BIG Business 1/14

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www.big.at Ausgabe Nr. 15 • Juni 2014

Das Magazin der Bundesimmobiliengesellschaft

Nur nicht ins Altersheim!

Aufgrund des demografischen Wandels sind diverse Wohnformen für Senioren stark nachgefragt. Ein Marktüberblick.

Kantine mit Haube

Dem Direktor der größten heimischen Schule gelang es, für seine neue Küche auch einen entsprechenden Koch zu gewinnen.

BIG Business Nr. 15 • Juni 2014 • www.big.at


Inhalt

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Foto: 2013 BOANET.AT

BIG Business Inhalt

Impressum

Foto: Harald A. Jahn Foto: BIG Foto: Harald A. Jahn

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Foto: Robert Frankl

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Ereignisse oder Bauvorhaben, die den BIG-Konzern in den vergangenen sechs Monaten bewegt haben oder in Zukunft beschäftigen werden.

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Mittag in Mödling

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Der letzte Umzug

02

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Zeitraffer

Lehrer und Schüler sind sich einig: Noch nie haben sie in der HTL Mödling so gut gegessen wie jetzt. Seit Herbst ist der Zubau mit ­Restaurant und Bistro fertig. Im alten Gebäude entstanden moderne Prüfungsräume und Labors.

Österreichs ältere Menschen wollen so lange wie möglich selbstständig zu Hause leben. Zugleich sind nur wenige Wohnungen ­altersgerecht. Während der Betreuungsbedarf der überalternden ­Bevölkerung stetig zunimmt, verliert die Familie als Pflegeinstanz an Bedeutung. Die Immobilienwirtschaft entdeckt nun langsam das ­Seniorenwohnen für sich.

40 Zurück in die Zukunft

In den vergangenen 13 Jahren wurden aus dem Bestand der BIG zahlreiche Häuser verkauft. Der Bund hatte keine Verwendung mehr für sie. BIG Business hat sich auf Spurensuche begeben und nachgeforscht, was aus den damals leer stehenden Objekten geworden ist oder vielleicht irgendwann werden wird.

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Zimmerpflanzen statt „Pin-up-Girls“

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Quartier auf Zeit

Die Standards militärischer Gebäude haben sich im Laufe der Zeit stark gewandelt. Das Zukunftsmodell einer ­Bundesheerkaserne steht seit Kurzem in Güssing. Gleichzeitig sind noch viele ­Relikte in Betrieb. Manche Liegenschaften wurden aber bereits verkauft.

Asyl abgelehnt! Das lange Hoffen, Bangen und Warten hat ein trauriges Ende. Allein 2013 erhielten rund 10.379 Menschen einen negativen Asylbescheid. Auf ihre Außerlandesbringung warten einige Betroffene im neu errichteten Anhaltezentrum Vordernberg.

60 Anziehende Magnetfeldforschung

Am Conrad Observatorium der ZAMG in Niederösterreich geht ein neu gebautes Forschungszentrum für Geomagnetik in Betrieb. In einem unterirdischen Stollensystem beobachten Wissenschaftler jede Veränderung des Magnetfelds der Erde. Ein Besuch vor Ort ­fördert spannende Erkenntnisse zutage.

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64 Business-Frühstück

Die ARE Austrian Real Estate hat heuer bereits zum zweiten Mal ­ emeinsam mit dem DMV Verlag zum Business-Frühstück geladen. g

Impressum Ausgabe: Nr. 15/2014 Herausgeber: Bundesimmobiliengesellschaft mbH, Hintere Zollamtsstraße 1, 1031 Wien, T 05 02 44-0, F 05 02 44-1199, office@big.at, www.big.at Geschäftsführung: Wolfgang Gleissner, Hans-Peter Weiss Chefredaktion: Ernst Eichinger Redaktion: ­Sabine Gaggl, Vanessa Haidvogl, Franz Hubik, Eduard Platzenteig, Alexandra Tryfoniuk Produktion und Artdirektion: Hans Ljung Lektorat: Paul Zöchbauer Foto, Titelblatt & U4: Hertha Hurnaus Druck: Grasl Druck & Neue Medien GmbH, 2540 Bad Vöslau

Dieses Druckwerk zeichnet sich durch eine nachhaltige und ressourcenschonende Produktion aus und wurde klimaneutral gedruckt. Das Papier dieses Produkts stammt aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern sowie kontrollierten Quellen und ist somit PEFC-zertifiziert. PEFC steht synonym für nachhaltige Waldbewirtschaftung. Die Zertifizierung der gesamten Verarbeitungskette vom Wald bis zum Endprodukt garantiert, dass die Holzherkunft unzweifelhaft nachvollziehbar ist und geprüft wurde. Durch unabhängige, renommierte Zertifizierungsgesellschaften wird sichergestellt, dass die Wälder nach hohen PEFC-Standards bewirtschaftet werden. PEFC-Zertifikationsnummer: HCA-CoC-0249. Klimaneutral drucken bedeutet, die CO2Emission für die Herstellung eines Druckprodukts durch den Erwerb anerkannter Umweltzertifikate auszugleichen.

PEFC zertifziert Das Papier dieses Produktes stammt aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern und kontrollierten Quellen www.pefc.at


Foto: Suzy Stöckl

Editorial

Die BIG-Geschäfts­ führer Hans-Peter Weiss (links) und Wolfgang Gleissner.

Liebe Leserinnen und Leser!

E

in großes Immobilienportfolio mit rund 2.800 Liegenschaften braucht professionelles Management. Mehr als sieben Millionen Qua­dratmeter Gebäudefläche werden von nahezu 850 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bewirtschaftet. Sicherheit und Nachhaltigkeit sind zwei bestimmende Themen, die all unsere Bauvorhaben und Instandhaltungsmaßnahmen dominieren. Wir haben den Anspruch, mit unserer Infrastruktur die Fundamente des öffentlichen Lebens zu bilden. Der BIG-Konzern sorgt damit für den optimalen Zustand von Schulen, Universitäten und Gebäuden mit öffentlichen Serviceeinrichtungen, die täglich von mehr als 500.000 Menschen frequentiert ­werden. Das Ergebnis unserer Bemühungen schlägt sich auch in Zahlen nieder. Wir haben ein sehr erfolgreiches Geschäftsjahr hinter uns. Mit einem Umsatz von 946 Millionen Euro bewegen wir uns in großen Schritten auf die Milliardengrenze zu. Die Investitionen in Bauvorhaben oder Instandhaltungsmaßnahmen beliefen sich auf 721 Millionen Euro (siehe Bilanz Seite 2). Der Jahresüberschuss ist (nach IFRS) mit rund 359 Millionen Euro ebenfalls sehr erfreulich. Insgesamt sorgt der BIG-Konzern damit auch für konjunk­ turelle Impulse. Einer neuen IHS-Studie zufolge werden durch die Bautätigkeit des Unternehmens langfristig rund 10.000 Arbeitsplätze gesichert. Wir sind aber auch laufend bestrebt, unsere Organi­sa­ tion an die Bedürfnisse unserer Mieter und Geschäftspartner anzupassen. So wurde die Struktur der Muttergesellschaft BIG in der ersten Jahreshälfte neu ausgerichtet. Durch eine prozessorientierte Struktur haben wir die internen Schnittstellen reduziert. Dieser Effekt wirkt auch nach außen. Denn gleichzeitig erleichtern wir damit unseren Nr. 15 | 2014 | www.big.at

Geschäftspartnern die Kommunikationswege und schaffen eindeutig identifizierbare Ansprechstellen. Erfreulich hat sich auch die neue BIG-Tochtergesellschaft ARE Austrian Real Estate entwickelt. Die Zahlen des ersten operativen Geschäftsjahrs bestärken uns, den richtigen Weg eingeschlagen zu haben. Das Mietaufkommen betrug im Jahr 2013 rund 151 Millionen Euro. Der Gewinn belief sich (nach IFRS) auf erfreuliche 112 Millionen Euro. Neben der weiteren Optimierung der Kennzahlen genießt das Thema Wohnen in den Zukunftsplänen der ARE hohe ­Priorität. Aktuell werden in 23 Projektgesellschaften verschiedenste Wohnbauprojekte entwickelt oder umgesetzt. So wird derzeit beispielsweise gerade das ehemalige ­Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen zu einer Seni­orenresidenz, verbunden mit exklusiven Wohnungen, umgebaut. Das war auch der Grund, uns im BIG Business intensiv mit dem Segment „Betreutes Wohnen“ zu beschäftigen. Die Ergebnisse dieser Recherche können Sie ab Seite 32 nachlesen. Anlässlich des neu errichteten Buffets in der HTL Mödling haben wir uns den kulinarischen Alltag an der größten Schule Österreichs angesehen. Ein Blick hinter die Kulissen des vor Kurzem in Betrieb gegangenen Anhaltezentrums im steirischen Vordernberg (siehe Seite 54) ist genauso ­Thema in unserem Magazin wie die neue Generation von Bundesheerkasernen (siehe Seite 48). Viel Spaß beim Lesen wünschen Ihnen

Hans-Peter Weiss

Wolfgang Gleissner

BIG Business

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ZEITRAFFER BIG-BILANZ

Der Campus WU in Wien ist bei Tag und Nacht ein architektonisches Highlight. Das größte Bauprojekt in der Geschichte der BIG wurde im Herbst 2013 fertiggestellt.

BIG-Konzern zieht Bilanz

Umsatz knapp unter einer Milliarde Euro – Rekordinvestitionen in Bauvorhaben.

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Kennzahlen (IFRS) Bilanzsumme

11,3 Mrd. €

Eigenkapitalquote

50,6 %

Umsatzrentabilität (ROS)

64,1 %

Eigenkapitalrentabilität

8,4 %

Gesamtkapitalrentabilität

5,3 %

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BIG BUSINESS

as Geschäftsjahr 2013 des BIG-Konzerns ist höchst erfreulich verlaufen. Bei einer Bilanzsumme von 11,3 Milliarden Euro wurde ein Umsatz von 943,3 Millionen Euro erwirtschaftet. Der Löwenanteil resultiert aus den Mieterlösen, die von 731 auf 755 Millionen Euro gesteigert werden konnten. Unter dem Strich wurde – gerechnet nach dem internationalen Bilanzierungsstandard IFRS – ein Periodenüberschuss von 358,6 Millionen Euro erzielt. Noch nie in der Geschichte des BIG-Konzerns wurde so viel Geld in Bauvorhaben investiert. 563 Millionen Euro flossen in Neubauten oder Generalsanierungen. Zusätzlich wurden Instandhaltungsmaßnahmen um 158 Millionen Euro realisiert. Insgesamt betrugen die Investitionen damit 721 nach 627 Millionen Euro im Vorjahr. Das mit Abstand größte Bauvorhaben, die Neuerrichtung des Campus WU in Wien, konnte im Herbst zeitgerecht fertiggestellt werden. Derzeit erfolgt die Schlussrechnung. „Wir können aber schon

jetzt mit hoher Sicherheit sagen, dass auch die Kosten gehalten haben“, sagt BIG-Geschäftsführer Hans-Peter Weiss. Insgesamt haben die BIG-Investitionen durchaus spürbare Auswirkungen auf die Beschäftigung in Österreich. Einer neuen IHS-Studie zufolge ­sichert die BIG langfristig über 10.000 Arbeitsplätze. Aktuell ist der BIG-Konzern Eigentümer von rund 2.800 Liegenschaften. Davon befinden sich 643 Liegenschaften im Eigentum der BIGTochtergesellschaft ARE Austrian ­Real Estate, in der die Büroimmobilien und Entwicklungsliegenschaften gebündelt sind. Mit durchschnittlich 847 Mitarbeitern, 7,1 Millionen Quadratmetern Mietvertragsfläche und 21 Millionen Quadratmetern Grundstücks­fläche ist der BIG-Konzern einer der größten Liegenschaftseigentümer Österreichs. Das Portfolio repräsentiert einen Verkehrswert von rund zehn Milliarden Euro (2013/IFRS). Täglich bewegen sich mehr als 500.000 Personen in ­öffentlich zugänglichen BIG-Gebäuden. Nr. 15 | 2014 | www.big.at


BIG-BILANZ

Segmentverteilung ARE Austrian Real Estate Büro- & Wohnimmobilien

Die ARE Austrian Real Estate wurde erstmals im Jahr 2013 operativ tätig. Das Portfolio der neuen BIG-Tochter beträgt ungefähr ein Viertel des BIG-Bestands.

Investitionen

BIG Sonder- & Spezialimmobilien

12 %

25 %

BIG Schulen

BIG Universitäten

721

700 600

40 %

23 %

(in Mio. €)

500 400

644 523 223

662

627

158

194

173

468

454

563

2011

2012

2013

211

300 200

312

421

100 2009 2010

Instandhaltung Neubau & Generalsanierungen (inkl. Campus WU)

Gesamtinvestitionen Im Jahr 2013 wurde ein in der Geschichte des Konzerns noch nie zuvor erreichtes Investi­ tionsvolumen von 721 Millionen Euro realisiert.

Täglich bewegen sich mehr als 500.000 Personen in öffentlich zugänglichen BIG-Gebäuden.

Mieterlöse (in Mio. €)

755

750

731

700

Fotos: 2013 BOANET.AT

650

680 659

659

2009 2010

2011

2012

2013

Für die deutliche Steigerung der Erlöse in den Jahren 2010 bis 2013 sind, abgesehen von Indexanpassungen, die „Mieten“ zahlreicher Neubauten ausschlaggebend.

Nr. 15 | 2014 | www.big.at

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ZEITRAFFER ARE-BILANZ

Wohnungen im Visier der ARE

Die ARE Austrian Real Estate hat ihr erstes operatives Geschäftsjahr hinter sich. Hans-Peter Weiss und Wolfgang Gleissner, Geschäftsführer der ARE, über erfreuliche Kennzahlen, den angestrebten Erwerb mehrerer Immobilien und die weitere Zukunft der BIG-Tochter.

Hans-Peter Weiss lässt derzeit gerade die Rückführung des „Intercompany-Darlehens“ an die BIG und die eigenständige Finanzierung der ARE prüfen.

Kennzahlen Mieterlöse

151 Mio. €

Operativer Cashflow

55,7 Mio. €

FFO

87,4 Mio. €

EK-Quote

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BIG BUSINESS

59,9 %

Vor mehr als einem Jahr ist aus einem Teilportfolio der BIG eine neue Gesellschaft – die ARE Austrian Real Estate – entstanden. Welche Ziele wurden mit diesem Schritt verfolgt? Weiss: Oberstes Ziel ist die nachhaltige und langfristige Wertsteigerung unseres Portfolios. Viele private Vermieter locken öffentliche Institutionen mit günstigen Angeboten. Entsprechend flexibel müssen wir aufgestellt sein, um uns in diesem Umfeld behaupten zu können. Die saubere Trennung des Portfolios in zwei unterschiedlich ausgerichtete Gesellschaften – einerseits die BIG mit ihrem Bildungsund Sicherheitsinfrastruktur-Schwerpunkt und andererseits die ARE mit ihren Büroimmobilien und dem Thema Wohnen – ist die Grundvoraussetzung für die konsequente Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit in allen Bereichen. Wie beurteilen Sie die erste Bilanz der ARE? Gleissner: Wir sind mit den Zahlen sehr zufrieden. Vor ­allem, weil die Entwicklung akkurat unseren Plänen entspricht. Die ARE hat das abgelaufene Geschäftsjahr erfolgreich abgeschlossen. Grundsätzlich muss man bei der Beurteilung mit einbeziehen, dass die ARE im Jahr 2013 die erste operative Periode hinter sich gebracht hat. Die wesent­ lichen Ertragskennzahlen sind erfreulich. Welche Rolle spielen dabei die aktuellen Bedingungen am Immobilienmarkt? Gleissner: Der Büromarkt ist derzeit zwar leicht im Aufwind, aber immer noch herausfordernd. Einer der großen Vorteile der ARE ist, einen nachhaltigen, solide vermieteten Bestand zu haben. Unsere Leerstandsrate ist mit rund fünf Prozent gering. Wir haben einen großen Anteil an Mietern mit hoher Bonität – also eine sehr gesunde Basis. Ein wichtiger Teil unserer Attraktivität liegt in der langfristigen ­Sicherheit unseres Geschäftsmodells. Gleichzeitig haben wir das Jahr 2013 genutzt, um interne Strukturen und Prozesse für Neuakquisitionen aufzubauen. Das heißt, Sie wollen in Zukunft auch Objekte ankaufen? Weiss: Zur Optimierung unseres Portfolios verfolgen wir die Strategie, uns von Immobilien, die nicht unseren geografischen Schwerpunkten entsprechen, zu trennen. Im vergangenen Jahr haben wir 18 Häuser um rund 24 Millionen Euro verkauft. Gleichzeitig führen wir Verhandlungen, um wieder Objekte anzukaufen. Das „Trading“ wird künftig ein Teil unseres aktiven Portfoliomanagements sein. Was haben Sie da konkret im Visier? Nr. 15 | 2014 | www.big.at


Fotos: Suzy Stöckl

ARE-BILANZ

Wolfgang Gleissner propagiert die Freiheit, in alle Richtungen zu denken, und will sich dabei keine Grenzen setzen müssen.

Weiss: Ein sehr spannender und für uns neuer Bereich, in dem wir mit der Tochtergesellschaft ARE Development bereits mehrere großvolumige Projekte in der Entwicklung haben, ist das Wohnen im frei finanzierten Segment, aber auch im Bereich des leistbaren Wohnens. Darüber ­hinaus werden wir in Zukunft Sonderformen des Wohnens wie Studentenheime oder Seniorenresidenzen verstärkt beobachten und potenzielle Chancen nutzen. Wir konstatieren hier eine entsprechend hohe Nachfrage und verfügen auch über die notwendige Expertise. Ein Grund für diese Aufmerksamkeit ist auch die angestrebte Risikodiversi­fikation unseres Portfolios, und gleichzeitig steigern wir mit einer guten Durchmischung den Wert unseres Port­folios. Ist das nicht ein Widerspruch? Sie betonen einerseits die ­Stabilität und die hohe Bonität des Bundesmieters. Andererseits sprechen Sie vom Verkauf vermieteter Häuser mit Nutzern aus dem öffentlichen Bereich und von der Entwicklung ­großer Wohnbauprojekte, die natürlich auch eine gewisse ­Risikokomponente haben. Nr. 15 | 2014 | www.big.at

Gleissner: Selbst wenn wir die für die kommenden Jahre angestrebte Neuausrichtung des Portfolios abgeschlossen haben, werden wir immer noch rund drei Viertel unseres Bestands an Bundesnutzer vermietet haben. Neben dem Argument der Diversifikation wollen wir vor allem auch auf aktuelle Marktgegebenheiten adäquat reagieren und in anderen Bereichen unsere Chancen wahren können. Aufgrund reger Reformtätigkeit beispielsweise der Justiz, der Finanz oder des Innenministeriums werden immer wieder Flächen frei. Hier gilt es, sich nicht selbst Grenzen zu setzen, sondern in alle Richtungen zu denken und entsprechend zu agieren. Bei der Gründung der ARE wurde im Rahmen einer Pressekonferenz davon gesprochen, das Unternehmen „börsenfit“ zu machen. Wie weit sind Sie mit diesen Plänen? Weiss: Das ist ein kontinuierlicher Prozess. Das abgelaufene Geschäftsjahr stand im Zeichen einer klaren strategischen Ausrichtung und des Aufbaus effizienter Strukturen und Prozesse. Wir sind heute ein kleines, schlank aufgestelltes, effizient agierendes Team und arbeiten weiter mit Hochdruck daran, uns am Markt zu etablieren, unsere Bekanntheit zu steigern und vor allem unseren Immobilienbestand zu optimieren. Was erwarten Sie sich darüber hinaus vom Geschäftsjahr 2014? Gleissner: Derzeit prüfen wir gerade die Möglichkeit einer eigenständigen Finanzierung der ARE. Sollte sich das Ergebnis dieses Evaluierungsprozesses als positiv heraus­ stellen, wäre das mit Sicherheit eine der zukünftigen Herausforderungen. Wir freuen uns auf das Jahr 2014 und rechnen weiterhin mit einer positiven Geschäftsentwicklung der ARE.

Portfolio 643 Liegenschaften 1,8 Mio. m2 Gebäudefläche 2,27 Mrd. € Verkehrswert

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Zeitraffer BHAK BG BRG KLAGENFURT

Die neue Fassade sorgt für ein einheitliches Erscheinungsbild und verbesserte Energieeffizienz.

Zweisprachige Wohlfühlzonen Drei Schulformen, zwei Sprachen und ein abgeschlossenes Bauprojekt.

