbetonlage. Auch Boden und Keller sind wärmegedämmt. „Wir haben sozusagen eine Wanne gebaut, und in diese Wanne dann erst das ­Gebäude“, sagt Andreas Stampfer. „Das nennen wir Schwingungsent­ kopplung.“

Logo als Verbindung

Architekt Franz Bernhart erklärt: „In Wien hat man mit ­dieser Technik der Schwingungsentkopplung Neuland be­ treten. Ähnlich konstruierte Gebäude in Bern oder in Ota­ niemi in Finnland stehen jedoch in Ortsrandlagen. In Wien ­Ottakring sind die Rahmenbedingungen also um einiges schwieriger.“ Warum ist nicht das BEV überhaupt an den Stadtrand übersiedelt, wenn schon der Labortrakt so auf­ wendig gebaut werden musste? Das gesamte Amt zu ver­

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legen wäre noch teurer gekommen, sind sich die Experten einig. Und so wurden in zwei Jahren Bauzeit um rund zwölf Millionen Euro zunächst der aus dem Jahr 1960 stammen­ de Bauteil in der Arltgasse und der 27 Meter hohe und 95 Jahre alte Wasserturm im Hof abgebrochen. An dieser Stelle steht jetzt der neue Labortrakt. Der funktionale Stil des goldfarbenen Neubaus mit großen Fenstern in den Obergeschoßen und mit dem fast schwarzen hochgezoge­ nen Sockel kontrastiert auffallend mit dem unmittelbar anschließenden Altbau aus dem Jahr 1916 in beiger Farbe, der Art-déco-Stilelemente erkennen lässt. Nur das Logo des BEV an beiden Gebäudeteilen zeigt, dass sie zusammenge­ hören. Im Altbau mit der Front zur Koppstraße wurde das Tief­ parterre mit diversen Messlabors umgebaut. In einem et­ was mehr als 50 Meter langen Stollen werden Maßbänder kalibriert. „Ein Gebäude im Gebäude, weil der Stollen auch in sich stabil sein muss“, erläutert Andreas Stampfer. Auch darf kein Lufthauch die Messungen stören, keine Tempera­ tur-, keine Feuchtigkeitsschwankung. „Hier haben wir in zwei Monaten zwischen 19,5 und 19,6 Grad, und die ­Luftfeuchte liegt konstant bei 40 Prozent“, sagt Robert Nr. 9 | 2011 | www.big.at


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Wer schon einmal in einem klassischen Wiener Zinshaus war, an dem die Straßenbahn vorbeigefahren ist, hat im Regelfall gespürt, wie die Erde bebt. Im BEV Arltgasse herrscht dagegen absolute Ruhe.

­ delmaier, Leiter des physikalisch-technischen PrüfdiensE tes im BEV, und er setzt hinzu: „So konstant müssen die Bedingungen auch in den neuen Labors sein.“ Wegen des Dehnungsverhaltens der Referenz- und Prüfkörper sind nur sehr geringe Temperaturschwankungen in den Messlabors tolerierbar. Hier kommt die extrem aufwendige Gebäudetechnik zum Zug. Robert Edelmaier führt durch die erstaunlich ­große und umfangreiche Haustechnikzentrale im Dach­ geschoß des Laborneubaues. Ein zentraler Technikschacht zwischen dem alten Gebäudeteil und dem neuen Gebäudeteil für die Labors versorgt alle Räume mit Luft und Klima, mit Wasser, Strom und Gas, mit Druckluft oder Stickstoff. „Das kann kompliziert sein, denn unterschiedliche Messvorgänge brauchen in den einzelnen Labors unterschiedliche klimatische Voraussetzungen“, sagt Edelmaier, „und die wiederum müssen jeweils möglichst stabil ge­ halten werden.“

gewaltig. Eine Anlage pumpt 4.800 Kubikmeter Luft pro Stunde in zwei Laborräume. Das ist das Hundertfache des natürlichen Luftaustausches in einem Gebäude. Die großen Luftmengen bewirken eine konstante Temperatur und konstante Feuchte, und Zugluft wird vermieden. ›

Belüftung

Die Räume werden zu 90 Prozent mit Umluft versorgt, es werden jeweils nur zehn Prozent Frischluft zugemischt. Die Luftmengen, die durch die Labors geschleust werden, sind Nr. 9 | 2011 | www.big.at

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Thema

Fotos: Gisela Erlacher

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«Jedes Land hat sein eigenes Labor, in dem dieses Metermaß mit maximaler Genauigkeit erzeugt wird.» Michael Matus, Leiter des Labors für Längenmessung

„Manche Labors werden durch zahlreiche Löcher im ­ oden von unten be- und nach oben hin entlüftet“, sagt B Andreas Stampfer, „oder durch sogenannte Quelllüfter kommt Luft herein. Das heißt, die Luft quillt über große Flächen aus Lochblech in den Raum, sie strömt nicht. Man spürt nichts von den immensen Luftmengen, die durch den Raum gepumpt werden.“ Auch die Anordnung der Räume im Gebäude folgt dem Ziel der gleichmäßigen Klimatisierung: Im Zentrum ist der

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Technikschacht, links und rechts davon sind die Labors, und außen sind die Gänge. „Ein Zwiebelschalen-Modell“, sagt Robert Edelmaier. „Über den Technikschacht sind die Labors mit Luft, Wasser oder Strom einfach zu versorgen, und die außen liegenden Gänge wirken wie Temperaturpolster.“ Andreas Stampfer ergänzt: „Betonwände und Decken sind aktiviert, das heißt auf 20 Grad vortemperiert.“ Zwischen Gang, Kontrollraum und Messraum muss dann nur mehr ein geringer Temperaturunterschied ausgeglichen werden.