Fotos: Hannes Kohlmeier

A

BIG-Geschäftsführer Wolfgang Gleissner (rechts) und Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek übergeben den beiden Schuldirektoren Johann Pogelschek und Michael Vrbinc (v. l. n. r.) den Schlüssel zu „ihrer“ modernisierten und erweiterten Schule.

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BIG Business

m Klagenfurter Schulstandort Prof.-Janezˇicˇ-Platz treffen drei Schulformen aufeinander: Gymnasium, Realgymnasium und Handelsakademie. Diese konkurrieren nicht etwa miteinander, sondern treten gemeinsam als internationales Sprachkompetenzzentrum für den Alpe-Adria-Raum mit Slowenisch als Unterrichtssprache auf. Der Alpe-Adria-Raum ist die Grenzregion zwischen ­Österreich, Italien, Slowenien und dem südlichen Ungarn mit Erweiterung zu Kroatien und spielt insbesondere für die Kärntner Wirtschaft eine wichtige Rolle. „Zweisprachige Schulen vermitteln jungen Menschen Werte, die sie bereichern, Türen öffnen und Zugang zu anderen Kulturen schaffen“, unterstrich Landeshauptmann Peter Kaiser bei der feierlichen Eröffnung die Bedeutung des Schulstandorts. Der internationalen Ausrichtung verdankt die Schule kontinuierlich wachsenden Zulauf. Daher wurde die Erweiterung um rund 1.250 Quadratmeter notwendig. Nach den Plänen von HERTL Architekten wurde die Schule an der Südost- und der Nordwest-Ecke um jeweils ein Geschoß aufgestockt. „Die BIG hat rund neun Millionen Euro in die Erweiterung und Sanierung investiert. Die neu geschaffene Fläche wird für zusätzliche StammNr. 15 | 2014 | www.big.at


Klagenfurt

Die „Cool Zone“ eignet sich bestens für Projektarbeiten.

Foto: Markus Kaiser

BHAK BG BRG

«Zweisprachige Schulen vermitteln jungen Menschen Werte, die sie bereichern, Türen öffnen und Zugang zu anderen Kulturen schaffen.» Landeshauptmann Peter Kaiser

klassen und zur Vergrößerung von Bibliothek und Konferenzbereich genutzt“, erklärt BIG-Geschäftsführer Wolfgang Gleissner. Für die Schüler der BHAK wurde eine „Cool Zone“ eingerichtet. Das ist ein offener Lernbereich, der durch Trennwände direkt an die daneben liegenden Klassenräume angeschlossen oder separat genutzt werden kann. Die flexi­ble Raumgestaltung und die moderne Ausstattung mit Computer-Terminals und Stehpulten erleichtern das Arbeiten in Gruppen. Schließlich solle der Arbeitsplatz Schule auch eine „Wohlfühlzone“ sein, so Bildungsministerin ­Gabriele Heinisch-Hosek in Klagenfurt. Verbesserungen gab es durch die Sanierung auch im ­äußeren Erscheinungsbild: Die Fassade wurde thermisch saniert und einheitlich gestaltet. Zudem wurden die beiden Turnsäle modernisiert und mit einer Lüftungsanlage samt Wärmerückgewinnung ausgestattet. Damit herrschen beste Voraussetzungen für ein angenehmes Raumklima und einen kostenschonenden Betrieb. Mit Abschluss der Erweiterungs- und Sanierungsmaßnahmen ist der Schulstandort nun nicht „nur“ dank seines Unterrichtsprogramms, sondern auch baulich eine Vorzeigeschule. Nr. 15 | 2014 | www.big.at

Zur Verbesserung von Raumklima und Energieeffizienz wurden alle Fenster der Schule ausgetauscht.

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Zeitraffer Med Campus Graz

Die Baustelle wurde rundum mit Bohrpfählen und Spundwänden abgesichert. Im Hintergrund ist das Zen­trum für Wissens- und Technologietransfer (ZWT) zu sehen.

Energie aus der Tiefe der Erde

Die Arbeiten auf dem Med Campus in Graz schreiten voran. Dabei wird nicht nur in die Höhe gebaut.

V

iel ist auf der derzeit größten Baustelle der BIG im Grazer Stiftingtal von den Gebäudekomplexen des Moduls 1 für die Med-Uni noch nicht zu erkennen. Insbesondere weil die Arbeiten noch innerhalb der bis zu 17 Meter tiefen Baugrube stattfinden. Nur die hohen Kräne lassen von Weitem auf Bautätigkeit schließen. Allerdings ist schon einiges an Beton und Schweiß in den Neubau des neuen, gemeinsamen Standorts für die in ganz Graz verstreuten vorklinischen Institute der Med-Uni geflossen. Wichtigster Arbeitsschritt zu Beginn war die Absicherung der Baustelle. Denn aufgrund der starken Niederschläge kam es im Herbst letzten Jahres in der Baugrube zu Hangrutschungen, die bei den umliegenden Anrainern die Nerven beanspruchten. Nach intensiven Sicherungsmaßnahmen konnte diese Herausforderung bewältigt werden. Mittlerweile sind auch die Bohrpfähle als wichtige Gründungselemente fertiggestellt. 293 an der Zahl mit jeweils 17

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bzw. 14 Lauf­metern befinden sich unter der Bodenplatte. 236 davon sind thermisch aktiviert. Das bedeutet, dass die Pfähle mit einem Rohrsystem versehen wurden, in dem ein Wasser-Glykol-Gemisch zirkuliert. Je nach Temperatur nimmt es Wärme auf (Kühlen) oder gibt sie ab (Heizen).

Kraft aus Erde, Wasser und Luft

Einen weiteren wesentlicheren Teil des Wärme- und Kälte­ bedarfs sollen künftig die Geothermiesonden abdecken. Dazu wurden 119 Tiefensonden jeweils 125 Meter unter der Erde installiert, die im Sommer durch ein temperiertes Wasser-Glykol-Gemisch für angenehme Frische und im Winter für wohlige Wärme sorgen werden. 35 Prozent des Kühl- und 55 Prozent des Heizbedarfs von Modul 1 werden damit durch die alterna­tive Energiequelle gewonnen. Neben der Speicherkraft von Erdreich und Wasser als Wärme- oder Kälteträger wird auch die Luft genutzt. Genauer gesagt die warNr. 15 | 2014 | www.big.at


Med Campus

Graz

Fotos: Robert Frankl

Erste Räume des Untergeschoßes sind schon zu erkennen (oben). Das ZWT ist bereits fertiggestellt und bezogen (links unten).

me ­Abluft aus den Serverräumen. Sie wird ebenfalls zum Heizen eingesetzt. Um den Energieverbrauch insgesamt gering zu halten, werden die Beleuchtung und die Beschattung des Neubaus auto­matisch, je nach Licht- und Sonnenstand, gesteuert.

Baufortschritt

Nachdem die Tiefensonden im Erdreich ihren Platz gefunden hatten, konnte mit dem Betonieren der Bodenplatte angefangen werden. Bis Ende Juli 2014 soll die Platte fertig sein. Parallel dazu nimmt das Untergeschoß mit Wänden und Decken schon Formen an. Verläuft alles nach Plan, ist Nr. 15 | 2014 | www.big.at

der Rohbau des Untergeschoßes im Herbst dieses Jahres fertig, und die Haustechnikarbeiten können beginnen. Die Dachgleiche von Modul 1 soll Ende 2015 erreicht werden. Der Gebäudekomplex wird auf einem rund 2,7 Hektar großen Bauplatz im Grazer Stiftingtal errichtet und bietet rund 40.000 Quadratmeter Bruttogeschoßfläche. Darin finden Hörsäle und Seminarräume für rund 1.200 Studierende, ein Veranstaltungsraum sowie Kommunikations- und Freiflächen für 4.300 Studierende Platz. In den Büros und Labors sollen künftig 840 Mitarbeiter der Universität ihrer Arbeit und Forschung nachgehen. Eine weitere Baustufe, das Modul 2, ist grundsätzlich angedacht, aber noch nicht fixiert.

Ausblick

Wie der Med Campus einmal aussehen wird, zeigt nicht nur die Visualisierung. Denn das von der BIG im Auftrag des Landes Steiermark und der Medizinischen Universität Graz errichtete Nachbargebäude wurde im gleichen Design nach den Plänen von Riegler Riewe Architekten fertiggestellt. Das Zen­trum für Wissens- und Technologietransfer in der Medizin (ZWT) konnte im Mai bereits bezogen werden. Hier stehen nun moderne Labor- und Büroflächen zur Ver­fügung.

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Zeitraffer Akademie der bildenden Künste

Fotos: Anna Rauchenberger

GH3 Architekten hat alle Regeln der Kunst angewandt, um aus dem unscheinbaren Rohdachboden attraktive Büros zu machen.

Kunstgriff

900 Quadratmeter Dachgeschoßausbau.

D

ie Akademie der bildenden Künste ist eine der prominentesten heimischen Adressen für Kunstausbildung auf höchstem Niveau. Rund 1.400 Hochschüler aus aller Welt studieren hier Fä­ cher wie Malerei, Fotografie, Architektur, Restaura­ tion oder Bühnengestaltung. Als die Universität vor rund 300 Jahren gegründet wurde, gab es nur eine Handvoll Studenten. Der Unterricht fand größten­ teils in Privatwohnungen statt. Heute ist die Akade­ mie der bildenden Künste auf mehrere Standorte in Wien aufgeteilt. Einer davon ist das Institutsgebäude für künstlerisches Lehramt im siebenten Wiener Ge­ meindebezirk. Um Platz für zusätzliche Verwaltungs­ einheiten zu schaffen, galt es, das bisher ungenutzte Dachgeschoß auszubauen. Um aus der komplizierten Dachkonstruktion so viel Fläche wie möglich zu gewinnen und gleichzei­ tig Stabilität und Denkmalschutz zu wahren, waren viel Fingerspitzengefühl, intensive Planung und kre­ ative Ideen gefragt. Durch die Errichtung einer Gau­ be, die Absenkung des Fußbodens in die Dachkon­ struktion hinein und viele andere kleine Raffinessen ist der Kunstgriff gelungen. Nach akribischen Pla­ nungen und eineinhalb Jahren Bauzeit konnten im März rund 900 Quadratmeter Dachgeschoßfläche an Eva Blimlinger, Rektorin der Akademie der bil­ denden Künste, feierlich übergeben werden.

Am 13. März wurde der Dachgeschoßausbau feierlich von BIG-Geschäftsführer Hans-Peter Weiss an Rektorin Eva ­Blimlinger übergeben.

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BG Dornbirn

Fotos: Marcel Hagen

Pausen- und Außensportfläche in einem: Die neue Turnhalle ist multifunktional einsetzbar.

Licht und Offenheit dominieren im Zubau.

Raumgewinn für Schule im Ländle

Erweiterungsprojekt bringt Zubau und zusätzlichen Turnsaal für die Schüler des BG Dornbirn.

B

ei der Erweiterung des BG Dornbirn in der Realschul­ straße waren besonders innovative Konzepte ge­ fragt. Denn das Schulgelände bietet nicht viel Platz für großzügige Zubauten. Die beste Lösungsidee hatte das Bregenzer Planungsbüro Wimmer-Armellini mit einem abgesenkten Turnsaal und einem terrassenartig abge­ stuften Zubau. Der neu errichtete Turnsaal befindet sich im Innenhof und ist direkt an das Bestandsgebäude angeschlossen. Die Turnhalle ist so weit nach unten in den Boden hinein ab­ gesenkt, dass das flache Dach vom Erdgeschoß des Haupt­ hauses aus als Terrasse genutzt werden kann. Diese Terras­

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senfläche eignet sich nicht nur als Pausenfläche, sondern dient gleichzeitig auch als Ergänzung zu den bestehenden Außensportanlagen. Der Turnsaal und der Erweiterungsbau wurden in ein­ einhalb Jahren Bauzeit errichtet. Sie bringen einen Flä­ chengewinn von rund 1.800 Quadratmetern. „Die Vergrö­ ßerung ist notwendig geworden, weil aufgrund steigender Schülerzahlen bereits einige Klassen in einem Ersatzquar­ tier außerhalb des Schulgeländes untergebracht werden mussten. Mit dem Zubau haben wir nun Platz für alle ­geschaffen“, erzählt die zuständige BIG-Assetmanagerin Gabriele Graf.

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Zeitraffer

Foto: Peschke Design

Justizanstalt Salzburg

Die Justizanstalt Salzburg wird nach Plänen von Poos Isensee aus Hannover errichtet. Mitte 2015 sollen die Bauarbeiten abgeschlossen werden.

Gefängnisbau im Plan

Dachgleiche für die Justizanstalt Salzburg. Fertigstellung Mitte 2015.

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ie rund 4.400 Einwohner der Gemeinde Puch bei Hallein werden bald Zuwachs bekommen. In dem ruhigen Ort – rund zehn Kilometer südlich von Salz­ burg gelegen – entsteht derzeit im Auftrag des Bundes­ ministeriums für Justiz eine Haftanstalt für 225 Insassen. Der Baugrund befindet sich im Gewerbegebiet im Norden der Gemeinde zwischen der Salzach und der Tauerntrasse der ÖBB. In deutlicher Entfernung zum urigen Ortskern baut die BIG auf der „grünen Wiese“, einem Areal von 20.000 Quadratmetern, ein modernes Gefängnis für ­Männer, Frauen und Jugendliche in Untersuchungshaft und im Strafvollzug. „Im Sommer 2013 hatten wir mit den Bauarbeiten begon­ nen, jetzt ist schon der Rohbau fertig. Wenn weiterhin alles nach Plan läuft, können wir das Gebäude Mitte 2015 überge­ ben“, berichtet BIG-Projektleiter Franz Wechselberger. Dann übersiedeln rund 200 Häftlinge aus dem bisherigen Justiz­ zentrum Salzburg, am Rande der Altstadt, nach Puch. Am derzeitigen Standort sind Landesgericht und Haftanstalt vereint. Sie werden im Zuge der Übersiedelung getrennt, und der Gebäudekomplex wird für die alleinige Nutzung durch das Landesgericht umfassend saniert und erweitert. Die neue Justizanstalt in Puch wird allen Ansprüchen des modernen Strafvollzugs gerecht: Einzel- und Doppelzellen

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mit eigenen Nassräumen lösen die bisherigen MehrbettEinheiten mit Gemeinschaftsbad ab. Dadurch kann ein friedvolles Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen, Gesellschaftsschichten und Altersgruppen sichergestellt werden. In einem eigenen Wirtschaftstrakt können Insas­ sen geregelten Beschäftigungen nachgehen, um sich später wieder leichter in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Ein Turnsaal und Sporthöfe bieten Möglichkeiten zur sinnvol­ len Freizeitbeschäftigung und geben dem Alltag in der ge­ sellschaftlichen Isolation der Haft eine kleine Aufwertung. Der Gebäudekomplex umfasst eine Gesamtfläche von rund 14.300 Quadratmetern und ist in vier Trakte geglie­ dert: Verwaltungstrakt, Wirtschaftstrakt, Hafttrakt und Turnsaal. Das Gebäude soll klima:aktiv-Standards errei­ chen. Dazu wird zum Beispiel über eine Fotovoltaikanlage Strom erzeugt. Der Kühlbedarf wird über Brunnenwasser abgedeckt. Die Wärmeversorgung erfolgt durch Anbin­ dung an das lokale Fernwärmenetz und wird durch eine Wärmepumpenanlage unterstützt. Beim Lüftungssystem kommen Wärmerückgewinnungsanlagen, die Nutzung von Abwärme und kontrollierte Wohnraumlüftung zum Einsatz. Mit diesen Maßnahmen soll die Justizanstalt ­nachhaltig kostenschonend und energieeffizient betrie­ ben werden. Nr. 15 | 2014 | www.big.at


Justizanstalt

Salzburg

Fotos: Andreas Kolarik

Die Justizanstalt im Ortsteil Urstein liegt im Gewerbe­ gebiet, das heißt mehrere ­Kilometer nördlich vom Orts­ kern der Gemeinde Puch.

Der Hafttrakt nimmt schon Gestalt an.

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Zeitraffer

Foto: Marazzi + Paul Architekten AG/www.jamjam.at

Hamerling

Die großzügigen Terrassenflächen werden gerade betoniert. Im September 2015 werden die ersten Bewohner die Aussicht auf das herbstlich gefärbte Blätterdach des Hamerlingparks genießen können.

Hamerling zwischen Tradition & Moderne

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Vom Amtsgebäude zur Luxus-Seniorenresidenz.

Fotos: Philipp Derganz

ie Revitalisierung des Hamerling im Herzen des achten Wiener Gemeindebezirks löst beinahe Vorfreude auf den Lebensabend aus. Denn hier entsteht auf rund 16.000 Quadratmetern Nutzfläche eine exklusive Wohnanlage. Das Architekturbüro Marazzi + Paul verwandelt das ehemalige Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen in eine Seniorenresidenz und Eigentumswohnungen, die höchsten Ansprüchen gerecht werden und besonders auf die Bedürfnisse der älteren Generationen zugeschnitten sind. Hinter dem Entwicklungsprojekt steht die eigens gegründete Residenz am Hamerlingpark GmbH & Co KG – eine Projektgesellschaft aus ARE Development, ­Soravia Real Estate Development und MHH Development. Ein Concierge-Service übernimmt kleinere Service­ leistungen wie Karten- und Tischreservierungen, Blumen­ gießen oder Einkäufe. Eine Tiefgarage und ein angeschlos-

Kein Dachschaden, sondern bald eine von 23 Luxus-­ Dachterrassen­ wohnungen.

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senes ­Restaurant sorgen für kurze Wege. Entspannung ­finden die Bewohner im großzügig begrünten Innenhof oder im ­beliebten Hamerlingpark direkt gegenüber. Im Notfall können über eine Direktverbindung Kontakt zur Seniorenresidenz hergestellt sowie bei Bedarf Dienst- und Pflegeleistungen flexibel in Anspruch genommen werden. Für erhöhte Sicherheit sorgen ein hochmodernes Zutrittssystem und Videoüberwachung. Ende des Vorjahrs ist der ARE Development bereits ein Meilenstein in der Verwertung des Hamerling gelungen: Die Seniorenresidenz, die ungefähr ein Drittel der Gesamtfläche des Gebäudes ausmacht, wurde an die IFA Finanzgruppe verkauft. Diese hat bereits einen langfristigen Mietvertrag mit der Swiss Tertianum International AG zum Betrieb der Seniorenresidenz abgeschlossen. Auch die Eigentumswohnungen sind heiß begehrt. Von 48 Wohneinheiten in den Regelgeschoßen sind fast alle bereits verkauft. Die Wohnungen sind zwischen 70 und 170 Quadratmeter groß und punkten durch eine imposante Raumhöhe von bis zu vier Metern. Für die Erdgeschoßflächen, die sich bestens als Ärztezentrum eignen, laufen bereits intensive Gespräche. In Kürze beginnt der Verkauf der 23 luxuriösen Dachgeschoßwohnungen mit Blick über die Wiener Innenstadt. Läuft alles weiterhin plangemäß, können die Bauarbeiten im September 2015 abgeschlossen werden und die neuen Eigentümer einziehen. Nr. 15 | 2014 | www.big.at


Foto: Baumschlager Hutter ZT GmbH

BOKU

Großzügige Glasflächen sorgen für ausreichend Tageslicht im Inneren des rund 5.250 Quadratmeter großen Neubaus.

„Grüner“ Neubau für die BOKU Der Wettbewerb für den Neubau des „Türkenwirtgebäudes“ ist entschieden.

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as mehr als in die Jahre gekommene „Türkenwirt­ gebäude“ – kurz TÜWI – der Universität für Bodenkultur weicht bald einem modernen Neubau. Insgesamt 57 Architekturbüros haben sich um den Planungszuschlag bemüht. Aus elf zum Wettbewerb geladenen Bewerbern ging die Baumschlager Hutter ZT GmbH aus Wien mit rajek barosch landschaftsarchitektur als Gewinner hervor. Die Unterbringung von drei Instituten ebenso wie von Lehr- und Lernbereichen sowie einer Mineraliensammlung galt es beim Entwurf einzuplanen. Darüber hinaus soll das Gebäude nachhaltig werden und Plusenergiestandard erreichen. Somit lag der Fokus der Architekten nicht nur auf

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der Schaffung eines optimal organisierten Hauses für ­Lehre und Forschung, sondern auch auf der Inte­gration von ökologischen Baustoffen sowie Ideen zur Optimierung von Innenraumklima, Funktionalität, Gebäudebegrünung, ­Lebenszykluskosten und nachhaltigem Freiraum. Im Planungsvorschlag der Architekten sind für den Neubau drei oberirdische Stockwerke und ein Untergeschoß mit teilweiser Absenkung für einen großen Hörsaal vor­ gesehen. Dieser wird über einen Innenhof mit Tageslicht versorgt. Vertikal angeordnete Holzschwerter prägen die Fassade und sorgen für eine gute Anpassung des Gebäudes an die Umgebung.

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Zeitraffer

Foto: BIG

BG Gallusstrasse

Foto: Darco Todorovic

Foto: Günter Richard Wett

Das Fluchtstollensystem zog sich über weite Teile des Areals.

Das Kunstwerk von Gerold Tag­werker wurden ­bereits kurz nach Fertigstellung i­ntensiv ­genutzt.

Der Neubau erreicht annähernd Passivhausniveau. Zusammen mit einer m ­ echanischen Lüftungsanlage ist für angenehmes Raumklima und kostenschonenden Betrieb gesorgt.

Ein Schulstandort mit Geschichte Historischer Boden: Herausforderung für Baufirmen bei Erweiterung des Bregenzer Gymnasiums.

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ei Grabungsarbeiten am Gelände des BG Gallusstraße muss man damit rechnen, dem einen oder anderen Römer zu begegnen – oder besser gesagt dem, was von ihm übrig ist. Dass das Bregenzer Gymnasium auf einem Friedhof aus der Römerzeit steht, ist längst bekannt. Erste Gräberbergungen gehen bereits auf das Jahr 1912 zurück. „Was wir bei Beginn der Bauarbeiten für die Erweiterung und Sanierung der Schule gefunden haben, hat uns dann dennoch überrascht. Neben 32 bislang unentdeckten römi­ schen Gräbern sind die Bagger auf einen Schutzstollen aus dem Zweiten Weltkrieg gestoßen“, berichtet Projektleiter Martin Gottein. Damit befanden sich die Bauarbeiter plötz­ lich auf einer Zeitreise durch die Vergangenheit. An ein Weiterarbeiten war vorerst nicht zu denken. Archäologen mussten in mühsamer Kleinarbeit alle Funde bergen und dokumentieren. Zurück in die Zukunft ging es im Juli 2012, als mit den Rohbauarbeiten für den Neubau begonnen werden konnte. Mit Errichtung des Zubaus ist in Ergänzung zum denkmal­

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geschützten Bestandsgebäude eine schöne Symbiose zwi­ schen Alt und Neu – Vergangenheit und Zukunft – entstan­ den. Als Übergang zwischen den beiden Gebäuden wurde nach Plänen von Hein Architekten aus Bregenz ein ab­ gesenkter Verbindungstrakt angelegt. „Bereits Ende 2012 konnte der Neubau abgeschlossen werden. Zeitgleich ha­ ben die Sanierungsarbeiten am Bestandsgebäude begon­ nen. Im Dezember 2013 haben wir trotz ­aller Verzögerun­ gen plangemäß die Bauarbeiten fertig­gestellt und die Schule wieder vollständig für den Unterrichtsbetrieb über­ geben“, erzählt Martin Gottein. Parallel zu den Bauarbeiten hat der Künstler Gerold ­Tagwerker in den drei Innenhöfen entlang des Verbindungsgangs zwischen den beiden Ge­ bäudeteilen eine dreiteilige Skulptur errichtet. Der Titel des Kunstwerks lautet ­„Olivetti“. Die Skulptur kann als Sitz-, Spiel- oder Arbeitsfläche genutzt werden. Die Schüler ha­ ben im Rahmen eines Kunstprojekts fleißig an der Gestal­ tung der Skulptur mitgearbeitet und ihr damit ihre persön­ liche N ­ ote gegeben. Nr. 15 | 2014 | www.big.at


ZAMG

St. Pölten

Messstollen für Geomagnetik eröffnet

Am 21. Mai wurde die Forschungsstation am Trafelberg in Niederösterreich offiziell ihrer Nutzung übergeben.

Foto: NÖ Landespressedienst/Burchhart

■  BIG-Geschäftsführer Hans-Peter Weiss, Bundesminister Reinhold Mitterlehner, ZAMG-Direktor Michael Staudinger und der niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll (v. l. n. r.) feierten die offizielle Inbetriebnahme des neuen Messstollens. Die Forschungseinrichtung wird von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG), die zum Wis­ senschaftsministerium (BMWFW) ressortiert, betrieben. Die BIG ist Bauherr und Gebäudeeigentümer. Das Investiti­ onsvolumen beträgt rund 8,5 Millionen Euro. Mehr zu dem Bauprojekt der geomagnetischen Forschungsstation ­lesen Sie auf Seite 60.

Finale für größtes Schulprojekt der BIG

Nach Fertigstellung des Neubaus ist die Bestandssanierung in vollem Gange. Ende in Sicht. chen, wie beispielsweise 6.000 Quadratmeter an Boden­ belägen, ebenso erneuert wie der Brandschutz. Die Sanierung des insgesamt über 34.000 Quadratmeter großen Komplexes wird in zwei Phasen durchgeführt. Teil­ weise muss der Unterricht in Container ausgelagert wer­ den. Bis August ist Phase eins, die Innensanierung eines Sonder- und eines Stammklassentrakts sowie von zwei Turnsälen der HTBLVA genauso wie der HAK, abgeschlos­ sen. Im Herbst startet die finale Phase. Neben einem weite­ ren Klassentrakt und dem großen Turnsaal werden dann auch die Werkstätten-, Kfz- und Landmaschinenhallen mo­ dernisiert. Ab dem Schuljahr 2015/2016 können wieder alle Schüler und Lehrer in sowohl baulich als auch thermisch sanierten oder neu errichteten Räumen lernen und lehren.

Die Fassade des Neubaus sticht ins Auge. Verantwortlich für die P ­ lanung ist YF a ­ rchitekten. In ­einem Jahr ist das Gesamtprojekt ­abgeschlossen.

Foto: YF architekten

Foto: Hertha Hurnaus

■  2.700 Schüler, 280 Lehrer und 70 Bauarbeiter haben früh­ morgens in St. Pölten das gleiche Ziel: die BHAK/BHAS und HTBLVA in der Waldstraße. Auf der größten Schulbaustelle der BIG rauchen derzeit nicht nur die Köpfe der Schüler, sondern auch schweres Baugerät. Das in die Jahre gekom­ mene Gebäude wird bis Sommer 2015 umfassend saniert. Der moderne, 15.000 Quadratmeter große Neubau, für des­ sen Errichtung Altbestand abgebrochen wurde, kann be­ reits seit Herbst 2013 von den Lehrern und Schülern genutzt werden. In der Schule bleibt nichts, wie es einmal war. Im Innern der alten HTBLVA-Trakte werden Zwischenwände abgebro­ chen, Räume neu angeordnet und so die Nutzung optimiert. In der HTBLVA wie auch in der BHAK werden die Oberflä­

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Zeitraffer Chemieinstitut

Neue Formel für Chemieinstitut Generalsanierung ermöglicht moderne Forschung in neuen Labors.

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Fotos: Robert Frankl

it seiner neuen gläsernen Fassade glänzt das generalsanierte Chemieinstitut der Karl-FranzensUniversität in Graz nun am Universitätsplatz 1. Es ist direkt mit dem denkmalgeschützten Altbau aus dem Jahr 1867 verbunden, der ebenfalls behutsam saniert wurde. Eine Symbiose aus Alt und Neu, die optisch durchaus gewöhnungsbedürftig sein mag. Gleichzeitig bedient sie den architektonischen Geschmack von Liebhabern historischer wie auch moderner Gebäude. Im Wesentlichen galt es aber, in die Jahre gekommene Gebäude für die Ansprüche der Lehrenden und Studierenden zu adaptieren. Daher wurde beim jüngeren Bestand aus dem Jahr 1967 nicht nur die Fassade mit einer Vollwärmedämmung und neuen Fenstern saniert. Auch im Inneren hat sich alles verändert. Durch eine vollständige Entkernung, den Abbruch

sämtlicher Zwischenwände, konnten die Räume neu an­ge­ ordnet werden. Auf rund einem Drittel der Fläche sind jetzt die Labors untergebracht, und rund zwei Drittel werden für Büros und Allgemein­flächen genutzt. Weiters gibt es einen rund 200 Plätze fassenden Hörsaal und einen Seminarraum. In beiden Bauteilen wurde die komplette Elektro-, Heizungs-, Klima-, Lüftungs- und Sanitärtechnik durch moderne Anlagen ersetzt. Neue Brandabschnitte, Fluchtwege und Brandmelder sorgen für brandschutztechnische Sicherheit im Ernstfall. Der Gebäudekomplex ist nun auch barrierefrei gestaltet. Das Erdgeschoß und der Keller des historischen Altbaus sind über ­eine Rampe erreichbar, und zum ersten Obergeschoß führt ein Aufzug. Das Betreten des Zubaus ist ebenfalls über eine Rampe und einen Lift barrierefrei möglich. Insgesamt dauerte die Sanierung rund eineinhalb Jahre.

Nach den Plänen der Domenig & Wallner ZT GmbH wurde der Gebäudekomplex saniert. Auch die Einrichtung der Labors wurde von der Universität erneuert. Neue Türen im alten Gewölbe sorgen für den notwendigen Brandschutz.

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Sporthalle

Blue Box

Fotos: Robert Frankl

Die Namensgebung für die neue Dreifachsporthalle ist nicht schwer­ gefallen. „Blue Box“ trifft es auf den Punkt.

Die Lieblingsfarbe der Architekten ist unschwer zu erkennen. Nur in der Kantine durfte auch ein knalliges Rot als Kontrast zum Einsatz kommen.

Das Gegenteil von „blaumachen“ Neue Dreifachsporthalle in Graz-Liebenau für sportliche Schüler und Vereine.

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ie neu errichtete Sporthalle am Areal des BG/BORG Graz-Liebenau ist nicht zu übersehen. Der Name „Blue Box“ verspricht nicht zu viel. Außen wie innen sieht der Besucher fast nur Blau, sei es Fassade, Sportboden oder Tribüne. Bereits der Weg in die Halle ist stimmig – ­führen doch nummerierte Laufbahnen als Weg direkt in den Eingangsbereich des „Sport-Kompetenz-Zentrums“. Neben der Schule nutzen auch Vereine das Angebot. Sogar internationale Sportveranstaltungen werden dort abge­ halten. Die Sporthalle ist mit einem Verbindungsbauteil direkt an das Gymnasium und den bestehenden Turnsaal angeschlossen. Für externe Nutzer und Besucher gibt es jeweils eigene Zugänge. Damit ist gewährleistet, dass der Schul­ betrieb durch Sportveranstaltungen nicht beeinträchtigt wird. Die Zugänge für Schüler und Sportler führen direkt ins Untergeschoß zu den Umkleiden, Sanitärräumen, TechNr. 15 | 2014 | www.big.at

nikräumen und einem Sanitätsraum. Besucher gelangen über ein Foyer zur Tribüne. Diese ist für 308 Personen ausgelegt und kann bei Bedarf durch Ausfahren von Tele­ skoptribünen 258 weitere Zuschauer aufnehmen. Der Zuschauerbereich ist barrierefrei zugänglich. Mit mobilen Trennvorhängen und -netzen kann die neue Sporthalle in drei Segmente geteilt werden. Ein Turnsaal ist speziell für Schulsport ausgestattet, die beiden anderen Abschnitte sind auf verschiedene Ballsportarten ausgerichtet. Um sämtliche Auflagen zur Austragung internationaler Wettbewerbe zu erfüllen, musste unter anderem eine Raumhöhe von neun Metern erreicht werden. Gleichzeitig galt es, die Interessen der Anrainer zu wahren und das Gebäude bestmöglich in die Architektur der Umgebung einzugliedern. Das Grazer Architekturbüro Hofrichter-Ritter Architekten ZT GmbH hat deshalb die gesamte Halle rund vier Meter in den Boden abgesenkt.

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Zeitraffer Ehemalige WU

Das Hauptgebäude der ehemaligen Wirtschaftsuniversität am Alsergrund dient als Ausweichquartier für Universitäten, deren Objekte generalsaniert werden.

Nutzung als Ersatzquartier Ehemaliges WU-Gebäude als Ausweichlösung für Universitäten.

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is vor einem Jahr pilgerten noch Scharen von Studenten von der U-Bahn-Station Spittelau zur damaligen WU in der Augasse. Im sogenannten Universitäts­zen­ trum Althanstraße 1 (UZA1) im neunten Wiener Gemeindebezirk herrschte geschäftiges Treiben. Täglich um Punkt neun Uhr drängten sich die ersten Studenten unter den langsam hochfahrenden Rollläden in die Bibliothek, um sich den Lieblingsplatz zum Lernen zu sichern. Als besonderes Highlight wird auch der Cocktailstand vorm Haupteingang vielen in guter Erinnerung bleiben. Seitdem die WU in den neuen Campus am Prater umgezogen ist, ist es allerdings still geworden. Was tun mit einem rund 67.000 Quadratmeter großen Leerstand, der in einigen Bereichen eher nicht den An­ forderungen eines modernen Gebäudes entspricht? Alles abdrehen, zusperren und auf einen potenziellen Nachnutzer warten? Das ist nicht einfach. Gehwege und Grünflächen am Gelände müssen laufend gepflegt, Müll entsorgt und die Haustechnik in Schuss gehalten werden, um nicht die Betriebsgenehmigung für das Gebäude zu verlieren.

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„Alle Anlagen sind seit 30 Jahren in Dauerbetrieb. Würden wir sie stilllegen, wäre eine erneute Inbetriebnahme ohne vorherige Generalsanierung des gesamten Rohr- und Stromleitungsnetzes nicht nur aus technischen, sondern auch aus rechtlichen Gründen nicht mehr möglich“, sagt die zuständige Objektmanagerin der BIG, Silvia Maier. Sie befindet sich gemeinsam mit zwei Kollegen laufend vor Ort und ist verantwortlich für die Instandhaltung der Liegenschaft, die sogenannte Stillstandswartung.

Leerstandskosten

Und das kostet Geld: Monatlich sind es fast 100.000 Euro, die von der BIG für Wasser, Strom, Heizung, Wartung, Betriebsführung, Reinigung, Versicherungen und Verwaltung aufgebracht werden müssen. Darin enthalten ist auch ein 24-Stunden-Portierdienst. Ein amtlicher Bescheid aus dem Jahr 1982 schreibt nämlich die Anwesenheit einer Person rund um die Uhr vor, die mit Gebäude und Technik vertraut ist, um im Notfall Einsatzkräfte einweisen zu können. Warten auf den Ernstfall ist aber nicht die einzige Aufgabe des Nr. 15 | 2014 | www.big.at


Ehemalige WU

Ein Blick in die leere Universitätsbibliothek: Bis vor einem Jahr herrschte hier täglich Hochbetrieb (links). Bald werden Studenten der BOKU im Audimax Platz nehmen (links unten).

Fotos: Hannes Buchinger

Quo vadis WU? Wahrscheinlich bleibt die „Alte WU“ auch in Zukunft ein Bildungsstandort (links). Das ehemalige Rektorenbüro (unten).

Portierdienstes: Gebäudesicherung, Kontrollgänge und Schadensmeldungen fallen auch in den Aufgabenbereich. „Eine besondere Herausforderung ist die Weitläufigkeit der Liegenschaft. Eine detaillierte, technische Inspektion aller Räume ist daher sehr zeitintensiv. Schwierigkeiten bereitete uns anfangs die teilweise lückenhafte Dokumentation. Zu einigen Bereichen hatten wir vereinbarungsgemäß keinen Zugang, solange das Gebäude vermietet war. Daher hat es einige Zeit gedauert, sich einen Überblick über die Adaptierungen zu verschaffen, die von Mieterseite aus durchgeführt worden waren“, sagt Silvia Maier.

Zwischenlösungen

Um den Leerstand zu überbrücken und die Kostenbelastung zu reduzieren, hat die BIG in den vergangenen Monaten einzelne Gebäudeabschnitte temporär vermietet. Der Festsaal zum Beispiel wurde von einer Polizeieinheit als Trainingsfläche angemietet. Die „Alte WU“ ist auch von Filmteams entdeckt worden. Bald werden aber wieder Studenten frischen Wind in die „Geisteruni“ – wie sie in den Nr. 15 | 2014 | www.big.at

vergangenen Monaten in den Medien bezeichnet wurde – bringen. Ende Juni ziehen einige Institute der Universität für Bodenkultur (BOKU) während der Sanierung des Gregor-Mendel-Hauses in die „Alte WU“. „Die vorübergehende Absiedelung erleichtert den Universitätsbetrieb und ermöglicht eine raschere Umsetzung der Baumaßnahmen“, erklärt Katharina Kohlmaier, Leiterin des BIG-Unternehmensbereichs Universitäten. Ab Herbst 2015 wird laut derzeitigem Planungsstand die Akademie der bildenden Künste den ehemaligen WU-Standort als Ersatzquartier während der General­ sanierung des Hauptgebäudes am Schillerplatz nutzen. ­Gemäß einer beidseitig unterschriebenen Absichtser­ klärung hätte die „Alte WU“ ab 2017 zum Ausweichquartier für das Parlament werden sollen. Daraus wurde aber nichts. Wahrscheinlich ist eine ähnlich gelagerte Nutzung mit einem Schwerpunkt auf der Unterbringung von Bildungseinrichtungen. Der ehemalige WU-Standort könnte somit auch in Zukunft bleiben, was er war und ist: ein ­Bildungsstandort.

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Zeitraffer

Fotos: Fridolin Schuster | email@fridolinschuster.com

Sicherheitszentrum Innsbruck

Ausblick vom „Heim am Hof­ garten“ (Kaiserjägerstraße 12) auf die Kaiserjägerstraße 8. Die beiden Liegenschaften werden zusammengeschlos­ sen, damit hier das neue ­Sicherheitszentrum errichtet werden kann. Dazu wird die Innsbrucker Immobilien­ gesellschaft (IIG) das „Heim am Hofgarten“ an die ARE übertragen (oben). Die Liegenschaft Kaiserjäger­ straße 8 gehört bereits der ARE (links).

Ausverhandelt: Standort geklärt

Sicherheitszentrum Innsbruck: Grundstücksrochade zwischen Land Tirol, Stadt Innsbruck, ARE und BIG fix.

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er Weg zu dieser Einigung war lang. Seit 2006 ver­ handelten die Stadt Innsbruck, das Land Tirol, das Bundesministerium für Inneres (BMI), die ARE und die BIG über den Standort für ein gemeinsames Sicher­ heitszen­trum. Jetzt ist es fix. Das neue Sicherheitszentrum wird an der Adresse Kaiserjägerstraße 8 und 12 realisiert. Um den zusätzlichen Raumbedarf zu erfüllen, kauft die ARE von der Stadt Innsbruck das nebenliegende Grund­ stück. Diese Transaktion ist Teil einer Gesamtlösung. Nachdem heuer im Frühjahr der Stadtsenat, der Landtag und die Aufsichtsräte von BIG und ARE zugestimmt haben, erfolgt im Sommer die Unterzeichnung der Rahmenverein­

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barung. Parallel dazu arbeitet das Bundesministerium für Inneres bereits an einem Raum- und Flächenkonzept für das neue Sicherheitszentrum. Darauf basierend wird die ARE voraussichtlich noch in diesem Jahr einen Architektur­ wettbewerb ausschreiben und gemeinsam mit einer Fach­ jury ein Siegerprojekt küren. Nach der Beauftragung des Architekten startet die mindestens ein Jahr dauernde Planungs­phase. Sobald das finale Projekt als Basis für die behörd­lichen Genehmigungen vorliegt, wird von der ARE und dem BMI der Mietvertrag ausverhandelt. Er bildet die Grundlage für die Refinanzierung der ARE-Investitionen und damit für den Baubeginn. Nr. 15 | 2014 | www.big.at


Sicherheitszentrum

Innsbruck

Die Stadt Innsbruck (IIG) wird von der ARE 13.000 Quadratmeter Grünfläche am Prandtauerufer ankaufen (links).

Die ARE – beziehungsweise eine noch zu gründende Projektgesell­schaft – wird vom Land Tirol die Liegenschaft Karwendelstraße 15 nahe dem Westbahnhof kaufen. Die ARE erwägt, hier in Abstimmung mit der Stadt Innsbruck Büro-, Gewerbe- oder Bildungseinrichtungen zu bauen (oben). Die ARE überträgt ihre Liegenschaft Innrain 34, wo derzeit noch die Landespolizeidirektion untergebracht ist, an die IIG (oben). Die Bundesimmobiliengesellschaft – Konzernmutter der ARE Austrian Real Estate GmbH – wird die Volksschule in der Angerzellgasse 12 an die Stadt Innsbruck (IIG) übertragen (unten).