Auf die Länge kommt es an

Ein Laborraum erhält außerdem eine Abschirmung gegen elektromagnetische Strahlung um den Faktor 100 gegenüber der Umgebung, denn auch Messgeräte für Strom werden hier geeicht. Das BEV ist ein Amt, wissenschaftliches Zentrum für Metrologie, also für die Wissenschaft vom Nr. 9 | 2011 | www.big.at


BEV

ZAHLEN, DATEN, FAKTEN Baubeginn Fertigstellung Nettogrundfläche Laborneubau Nettogrundfläche Sanierung (Bestand) Nutzfläche Laborneubau Nutzfläche Sanierung (Bestand) Investitionen

Februar 2009 Februar 2011 2.436 m2 1.793 m2 1.325 m2 1.338 m2 12,1 Mio. Euro

Messen, und das BEV bietet eine Reihe von Dienstleistungen für die Wirtschaft. Längenmessgeräte werden im BEV kalibriert. Wenn es Lasergeräte sind, wird der Femtosekunden-Kammgenerator eingesetzt. Eine Femtosekunde ist eine Billiardstel Sekunde. Eine Sekunde ist mit 9.192.631.770 Schwingungen definiert, die vom Cäsiumatom –133 ausgestrahlt werden. Diese Sekunde wird in den drei „Atomuhren“ des BEV dargestellt. Zeit und Raum sind im BEV keine Gegensätze.

Gütesiegel

Alle Zeitmessgeräte können danach eingestellt, also kalibriert werden. Strommessgeräte nach Ampere, Volt und Ohm werden eingestellt. Wasserzähler, Gaszähler, Durchflusszähler für Tankstellen werden geeicht. Geräte zur Prüfung von Flüssigkeiten, Laserpistolen für die Polizei und vieles mehr erhält das Gütesiegel der technischen Verlässlichkeit im BEV. Nr. 9 | 2011 | www.big.at

Allein das Kilogramm ist noch eine physisch vorhandene Größe: Es ist die Kopie Nr. 49 des internationalen Kilogrammprototyps aus einer Platin-Iridium-Legierung. Das BEV leitet die internationale Koordination des Metermaßes. Ein Meter ist jene Strecke, die Licht im leeren Raum in einer Zeit von 1/299.792.458 Sekunde, also in knapp einer 300-Millionstelsekunde, durchläuft. Dieser Definition haben sich in der Meterkonvention 87 Länder angeschlossen. Michael Matus, Leiter des Labors für Längenmessung, erklärt: „Jedes Land hat sein eigenes Labor, in dem dieses Metermaß mit maximaler Genauigkeit erzeugt wird. Wir in Wien vergleichen im Auftrag der Meterkonvention die Angaben der Länder und sehen, wie nahe jedes Land an diese Definition herankommt, und wir machen Rückmeldungen.“ Man könnte sagen: Das Pariser Urmeter hat ausgedient. Jetzt zeigt Wien, wie lange ein Meter tatsächlich ist. ‹

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Thema Schutzräume

„Schutzbedürftig“

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Aus Angst vor Kriegen hat die Republik Schutzräume geschaffen. 275 dieser Relikte des Kalten Krieges werden derzeit von der BIG verwaltet und unterschiedlich genutzt. Der größte für 1.062 Personen befindet sich im Regierungsgebäude in der Radetzkystraße – und steht für den akuten Ernstfall eher nur bedingt bereit.

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Schutz

Räume

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«Ich werde daher in meinem Geschäftsbereich bei jedem Neubau zumindest Grundschutzräume vorsehen und über Wunsch des beteiligten Ressortministers Schutzräume mit höherem Schutzumfang anordnen.» Vinzenz Kotzina, ehemaliger Bautenminister

A

ngeblich halten die das aus. Selbst wenn jemand 100 Kilogramm wiegt. Ich kann das nicht glauben.“ Walter Lorenz, Objektmanager der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG), richtet ­einen zweifelnden Blick auf das Bettgestell. Statt Matratze und Lattenrost ist die massive Eisenkonstruktion mit ­einem grünen Synthetikstoff umspannt – Marke Baumarkt, allerdings für den Garten-Sichtschutz. Gleich sechs Schlafplätze auf drei Ebenen bietet die Vorrichtung, die naturgemäß weder Luxus noch Intimsphäre bieten kann; jeder, der sich hier zur Ruhe betten möchte, hat nicht einmal Platz, um sich nachts sorgenfrei umdrehen zu können. Denn eine Pritsche misst nur 40 Zentimeter in der Breite bei fast zwei Metern Länge. Die einzige vorgebliche Privatsphäre sollen cremefarbene Vorhänge um die Bettenlager bieten. Benutzt hat sie jedoch noch niemand, denn der Schutzraum im Regierungsgebäude in der Radetzkystraße 2 ­musste bisher noch nicht in Betrieb genommen werden. Mit Platz für 1.062 Personen ist er der wohl größte seiner Art in Österreich und einer von insgesamt 275, die von der BIG betreut werden. Die meisten davon sind Kinder des Kalten Krieges.

Reale Bedrohung

Urvater der öffentlichen Schutzräume ist der damalige Bautenminister Vinzenz Kotzina. Er schreibt am 24. Juli 1967 in einem Vortrag an seine Ressortkollegen: „Ich werde daher in meinem Geschäftsbereich bei jedem Neubau zumindest Grundschutzräume vorsehen und über Wunsch des beteiligten Ressortministers Schutzräume mit höherem Schutzumfang anordnen.“ So richtig wollte, trotz „realer“ Bedrohung aus dem Osten, das Thema aber scheinbar nicht in Schwung kommen. Jahre später kritisiert Bautenminister Karl Sekanina fehlende Klarheit der Zuständigkeiten: „Wenngleich alle wesentlichen Planungs- und Baumaßnahmen in diesem Zusammenhang getroffen werden, sind die meisten so errichteten Schutzräume derzeit noch nicht funktionsfähig, weil ihre Grundausstattung durch das Bundesministerium für Bauten und Technik und die Restausstattung der Schutzräume durch die verwaltenden Ressorts ebenso wie ihre Wartung bis dato nicht geregelt sind.“ Allerdings bleibt in diesem Ministerratsvortrag vom Nr. 9 | 2011 | www.big.at