Das Zeughausareal in der Kapuzinergasse steht derzeit vollständig im Eigentum der ARE. Ein Teilverkauf der Liegenschaft an das Land Tirol (Zeughaus) und die Stadt Innsbruck (IIG) wird noch verhandelt. Es wird erwogen, die Liegenschaft zu bereinigen und Wohnbauprojekte zu verfolgen (oben).

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Zeitraffer BIG Art

Kurz notiert „HTL 1“ vergrößert

Foto: M. Librowicz

Rund 1.000 Quadratmeter an zusätz­ licher Fläche wurden für die HTL 1 in der Klagenfurter Lastenstraße durch Aufsto­ ckung des Werkstättentrakts geschaffen. Die Schule hat damit Raum für sieben Stammklassen, fünf Versuchslabore und ein Konferenzzimmer. Drei Klassenzim­ mer können durch mobile Trennwände flexibel zu einem großen Prüfungsraum zusammengeschlossen werden.

Biomedizintechnik

BIG Art im Fokus

Netzwerk-Event in Wiener Neustadt.

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BIG-Geschäftsführer Hans-Peter Weiss: „Österreichweit wurden bereits 20 BIG-Art-Projekte umgesetzt.“

An der TU Graz haben die Bauarbeiten für die Generalsanierung des Institutsge­ bäudes für Biomedizintechnik begonnen. Während die historische Fassade kaum verändert wird, bleibt im Gebäudeinne­ ren kein Stein auf dem anderen. Die zweihüftige Raumaufteilung wird zu offenen Sequenzen umgebaut, und die große Ein­ gangshalle wird zu einer kommunikati­ ven Arbeitszone. Die BIG investiert rund 16 Millionen Euro.

BRG Körösistraße Im Mai hat die BIG offiziell die Schlüssel für das erweiterte und sanierte BRG ­Kö­rö­sistraße in Graz übergeben. Durch ­eine Teilaufstockung wurden 600 Qua­ dratmeter zusätzlich geschaffen. Für die Nachmittagsbetreuung sind eine Biblio­ thek, ein Speisebereich, ein Mehrzweck­ raum und ein Besprechungszimmer ein­ gerichtet worden. Im Bestandsgebäude wurden einzelne Raumsequenzen adap­ tiert und in Barrierefreiheit investiert.

Grenz-(Ab-)gänge

Foto: Pez Hejduk

■  Die Fertigstellung von zwei Kunstpro­ jekten am BG/BRG Zehnergasse in Wiener Neustadt hat die BIG zum Anlass genom­ men, erstmals eine Veranstaltung ganz im Zeichen der Kunst auszurichten. „Für die BIG gehen Kunst und Bau Hand in Hand. Kunst am Bau soll die Nutzer unserer Gebäude zum Nachdenken einladen. Ziel ist, den Dialog und das Zusammenspiel von Architekten, Künstlern und Nutzern zu fördern“, sagt BIGGeschäftsführer Hans-Peter Weiss. So stand auch das BIG-Art-Event ganz im Zeichen des Dialogs. „Junge Menschen sollen sich gezielt mit der Bedeutung von Kunst beschäftigen, da­ mit die problematische Diskussion über das Geld, das die Kunst braucht, aufgelöst wer­ den kann“, unterstreicht Katharina Blaas, Vorsitzende des BIG-Art-Beirats, die Rele­ vanz von Kunst für Bildungsbauten. Berüh­ rungsängste mit den Werken von Almut Rink und Manfred Wakolbinger gibt es offen­sichtlich nicht. Die Schüler nutzen die Sitzflächen der Kunstwerke intensiv zum Plaudern, Entspannen oder Lernen. Das freut auch Direktor Werner Schwarz: „In einer Schule des 21. Jahrhunderts muss es Raum zur persönlichen Entfaltung geben, sei es durch Kunstwerke wie diese oder durch res­ pektvollen Umgang auf Augenhöhe.“ Einen Videoreport vom ersten BIG-ArtEvent finden Sie auf www.big.at.

Foto: Anna Rauchenberger

„I’M ME – WE’RE ME“ von Almut Rink (oben).

„Cloud“ von Manfred Wakolbinger.

Die ARE Development hat im Auftrag der BIG drei ehemalige Grenzstatio­ nen und eine Liegenschaft mit ehe­ maligen Zollhäusern an der Grenze zu Tschechien verkauft. Die erzielten Verkaufspreise lagen deutlich über dem Mindestverkaufspreis. Dadurch konnte die BIG gemeinsam mit der ARE Development einen Mehrerlös von rund 170.000 Euro erzielen.

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BVWG

Fotos: Harald A. Jahn

Aus Finanzamt wird Gerichtsstandort: Nicht nur das ­Türschild ist neu. Die ARE hat ein ­völlig neues Raumkonzept und viele Modernisierungsmaßnahmen umgesetzt. Einer von 32 modernen Verhandlungssälen am BVwG-Hauptsitz in Wien.

Foto: Michael Hetzmannseder

Harald Perl, BVwG-Präsident, Kanzleramtsminister Josef Ostermayer und ARE-Geschäftsführer Wolfgang Gleissner (v. l.) bei der offiziellen Schlüsselübergabe.

Beschwerdestelle nimmt Betrieb auf Ehemaliges Finanzamt in Wien-Landstraße wird zu Bundesverwaltungsgericht.

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m ersten Jänner dieses Jahres hat das Bundesverwal­ tungsgericht (BVwG) – nach Eigendefinition die Be­ schwerdestelle der Republik – seinen Betrieb aufge­ nommen. An diese Institution können sich Bürger wenden, um Einspruch gegen Behördenentscheidungen einzubrin­ gen. Dazu gehören zum Beispiel Bescheide über den Bezug von Arbeitslosengeld oder Studienbeihilfe, über die Zuer­ kennung von Flüchtlingsstatus oder die Einstufung des Be­ hindertengrads und vieles mehr. Das BVwG rechnet mit rund 40.000 Verfahren pro Jahr. Rund 450 Mitarbeiter sind österreichweit mit der Bearbei­ tung beschäftigt. Darunter sind knapp 170 Richter. Eine neue Institution wie diese braucht auch eine geeignete ­In­frastruktur. Für den Hauptsitz in Wien mit 350 Mitar­ beitern hat die ARE deshalb innerhalb von nur zehn Mona­ ten Bauzeit das ehemalige Finanzamt in der Erdbergstraße 192-196 in ein modernes Gerichtsgebäude umgebaut: 32 Verhandlungssäle, 239 Büros, 56 Besprechungszimmer und

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ein Konferenzraum schaffen die räumlichen Voraussetzun­ gen für eine rasche und effiziente Bearbeitung der vorge­ brachten Beschwerdefälle und bieten sowohl den Mitarbei­ tern als auch den durchschnittlich 500 Besuchern, die sich täglich im Gebäude bewegen, eine möglichst angenehme Atmos­phäre. Ein neues Leit- und Orientierungssystem weist den Weg durch das rund 20.000 Quadratmeter große Gebäude. ­Speziell für Menschen mit Höreinschränkung wurde ein Verhandlungssaal mit einer induktiven Höranlage ausge­ stattet. Ein taktiles Leitsystem im Eingangsbereich sorgt dafür, dass sich auch blinde Personen problemlos zurecht­ finden können. Zudem wurden behindertengerechte Sanitäran­lagen eingerichtet. Außenstellen des neuen Bundesverwaltungsgerichts ­befinden sich in Linz, Graz und Innsbruck. Diese werden vor ­allem Verfahren mit regionalem Bezug und aus dem Be­ reich Soziales behandeln.

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Thema HTL Mödling

Mittag in Mödling Lehrer und Schüler sind sich einig: Noch nie haben sie in der HTL Mödling so gut gegessen wie jetzt. Seit Herbst ist der Zubau mit Restaurant und Bistro fertig. Im alten Gebäude entstanden moderne Prüfungsräume und Labors. Von Vanessa Haidvogl

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HTL

Fotos: Harald A. Jahn

Rot leuchtet der Zubau aus dem Ensemble aller HTL-Gebäude heraus. Die Farbe wurde passend zum Corporate Design der Schule ausgewählt.

Mödling

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eschirr klappert, Sesselfüße schleifen über den Fliesenboden, der Getränkeautomat surrt, und ein fröhliches Stimmengewirr füllt den Speisesaal: Mittagspause in der HTL Mödling. Seit dem Schulstart im September 2013 genießen die Schüler das umfangreiche Angebot des neuen Restaurants. ­Ale­xander steht kurz vor der Matura und ist ein wenig traurig: „Schade, dass wir erst jetzt den Zubau bekommen haben. Ich find es super hier!“ Die HTL Mödling bildet derzeit 3.480 Schüler in elf Fachrichtungen aus. 20 Prozent davon sind Mädchen. Die Höhere technische Bundeslehr- und Versuchsanstalt ist die größte Schule Österreichs. 1904 wurde sie als technische Militärakademie gegründet. Das gesamte Schulareal umfasst 20 Hektar Grund, 33 Schul-, Wohn- und Werkstättengebäude müssen laufend instand gehalten werden. „Jährlich werden zwei bis drei Millionen Euro investiert. Der Großteil davon fließt in die Sanierung von Dachflächen, Fassaden, Böden, Stiegen etc. Aber auch Fenster oder Sanitäranlagen werden nach und nach erneuert“, erklärt BIGObjektmanager Gerhard Baumgartner. Das vor Kurzem fertiggestellte Projekt war allerdings das größte der vergangenen Jahre. Insgesamt wurden 9,7 Millionen Euro in Neubau und Sanierung inklusive Außenan­ lagen und Parkplätzen investiert. „Notwendig wurde das Projekt, weil die alte Küche nicht mehr den vorgeschriebenen Hygiene-Standards entsprach. Die Einrichtung war 35 Jahre alt und hatte bereits gute Dienste geleistet“, erklärt BIG-Projektmanager Lucas Kluger. Daher entschloss sich die BIG als Eigentümerin, 2012 den Verbindungstrakt zwischen Hauptgebäude 1 und 2 abzureißen.

Der neue Trakt

Nach den Plänen des Architektenbüros Franz Pfeil aus Purkersdorf entstanden auf einer Fläche (NGF) von 2.240 Quadratmetern in 14-monatiger Bauzeit im Erdgeschoß eine Großküche inklusive Speisenausgabe, Kühl- und Lager- › Nr. 15 | 2014 | www.big.at

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Thema HTL Mödling

Mittags herrscht großer Andrang in der Kantine. Das Essen genießen die Schüler und Lehrer mit Blick auf den Sportplatz. Bei Schönwetter wartet die Sonnenterrasse.

räume sowie ein Speisesaal für rund 600 Personen. Im Obergeschoß wurde ein Bistro mit rund 200 Sitzplätzen und eine Terrasse mit Blick auf den Sportplatz eingerichtet. Auf dem Flachdach wurde ein Substrat angelegt. Regen ­genügt, um die anspruchslosen Bodendecker sprießen zu lassen und die Fläche in ein saftiges Grün zu verwandeln. Die Fassadenplatten des Neubaus erstrahlen in einem satten Rot. Wenn das Licht durch die großen Fensterflächen in die Räume strömt, ist es für die Nutzer fast so, als würden sie im Freien sitzen. Zusätzliche Oberlichtelemente sorgen auch an trüben Tagen für ausreichende Belichtung.

Frisch gekocht

Fotos: Harald A. Jahn

Aber auch ausreichend Lebensmittel müssen vorhanden sein, damit pünktlich zur Mittagszeit 800 Portionen aus­ gegeben werden können. Täglich fahren Lkws zur neuen Rampe und liefern frische Ware. Dabei achtet Küchenleiter Christian Brodträger auf Produkte aus Österreich sowie auf saisonale Angebote. Mit seinem 20-köpfigen Team bereitet er täglich drei Menüs mit Suppe zu. Auf der Facebookseite des Schulrestaurants informiert der engagierte Koch über Neuigkeiten aus der Küche und bittet um Anregungen für den Speiseplan. „Mein Favorit ist der Burger“, schwärmt der 17-jährige Matthias. Auch Direktor Harald Hrdlicka ist zufrieden: „Ich hatte große Sorge, dass die Schüler in kurzer Zeit die neuen Räume verwüsten. Aber ich muss die jungen Leute wirklich loben, das Sauberhalten klappt perfekt.“ Was nicht immer so war. Hrdlicka erinnert sich mit Schaudern an die verschmutzte Aula, voll mit Verpackungsschachteln von Pizza, Burger & Co. Nicht selten klebten Ketch­up- und Gurkerlreste auf dem Boden. Der neue Speisesaal im Erdgeschoß und das Bistro im ersten Stock sorgen aber nicht nur fürs leibliche Wohl, sie sind auch wichtige Orte der Kommunikation geworden. Gerne treffen sich hier Lehrer und Schüler zum Austausch, aber auch zum Lernen. „So ein Platz hat in der HTL gefehlt“,

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Grafik: Hans Ljung

In der Küche werden unter anderem verarbeitet …

600 Liter Milch pro Woche

1.200 Eier pro Woche

300 kg Obst & Gemüse pro Tag

erzählt Renate Reisch, Professorin für Englisch und Geschichte. Obwohl den Lehrern jetzt nicht mehr das Essen serviert wird, sondern sie genauso wie die Schüler ihre Speisen holen müssen, gehen mehr Lehrer essen denn je: Schon vor dem Unterricht treffen sich die Kollegen zum Austausch im Speisesaal. Und um gleichzeitig das gesunde Frühstück mit frischem Obst und knackigem Gebäck einzunehmen. Das schmackhafte Buffet gibt es zum moderaten Preis von 2,50 Euro.

Mehr Raum für Prüfungen

Nach Fertigstellung des neuen Speisesaals, der Küche und aller zugehörigen Nebenräume konnte mit der Nachnutzung der frei gewordenen Flächen im Hauptgebäude 1 begonnen werden. Im gesamten Bereich der ehemaligen Speisesäle wurden medientechnisch hochwertig ausgestattete EDV-Räume inklusive Leinwand und Beamer geschaffen. Diese Räume verfügen über Lüftungsanlagen und Sonnenabschattung und sollen künftig unter anderem für die Zentralmatura genutzt werden. Insgesamt stehen 257 Sitzplätze auf einer Fläche von 657 Quadratmetern zur Verfügung. Im ehemaligen Buffet konnte eine dem neuesten Stand der Technik entsprechende EDV-Zentrale errichtet werden. Im früheren Geschirrspülbereich wurde ein hochmoderner Serverraum mit entsprechender Lüftungsanlage und ­Gaslöscheinrichtung verwirklicht. Aufmerksame Besucher ­finden in diesem Raum ein kleines Stück „Kunst am Bau“: Die Schalter des ehemaligen Speisenlifts sind erhalten ­geblieben.

Graben wie die Profis

Auch die Räumlichkeiten der ehemaligen Großküche im Kellergeschoß wurden saniert und werden künftig als Lager­räume verwendet. Vier Räume wurden zu Erdbau­ labors mit Tageslicht umgebaut. In einem davon befindet Nr. 15 | 2014 | www.big.at

300 kg Fleisch pro Tag, davon 80 kg Rindfleisch

Mödling

Illustrationen: Spectral-Design/Chris Tang/Olga Naidenova – Fot0lia.com

HTL

sich, versteckt und gesichert unter einem Gitter, eine Versuchsgrube. Das ermöglicht den Schülern das ganze Jahr über, Proben zu entnehmen, zu untersuchen und Schlüsse in Bezug auf den Untergrund zu ziehen. Darüber freut sich besonders Laborleiter Herbert Stundner: „Wie es sich für ­eine Versuchsanstalt gehört, können die Schüler auch bei widrigsten äußeren Bedingungen hier im Trockenen sehr realitätsnah Erdproben entnehmen und analysieren.“ In den Außenanlagen wurden drei Parkplätze neu gestaltet. Für mehr Grün zwischen den abgestellten Fahr­ zeugen sorgen rot blühende Kastanien. Der Handballplatz wurde neben den Fußballplatz verlegt und vergrößert. Die Schüler können auf diesem Sportfeld nun auch Basketball und Tennis spielen.

Positive Bilanz

Direktor Harald Hrdlicka zieht eine positive Bilanz: „Ich bin sehr glücklich darüber, was in wenigen Monaten Bauzeit hier entstanden ist.“ Werner Fürnkranz vom Architektenbüro Franz Pfeil: „Besonders schwierig gestaltete sich der Umgang mit der Bausubstanz der Bestandsgebäude. Oftmals musste kurzfristig auf zutage tretende Gegebenheiten reagiert werden. So mussten neue Stahlbetonplatten, Unterzüge oder Stahlträger, etwa beim Serverraum, zur ­Gewährleistung der Tragfähigkeit nachgerüstet werden.“ ­Eine besondere Herausforderung bestand darin, Alt und Neu gelungen miteinander zu verbinden. Besonders in der ›

«Ich hatte große Sorge, dass die Schüler in kurzer Zeit die neuen Räume verwüsten. Aber ich muss die jungen Leute wirklich loben, das Sauberhalten klappt perfekt.» Harald Hrdlicka, Direktor HTL Mödling

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Thema

Foto: Harald A. Jahn

HTL Mödling

Nachnutzung mussten technische Erfordernisse, wie zum Beispiel Brandschutz oder Haustechnik, integriert werden, ohne die historischen Räume und Gewölbe in ihrem Gesamteindruck zu beeinträchtigen. So konnte zum Beispiel die hochmoderne Lüftungs- und Medientechnik sehr sensibel in einer abgehängten Decke im ehemaligen Speisesaal eingefügt werden. Die großen neuen Brandschutz­ portale im Gangbereich fügen sich harmonisch ins historische Ambiente. Ein paar wichtige bauliche Maßnahmen zum Thema ­Sicherheit dürfen nicht vergessen werden: Der Zubau ist barrierefrei zugänglich. Neu gebaut wurde eine Fluchtstiege an der Außenwand von Gebäude 2. Um unnötige Stolperfallen wie herumliegende Rucksäcke und Jacken im Speisesaal zu vermeiden, wurde eigens ein Raum mit Spinden eingerichtet.

Ausbildung mit Perspektive

Nicht nur die Ausstattung geht mit der Zeit. Da die Technik ständig Fortschritte macht, ändern sich auch die Lehrpläne laufend. „Das händische Zeichnen haben wir schon in den 80er-Jahren zu Grabe getragen. Heute wird fast ausschließ-

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Foto: www.airpicture.at

Die HTL genießt auch international einen guten Ruf. So entstanden etwa in England „University Technical Colleges“ für Oberstufenschüler nach dem Vorbild Mödlings.

lich am Computer gearbeitet. Rund 3.000 PCs sind täglich bei uns am Laufen“, erklärt uns der Direktor. Ein entsprechend gut funktionierendes Netzwerk ist Voraussetzung. Um den wachsenden Herausforderungen gerecht zu werden, konnte die EDV-Abteilung nach der Sanierung in die ehemaligen Buffeträume einziehen und verfügt jetzt über ausreichend Platz. Auch neue Fachabteilungen wie etwa Umwelttechnik haben sich herauskristallisiert. Andere wiederum mussten sich den Anforderungen am Markt anpassen und bekamen neue Namen samt neuen Inhalten: Feinwerktechnik wurde zur Mechatronik, Möbelbau zur ­Innenarchitektur (übrigens die Abteilung mit dem höchsten Frauenanteil – mehr als 60 Prozent). Die HTL genießt Nr. 15 | 2014 | www.big.at


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auch international einen guten Ruf. So entstanden etwa in England „University Technical Colleges“ für Oberstufenschüler nach dem Vorbild Mödlings. Natürlich macht sich Direktor Harald Hrdlicka auch schon Gedanken über die Zukunft „seiner“ Schule. Die Zahl der Internatsschüler ist seit Jahren rückläufig. Um den Campus wieder attraktiver zu machen, werden schon fleißig Pläne für den Umbau des Hauses A geschmiedet. „Der Kasernentouch mit Sechs-Bett-Zimmern ohne Dusche muss einem modernen Flair weichen.“ Die jungen Internatsschüler sollen künftig in Zwei-Bett-Zimmern wohnen, schlafen und lernen können. Das Ansuchen für das nächste Projekt liegt derzeit beim Landesschulrat. ‹ Nr. 15 | 2014 | www.big.at

Daten, Fakten, Zahlen Schülerzahlen HTL Campus männlich weiblich Lehrerzahl weiteres Personal Fachrichtungen Gründungsjahr der Schule Größe Grundstück & Gebäude

3.480 390 2.854 626 411 90 11 1904 20 Hektar

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Mödling

Neu eingerichtete EDV-Räume erleichtern das Lernen. Insgesamt werden 3.480 Schüler in elf Fachrichtungen ausgebildet.