17. März 1981 ein Hintertürchen offen, um doch noch eine Nutzung zu sichern: „Ferner soll in Zukunft den Möglichkeiten der Doppelverwendung von Schutzräumen besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden.“ Wir schreiben das Jahr 1986. Am 26. April explodiert der Kernreaktor in Tschernobyl, halb Europa wird durch den nuklearen SuperGau verstrahlt. Damit wird die atomare Angst, die der ­Kalte Krieg all die Jahre davor schon verbreitet hat, noch weiter verstärkt. Im Jahr 1986 wird auch das große Regierungsgebäude in der Landstraßer Radetzkystraße eröffnet, wo sich heute Verkehrs- und Gesundheitsministerium befinden. Und ebendort sollten im Fall des Falles die Minister und ­Beamten Schutz finden, weshalb im dritten von vier Untergeschoßen der Groß-Bunker eingerichtet wird. Nach der Reaktorkatastrophe in der ­Ukraine ist allerdings das Schutzbedürfnis konstant gesunken. Somit ist auch der „Keller“ im Bundesamtsgebäude Radetzkystraße in einen Dornröschenschlaf gefallen. Genau 25 Jahre später, im Jahr 2011, ruft das Drama in Japan die teilweise vergessenen Schutzräume in Erinnerung. „Eigentlich ist das ja eine Ebene der Tiefgarage. Wenn es einmal nötig wird, kann man den Schutzraum sofort anders nutzen. 26 Pkw hätten hier Platz“, berichtet Lorenz. 26 Autos oder 1.062 Menschen also – ein Vergleich, der erst die unvorstellbare Enge beschreibt, die bei Vollbesetzung entstehen würde. „Eintritt verboten. Lebensgefahr“, prangt pikan­ terweise oberhalb der massiven Eisentür, durch die es in den Bunker geht. Der (nicht leuchtende) Schriftzug bezieht sich allerdings auf die Garage, falls es etwa einmal brennen sollte. Es riecht modrig dort unten. Die Luft steht, wie in Kellern alter Häuser. „Wir haben hier ein Umluftsystem ohne Luft von außen. Mittels Sandfilter wird die Luft immer gereinigt“, erzählt der BIG-Objektmanager. Allerdings wäre, wenn draußen alles zusammengebrochen ist, die Luft irgendwann zu dünn. „Nach drei Wochen ist der Diesel für das Notstromaggregat aus. Was dann passieren würde, weiß keiner.“ Es ist einer von vielen Punkten, die den riesigen Bunker hinterfragenswert machen. „Man hat sich zwar überlegt, wie man all die Leute hier unterbringt und entsprechend versorgt, aber wie man sie dann hier beschäftigt, hat sich keiner überlegt“, merkt Lorenz an. Gegen den sicher ›

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Wie viele Schutzräume in Österreich existieren, weiß niemand so genau. In den Gebäuden der BIG sind es fast 300. Die wenigsten davon sind allerdings für den Ernstfall bereit.

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Thema Schutzräume

scheinenden Lagerkoller gebe es weder Spiele noch Handy oder Internet. „Hier herunten hat man keinen Empfang. Der einzige Draht nach außen ist eine Telefonverbindung.“ In einem Eck steht tatsächlich ein Telefon, mit Wählscheiben aus den 70er-Jahren. Funktionieren tut es nicht. „Wir haben das abgedreht, weil sonst Leute herunterkommen und gratis raustelefonieren.“

Volle Infrastruktur

Die Basisversorgung wäre aber – zumindest theoretisch – gegeben: Eine Zisterne für 20.000 Liter und eine Küche wurden eingeplant. Allerdings ist beides derzeit nicht für den Ernstfall vorbereitet. Aus Kostengründen ist weder die Zisterne befüllt noch die Küche mit Lebensmitteln oder Tellern bestückt. „Anfangs wurden die Vorräte immer ­wieder vernichtet und neue gekauft. Das hat man dann aufgegeben“, erzählt Lorenz. Und aus der Küche seien auch immer wieder Besteck und Geschirr entwendet worden, weshalb man auch das rausgeräumt habe. So konnten die den Mietern verrechneten Kosten für den Schutzraum auf ein Minimum gesenkt werden; pro Jahr sind es in der ­Radetzkystraße rund 12.000 Euro – vorwiegend für Wartungsarbeiten. Und geheizt werden kann der Raum mangels Heizung auch nicht: „Jeder Mensch strahlt pro Stunde etwa 40 Watt ab. Also bräuchte hier herunten niemand Wärme“, gibt Lorenz

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Fotos: Michael Hetzmannseder

Kuscheln ist gefragt. Auf den Notschlafstellen käme man einander zwangsweise näher. Infrastruktur wie Elektrizität und Wasser existiert. Und auch bei Stromausfall fände man den Weg.

zu bedenken. Nachsatz: „Klimaanlage gibt’s selbstverständlich aber auch nicht.“ Funktionstüchtig sind hingegen die Toiletten, denn die sind derzeit an die Hauswasserleitung angeschlossen. WCs mit fließendem Wasser gibt es seltsamerweise im großen Bunkerraum für die Beamten, nicht aber im separaten Teil für die Minister. Diese beiden Räume, die sich hinter extra dicken Tresortüren befinden, bieten nur Toiletten-Vorrichtungen mit Auffangsackerl. „Wahrscheinlich deshalb, weil es bei 1.000 Leuten sonst zu viel stinken würde“, mutmaßt Lorenz über die Beamten-Privilegien im Bunker. Spiegel – auch nicht für die Damen – gibt es da wie dort nicht, damit sich niemand freiwillig oder unfreiwillig verletzt. Ansonsten hätte es die Ministerriege etwas bequemer in ihrem ­Separee: orange Scheibtischsessel im 70er-Jahre-Chic, Schreib­tischkojen im Design-Mix aus Heurigenbank und Nr. 9 | 2011 | www.big.at


SCHUTZ

RÄUME

Foto: BIG

FACTS

Das Amtsgebäude in der Radetzkystraße im 3. Wiener Bezirk hat den größten funktionierenden Schutzraum im Untergeschoß.

Volksschulgarderobe, extra mit Schaumstoff im Rücken gestärkt. Und wer von hier nach draußen will, kann durch ein Loch in der Mauer entfliehen. „Dieser Notausgang geht auf die Vordere Zollamtstraße raus“, sagt Lorenz. Leuchtstreifen, die im Finsteren grell-grün strahlen, weisen den Weg hinaus; und auch andere wichtige Leitungen sind derart markiert. Ein Hauch von Disco-Feeling im finsteren Bunker kommt auf. „Sie werden es nicht glauben, aber vor Jahren gab es eine Anfrage, ob man hier ein Clubbing veranstalten könne“, erzählt Lorenz. Das Begehren wurde ebenso abgelehnt wie der Wunsch, eine ORF-Sendung hier auszurichten. „Für die Scheinwerfer wäre der Raum zu niedrig gewesen.“

Zweckentfremdet

Ob der Schutzraum im Krisenfall wirklich zur rettenden Einrichtung werden kann, ist fraglich. Vor allem sei ungeklärt, wer die Organisation übernimmt: „Wer stellt sich hin und bewacht den Eingang? Was passiert, wenn der Raum bereits voll ist und noch jemand hinein will?“, skizziert Fritz Seda von der BIG offene Fragen, auf die es keine Antworten gibt. Nicht nur aus diesem Grund werden in neue Gebäude keine Schutzräume mehr eingebaut. Denn mit dem Kauf des Immobilienportfolios der Republik durch die BIG sind die Karten neu gemischt. Schutzräume müssen seit mittlerweile rund zehn Jahren bei Neubauten oder Erweiterungen explizit bestellt und damit auch bezahlt werden. Die Nachfrage tendiert aktuell gegen null. Allerdings hat die BIG mit den existierenden 275 sowieso genug zu tun. Einige davon werden indes schon anderweitig genutzt – teilweise in einer Form, die man eher nicht erwarten würde. Bestes Beispiel ist der Schutzraum im Institutsgebäude der Karl-Franzens-Universität in der Grazer Schubertstraße: Dort nutzen Psychologen den Bunker als Schreiraum, wo sich Patienten im Zuge einer Therapie so richtig die Seele aus dem Leib brüllen können. Schließlich ist der Schutzraum ob seiner (Schall-)Isolierungen besonders gut dafür geeignet. Der Bunker im Amtsgebäude am Josef-Holaubek-Platz 1 in Wien-Alsergrund wiederum wird von der dort ansässigen Polizei zum Einsatztraining genutzt; Betten und SanitäranlaNr. 9 | 2011 | www.big.at

Rund zwei Millionen Schutzraumplätze gibt es in Österreich, die meisten davon in Privathäusern. In Bundesbauten stehen rund 160.000 Plätze zur Verfügung, allerdings ist ein Großteil der Räumlichkeiten nicht für den Ernstfall gerüstet. Laut Experten stehen nur für rund vier Prozent der Bevölkerung einsatzfähige Schutzräume bereit. Auch von den 275 Schutzräumen der BIG werden nur 64 regelmäßig gewartet, und in knapp der Hälfte der Räume befindet sich überhaupt eine Einrichtung. Drei der Schutzräume wurden von der BIG bereits verkauft. Gemäß Önormen müssen die Schutzräume nach dem Typus „Grundschutz“ gegen das Eindringen chemischer und biologischer Schadstoffe gerüstet sein und bei nuklearer Rückstandsstrahlung einen Schutzfaktor kleiner als 1/250 (= 0,004) erreichen. Außerdem müssen sie erdbebensicher sein, Einstürzen, Bränden sowie Explosionen standhalten können.

gen sind dort im Originalzustand erhalten, damit könnte der Raum auch theoretisch weiter als Schutzraum genutzt werden. Zu einem richtigen „Krisenzentrum“ ausgebaut haben Mitarbeiter des Oberlandesgerichts Linz in der Gruberstraße den vorhandenen Schutzraum: Sollte es also etwa zu einem Anschlag oder einer Naturkatastrophe kommen, würde der mit EDV-Arbeitsplätzen ausgestattete Raum zum Refugium der Entscheidungsträger, um im Notfall Zugriff auf wichtige Dateien zu haben. Andere Lösungen gibt es in Form von Bibliotheken („Zahngebäude“ der Universität Graz), Tischtennis- und Tischfußball (Villacher St. Martin-Gymnasium) oder Garderoben (Gymnasium Polgarstraße in Wien 22). Für die Zukunft schwebt der BIG ein Modell vor, bei dem auch all die anderen Schutzräume sukzessive anderweitig genutzt werden können, ohne dass neue Kosten entstehen. „Umbauten und Umwidmung sollen aber nur auf schriftlichen Wunsch des Bundesmieters und natürlich unter Zustimmung der Baubehörden erfolgen“, so BIG-Manager Fritz Seda. Übrigens ist generell zweifelhaft, ob die Regierungsspitze im Ernstfall tatsächlich in die hauseigenen Bunker flüchten würde – immerhin gibt es in St. Johann im Pongau ja auch den sagenumwobenen „Regierungsbunker“, der vom österreichischen Bundesheer betrieben wird. Der ein Kilometer lange Stollen gilt als Österreichs Lebensnerv im Katastrophenfall und wird daher rund um die Uhr voll in Betrieb gehalten – allein 250 Beschäftige arbeiten für die „Einsatzzentrale Basisraum“, wie es offiziell heißt. Im Ernstfall wären laut Bundesheer die Spitzen des Staates da, denn eine eigene Etage im Bunker ist für das staatliche Krisenmanagement reserviert, inklusive voll ausgestatteter Sitzungszimmer und Büros. Auch verfügt das Bundeskanzleramt über ein eigenes Rechenzentrum im Berg. Laut Insidern ist der Pongauer Bunker gegen Angriffe von außen besser geschützt als die Al Kaida in ihren Höhlen. Insgesamt könnten rund 500 Personen völlig autark im Berg existieren – allerdings nicht nur drei Wochen wie in der Radetzkystraße, sondern gleich bis zu drei Monate. ‹