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Thema Seniorenresidenzen

Der letzte Umzug Österreichs ältere Menschen wollen so lange wie möglich selbstständig zu Hause leben. Zugleich sind nur wenige Wohnungen altersgerecht. Während der Betreuungsbedarf der überalternden Bevölkerung stetig zunimmt, verliert die Familie als Pflegeinstanz an Bedeutung. Die Immobilienwirtschaft entdeckt nun langsam das Seniorenwohnen für sich. Aber sind betreute Wohnformen wirklich ein Hoffnungsmarkt und taugen sie als Alternative zum Altenheim? Von Franz Hubik

I

n der Wiener Josefstadt entsteht gerade ein wohnkulturell einzigartiger Feldversuch. Das zweitgrößte Gebäude des achten Bezirks, das sogenannte Hamerling, wird revitalisiert. Und dabei zu einer Immobilie mit Rundumservice umfunktioniert. Einst beherbergte der Prachtbau aus der Gründerzeit das Militärgeografische Institut der Österreichisch-ungarischen Monarchie, später wurde der K.-u.-k-Bau zum Sitz des Bundesamts für Eich- und Vermessungswesen. Ab Herbst 2014 werden hier auf 16.000 Quadratmetern Nettonutzungsfläche eine Seniorenresidenz, die neue Standards für unabhängiges Wohnen im Alter setzt, und elegante Eigentumswohnungen Platz finden. Ähnlich einem Universitätscampus werden die Bewohner des Hamerling in einem nahezu autarken Mikrokosmus leben können. Neben einem Restaurant im Mitteltrakt des Gebäudes wird es Seminarräume und Fitnesseinrichtungen geben, ein Ärztezentrum, einen Kindergarten und einen Indoor-Spielplatz. Im großzügig gestalteten Foyer werden Konzerte und Vernissagen stattfinden, ein Con­ cierge-Team erfüllt darüber hinaus allerlei Sonderwünsche. Wichtig dabei: Alle Leistungen können – entsprechendes Kleingeld vorausgesetzt –, müssen aber nicht in Anspruch genommen werden.

Der Seniorenmarkt als Neuland

Die ARE Development, die zum BIG-Konzern gehörende Projektentwicklung, hat gemeinsam mit der Soravia Group und der Schweizer MHH Development AG die Nutzung der Immobilie erarbeitet. Der BIG-Konzern wagt sich mit der Errichtung einer Seniorenresidenz dabei selbst auf neues Terrain. „Wir sind hier für österreichische Verhältnisse absolute Pioniere“, sagt Alois Aigner, Leiter der ARE Develop-

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ment. „Wir müssen erst einmal sehen, ob es im frei finanzierten Bereich der Seniorenimmobilien überhaupt die nö­ tige Zahlungsbereitschaft seitens der Bevölkerung gibt.“ Denn klar ist: Die Zielgruppe des Hamerling sind keine Sozialhilfeempfänger. Wer in eines der 59 Apartments der Seniorenresidenz einziehen möchte, muss mit monatlichen Kosten für Miete, Verpflegung und Betreuung von zumindest 3.000 Euro rechnen. Dafür werden den Residenzbewohnern aber auch viel zusätzlicher Service und Sicherheit geboten. Im Gegensatz zu klassischen betreuten Wohneinrichtungen ist hier nicht nur eine Betreuungsperson vor Ort, sondern auch ein ärztlicher Leiter als Ansprechperson. Bei Bedarf besteht zudem die Möglichkeit, von der Wohnung direkt in ein Pflegebett zu wechseln. Das erspart den Senioren im Alter von meist 80 plus einen unangenehmen Umzug ins Altenheim. Solange es geht, können die Pensionisten hier so ­eigenständig wie möglich leben. Das Hamerling soll aber nicht das einzige Projekt der ARE in diesem Bereich bleiben. Angesichts der abseh­baren demografischen und sozialen Veränderungen ­unserer Gesellschaft in den kommenden Jahrzehnten stellt sich auch der BIG-Konzern breiter auf. „Es gehört zu unserer Strategie, Sonderwohnformen wie Nr. 15 | 2014 | www.big.at


Foto: Birgit Reitz-Hofmann/Fotolia.com

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Seniorenresidenzen oder betreute Wohnanlagen in unser Portfolio aufzunehmen“, sagt Alois Aigner. Anders als beim normalen Wohnungsmarkt dürfte der frei finanzierte Seniorenwohnungssektor aber ein Nischenprodukt bleiben. Deswegen wird die ARE den geförderten Markt künftig auch genau beobachten. Generell ist die Zielrichtung aber klar. „Betreutes Wohnen“ soll forciert werden. „Wir haben exakt definierte Vorstellungen, wie für uns interessante Objekte aussehen sollen“, sagt Thomas Bassetti von der ARE. Kurz zusammen­ gefasst: keine Bettenburgen, sondern eher kleine bis mittelgroße Anlagen (20 bis 50 Wohneinheiten) in guter Lage mit Infrastrukturanbindung – also beispielsweise in der Nähe eines Nahversorgers, Friseurs oder einer Bank. Präferiert werden aber nicht nur innerstädtische Bereiche, sondern auch ländliche Regionen mit vitaler Kaufkraft und positiver Wachstums­prognose trotz hohem Durchschnitts­alter der Bevölkerung. Als Beispiel für ein potenzielles Zielgebiet nennt Bassetti den südlichen Raum Wiens. Vor ­allem zwei Punkte sind bei der Entwicklung von Seniorenwohnungen zu beachten: Mit klassischem Altenheim-Charme ist jedes Projekt a priori zum Scheitern verurteilt. Selbst­ bestimmte Alltagsführung ist gefragt. Heißt konkret: Jeder entscheidet selbst – sehr vereinfacht anhand eines banalen Beispiels for­muliert –, ob er Stiegen steigt oder mit dem ­Treppenlift fährt. Vorhanden sein muss beides. Und das gilt im Wesentlichen für ­alle ›

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Thema

In keiner Form des betreuten Wohnens sollte so etwas passieren. Die Einbindung in ein soziales Gefüge ist für die meisten älteren Menschen ein wichtiger Faktor für den Umzug.

Lebenslagen. Wobei die ARE mit dem operativen Betrieb nichts zu tun hat. „Wir sehen das als Investment“, sagt Aigner. Die wesentliche Herausforderung sei, für solche Projekte verlässliche Partner zu finden.

Kleine und große Player

Vor zehn Jahren war der Markt für Seniorenwohnungen und betreutes Wohnen noch eine belächelte Nische, erzählt Walter Eichinger, Geschäftsführer von Silver Living. Mittlerweile gebe es aber zahlreiche Anbieter, denn jeder wolle auf den Zug aufspringen. Derzeit werde der Markt massiv von gemeinnützigen Organisationen dominiert, sowohl auf der Seite der Bauträger als auch auf der Seite der Betreiber. „Das Verhältnis zwischen Gemeinnützigen und Privaten im betreuten Wohnmarkt liegt sicherlich bei rund 90 zu zehn Prozent“, schätzt Eichinger. Die Betreuungsleistungen bei den heimischen Seniorenwohnanlagen werden vorwiegend von den fünf großen Wohlfahrtsorganisationen erbracht: Caritas, Diakonie, Hilfswerk, Rotes Kreuz und Volkshilfe. Von privatwirtschaftlicher Seite drängt mittlerweile vor allem die Swiss

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Karikatur: Much

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Tertianum AG auf den Markt, die auch die Seniorenresidenz des Hamerling betreiben wird. Errichtet werden die Altersdomizile in Österreich vor ­allem von den Dutzenden kleinen und großen gemein­ nützig organisierten Wohnbaugenossenschaften, von der Wien-Süd über die GEWOG bis hin zur Salzburger Wohn­ bau­gesellschaft (gswb). Allerdings tummeln sich zunehmend auch private Anbieter im betreuten Wohnmarkt. Kleine Spezialisten wie Silver Living sind ebenso vertreten wie bekannte große, die ihr Portfolio um diesen Bereich ­erweitern. Zu nennen sind hier etwa Jelitzka & Partner, die Soravia Group, Mischek oder die Bewo.

Wildwuchs an betreuten Wohnmodellen

Nicht überall, wo seniorengerechtes Wohnen draufsteht, sind auch altersgerechte Leistungen drinnen. Viele Ange­ bote sind mehr Schein als Sein. Unter der Bezeichnung ­„betreutes Wohnen“ werde schlichtweg „alles Mögliche subsumiert“, sagt Walter Eichinger. Um dem Wildwuchs entgegenzutreten, ist seit Mai 2012 die ÖNORM CEN/TS 16118 in Österreich in Kraft. Erste Evaluierungen haben Nr. 15 | 2014 | www.big.at


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Fotos: Marazzi + Paul Architekten AG/www.jamjam.at

Das Hamerling ist eine imposante Liegenschaft mitten im achten Wiener Gemeindebezirk. Die mondäne Seniorenresidenz befindet sich direkt am malerischen Hamerlingpark.

Ein ConciergeService wartet im exklusiven Foyer (links). Die Wannen im Sanitärbereich sind mit speziellen Einstiegshilfen ausgestattet (unten).

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­ rgeben, dass gerade einmal ein Viertel der heimischen Ane lagen der Richtlinie entspricht. Aber was unterscheidet nun eine betreute Seniorenwohnung von einer ganz „normalen“ Wohnung? Betreutes Wohnen besteht aus zwei großen Leistungsmodulen: einerseits der Dienstleistung Wohnen und andererseits der Dienstleistung Betreuung. In puncto Wohnen ist Barrierefreiheit Pflicht. Laut dem Kuratorium für Verkehrssicherheit heißt das konkret: Bei Mehrgeschoßbauten braucht es einen Lift. Damit das Betreten der eigenen vier Wände auch mit einem Rollstuhl möglich ist, muss der Hauseingang stufenlos sein. Um mit Gehhilfen nicht anzuecken, sollten die Türrahmen mindestens 80 Zentimeter breit sein. Da Stürze im Alltag von Senioren ab 60 Jahren die Hauptunfallgefahr darstellen, sollten die Bodenbeläge rutschsicher sein und Türschwellen sowie andere Stolperfallen vollständig abgetragen werden. Das feuchtwarme Klima in Badezimmer und WC ver­ ursacht bei vielen Senioren Kreislaufprobleme. Eine gute Durchlüftung und eine ausreichende Anzahl an Halte­ griffen, wo immer sie benötigt werden, können hier ­helfen. ›

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Thema Seniorenresidenzen

Foto: hati/Fotolia.com

­Zudem sind bodengleiche Duschen oder Badewannen mit speziell integrierten Einstiegsmöglichkeiten ein Muss. Weiters gibt die Norm vor, dass die Wohnungen mit Rauch- und Brandmeldern auszustatten sind und einen Notrufknopf haben müssen. Empfohlen wird, die Griffe an den Fenstern tiefer positioniert anzubringen als üblich, damit das Auf- und Zumachen leichter fällt. In der Küche helfen höhen­ verstellbare Schränke und Arbeitsflächen älteren Menschen im Alltag ungemein. Zudem sind Herdplatten von Vorteil, die sich nach einer bestimmten Zeit selbst ausschalten. Wie groß das Potenzial an alters­ gerechten Sanierungen ist, zeigt eine Gfk-Studie, der zufolge gerade einmal 13 Prozent der Häuser und Wohnungen in Österreich völlig barrierefrei sind.

Beratung, Information, Organisation

Neben dem Aspekt der Barrierefreiheit ist die zweite Voraussetzung für betreutes Wohnen, dass eine Wohlfahrts­ organisation in Form einer Betreuungsperson als Ansprechpartner vor Ort ist. Dabei verrichtet die Betreuungs­ or­ganisation eine Grundleistung, die unter dem Kürzel BIO ­zusammengefasst werden kann. BIO steht für Beratung, Information und Organisation. Die Betreuungsperson muss ergo nicht unbedingt medizinisch geschult sein. Betreutes Wohnen setzt Eigenständigkeit und den Willen zur Selbstständigkeit voraus. Es geht darum, den Bewohnern mit Rat und Tat zur Seite zu stehen und ihnen die Sicherheit zu

für Betreuung und Pflege. Im Idealfall sollten zumindest ­eine Bank-, eine Post- und eine Supermarkt-Filiale fußläufig erreichbar sein. Mindestens ebenso wichtig sei zudem die unmittelbare Nähe zu praktischen Ärzten und Pflegeeinrichtungen. Die drittgrößte Stadt Oberösterreichs ist seit mehr als einem Jahr Schauplatz eines Pilotprojekts in Sachen Seniorenwohnen. Wegen der angespannten Lage bei der Heimversorgung wurde direkt neben dem Altenund Pflegeheim die Wohnanlage „Betreutes Wohnen Ennsleite“ mit 30 barrierefreien Zwei-Raum-Wohnungen errichtet. Das Besondere: Obwohl die beiden Gebäude baulich völlig voneinander getrennt sind, werden Synergien genutzt, was Kosten spart. Das Ziel der betreuten Einrichtung in Steyr ist, den Umzug ins Altenheim obsolet zu machen oder zumindest so lange wie möglich hinauszuzögern. „Gedacht sind die Wohnungen für hochbetagte Menschen mit einer maximalen Pflegestufe der Kategorie 3 bei Übernahme der Wohnung“, erklärt Langeder. Wer hier einzieht, sei immer noch sehr mobil. Und das, obwohl der Altersschnitt bei 86 Jahren liegt, die älteste Bewohnerin ist 92. Insgesamt sei die Zufriedenheit vonseiten der Senioren bisher sehr hoch, sagt Lang­eder. Das ist aber nicht überall der Fall.

Exitstrategie Seniorenwohnen

Ein Trend dürfte, so die Meinung arrivierter Branchenteilnehmer, derzeit darin bestehen, notleidende Immobilien in betreute Wohneinrichtungen umzulabeln. Bleiben ­einem Hotel die Gäste aus oder funktioniert das Konzept einer Wohnanlage nicht so wie angedacht, heißt die Exitstrategie vielfach: Umwandlung der Immobilie in eine betreute

«Auch die Alten sind nicht dumm. Die haben konkrete Vorstellungen und schauen sich die Angebote genau an.» Walter Eichinger, Silver Living

­ eben, dass im Notfall sofort eine Ansprechperson da ist, g die Erste Hilfe leisten kann. Gemeinschaftsaktivitäten wie etwa Singen oder Kochen sind völlig freiwillig. Auf alle Service- und Betreuungsangebote kann je nach Wunsch zugegriffen werden. Somit schließt betreutes Wohnen die Lücke zwischen der Betreuung zu Hause, der sogenannten informellen Pflege durch Familienangehörige, und dem Pflegeheim. Doch Barrierefreiheit und betreute Wohnangebote allein machen aus ­einem Wohnviertel noch lange kein Seniorenparadies.

Das Nötigste fußläufig erreichbar

„Entscheidend für den Erfolg von betreuten Wohnanlagen ist neben der baulichen Qualität und motiviertem Pflegepersonal die fußläufige Erreichbarkeit wichtiger Strukturen“, sagt Alexander Langeder, Koordinator der Stadt Steyr

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Wohneinrichtung. „Das funktioniert in den seltensten Fällen“, spottet Eichinger. „Hier wird das Pferd von hinten aufgezäumt.“ Es sei der völlig falsche Ansatz zu glauben, jede Immobilie wäre für Seniorenwohnen geeignet. „Auch die Alten sind nicht dumm. Die haben konkrete Vorstellungen und schauen sich die Angebote genau an“, sagt Eichinger. Vielfach passe einfach das Konzept oder die ­Lage nicht. Niemand wolle abgeschieden an der Peripherie ­leben, wo der nächste Nahversorger erst im Nachbarort zu finden ist. „Die Erwartungen an betreutes Wohnen haben sich ­bisher noch nicht wirklich erfüllt“, sagt Anton Holzapfel, Geschäftsführer des Österreichischen Verbands der Immobilienwirtschaft (ÖVI). In den Bundesländern würden ­betreute Wohnprojekte noch nicht so funktionieren, wie ursprünglich angedacht. „Das Angebot übersteigt man­ cherorts die Nachfrage – mit der Folge, dass die ­Wohnungen Nr. 15 | 2014 | www.big.at


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Wie immer in der Immobilien­ wirtschaft zählt das Prinzip „Lage, Lage, Lage“. Eine gute ­Infrastruktur ist ­Voraussetzung für jedes gelungene Projekt.

nicht an betreuungsbedürftige Pensionisten, sondern an normale Erwerbstätige und Jungfamilien vermietet werden, um drohende Leerstände zu vermeiden“, analysiert Holzapfel. Prinzipiell ist nämlich eine Konversion von einer betreuten Wohnung in eine ganz normale Wohnung jederzeit möglich. Aus rechtlicher Sicht gibt es keine Vorgaben hinsichtlich des Alters der Bewohner. Einzig etwaige Förderungen können entfallen. Aber die Unterwanderung von betreuten Einrichtungen etwa durch Studenten ist jederzeit möglich. Diese Risikolosigkeit verleitet so manchen Bauträger dazu, auch ohne entsprechendes Konzept um Senioren zu werben. Der professionelle Zugang besteht bei jedem Projekt darin, zuerst ­eine Marktanalyse durchzuführen – noch bevor der Architekt den ersten Strich zieht.

bote an Altenheimen und Seniorenwohnanlagen es in einem Einzugsgebiet von 20 bis 30 Kilometern bereits gibt. Dadurch ergibt sich ein Sättigungsgrad. Wenn nun, vereinfacht ausgedrückt, das Marktpotenzial höher ist als der Sättigungsgrad, dann besteht grundsätzlich Bedarf an betreuten Wohneinrichtungen. Freilich muss auch der Sozialraum passen. Wenn die nötige Infrastruktur

Bedarfsermittlung für betreutes Wohnen

in der Region nicht gegeben ist und kaum Betreuungs­ organisationen und Pflegedienste vor Ort sind, wird es schwierig, ein Seniorenwohnprojekt auf die Beine zu ­stellen.

Zuerst wird mithilfe von Bevölkerungsdaten der Statistik Austria erhoben, wie viele Frauen und Männer es überhaupt in der Zielregion gibt, die älter als 60 Jahre sind. Aus Erfahrungswerten weiß man, dass etwa drei Prozent der Generation 60 plus und rund sieben Prozent der Genera­ tion 75 plus betreutes Wohnen in Anspruch nehmen. Dadurch ergibt sich eine Kennziffer, die angibt, wie groß das Personenpotenzial für betreutes Wohnen in einer Region prinzipiell ist. Anschließend wird erhoben, welche Ange­ Nr. 15 | 2014 | www.big.at

«Die Erwartungen an betreutes Wohnen haben sich bisher noch nicht wirklich erfüllt.» Anton Holzapfel, Geschäftsführer ÖVI

Hoffnungsmarkt?

Das einstige Nischenprodukt Seniorenwohnung wird im Laufe der kommenden Jahre boomen. Man müsse sich nur vor Augen halten, dass zwei Drittel der Alten- und ­Pflegeheimbewohner überhaupt nicht dort untergebracht ›

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Thema

Foto: Fotolia.com/Grafik: Hans Ljung

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Dank bester ­ edizinischer m Versorgung wird die Lebens­ erwartung in den nächsten Jahrzehnten weiter ansteigen.

­ erden müssten. Denn diese Gruppe bezieht Pflegegeld bis w zur Stufe 3, wäre also in der Regel noch mobil genug, um sich weitestgehend selbst zu versorgen, etwa in einer betreuten Wohnanlage. Bei mehr als 430.000 Personen in Österreich, die laut Sozialministerium derzeit Pflegegeld beziehen, ergäbe sich so ein Bedarf von fast 40.000 betreuten Wohneinheiten. Zudem wachse der Markt für betreutes Wohnen rascher als der Anteil der Generation 60 plus, da der Kostendruck im Sozialtransfer-System rasant zunehme. Wer pflegebedürftig ist und in einem Altenheim wohnt, belastet das ­Sozialhilfebudget bis zu viermal so stark wie jemand, der trotz Pflegebedarf in den eigenen vier Wänden wohnt. Ein Altenheimbett kann die Allgemeinheit bis zu 20.000 Euro im Jahr kosten. Allein aufgrund der erwartbaren Kosten­ lawine, die auf Österreich im Zuge der stetigen Überalterung zurollt, müsse man zu dem Schluss kommen, dass das betreute Wohnen in den nächsten Jahren forciert werden sollte, meint Eichinger. Das Potenzial dafür sei definitiv vorhanden, auch im nicht geförderten Bereich. Seniorenwohnungen und betreute Wohnanlagen werden im Rahmen der Wohnbauförderung im gleichen ­Ausmaß wie andere Neubauvorhaben gefördert. Darüber hinaus gibt es in Österreich aber neun unterschiedliche Fördermodelle. So werden etwa in Niederösterreich nur Projekte von gemeinnützigen Bauvereinigungen gefördert. In der Steiermark fällt die Unterstützung mit maximal 277 ­Euro pro Person und Monat derzeit am höchsten aus.