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400 Meter bohrt sich der Stollen durch den Berg. Im Vordergrund die Abdeckung einer Tiefbohrung, die 150 Meter tief reicht und Messgeräte aufnehmen wird. Insgesamt wurden 30.000 Kubikmeter Gestein ausgehoben.

Diese fein gesponnenen Tentakel lauschen rund um die Uhr in die Erde.

Lauschangriff aus Muggendorf Auf dem Trafelberg im verschlafensten Teil Niederösterreichs werden Ereignisse von globaler Bedeutung erforscht.

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Fotos: big

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igentlich erwartet man hier nichts mehr. Außer vielleicht einen schnellen Blick auf einen Fuchs und einen Hasen, die sich Gute Nacht sagen. ­Eine Forststraße voller Schlaglöcher führt durch den Paßtaler Wald, Felswand auf der einen, Abgrund auf der anderen Seite. Doch kommt man in rund 1.000 Metern Seehöhe an, tun sich ganz neue Perspektiven auf. Auf einer Fläche von rund einem Hektar Größe liegen in dieser sehr ruhigen Ecke merkwürdige Gebilde auf dem Boden und strecken Tentakel in alle Richtungen. Dicke Rohre ver­ binden kleine Kieshaufen. Eine surreale Marslandschaft? Mitnichten. Willkommen im Conrad-Observatorium der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG). Geodynamik ist die Lehre von den Erdbewegungen. Weil der Trafelberg so weit abseits liegt, durch besonders eisen­ armes Gestein fast kein Magnetfeld aufweist und sich nicht einmal Touristen hierher verirren, ist er die ideale Ba­ sis für eine Forschungsdisziplin, die allerhöchste Präzision Nr. 9 | 2011 | www.big.at

erfordert. Keine leichte Aufgabe für die Bundesimmobilien­ gesellschaft (BIG), die auch im momentan laufenden zwei­ ten Bauabschnitt Stollen und ein Gebäude errichtet. Das Observatorium liegt, trotz sichtbarer Außenbauten, im Berginneren. Im ersten Bauabschnitt wurden Büros im Fels errichtet, im laufenden zweiten kommt zu neuen ­Stollen auch ein Holzgebäude dazu.

Space Weather, GPS und launische Magnetfelder

Der Herr über den Trafelberg ist Roman Leonhardt, Leiter des Conrad-Observatoriums. „Im zweiten Teil, der gerade gebaut wird, führen wir ausschließlich magnetische For­ schung durch. Dabei geht es einerseits um das Erdmagnet­ feld als auch die Wechselwirkung mit der Sonne. Der Fach­ begriff dafür ist Space Weather.“ Und was hat das mit uns zu tun? „Sehr viel“, so Leonhardt weiter. „Beispielsweise mit der Navigation auf der Erde. ­Neben GPS muss immer ein zweites System verfügbar sein, ›

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Außerirdische Perspektiven im tiefen niederösterreichischen Wald: Diese Messtürme versorgen sich selbst mit Strom.

denn ein Satellit kann ausfallen. Das Erdmagnetfeld ist da verlässlicher, bewegt sich aber auch ständig – um mehr als 20 Grad zwischen dem magnetischen und dem geografischen Nordpol seit Beginn der Aufzeichnung. Hier liefern wir die Daten zur Nachjustierung von Navigationsinstrumenten. Außerdem wird das Magnetfeld immer schwächer. Insgesamt um zehn Prozent seit Beginn der Beobachtungen vor 170 Jahren. Das ist eine ganze Menge für etwas, das seit drei Milliarden Jahren existiert. Wir forschen, was da gerade passiert, denn solche Schwankungen können auch auf der Erde große Auswirkungen haben. Das Magnetfeld wirkt nämlich wie ein Schutzschild für die Erde. Wird es schwächer, erreicht uns mehr Sonnenwind. Das gibt einerseits schöne Polarlichter, kann aber auch zum Ausfall von technischen Geräten führen.“

Ein metallfreier Berg

Um diese Messungen möglich zu machen, muss das Observatorium strengen Vorschriften entsprechen. Zum Beispiel was störende Magnetfelder betrifft – und damit praktisch jedes Metallteil in der Umgebung. Die Bauhütte, einige ­Meter unterhalb der eigentlichen Baustelle, zeigt, worauf die Wissenschaftler der ZAMG viel Wert legen: Sie ist aus Holz. „Und natürlich hatten wir Mäuse drin“, lacht BIG-Projektleiter Gerald Kaufmann. „Im Ernst: Die Forscher sind sehr heikel, was Magnetismus betrifft.“ Wegen dieser Besonderheit durfte auch in der Konstruktion kein Metall verwendet werden, was die traditionelle Bauweise mit Stahlbetonmantel über den Haufen warf. Kaufmann musste daher tief in die Trickkiste greifen, um den Anforderungen der ZAMG gerecht werden zu können. Ersatz aus Kunststoff wurde gefunden, leichter, aber ge-

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nauso tragfähig. Außenkonstruktionen werden aus Holz errichtet. Trotz aller Planung und Expertise bleibt so ein Tunnel immer ein wenig unberechenbar. „Bei so einem Projekt freut man sich, wenn man das Licht auf der anderen Seite sieht und es ist nichts passiert“, sagt Kaufmann. „Über dem Stollen sind immerhin 50 Meter massives Gestein, und während der Bauarbeiten sind wir immer wieder auf Höhlen gestoßen, die in der geologischen Untersuchung nicht gefunden wurden. Außerdem ist im Berg viel Wasser, das wir erst unter Kontrolle bringen mussten.“ Für Gerald Kaufmann eine ganz neue Erfahrung: „Jede verlorene Schraube wurde buchstäblich mit Metalldetektoren gesucht.“ Diese Voraussetzung für die Magnetfeldforschung hat übrigens auch Nebenwirkungen, die nicht einkalkuliert waren. „So richtig sauer ist zum Beispiel die örtliche Jägerschaft“, erzählt Kaufmann. „Nicht nur, dass rund um die empfindliche Station Jagdverbot herrscht, weil das Metall und der Lärm von Flinten die Geräte durcheinander­ bringen. Das Wild ist so schlau, sich in diese ruhige Zone zurückzuziehen. Das ärgert die umliegenden Pachten.“

Katastrophen unter dem Paßtaler Wald

Deutlich mehr Konsequenzen als ein Geweihmangel an so manches Waidmanns Wand hat die Arbeit, die in den Kavernen verrichtet wird. Die werden nicht nur genutzt, um nach Erdbewegungen zu lauschen oder Magnetfelder zu messen. Das Conrad-Observatorium ist Teil eines interna­ tionalen Verbundes ähnlicher Einrichtungen und die ­Wiener UN-Vorfeldorganisation CTBTO (Comprehensive Nuclear-Test-Ban Treaty Organization/Vertragsorganisation über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen) beNr. 9 | 2011 | www.big.at


Muggendorf

treibt dort ein Testgelände. Sie lauschen nach InfraschallWellen (also solche weit unter dem menschlichen Hörbereich), die sich durch den Erdmantel ausbreiten. Hervorgerufen werden sie durch tektonische Verschiebungen oder eben große Explosionen wie Atomtests. Die CTBTO ist mit rund 320 ähnlichen Messstationen in aller Welt vernetzt, die verschiedene Aufgaben im Bereich der Überwachung von Atom-Sperrverträgen erfüllen. In dieser einsamen ­Gegend mit Blick auf die Rückseite des Schneeberges ist es also möglich, einen nordkoreanischen Atombombentest zu hören – oder auch das Erdbeben in Japan, das im März 2011 zur Katastrophe von Fukushima geführt hatte. Messungen von geodynamischen Ereignissen, die am anderen Ende der Welt stattfinden, werden mit Seismo­ grafen durchgeführt. Die schlagen zwar auch aus, wenn jemand auch nur denselben Raum betritt, können aber unter ruhigen Bedingungen weltweite tektonische Bewegungen erfassen. Für solche Zwecke verwenden die Wissenschaftler Detektoren, die dank Tiefbohrungen noch 150 Meter ­tiefer im Berg liegen als die Forschungsstation selbst. Die Messdaten dieses hochempfindlichen globalen Lauschnetzwerkes haben neben den militärischen auch ­zivile Anwendungsmöglichkeiten: So werden seismische Daten selbstverständlich an Tsunami-Warnstationen weitergereicht. Insgesamt gibt es weltweit rund 60 Messsta­ tionen, die mittels dieser Methode nicht nur ein Ereignis ­erfassen, sondern auch seine genaue Ursache herausfinden können.

Letzte Arbeiten am zweiten Bauabschnitt, bevor die Wissenschaftler mit ihren Geräten einziehen.

Tiefbau-Probleme in luftiger Höhe

Die nur in liberalster Auslegung so zu nennende „Straße“ auf den Trafelberg stellt auch Laien vor die Frage: Wie soll da jemals eine Baumaschine hinkommen? „Wir arbeiten mit erfahrenen Tunnelbauern zusammen“, sagt Gerald Kaufmann dazu. „Diese Firma war zum Beispiel in Chile und hat 2010 mitgeholfen, die gefangenen Bergleute zu Hinter dieser Fassade verbergen sich die Büros im Berg. ­befreien.“ Trotzdem: Es ist eine Herausforderung für Mensch und Maschine, die Tonnen an benötigtem Material hinauf- und rund 30.000 Kubikmeter Aushub hinunterzubringen. Als wäre das nicht genug Herausforderung, kommen auch Querschüsse von unerwarteter Seite. So bestand der Brandschutz-Beauftragte von Muggendorf etwa auf einen Löschteich mit 50.000 Litern. Doch die nächste Feuerwehr ist etwa zehn Kilometer ent« Jede verlorene Schraube wurde fernt im Tal. „Bevor die hier sind und den buchstäblich mit Metalldetektoren Teich anzapfen, brennt schon der ganze Berg“, ist Kaufmann sicher. „Außerdem, gesucht.» was soll hier brennen? Es ist eine Höhle.“ Gerald Kaufmann, BIG-Projektleiter Die Wissenschaftler, die hier bald einziehen, werden eine perfekte Arbeitsumgebung vorfinden, an der nichts mehr an die kleinen Ärgernisse der insgesamt erfolgreichen Bauphase erinnern wird. Der Baulärm der Bagger wird abgelöst sein durch die grollenden Geräusche von fernen Erdbewegungen. Und vielleicht einem Hasen, der dem Fuchs leise „Gute Nacht“ sagt. ‹ Nr. 9 | 2011 | www.big.at

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Ein Quantum Erkenntnis E

s ist ruhig in der Halle, die von dem hohen Reaktorgefäß in der Mitte beherrscht wird. Über eine Metalltreppe kann man an den Rand des Reaktors hinaufsteigen und hineinschauen in das ruhige, bläulich-helle Wasser, in dem die Brennstäbe gekühlt werden. Um den Reaktor herum sind Arbeits- und Labortische gruppiert, an denen Wissenschaftler vor ­Computerbildschirmen arbeiten. Das Gemurmel leiser Gespräche ist zu hören, ab und zu unterbrochen von einem deut­lichen Schnalzen, gefolgt von einem sekundenlangen ­Zischen. „Was Sie da hören, sind Experimente mit Neu­tronen“, erläutert Universitätsprofessor Hannes-Jörg Schmied­­mayer, Leiter des Atominstitutes der Technischen