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Aber die Förderbestimmungen ändern sich laufend. Und wenn der demografische Druck steigt, könnten die Länder schnell neue Anreize durch Förderungen setzen. Denn kaum ein Marktsegment lasse sich so gut abschätzen wie jenes der Seniorenimmobilien.

Überzogene Erwartungen?

Trotzdem wirkt ein Bedarf von 40.000 betreuten Wohneinheiten sehr hoch gegriffen. Erstens, weil niemand sonderlich gerne umzieht und 95 Prozent aller Senioren am liebsten in ihren eigenen vier Wänden alt werden wollen. Zweitens, weil eine Studie zur Wohnversorgung für Senioren, die im Auftrag der Bundesinnung Bau durchgeführt worden ist, nahelegt, dass der altersgerechte Umbau von Bestandswohnungen in Kombination mit mobilen Pflegediensten insgesamt deutlich billiger ist als jeder Neubau – sei es nun eine betreute Wohnanlage oder ein Altenheim. Drittens, weil es deutliche Signale vonseiten der Politik gibt, barrierefreie Umbauten im privaten Wohnbau zu fördern. Konkret wird schon seit Längerem eine Erweiterung des Bundes-Sanierungsschecks angedacht. Dabei sollen ­ältere und pflegebedürftige Menschen bei der alters­­ gerechten Adaptierung ihres Eigenheims finanziell unterstützt werden. Für das betreute Wohnen als Variante der Senioren­ unterbringung spricht wiederum der integrative ­Charakter. ­Evaluierungen von bestehenden betreuten Wohnanlagen haben ergeben, dass es zwei wesentliche Gründe gibt, Nr. 15 | 2014 | www.big.at


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­ arum Menschen in eine Seniorenimmobilie ziehen. w ­Einerseits, um einer immer stärker empfundenen Isolation zu begegnen: Es sind vor allem früh verwitwete Frauen, die das Alleinsein fürchten und die sozialen Aktivitäten in betreuten Wohnanlagen schätzen. Andererseits haben viele aus der Altersklasse 70 plus Angst davor, hinzufallen und von niemandem gefunden zu werden. Es ist das Bedürfnis nach Sicherheit, das Pensionisten veranlasst, in eine betreute Wohnanlage zu ziehen.

Alt und vermögend

Das wirkliche Potenzial von betreutem Wohnen zeigt sich erst im Zusammenhang mit der demografischen Entwicklung. Rund zwei Millionen Menschen oder 23,7 Prozent der österreichischen Bevölkerung sind derzeit älter als 60 Jahre. Nach Schätzungen der Statistik Austria dürfte der Anteil der über 60-Jährigen an der gesamten Bevölkerung bis zum Jahr 2043 auf 33 Prozent ansteigen. Die Zahl der über 80-Jährigen wird bis 2050 von derzeit 366.000 Menschen auf eine Mil­lion klettern. „Diese Entwicklung ist irrever­ sibel“, sagt Heinz Faßmann, Experte für Migration und Demografie an der Universität Wien. In den vergangenen Jahrzehnten sei die Gesundheitsversorgung derart optimiert worden, dass die Lebenserwartung enorm angestiegen sei. Die alten Menschen seien vor allem deswegen zahlreicher, weil sie gesünder, aktiver und somit länger leben würden als früher. Trotz aller Sorgen um die Funktionsfähigkeit des Pensionssystems erwartet Faßmann, dass die Alten von morgen vermögend sein werden. „Viele haben über einen sehr langen Zeitraum Einkommen bezogen, ohne Währungsumstellungen und Inflationskrisen. Diese Leute konnten ein beträchtliches Sparkapital akkumulieren.“ Zudem dürften diejenigen, die in 20 bis 30 Jahren in Pension gehen, also die ab 1970 Geborenen, viel Vermögen erben. „Senioren mit entsprechendem Vermögen werden ­daher auch bei betreubaren oder Senioren-Wohnungen höhere Ansprüche in puncto Fläche sowie Ausstattung haben, vor allem aber hinsichtlich des Serviceangebots. Auch wird es nicht genügen, nur eine Basisversorgung durch eine ex­ terne gemeinnützige Organisation auf Abruf bereitzustellen. Diese Gruppe wird ein Serviceangebot ­erwarten, das von der Reinigung über einen Concierge-Service bis hin zu ­einem, je nach Objektgröße, haus­eigenen Café reicht. ­Damit sind neben privaten ­Immobilieninvestoren auch Nr. 15 | 2014 | www.big.at

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entsprechende Betreiber ­gesucht, die solche Ansprüche ­erfüllen können“, erläutert Zivilingenieur Wolfgang ­Gräsel, der bereits an mehreren Projekten federführend ­beteiligt war.

Familie auf Distanz

Drastisch ändern dürfte sich nach Expertenmeinung die Pflegesituation. Während auch heute noch ein Großteil der Betreuungsleistungen innerhalb der Familie erfolgt, dürfte die Lage in zwei bis drei Jahrzehnten gänzlich anders aussehen. „Die Wahrscheinlichkeit, dass die künftigen Alten auch noch in diesem Ausmaß von der Familie betreut werden, nimmt rapide ab“, sagt Faßmann. Denn: Die Altersgruppe, die sich jetzt im Ruhestand befindet, hat mehr ­Kinder als ­alle folgenden. Im Jahr 1963 erreichte der Baby-

«Senioren mit entsprechendem Vermögen werden daher auch bei betreubaren oder SeniorenWohnungen höhere Ansprüche an Fläche und Ausstattung haben, vor allem aber an das Serviceangebot.» Wolfgang Gräsel, Zivilingenieur

boom mit knapp 135.000 Geburten seinen Höhepunkt. 15 Jahre später wurden in Österreich aber nur mehr rund 85.000 Kinder pro Jahr geboren, das entspricht einem Rückgang von fast 40 Prozent. Seit 1999 werden in Österreich überhaupt weniger als 80.000 Kinder pro Jahr ge­ boren. „Unser Erwerbsleben verlangt zudem, dass wir mobiler werden“, prophezeit Faßmann. Dadurch würden sich räumlich zerstreutere Familienstrukturen ergeben, die Kinder dürften zunehmend an anderen Orten leben als ihre ­Eltern und Verwandten. Das künftige Familienmodell sei gewissermaßen eine Familie auf Distanz. „Die Konsequenz dieser Entwicklungen ist, dass der Anteil der institutionellen Betreuung künftig größer werden muss“, analysiert Faßmann. „Die Familie als Pflegeinstanz wird an Bedeutung verlieren.“ ‹

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Thema Was wurde aus …

Zurück in die Zukunft Foto: mik38/Fotolia.com

In den vergangenen 13 Jahren wurden aus dem Bestand der BIG zahlreiche Häuser verkauft. Der Bund hatte keine Verwendung mehr für sie, obwohl manche davon – wie beispielsweise die ehemalige Villa der Bundespräsidenten – sogar einen gewissen Glamour-Faktor aufwiesen. BIG Business hat sich auf Spurensuche begeben und nachgeforscht, was aus den damals leer stehenden Objekten geworden ist oder vielleicht irgendwann werden wird. Von Eduard Platzenteig

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Was wurde aus …

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as Verhältnis zwischen Eigentümern großer Portfolios und ihren Häusern ist oft ökonomisch bestimmt, meistens sachlich-nüchtern, manchmal aber auch durchaus emotional. Schließlich besteht der handfeste Unterschied zwischen diversen – teils sogar undurchsichtigen – Finanzanlagen und Immobilien vor allem darin, dass man Letztere angreifen und berühren kann. Auch wenn nicht jeder den gleichen sinn­ lichen Zugang hat, können rote Ziegel und glatter Beton bei Menschen doch erhebliche Gefühlsregungen aus­lösen. ­Abseits beinhart kalkulierter Renditen haben Immobilien also unbestritten ihre eigenen Reize. Die richtige Affinität vorausgesetzt, ist für jeden Geschmack etwas dabei, denn ­Gebäude sind fast so unterschiedlich wie Menschen. Das mussten auch die Verantwortlichen in der BIG erkennen, als sie im Jahr 2000 zum ersten Mal eine Liste mit über 5.000 Ein­trägen durchforsten mussten. Zur Jahrtausendwende wurden die vormals im Wirtschaftsministerium verwalteNr. 15 | 2014 | www.big.at

ten Immobilien nämlich um 2,4 Milliarden Euro von der ­ epublik Österreich an die BIG verkauft. Nicht dabei waren R Kasernen und historische Objekte wie die Hofburg, das Parlament oder die Bundesmuseen. Um diesen Preis überhaupt bezahlen zu können, hat das Unternehmen Anleihen be­ geben – sich also auf dem internationalen Kapitalmarkt verschuldet. Und weil diese Transaktion nicht hätte stattfinden können, wären diesen Verbindlichkeiten nicht auch Erträge gegenübergestanden, müssen seit damals diverse Dienststellen oder ausgegliederte Unternehmen der Republik für die Nutzung der Häuser Miete bezahlen.

Kraut und Rüben im Portfolio

In einem ersten Schritt hat das auf beiden Seiten zu einer kritischen Betrachtung der neuen Situation geführt. Sowohl von den Vermietern als auch von den Mietern wurde sozusagen Kassasturz gemacht. Der erste Eindruck war im wahrsten Sinne des Wortes überwältigend: „Obwohl wir ›

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Thema Was wurde aus …

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Verwertung zur Gänze der in Teilen, insbesondere von für Bundeszwecke nicht mehr benötigten Objekten (…) vorzubereiten und durchzuführen.“ Auch wenn das für Nicht-­ Juristen recht schwammig klingen mag, die Vorgabe seitens des Gesetzgebers ist klar: entweder neu vermieten oder verkaufen. Sehr oft wurde Variante Nummer zwei gewählt, und es folgte nicht selten ein langer, müh­samer Prozess – mit allen Höhen und Tiefen, die zu einer Trennung eben dazugehören. Der Großteil der im Rahmen standardisierter Ausschreibungen veräußerten Objekte wurde fernab der Öffentlichkeit übergeben, es gab aber auch etliche prominente Fälle, die beim Verkaufs­prozess für große Neugier sorgten. BIG Business hat nach­geforscht, was aus den Ex-Immobilien der BIG geworden ist. Eine Geschichte über komplizierte Partnerschaften, glückliche neue Verbindungen, aber auch bis dato un­er­füllte Hoffnungen.

Seniorenwohnen statt Jugendhaft? Für den ehemaligen Jugendgerichtshof in der Rüdengasse gab es schon viele Nutzungs­konzepte: vom Regional­ zentrum bis zum Hotel. ­Verwendet wurde das Gebäude ­vorerst aber nur als ­Drehort.

schon vorher viele dieser Liegenschaften kannten, da wir zuvor Fruchtgenussrechte hatten, war das alles eher Kraut und Rüben“, sagt Peter Höflechner, seit über 20 Jahren in der BIG. Damit hieß es für die verantwortlichen Experten der BIG: Ab in den Gemüsegarten und möglichst tief graben. Im Excel-Sheet verbargen sich nämlich in diversen Reihen und Spalten neben Hochständen, Schlössern, Bootshäusern, Stollen, Burgen, Universitäten, Kasernen, Schulen, Gerichten und Finanzämtern sogar Würstelstände. Aber nicht nur auf der Seite der BIG waren die Bestrebungen, den Bestand zu sichten und in eine geordnete Form zu bringen, enorm. Auf der anderen Seite war ebenfalls leichte Unruhe aufgekommen. Nun musste nämlich Geld, auch wenn es in den meisten Fällen aus unterschiedlichen Budgettöpfen der Republik kam, für Raum bezahlt werden. Aufgrund dessen erfolgte eine Überprüfung, welche Flächen tatsächlich benötigt wurden. Alleine in den ersten Jahren nach Verkauf des Portfolios wurden wegen fehlender Nutzung weit über 100.000 Quadratmeter zurückgegeben. ­Damit hatte sich das Problem für die Mieter gelöst und lag nun bei der BIG. Viel Spielraum beim weiteren Umgang mit diesen leer stehenden Immobilien gab es aber damals nicht, ist doch bis heute im Gesetz eindeutig fest­gehalten: „Die Bundesimmobiliengesellschaft hat gegebenenfalls die

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Ein sehr plakatives Beispiel für die großen Erwartungen vieler ist der ehemalige Jugendgerichtshof in Wien-Landstraße. Wann immer von einer Justizreform die Rede ist, wird eine Adresse mit hoher Wahrscheinlichkeit genannt: die Rüdengasse. Vor mehr als zehn Jahren, 2003, wurde der Jugend­gerichtshof aufgelassen und in die Justizanstalt ­Josefstadt übersiedelt. Seither steht das Objekt, das über rund 7.000 Quadratmeter Nutzfläche verfügt, die jeweils zur Hälfte aus Gerichtssälen und Gefängnistrakt besteht, leer. Außer als Drehort für diverse Fernsehserien – wie ­„Soko Donau“, „Trautmann“ oder „Tatort“ – fand man noch keine dauerhafte Verwendung für den vierstöckigen weißen Block aus dem Jahr 1928. 2006 hatte sich die BIG vom Gebäude getrennt. Neuer Besitzer wurde die Immobilienfirma Ceba AG, ein laut Eigen­definition „Immobilienentwickler mit starkem Fokus auf Altbausubstanz mit umfassendem Revitalisierungs­ bedarf“. Demgemäß hatte die Firma in Erdberg ambitionierte Pläne: Der Standort Rüdengasse sollte „als markantes Regionalzentrum für Nahversorgung und Begegnung“ positioniert werden und so den eher abseits liegenden Bezirksteil aufwerten und beleben. Es kam anders. Denn bis dato wurde in der Rüdengasse weder eine Türschnalle ausgetauscht noch irgendetwas renoviert oder gar revitalisiert. Ein Grund dafür dürfte der Tod des Geschäftsführers Peter Lisowski sein, wodurch das gesamte Projekt ins ­Stocken geriet. Seither brodelt es immer wieder in der Gerüchteküche: Gehandelt wurden andere Nutzungen, etwa als ein Hotel, wobei die einstigen Gefängniszellen als Zimmer dienen sollten. Dann wurde eine gemischte Nutzung mit Einzelhandel, Büros und Wohnungen kolportiert, wiewohl der dritte Wiener Gemeindebezirk aufgrund etlicher Projekte in der Pipeline als schwieriges Büro-Pflaster gilt. Führende Kommunalpolitiker wiederum hätten dort am liebsten – Stichwort Bevölkerungsalterung – betreutes Wohnen für Senioren. Aber auch die ursprüngliche Nutzung als Jugendgerichtshof wäre für Bezirksvorsteher-Stellvertreter Rudolf Zabrana ein akzeptables Ziel. Zuletzt gab es Gerüchte, woNr. 15 | 2014 | www.big.at


Foto: Peek & Cloppenburg

Was wurde aus …

nach die Liegenschaft den Besitzer gewechselt hätte. Mittlerweile ist es laut dem Wirtschaftsmagazin Gewinn fix. Der Immobilienentwickler Thomas Levenitschnig habe sich die Liegenschaft gesichert. Das Haus steht nicht unter Denkmalschutz, womit bei der der Umsetzung eines neuen Projekts ein Teilabbruch möglich wäre.

Fotos: BIG

Kurzer Prozess

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Ein anderes Gebäude in prominentester Lage wechselte mehrmals rasch den Eigentümer und wurde danach dem Erdboden gleichgemacht. Vor rund zehn Jahren waren noch mehrere 100 Beamte des Finanzministeriums mitten auf der Kärntner Straße untergebracht. Insgesamt bestand die Liegenschaft aus vier Gebäuden mit einer Grundfläche von rund 2.800 Quadratmetern. Zuerst im Eigentum der Republik, danach kurz Teil des BIG-Portfolios, sollte das begehrte Ensemble im Rahmen eines Bieterverfahrens 2005 verkauft werden. Gewinner des Rennens war Peek & Cloppenburg. Der deutsche Textilriese wollte auf der Kärntner Straße einen neuen Flagshipstore errichten – allerdings nicht in den schmucklosen Gemäuern aus der Nachkriegszeit. Bald zeigte sich nämlich, dass sich das geplante Konzept eines „Weltstadthauses“ nur in einem Neubau realisieren ließ. Zugute kam den Planern dabei, dass die Gebäude – bis auf das kleine Haus an der Ecke Himmelpfortgasse/ Kärntner Straße – nicht unter Denkmalschutz standen. In einem geladenen Architekturwettbewerb, an dem prominente Architekten wie Rafael Moneo oder auch Peter ­Myers teilnahmen, setzte sich dann der Brite David Chipperfield ›

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Aus dem mehr­ teiligen Gebäude­ komplex des Finanz­ ministeriums auf der Kärntner Straße (links) wurde das Peek & Cloppen­ burg-„Weltstadt­ haus“ aus der Feder von David Chipperfield.

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Thema Was wurde aus …

durch. Planung, Abbruch (im Sommer 2009) und die Bauphase verliefen ohne Proteste – weshalb das Peek & Cloppenburg-„Weltstadthaus“ im August 2011 seine Pforten ­öffnen konnte.

Nobel ging die Villa zugrunde

Es war einmal in Döbling: Die ehemalige „Präsidentenvilla“ galt als erste Wohnadresse der Republik, heute wuchert an der Hohen Warte 36 das Unkraut.

Einen Hauch von internationalem Flair genoss auch jahrzehntelang die „Präsidentenvilla“ in Wien-Döbling: Sie war Domizil für die ersten Männer der Republik Österreich. In bester Wiener Vorstadtlage residierten dort die vier österreichischen Staatsoberhäupter Franz Jonas, Rudolf Kirchschläger, Kurt Waldheim und Thomas Klestil. Wer heute an der Adresse Hohe Warte 36 vorbeikommt, findet bloß noch ein verwildertes Grundstück vor. Die Geschichte des Niedergangs einer der prominentesten Staatsimmobilien beginnt im Jahr 1965, als Jonas als erster Präsident die rund 10.000 Quadratmeter große Liegenschaft mit etwa 750 Quadratmetern Wohnfläche bezog. Einige Jahre davor, in den 50er-Jahren, war die rund 150 Jahre alte Villa gründlich renoviert und später von der Republik übernommen worden (Vorbesitzer war Kurt Grimm,

der Chef des Rudolfinerhauses). Danach passierte über Jahrzehnte nichts mehr, wodurch die Villa langsam, aber sicher verfiel. Erst 1986, in der Amtszeit von Kurt Waldheim, erfolgte eine Sanierung samt Zubau, die vor allem die Fassade, das Dach und die Böden betraf. Nachhaltig waren ­diese Arbeiten offensichtlich trotzdem nicht, denn im Mai 2004 – nur zwei Monate vor Thomas Klestils überraschendem Herztod am 6. Juli – verließ das Präsidentenpaar das immer mehr zur Belastung werdende Haus in Döbling und übersiedelte in eine Privatvilla in Hietzing. Als sich dann auch der amtierende Bundespräsident Heinz Fischer für einen Verbleib in seiner Josefstädter Wohnung entschied, war das Schicksal der Präsidentenvilla endgültig besiegelt. Damit war die BIG am Zug. Im Jahr 2007 erfolgte die Veräußerung der prominenten Liegenschaft. Neuer Eigen­ tümer wurde die EPAM Immobiliengesellschaft, die Tage später ihre Pläne für das Grundstück bekannt gab. Auf dem Gelände sollten Luxuswohnungen entstehen. Ende Dezember 2009 fuhren die Bagger auf, um die nicht unter Denkmalschutz stehende Villa zu planieren. Danach wurde es aber still. Denn die EPAM Immobiliengesellschaft, hinter der die Privatstiftung des PharmaErben Peter Bertalanffy steht, hat es nicht eilig. Wobei die Verzögerung durchaus einen Grund darin haben könnte, dass das Neubau­ projekt im Herbst 2010 in das Fahrwasser des Wien-Wahlkampfs geriet. Im Sommer davor waren in ­einem neuen Flächenwidmungsund Bebau­ungs­plan strenge Grenzen gesetzt worden. So wollten Stadt und Bezirk verhindern, dass – wie in Döbling vielerorts schon Realität – in ­einer Einfamilienhaus­ gegend rie­sige Apartmentblocks entstehen und das Stadtbild zerstören. Deshalb wurde nicht nur die Höhe der neuen Objekte reglementiert (maximal 10,5 Meter Traufen­ höhe), sondern auch die Bebaubarkeit des Areals von ursprünglich 33 Prozent der Gesamtfläche auf nur mehr 25 Prozent verringert. „Derzeit sind Architekten damit beschäftigt, Vorschläge zu machen für ein Projekt, das dort einmal ­realisiert werden könnte“, heißt es äußerst vage von der Grigkar Immobilienverwaltungsgesellschaft, von der die Liegen­schaft aktuell für die EPAM verwaltet wird.

Fotos: BIG

Kein Gericht mehr

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Ebenfalls „Bitte warten“ heißt es für viele Juristen, die das ehemalige Handelsgericht in der Riemergasse noch aus aktiven Zeiten kennen und daher das „Schicksal“ des Gebäudes aufmerksam verfolgen. Das gewaltige Objekt nahe der Wollzeile ist so etwas wie ein immobiler Zombie. Das kolossale Jugendstilgebäude im Herzen der Bundeshauptstadt beherbergte bis Sommer 2003 gleich drei Gerichte: das Handelsgericht, das Bezirksgericht für Handelssachen und das Bezirksgericht Innere Stadt. Unter dem damaligen Justizminister Dieter Böhmdorfer fiel die Entscheidung, in den Nr. 15 | 2014 | www.big.at


Was wurde aus …

City-Tower von Wien-Mitte, der später zum Justizzentrum Wien-Mitte wurde, umzuziehen. Womit die BIG mit der Tatsache konfrontiert war, eine neue Nutzung für das auf die Justizbehörden zugeschnittene Objekt mit insgesamt 23.000 Quadratmetern Nutzfläche finden zu müssen – kein leichtes Unterfangen in einer Zeit, in der viele Institutionen dabei waren, ihre alten Gemäuer im Zentrum zugunsten neuer Bürotürme zu räumen. Im Dezember 2004 setzte die BIG den ersten Schritt in Richtung Entwicklung des Objekts, indem für ein Hotelund Wohnprojekt ein Partner gesucht und in der niederländischen Van-Herk-Gruppe auch gefunden wurde. Plangemäß erfolgte in den Jahren darauf der Ausstieg der BIG aus der Projektgesellschaft. Danach wurde der Umbau des denkmalgeschützten Objekts in ein Fünf-Sterne-Plus-Hotel immer wieder auf später verschoben, wobei 2009 immerhin eine renommierte internationale Hotelkette als Be­ treiber präsentiert werden konnte, die kanadische Luxusmarke „Four Seasons“. Doch in der Folge machte die weltweite Wirtschaftskrise, die auch den internationalen Städte­­tourismus erfasste, dem Projekt einen Strich durch die Rechnung. Walther Staininger, Eigentümervertreter der Van-Herk-Gruppe, ist aber nach wie vor optimistisch. Vergangenen Sommer kündigte er an, dass das „Four Seasons“ definitiv kommen werde – vielleicht erst Ende 2015 oder Anfang 2016.

Foto: Austria Trend Hotels

Foto: BIG

Das ehemalige Handelsgericht soll künftig das „Four Seasons“ beherbergen, das Projekt hat sich aber aufgrund der Weltwirtschaftskrise verzögert.

Das frühere IMAXKino fand keine neue Verwendung. Nach dem Abriss wurde nahe Schönbrunn ein Vier-Sterne-Hotel eröffnet.

Mehr Entwicklungsglück mit einem Hotelprojekt hatte hingegen der neue Eigentümer des IMAX-Kinos neben dem Technischen Museum in Wien. Kurzer Rückblick: In der großen Kino-Euphorie, die in Städten Multiplexe wie Schwammerl aus dem Boden sprießen ließ, war die BIG von der Republik engagiert worden, ein Kino der besonderen Art zu bauen. Da der Großteil der Besucher Schüler ­waren, galt es, unter dem Titel „Bildungsauftrag“ einen dauerhaften Standort des bis dahin in einem Provisorium › Nr. 15 | 2014 | www.big.at

Foto: BIG

Rasche Projektentwicklung

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Thema Was wurde aus …

Foto: Wikipedia/Florian Maislinger

Die Burg Golling ging vom Eigentum der BIG in jenes der Gemeinde über. Der Erhalt des neuen Mittelpunkts im Leben der Marktgemeinde kostet jährlich rund 40.000 Euro.

in Wien beheimateten Erlebniskinos IMAX („Image Maximum“) zu schaffen. Betrieben wurde das Lichtspieltheater von einem privaten Unternehmen. Die Besucherzahlen blieben aber deutlich hinter den Erwartungen zurück, wodurch die Miete an die BIG nicht mehr bezahlt werden konnte. Der Betreiber ging in Konkurs, und wenige Monate später fiel im IMAX der letzte Vorhang. Da sich kein neuer Betreiber fand, wurden Alternativnutzungskonzepte oder Neubebauungsvarianten erarbeitet. Letztere scheiterten jedoch an der dafür nötigen Umwidmung. So erfolgte auch hier der Verkauf: Die finanz4you Projekt Invest Ges.m.b.H. erwarb ein rund 13.000 Quadratmeter großes Grundstück mit einem 4.800 Quadratmeter großen Lichtspieltheater, einer Garage mit mehr als 120 Stellplätzen sowie einem kleinen Park. finanz4you kündigte zunächst hochtrabende Pläne für ein Technologiezentrum in Kooperation mit dem benachbarten Technischen Museum an – doch daraus wurde nichts. Bald kam es zu einem weiteren Eigentümerwechsel: Der Wiener Industrielle Gerald Schweighofer übernahm das Grundstück und sollte deutlich mehr Fortune haben. Gemeinsam mit der Stadt Wien wurde für den Neubau eines großen Hotelkomplexes ein Umwidmungsprozess gestartet, der zum Abriss des IMAX-Zylinders und zur Errichtung eines Vier-Sterne-Superior-­Hotels der Verkehrsbüro-Gruppe (als Pächter) mit 233 Gästezimmern ­(davon 21 Suiten) und einem Konferenzbereich führte. Im Herbst 2011 eröffnete das „Park Royal Palace“.

BIG als Burgherr

Mehr als 800 Jahre vorher, also in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts, wurde in Golling/Salzburg ein Steinbau mit Bergfried, Palast und einer Ringmauer errichtet. Nach turbulenten Jahrhunderten, in denen die Burg von der erzbischöflichen in eine säkulare Verwaltung kam, diente sie in der jüngeren Vergangenheit als Verwaltungs- und Gerichtssitz. Bis 1923 bestand als Folgeinstitution des K. u. K. Pfleggerichts Golling ein Bezirksgericht, und bis in die frühen 70er-Jahre waren eine Zollwacheabteilung und eine Steueraufsichtsstelle eingerichtet. Im Jahr 2000 war dann auch eine stolze Burg im Portfolio der BIG. So gut wie keine

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Mieteinnahmen, aber ein hoher Verwaltungs- und Instandhaltungsaufwand für die Liegenschaft ließen den BIG-Verantwortlichen bei der Entscheidung wenig Handlungsspielraum – steht doch als wesentlicher Zweck des Unternehmens die „marktorientierte Bewirtschaftung des Immobilienvermögens“ im Gesetz. Es kam zum Verkauf. Der Transaktion in Golling ging ein langer, nicht gerade leichter Prozess des Verhandelns, Taktierens und vor allem Rechnens voraus. Denn die Instandhaltungskosten einer solch historischen Burganlage können einer 4.000-Einwohner-Gemeinde auch leicht über den Kopf wachsen. So mussten seither schon etliche Investitionen getätigt werden: Rund 56.000 Euro mussten für einen originalen Putz, den das Bundesdenkmalamt vorschrieb, lockergemacht werden; auch die historische Burgbrücke musste saniert werden. Zudem erfolgte in zwei Abschnitten ein Ausbau, der sich mit rund einer halben Million Euro zu Buche schlug. Doch den Kauf bereut Bürgermeister Anton Kaufmann bis heute nicht. „Es ist positiv, dass wir das in der öffentlichen Hand haben, wir haben einiges an Geldern investiert, aber durch die Veranstaltungen ist auch eine Belebung der Burg da. Sie ist als Mittelpunkt des Gollinger Lebens nicht mehr wegzudenken“, erzählt der Bürgermeister. Außer dem Museum dient die Burg heute als Ort für Festveranstaltungen aller Art – von Seminaren, Firmenfesten bis hin zu Taufen und Hochzeiten. Der Erhalt kostet die Gemeinde jährlich 30.000 bis 40.000 Euro. Es gelte daher, alle möglichen Förderquellen anzuzapfen, wie anno 2009 die EU-Förderschiene Interreg im Zuge eines Museums-Schwerpunkts zu den Napoleonischen Kriegen. Fazit des Bürgermeisters: „Wenn solche Objekte und Wahrzeichen da sind, kann ich jeder ­Gemeinde nur empfehlen zuzugreifen.“

Das Kleinod am Wolfgangsee

Ganz ähnlich wie bei der Burg Golling verlief die Geschichte des sogenannten Nannerl-Hauses in St. Gilgen am Wolfgangsee: Namensgeberin des Hauses ist die Schwester von Wolfgang Amadeus Mozart, selbst eine hochbegabte Pianistin und Vertraute des Genius, die bis 1801 in St. Gilgen lebte (1829 starb sie in der Stadt Salzburg). Als das Gebäude Nr. 15 | 2014 | www.big.at


Was wurde aus …

Foto: WTG

gut 200 Jahre später in das Eigentum der BIG kam, fungierte es als noch Bezirksgericht – ehe der Standort im Zuge der große Bezirksgerichtsreform 2003 aufgelassen wurde. Land und Gemeinde zogen an einem Strang und fanden ­eine gemeinsame Lösung: Rechtzeitig vor dem landesweit begangenen Mozartjahr 2006 ging das Haus in das Eigentum des lokalen Kulturvereins Mozartdorf über und wurde von diesem zum Museum Mozarthaus St. Gilgen um- und ausgebaut. Der Ablauf jedes Verkaufs der BIG ist streng normiert. Zuerst wird ein unabhängiger Sachverständiger mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Mit dieser Expertise wird dann errechnet, wie hoch der sogenannte Verkehrswert – also der Verkaufspreis im freien Spiel zwischen Angebot und Nachfrage – liegt. Auf Basis dieser Bewertung wird der Mindestkaufpreis festgelegt. Nicht eingerechnet werden dabei spezielle Vorlieben. Danach wird öffentlich ausgeschrieben.

Das ehemalige Bezirksgericht in St. Gilgen wurde zur lebendigen Stätte der Erinnerung an Mozarts Schwester Nannerl (oben).

Mit Klimt im Besprechungsraum

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Saudi-Arabien ersteigerte das Palais Sturany am Wiener Schottenring und schuf dort ein Zentrum für interreligiösen Dialog.

Fotos: Gisela Erlacher

Bei prominenten Lagen kommt es immer wieder vor, dass die von Sachverständigen ermittelten Kaufpreise sogar deutlich übertroffen werden. So hat beispielsweise das ­Palais Sturany am Wiener Schottenring weit mehr eingebracht als ursprünglich erwartet. Das neobarocke Prachtpalais (erbaut von 1874 bis 1880) beherbergte bis zum Jahr 2007 die katholisch-theologische Fakultät der Universität Wien. Für große Schlagzeilen sorgte das Haus erstmals 2006, als im großen Salon in der Beletage völlig überraschend vier große Deckengemälde wiederentdeckt wurden, die dem jungen Gustav Klimt, dessen Bruder Ernst und Franz Matsch zugeordnet werden. Das Königreich Saudi-Arabien erhielt in dem Ende 2011 durchgeführten Bieterverfahren den Zuschlag. Mit Unterstützung des ­österreichischen Außenamts wurde das „Abdullah-BinAbdulaziz-Zentrum für interreligiösen und interkulturellen Dialog“ etabliert. Der Verkauf des Palais Sturany vor knapp drei Jahren war die letzte große Transaktion, die auch medial für Aufsehen sorgte. Seit damals hat sich im BIG-Konzern auch strukturell einiges geändert. Mittlerweile ist die Trennung in zwei Unternehmen vollzogen. Die BIG kümmert sich, grob formuliert, neben sicherheitsrelevanten Gebäuden wie Justizanstalten vor allem um den Bildungsbereich, also um Schulen und Universitäten. Die neue Tochtergesellschaft ARE Aus­trian Real Estate ist auf Büros und hochwertige Wohnungen spezialisiert. Auch das Thema Verwertung ist in der ARE anders geregelt. Im Rahmen des Trading-­Modells werden nach klar definierten Kriterien Immo­bi­lien – ob vermietet oder nicht – verkauft und im Gegenzug auch Objekte angekauft. Der BIG-Konzern wird also nicht langsam immer kleiner, sondern erhält gemeinsam mit ­diversen Neubauten über Ankäufe auch Zuwachs. ‹

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Thema Bundesheer

Die neue Kaserne liegt in der energieautarken Gemeinde Güssing.

Foto: Harald A. Jahn

Zimmerpflanzen statt „Pin-up-Girls“ Die Standards militärischer Gebäude haben sich im Laufe der Zeit stark gewandelt. Das Zukunftsmodell einer Bundesheerkaserne steht seit Kurzem in Güssing. Gleichzeitig sind noch viele Relikte in Betrieb. Manche Liegenschaften wurden aber bereits verkauft. Von Alexandra Tryfoniuk

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Bundesheer

Kein Design-Highlight, aber großzügig und hell sind die neuen Zimmer samt eigenem Bad.

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ei Begriffen wie Gruppenschlafräume, Stockbetten und Gemeinschaftsduschen werden bei vielen Männern Erinnerungen an den Grundwehrdienst wach. Diese Art der Unterbringung ist in fast allen österreichischen Kasernen noch immer Standard. Nur in einer ist seit Kurzem alles anders: in der Montecuccoli-Kaserne im burgenländischen Güssing. Sie wurde von der BIG zwischen 2010 und 2013 beinahe komplett neu errichtet und darf sich nun zu Recht „modernste Kaserne Europas“ nennen. Dazu passt die herzliche Begrüßung von Oberstleutnant Thomas Erkinger. Er ist Kommandant des Jägerbataillons 19 und präsentiert voller Stolz seinen neuen Arbeitsplatz. Nicht zum ersten Mal, denn seit die neue Kaserne am 1. Jänner 2014 ihren Betrieb aufgenommen hat, wollten schon viele eine exklusive Führung durch das Areal. „Wir sind glücklich, in einer so modernen Kaserne unseren Dienst verrichten zu können. Deswegen freue ich mich, dass so viele auf Besuch kommen. Leider ist das auch sehr zeitaufwendig“, berichtet Erkinger über den Andrang.

Funktionales Modell

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Fotos: Harald A. Jahn

Das Kommandogebäude des Jägerbataillons ist das Herzstück der Kaserne. Hier befinden sich nicht nur die Kommandobüros, sondern auch zentrale Einrichtungen wie die Cafeteria für Offiziere und Unteroffiziere und das Soldatenheim mit gemeinsamer Terrasse sowie die Lehrsäle. „Dass die Lehrsäle zentral im Kommandogebäude sind, ist ein ­Novum, früher waren sie im Kompaniebereich verstreut“, erklärt der Kommandant. Alles ist hell und modern und dabei „absolut funktional“, schwärmt Erkinger vom Aufbau der Kaserne. Denn alle Gebäude, abgesehen von den Werkstätten also das Kommandogebäude, der Indoor-Sportbereich sowie die drei Kompanieunterkünfte – eine Kompanie besteht aus bis zu 150 Mann –, sind miteinander verbunden. Die ­Wege sind kurz, und ein Verlassen des Gebäudekomplexes ist nicht notwendig. Das bringt einige Vorteile: „Bei Wind und Wetter muss man sich nicht extra anziehen, und es kommt ­weniger Schmutz ins Gebäude. Außerdem müssen wir nicht ständig den Hut auf- und absetzen“, schmun- ›

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Thema Bundesheer

Auch für den Fuhrpark gibt es in Güssing genug Platz sowie moderne Werkstätten für Wartung und Reparatur.

Foto: Harald A. Jahn

zelt ­Thomas Erkinger (Anm. d. Red.: Jeder Soldat ist verpflichtet, im Freien das Barett aufzusetzen) und ergänzt: „obwohl der Griff in die linke Hosentasche schon automatisch passiert“. Die Zufriedenheit mit der Funktionalität ist hoch. Als Grund dafür nennt der Kommandant die perfekte Zusammen­arbeit mit den handelnden Personen. So haben die BIG und die Architekten die künftigen Nutzer schon in der Planungsphase eingebunden. „Auch nach fast sechs Monaten Betrieb haben wir keine Änderungswünsche mehr“, sagt Erkinger. Dass nun das gesamte, bisher auf drei Standorte verteilte Bataillon an einem Punkt vereint ist, bringt viele Vorteile.

Zusammenleben und Zusammenwachsen

In der neuen Kaserne mit einer Nettogrundfläche von fast 29.000 Quadratmetern wurden 2014 die Kompanien aus der Sporck-Kaserne in Oberwart und der Turba-Kaserne in Pinkafeld mit jener aus Güssing zusammengelegt. „Das ­Jägerbataillon 19 an einem Standort zu haben stärkt das Zusammenleben und das ­Zusammenwachsen“, so der Kommandant. Nun entfallen lange Wege für Abstimmungstermine. Alles ist viel effizienter. Statt Küchen, Wachen oder Krankenrevieren an drei Standorten ist nicht nur die Mannschaft, sondern auch die In­frastruktur ein großes Ganzes. „Früher hatten wir fast keine Sportstätten. Jetzt freuen wir uns über das Beste vom Besten“, so Erkinger über die verbesserten Trainingsmöglichkeiten. Darüber

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­ inaus hat das Bundesministerium für Landesverteidih gung und Sport (BMLVS) auf den umliegenden Flächen Ausbildungsanlagen errichtet. Insgesamt 750 Personen können in der Montecuccoli-Kaserne untergebracht werden. So modern der Betrieb sein mag: Die ­Frauenquote ist noch nicht berauschend. Derzeit verrichten 559 Mann und lediglich eine Frau ihren Dienst in der Kaserne – sie genießt aufgrund ihrer geschlechtlichen Einzigartigkeit das Privileg eines Einzelzimmers. Alle anderen sind in eine räumliche Gemeinschaft gezwungen.

Gruppenkuscheln war gestern

Sind in bestehenden Kasernen wie etwa in Pinkafeld zehn bis 16 Personen pro Zimmer in Stockbetten untergebracht, ist es in Güssing für militärische Verhältnisse fast schon ­luxuriös. Hier teilen sich zwei bis maximal fünf Personen ein Zimmer mit eigenem Bett „zu ebener Erd“. Die Zimmer sind genauso funktional wie das übrige Gebäude: Bett, Kasten und ein gemeinsamer Tisch aus Holz. Die Wände sind in sterilem Weiß gehalten. Ausmalen oder Posteraufhängen ist verboten. „Pflanzen dürfen mitgebracht werden. Das machen die Grundwehrdiener aber sowieso nicht, da ist schon das Aufräumen und Sauberhalten eine Herausforderung“, bemerkt Erkinger mit kritischem Blick in ­eines der Zimmer. Eine weitere Neuerung findet sich im Sanitärbereich. Während in allen anderen Kasernen die Körperpflege erst nach langem Marsch über den Gang möglich ist, Nr. 15 | 2014 | www.big.at


Bundesheer

Fotos: Kdo JgB19

Foto: Harald A. Jahn

Bei Befragungen forderten Grundwehrdiener Sport­ möglichkeiten im Rahmen ihres Präsenzdienstes ein. Die Montecuccoli-Kaserne bietet dafür beste Voraussetzungen.

sind die Zimmer hier mit eigener ­Toilette und Bad mit Dusche ausgestattet. „Die Kader­bediensteten wissen diesen hohen Standard sehr zu schätzen. Neue Grundwehr­diener, die zu uns kommen, kennen es nicht anders“, so der Oberstleutnant.