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Universität Wien (ATI), und deutet auf lange, weiße Schläuche, die vom oberen Rand des Reaktorgefäßes hinunter­ reichen zu den Labortischen. Durch die Schläuche werden Proben vom Labor in den Reaktor geschossen und nach der Bestrahlung wieder in das Labor zurückgeholt, ohne dass der Wissenschaftler seinen Arbeitsplatz verlassen muss. „Unser Reaktor wird in erster Linie als Neutronenquelle benützt“, fährt der Physikprofessor fort, „die Leistung mit 250 Kilowatt thermisch ist nicht höher als die eines mittleren PKWs.“ Der Reaktorkern besteht aus 80 Brennelementen. Die maximale Temperatur liegt bei 200 Grad. Im Notfall wird der Reaktor automatisch oder von Hand aus in ­einer Zehntelsekunde abgeschaltet. Wegen der geringen Nr. 9 | 2011 | www.big.at

Foto: TU Wien

Bis vor Kurzem schossen im Wiener Prater die Atomteilchen von der Öffentlichkeit unbemerkt, aber selbstverständlich kontrolliert hin und her. Durch das Erdbeben in Japan waren die Forscher des Atominstituts plötzlich medial gefragte Experten.


Atominstitut

Foto: BIG

Foto: TU Wien

Quasi im Wiener Prater, umgeben von Kleingärten, werden auch die Atomphysiker von morgen ausgebildet.

Leistung des Reaktors, der 1962 erstmals kritisch wurde, können noch 50 Brennelemente von der ersten Ladung verwendet werden. Ausgebrannte Brennelemente werden an die USA zurückgestellt. Hersteller des Forschungsreaktors vom Typ TRIGA Mark II ist General Atomic. Weltweit sind 50 Reaktoren dieses Typs in Betrieb, davon zehn in Europa. Der Prater-Reaktor, wie er auch wegen seines Standortes am Rand des Wiener Praters heißt, dient der Forschung und der Ausbildung in Atom- und Reaktorphysik, Strahlenphysik und Strahlenschutz, Umweltanalytik und Radiochemie, Messtechnik und Festkörperphysik. „Wir haben während der Reaktorkatastrophe in Japan ganz bewusst unsere ­jungen Wissenschaftler den Medien als Experten zur Verfügung gestellt, um unsere Kompetenz unter Beweis zu stellen“, betont der Dekan der Fakultät für Physik an der TU Wien, Gerald Badurek.

Stabiles Land

Am Prater-Reaktor werden auch Experten der Internationalen Atomenergie Organisation (IAEO) ausgebildet, deren Aufgabe es ist, rund um die Welt Atomprogramme der ­einzelnen Länder zu überprüfen, ob nicht unerlaubt an Atomwaffen gebastelt wird, ob also der Atomwaffensperrvertrag eingehalten wird. „Unser Reaktor ist daher wichtig für Wien als Standort der IAEO und der UNO“, sind sich ­Dekan Badurek und ATI-Leiter Schmiedmayer einig. „Die Ausbildung auf einem so heiklen Gebiet in einem westlichen und politisch stabilen Land, keine zehn Minuten mit Nr. 9 | 2011 | www.big.at

dem Taxi von der UNO-City entfernt, ist ein wesentlicher Standortvorteil“, meint Schmiedmayer. Er gehört zu jenen Professoren, die in den letzten Jahren neu an das Atominstitut berufen wurden, und die neue Schwerpunkte gesetzt haben, vor allem auf dem Gebiet der Quantenphysik. „Die internationale Bedeutung des Atominstitutes steht und fällt mit den richtigen Berufungen“, betont Dekan Badurek, selbst Forscher auf dem Gebiet der Quantenphysik. Er sieht die besten Chancen für das Atominstitut in der Tradition eines Helmut Rauch, ein Koryphäe der modernen Quantenphysik in Österreich. Zu dessen Schülern zählt auch Anton Zeilinger. Zeilinger ist zum ­ersten Mal eine Form der Quan­ten-­Teleportation gelungen. Auch « Die internationale ­Helmut Rauch war Leiter des ATI, Schmiedmayer ist einer seiner Bedeutung des Nachfolger: Ausgebildet in Wien, Atominstitutes steht nach Zwischenstationen in Harvard und am Massachusetts Instiund fällt mit den tute for Technology (MIT), war er richtigen Berufungen.» zuletzt Physikprofessor an der UniGerald Badurek, TU Wien versität Heidelberg und hatte eine Gastprofessur in Beijing. Jüngster Streich von Schmiedmayer und seinem Forscherteam: Bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt ist es ­gelungen, Atompaare zu erzeugen. Jedes fliegt in eine andere Richtung, sie gelten jedoch als quantenphysikalische ›

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Thema

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Das Element Wasser ist zur Kühlung der Brennstäbe essenziell.

­ opien voneinander. Das eine Atom kann nicht beschrieK ben werden, ohne auch das andere zu beschreiben. Ähnliche Experimente sind bisher nur mit Lichtteilchen gelungen, jetzt also auch mit Materie. Diese Atom-Zwillinge könnten zu Quanten-Messverfahren führen, deren Präzi­ sion jene der klassischen Physik weit übertrifft, meint Schmied­mayer.

Aus Minus wird Plus

Fernziel der Forschung am ATI ist die technische Nutzung der Quantenwelt. Die aber zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass sie mit dem Hausverstand kaum zu begreifen ist. Schmiedmayer: „Was wir jetzt und hier machen, sind Ex­ perimente, die man vor 50 Jahren erst als Gedankenexperimente bloß angedacht hat. Jetzt ­können wir sie im Labor ausfüh«Wenn ich wüsste, wie man ren. Zum Beispiel, dass sich ein Neutron, also Materie, zugleich Quantencomputer baut, würde an zwei Punkten aufhalten kann. ich nicht hier sitzen …» Dass Materie genauso wie Licht Hannes-Jörg Schmiedmayer, TU Wien Interferenzen aufweisen kann. Oder zum Beispiel ein Neutron, also ein Teilchen, das einen Drehimpuls hat: Wenn man es einmal um 360 Grad dreht, bekommt es ein Minuszeichen, es verändert sich. Man muss es zweimal um 360 Grad drehen, damit es wieder identisch wird. Das ist eine ganz fundamentale Quanten­eigenschaft von Materie, die hier das erste Mal gezeigt wurde.“ Dekan Gerald Badurek zeigt gern einen kurzen Film, der am Atominstitut gedreht wurde, und in dem versucht wird, die Quantenphysik verständlich zu machen. Eine Darstellung betrifft das sogenannte Doppelspalt-Experiment, in dem Teilchen ihr Verhalten ändern, je nachdem, ob sie gemessen werden oder nicht. Irgendwann stellte

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sich einer der Physiker die Frage: „Treten Gegenstände oder Phänomene in den Zustand der Existenz erst ein, wenn sie beobachtet und gemessen werden? Sind sie sonst gar nicht vorhanden?“ Das geht natürlich sehr stark in den philosophischen Bereich – sozusagen ein Quantum Erkenntnistheorie am Atom­institut. Im Bereich der angewandten Quantenphysik arbeitet Professor Arno Rauschenbeutel an ultradünnen Glasfasern, die hochempfindliche Sensoren und Werkzeuge darstellen, mit denen Atome und Moleküle im Nanobereich nachgewiesen und manipuliert werden können.

Grundlagenforschung in neuen Büros

Im Hintergrund geistert immer wieder der Quantencomputer durch die Diskussion, der den binären Computer unserer Tage alt aussehen ließe. Da ist Schmiedmayer vorsichtig: Es könnte in den nächsten Jahren schon Experimente geben, meint er, die an die Grenze der Leistungsfähigkeit heutiger Rechner stößt. Aber für einen Quantencomputer fehlt einfach die Technologie, wie wir sie in der Halbleitertechnologie bei unseren Computern haben. „Wenn ich wüsste, wie man Quantencomputer baut, würde ich nicht hier sitzen, sondern etwas Geld an der Börse holen, und ich würde es ­sicher kriegen. Aber wir betreiben hier Grundlagenforschung, die extrem spannend ist. Man darf sich nicht dazu versteigen, Dinge jetzt zu fordern, die 50 Jahre oder mehr in der Zukunft liegen“, bremst er die Erwartungen. Für die neuen Forschungsschwerpunkte braucht es neue Labors. Und so hat die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) im Atominstitut am Prater in Wien ein großes Umbauprogramm gestartet. Insgesamt 15 Labors wurden neu gebaut, davon zehn für quantenoptische und neutronenphysi­ kalische Experimente der drei in den letzten Jahren­ neu ­berufenen Professoren Jörg Schmiedmayer, Arno ­Rauschenbeutel und Hartmut Abele. Fünf neue Labors sind den traditionellen Arbeitsbereichen Radiochemie, Röntgenologie und Tieftemperatur zugeordnet. Zugleich wird eine neue Kälteanlage installiert, die Elektroinstallationen erneuert und die Heizung von Öl auf Gas umgestellt. „Man darf nicht vergessen, dass der Bau aus den Fünfzigerjahren stammt“, sagt Johannes Sterba, ausgebildeter Strahlenphysiker, jetzt aber für den Umbau verantwortlich. Nächstes Jahr werden 50 Jahre Atominstitut gefeiert. Und da wird der Prater-Reaktor in neuem Glanz erstrahlen. ‹ Nr. 9 | 2011 | www.big.at


Galerie

Real Vienna 2011

Am Stand der BIG herrschte reges Treiben. Besonders interessant für die Besucher: das Modell Campus WU in Wien …

Am 24. und 25. Mai fand wieder die Real Vienna im Messezentrum statt. Die BIG war natürlich mit dabei! 

Fotos: BIG

BIG-Geschäftsführer Wolfgang Gleissner im entspannten ­Gespräch mit ­Geschäftspartnern.



Rafael Reinisch, BIG Facility Services, ­informiert ­Interessenten ­genauestens über die Angebote.

… das von den Projektmanagern Maximilian Pammer und Christoph Sommer (WU) auch ausführlich präsentiert wurde. Mehr zur neuen Uni lesen Sie auf den Seiten 2 und 3!

Auch die Politik fand sich am Stand ein: Geschäftsführer Wolfgang Gleissner mit LH Erwin Pröll und EU-Kommissar Johannes Hahn. Rechts: Gerhard Baumgartner, Objektmanagement-Team NÖ Süd & Burgenland.

Städtetag 2011

Der weithin sichtbare orange Stand zog auch am Städtetag vom 25. bis 27. Mai in St. Pölten jede Menge Interessierte an.

Fotos: BIG

Die Hofburg gehört zwar nicht der BIG, Hausherr Bundespräsident Heinz Fischer ließ sich aber ein Kickerl mit Geschäftsführer Wolfgang Gleissner nicht entgehen!

Die BIG informierte Vertreter der österreichischen Städte in entspannter Atmosphäre über ihre Leistungen.

Nr. 9 | 2011 | www.big.at

In stimmungsvollem Rahmen lässt es sich trefflich über künftige Geschäfte reden.



Starker Andrang, denn die Services der BIG werden für Städte immer attraktiver!

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Nr. 9 • Juni 2011 • www.big.at


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