Zimmergenosse Pferd

Vor dem Kasernenbau waren die Soldaten bei der Zivilbevölkerung untergebracht. Erst mit der Errichtung von Kasernen im 18. Jahrhundert wurde in Österreich das Militär von den Bürgern getrennt. Somit konnten Soldaten autonom versorgt, besser kontrolliert und vor allem auch entsprechend trainiert werden. Die ersten Kasernen, wie Stockerau oder Krems, waren Zweckbauten, die einem einheitlichen Baustil folgten. Dabei nahmen die Bauherren Anleihen am französischen Zentralisationssystem. Das Prinzip: hohe zusammenhängende Gebäude rund um einen Hof. Ging es bei den ersten Kasernenbauten vor allem um die Unterbringung des stehenden Heeres, gewannen später auch Aspekte wie die strategische Lage oder die Bereitstellung von Transportmitteln an Bedeutung. So veränderte sich die Bauweise aufgrund der sich wandelnden erforderlichen Funk­ tionalität kontinuierlich. Schlechte Hygienestandards, die zu hohen Sterberaten führten, waren Charakteristika der Kasernen bis Ende des 19. Jahrhunderts. „Die Unterbringung von Soldaten im selben Gebäude mit ihren Pferden ist für heutige Rekruten nahezu unvorstellbar“, erzählt Dietmar Nr. 15 | 2014 | www.big.at

Rust vom BMLVS, der sich intensiv mit der Geschichte des Kasernenbaus auseinandergesetzt hat. Ende des 19. Jahrhunderts wurde ein Einquartierungsgesetz erlassen, das sowohl die Einteilung von Räumen als auch die hygienischen Bedingungen regelte. Hier prägte Franz von Gruber mit dem „Gruber’schen System“ den ­weiteren Kasernenbau. Niedrige Gebäude im Pavillon-Stil, die getrennte Unterbringung von Mensch und Tier sowie ausreichende Belüftung und reines Wasser waren dabei wesentliche Elemente. Nach dem Ende der Monarchie wurden noch während des Ersten und Zweiten Weltkriegs Kasernen errichtet. Dazu zählen auch die Sporck-Kaserne in Oberwart und die Turba-Kaserne in Pinkafeld, die um 1930 gebaut wurden und nun nach dem Auszug der Kompanien und dem Umzug nach Güssing zum Verkauf stehen. Veräußert werden die leer stehenden Kasernen durch die SIVBEG, die Strategische Immobilien Verwertungs-, Beratungs- und Entwicklungsgesellschaft, eine Tochtergesellschaft von BIG und BMLVS, in dessen Eigentum die Liegenschaften stehen. Sie wurde 2005 mit dem Auftrag gegründet, nicht mehr be­ nötigte militärische Liegenschaften zu veräußern. Grundlage für die Gründung der SIVBEG war die 2005 beschlossene Heeresreform „ÖBH 2010“. Hier wurde festgelegt, rund 40 Prozent der vom Bundesheer genutzten Liegenschaften zum Verkauf zu bringen. „Bis heute hat die SIVBEG 135 ­Liegenschaften um insgesamt rund 257 Millionen Euro ­veräußert“, erzählt der SIVBEG-Geschäftsführer Stephan ›

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Das Kommandound die Kompaniegebäude sind über gläserne Übergänge miteinander ­verbunden.

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Thema

Foto: SIVBEG/BMLVS

Bundesheer

Das ehemalige Generalkonsulat in Rio de Janeiro wurde 2012 verkauft.

­ eninger. Das entspricht 84 Prozent des Auftrags und W ­umfasst eine veräußerte Gesamtfläche von ungefähr 11,5 Millionen Quadratmetern – eine Fläche so groß wie etwa Klagenfurt. Auch heuer sollen wieder mehrere Liegenschaften, wie die Sporck- und die Turba-Kaserne, den Eigen­ tümer wechseln. „Den Höhepunkt wird sicher die 40 Hek­ tar große Martinek-Kaserne in Baden bilden. Aber auch in Wien, Linz und Salzburg kommen noch hochinteressante Liegenschaften auf den Markt“, will Weninger Interessenten neugierig machen.

Vom Berggipfel bis zur Copacabana

Foto: BMLVS

Zu den Verkäufen zählen begehrte Grundstücke in Zen­ trumslagen, insbesondere aber Sonderliegenschaften. Weninger sieht die SIVBEG auch eher als „Spezialeinheit“, gilt es doch Liegenschaften mit denkmalgeschützten Gebäuden, Sonderwidmungen, Bunker oder Bahngleise bewerten zu lassen und an den Mann oder die Frau zu bringen. Die meisten Liegenschaften wurden bisher von Investoren,

beispielsweise für Wohnprojekte, gekauft, gefolgt von ­Gemeinden und Privatpersonen. In der fast zehnjährigen Geschichte der SIVBEG standen auch Besonderheiten auf der Verkaufsliste. „Vom Berggipfel in über 1.800 Metern Seehöhe bis hin zum ehemaligen Generalkonsulat an der Copacabana in Rio de Janeiro war schon alles dabei“, berichtet der SIVBEG-Geschäftsführer schmunzelnd. Doch nicht nur die Lagen weisen eine erhebliche Bandbreite auf. Die Größen reichen beispielsweise von den 74 Quadratmetern eines Material­lagers bis zu einem 3,7 Millionen Qua­ dratmeter großen Truppenübungsplatz. Entsprechend variieren die Verkaufserlöse: 500 Euro für ein paar Meter ­Stollen waren ebenso darunter wie 23,6 Millionen Euro für die Rainer-Kaserne in Salzburg. Die Nachnutzungen sind unterschiedlich. In der denkmalgeschützten Prinz-Eugen-Kaserne in Stockerau sind, unter Erhaltung der alten Substanz, dank der Umsetzung zeitgemäßer Grundrisslösungen helle, moderne Eigentumswohnungen entstanden. Ähnlich, aber doch ein bisschen anders in Leoben: Hier musste die alte Kaserne neuen Reihen- und Doppelhäusern weichen. Auch auf der kürzlich veräußerten Teilfläche der Biedermann-Huth-RaschkeKaserne in Wien sind Wohnungen geplant. In GroßEnzersdorf wiederum wurde die denkmalgeschützte Smola-Kaserne zur Schule umfunktioniert und am selben Gelände ein Blaulichtzentrum errichtet. Auf der Grünfläche nebenan ist ein Einkaufszentrum aus dem Boden gestampft worden. Ehemalige Garnisons- oder Truppenübungsplätze werden heute oftmals landwirtschaftlich genutzt. Und als Investition für die Zukunft hat auch schon einmal ein Bunker den Weg ins Privateigentum gefunden. „Ein Amerikaner hat uns im Burgenland einen Bunker abgekauft. Er dürfte ein besonderes Sicherheitsbedürfnis für den ‚Fall der Fälle‘ haben“, berichtet Stephan Weninger. Bleibt zu hoffen, dass dieses Szenario nie eintritt. ‹

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Foto: BIG

Anstelle eines brachliegenden Felds kann auf dem Gelände der SmolaKaserne jetzt geshoppt werden. In der Kaserne selbst ist ein Gymnasium untergebracht.

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Bundesheer

Foto: Harald A. Jahn

Foto: SIVBEG

Familienidylle statt Kasernendrill herrscht nun am Lerchenfeld in Leoben. Die heruntergekommenen Geb채ude wurden abgebrochen.

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Foto: SIVBEG

Fotos: Homebase Projektentwicklungs GmbH

30 Eigentumswohnungen sind unter Einhaltung des Denkmalschutzes in der ehemaligen Prinz-EugenKaserne in Stockerau errichtet worden.

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Thema Anhaltezentrum Vordernberg

Foto: Robert Frankl

Quartier auf Zeit Asyl abgelehnt! Das lange Hoffen, Bangen und Warten hat ein trauriges Ende. Allein 2013 erhielten rund 10.379 Menschen einen negativen Asylbescheid. Auf ihre Außerlandesbringung warten einige Betroffene im neu errichteten Anhaltezentrum Vordernberg. Von Vanessa Haidvogl

M

it großen Erwartungen und Hoffnungen auf ein besseres Leben kommen jedes Jahr Tausen­ de Menschen aus fernen Ländern nach Öster­ reich. Erste Station sind die Erstaufnahmezen­ tren in Schwechat, Traiskirchen und St. Georgen. Dort kön­ nen sie einen Asylantrag stellen. 2013 gab es 17.503 Anträge. Wenn im Asylverfahren festgestellt wird, dass im Her­ kunftsland gemäß Genfer Flüchtlingskonvention Verfol­ gung droht, werden Asylsuchende als Flüchtlinge aner­ kannt und dürfen in Österreich bleiben. Beispielsweise er­ hielten im Dezember 2013 334 Menschen Asyl. Wird der Asylantrag jedoch rechtskräftig abgelehnt (Dezember 2013: 419 Personen) oder liegt eine aufenthaltsbeendende Maß­

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nahme vor, kommt es zur Abschiebung. Um ihre Ausreise aus Österreich sicherzustellen, werden die Betroffenen in Schubhaft genommen, sofern mit einem gelinderen Mittel wie einer Meldeverpflichtung bei der Polizei nicht das Aus­ langen gefunden werden kann. Bis zu ihrem Rücktransport in ihre Heimat wird ein Teil der Schubhäftlinge im neu ­errichteten Anhaltezentrum Vordernberg untergebracht. Big Business hat sich angesehen, welchen Weg ein Schubhäftling durchläuft, wenn er im steirischen Vordern­ berg angekommen ist. Gleich am Ortsanfang von Vordernberg, parallel zur Hauptstraße, liegt das moderne Anhaltezentrum. Langsam rollt ein Wagen des Innenministeriums über die Gleise Nr. 15 | 2014 | www.big.at


Anhaltezentrum

zum Eingang. Über die Schleuse gelangt der Transporter mit Schubhäftling Ramón S. (Name von der Redaktion ge­ ändert) auf das Gelände des Anhaltezentrums. Exekutiv­ beamte nehmen den Neuankömmling in Empfang. Nach einem kurzen Aufenthalt im Wartezimmer erfolgt eine ­Visitierung. Dann wird sein Gepäck kontrolliert und an­ schließend seine Identität festgestellt, bevor die eigent­ liche Aufnahme erfolgen kann. Sind alle Formalitäten er­ ledigt, muss er das Gepäck – bis auf ein paar persönliche Dinge – zur Verwahrung geben. Wertsachen wie Handy oder Uhr werden im Safe gesichert.

Hochwertige Herberge

Bevor Ramón in den Wohntrakt gebracht wird, steht noch ein Besuch beim Amtsarzt auf dem Programm. Schließlich muss sichergestellt sein, dass er an nichts Ansteckendem erkrankt ist. In seiner Wohngruppe bekommt er einen Schlafraum zugewiesen. Zwei bis vier Personen finden dort Platz. Ramón hat Glück. Er muss sich den Raum nur mit ­einem zweiten Insassen teilen. Von 7.00 bis 21.30 Uhr kann er sich innerhalb der Wohngruppe frei bewegen. Um 21.30 Uhr werden die Räume von Exekutivbeamten versperrt. In jedem Raum befindet sich eine Gegensprechanlage für Notfälle. Vergitterte Fenster und zellenartige Räume sucht man hier allerdings vergebens. Das Ende 2013 fertiggestellte Nr. 15 | 2014 | www.big.at

­Anhaltezentrum besteht aus einem lang gestreckten, drei­ geschoßigen Verwaltungstrakt und einer kammartig ge­ gliederten Wohnanlage. Dem Team der SUE Architekten aus Wien war es ein Anliegen, die Natur in ihre Planung mit einzubeziehen. So öffnen sich etwa die Höfe der Wohnbe­ reiche Richtung Vordernberger Bach und Berg. Die Fenster sind fix verglast, raumhohe, zehn Zentimeter breite Lüf­ tungsflügel verhindern das Aussteigen aus den Zimmern, aber trotzdem gelangt viel Luft und Licht ins Innere. Bunte Sessel, rote Couchen und Wandverkleidungen aus Seekiefer lassen die Räume warm und wohnlich wirken. „Der Bau ist ein Bekenntnis zu einem würdevollen Umgang mit Men­ schen, die Österreich in naher Zukunft verlassen müssen“, betont Gerhard Gutkas, Projektverantwortlicher im Bun­ desministerium für Inneres (BMI) (siehe Interview Seite 58). Im Zentrum ist Platz für rund 200 Personen, die bei ­Bedarf in acht Wohngruppen für Frauen, Männer und ­Jugendliche untergebracht werden. Während ihres Aufent­ halts – in der Regel zwei bis sechs Wochen – wird ihre ­Ausreise organisiert: entweder in EU-Staaten wie Italien, Ungarn und Tschechien im Rahmen des Dublin-Systems oder in ihr Heimatland. Die derzeit noch geringe Auslastung erklärt Albert ­Grasel, Menschenrechtskoordinator im BMI: „Die Zahl der behandelten Fälle ist gleich hoch wie früher. Nur kamen damals die Betroffenen schon oft, nachdem sie ­aufgegriffen ›

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Vordernberg

Eingebettet in die schöne Landschaft der Obersteiermark liegt das neue Anhaltezentrum Vordernberg.

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Thema

Fotos: Robert Frankl

Anhaltezentrum Vordernberg

Frische Luft atmen: auf dem Sportplatz und im Freibereich der Wohngruppe.

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Anhaltezentrum

Vordernberg

worden waren, in Schubhaft, und erst dann wurde ein Asylver­fahren eingeleitet. Heute gibt es ein sorgfältiges Einzel­prüfungsverfahren, in dem geklärt wird, ob nicht ­weniger intensive Maßnahmen zur Anwendung kommen können bzw. ob eine Inhaftnahme überhaupt erforderlich ist. Schubhaft ist nur die letzte Konsequenz. Seit Jänner 2014 ist das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl für die Durchführung von erstinstanzlichen asyl- und fremden­ recht­lichen Verfahren zuständig. „Viele Verfahren sind der­ zeit am Laufen. Ich rechne daher in den nächsten Monaten durchaus mit einem Anstieg der Belegung in Vordernberg“, so Grasel.

Strikte Trennung der Aufgaben

Dass die Schubhäftlinge sowohl von der Exekutive als auch von der privaten Sicherheitsfirma G4S betreut werden, hat in den vergangenen Monaten immer wieder für mediales Aufsehen gesorgt. Tatsache ist, dass die Aufgaben von Poli­ zei und G4S strikt getrennt sind. Für die Betreuung stehen – je nach Auslastung – maximal 55 Exekutivbeamte und 68 Mitarbeiter der G4S zur Verfügung. Zu den Aufgaben der Exekutive gehören etwa die Ein­ schließung der Insassen, die Außensicherung, Transporte der Insassen etwa zum Röntgen oder ins Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Kontrollgänge, die Besucherver­ waltung und die Betreuung der Sonderhafträume. Der private Kooperationspartner des BMI ist unter ande­ rem verantwortlich für die Haustechnik, die Essensaus­ gabe, die Besetzung der Stationen in den Wohngruppen, die Reinigung sowie die Freizeitbeschäftigung der Insas­ sen. Das Wochenprogramm ist wichtig, um Struktur in den Alltag der Angehaltenen zu bringen. Das Angebot reicht von Sport bis Basteln. Dafür stehen ein Fitnessraum und ein Outdoor-Sportplatz für sämtliche Ballsportarten zur Verfügung. Weitere Möglichkeiten zur Zerstreuung finden die In­sassen in der Bibliothek: Secondhand-Bücher, -Spiele und -DVDs können ausgeborgt werden. Gläubige – egal, welcher Religion sie angehören – können sich in den Medita­tionsraum zurückziehen und in Ruhe beten. Falls die Insassen über Bargeld verfügen, können sie die­ ses auf eine Karte buchen und mit dieser Karte im haus­ eigenen Kiosk Kleinigkeiten wie Zigaretten einkaufen. Die Karte benötigen die Insassen auch für den „Informat“: Die­ ses elektronische Informationssystem in mehreren Spra­ chen informiert den Inhaber über sein Wochenprogramm, Beratungstermine sowie über sein Abschiebedatum.

Zur Beruhigung in die „Gummizelle“

Sollte es einmal zu einem Zwischenfall kommen, wirken die Verwaltungsassistenten bzw. Betreuer deeskalierend ein, aber nur verbal. In weiterer Folge ist die Polizei zustän­ dig. „Das heißt, der Polizei obliegen während des Aufent­ halts der angehaltenen Personen alle hoheitlichen Auf­ gaben und Sicherungsmaßnahmen“, erklärt Oberstleut­ nant Herwig Rath, Kommandant des Anhaltezentrums. Kann eine Person nicht beruhigt werden und verhält sie sich weiterhin ordnungswidrig, gibt es für diese schwieri­ Nr. 15 | 2014 | www.big.at

gen Klienten eine spezielle Unterbringung. Zu ihrem eige­ nen Schutz werden sie von der Polizei in die Sicherheits­ verwahrung gebracht und ausschließlich von ihr auch überwacht. Je nach Schwere des Falls gibt es einen norma­ len Raum ohne Wandhaken, ohne WC-Tür und ohne Stöp­ sel im Waschbecken, damit nichts überflutet werden kann. Dann gibt es den Kachelraum: Dieser ist komplett verfliest, bei Belegung wird eine Gummimatte auf das Podest gelegt. Bei Gefährdung der eigenen Gesundheit wartet der Polster­ raum: Wände, Boden und Tür sind zur Gänze ausgepolstert. Die Farbe Grün soll beruhigend wirken. Wenn die Person wieder „runtergekommen“ ist, kann sie in die Wohngruppe zurückkehren.

Wie am Flughafen: Wer das Anhalte­ zentrum betritt, muss durch einen Sicherheitscheck.

Wirtschaftsmotor für die Obersteiermark

Als Ansprechpersonen stehen in jeder Gruppe drei G4SMitarbeiter bereit. Sie alle kommen aus der Region zu ­ihrem neuen Arbeitsplatz. Keine Selbstverständlichkeit in der Obersteiermark. ›

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Thema Anhaltezentrum Vordernberg

Seit Ende der 60er-Jahre ist jeder zweite Vordernberger abgewandert, weil Hunderte Jobs am Erzberg und wegen stillgelegter Bahnstrecken bei den ÖBB verloren gingen. Daher hat sich Bürgermeister Walter Hubner im Herbst 2009 für das Zentrum beworben. Bei einer davor durchge­ führten Bürgerbefragung sprachen sich 70 Prozent für das Projekt aus, weil sich alle einen wirtschaftlichen Auf­ schwung für die Region erwarteten. 2010 fiel die Wahl auf Vordernberg. Beim anschließenden Architekturwettbewerb erbat sich der engagierte Bürgermeister einen Platz in der Jury: „Schließlich wollte ich hier kein Gebäude, das aussieht wie ein Häfn!“ Mit dem Ergebnis ist Walter Hubner zu­ frieden und auch mit dem wirtschaftlichen Erfolg: „Schon während der Bauphase profitierten unsere Gastronomieund Beherbergungsbetriebe. Mit dem Anhaltezentrum sind nun rund 120 neue Arbeitsplätze in der Region ge­ sichert.“

Sicherheit ist auch ein gutes Stichwort für BIG-Projekt­ leiter Bernhard Göschl. Noch heute bekommt er Schweiß­ perlen auf der Stirn, wenn er sich an die neuen Hoch­was­ser­ berechnungen erinnert. Wegen des angrenzenden Vordern­ berger Bachs wurde der Baugrund als hochwasser­gefährdet eingestuft. Umfangreiche Schutzmaßnahmen mussten ge­ plant werden. Nicht wohlgesinnte Nachbarn machten die Errichtung schwierig. Auch die Verhandlungen mit den ÖBB hinsichtlich einer Querung stillgelegter Gleise waren lang­ wieriger als erwartet. Vom Wasserrecht über das Straßen­ recht bis zum Naturschutz: Viele Behördenverfahren und Gutachten waren im Zuge dieses Projekts notwendig. „Das hat viel Zeit und Geld gekostet“, so Göschl. Aussicht auf den gesicherten Vordernberger Bach haben auch die Insassen vom Freibereich ihrer Wohngruppe. ­Gedankenverloren blickt Ramón S. auf das langsam dahin­ fließende Gewässer. Und er weiß: Seine Abschiebung rückt ­jeden Tag näher. ‹

Angenehmes Ambiente mindert Aggression Interview mit Gerhard Gutkas, Projektverantwortlicher im Bundesministerium für Inneres (BMI).

■ Warum wurde der Bau des Anhaltezen­ trums Vordernberg notwendig? Gutkas: Es war eine Frage der Kapazität. 2008 waren nahezu alle Plätze in den Polizei­ anhaltezentren ausgelastet. Diese Zentren sind in erster Linie für eine kurzfristige Un­ terbringung (bis zu 48 Stunden) eingerichtet respektive für Personen, die ihre Ersatz­ strafen ­absitzen. In einem Anhaltezentrum hingegen werden Ausreisepflichtige, deren asyl- bzw. frem­denpolizeiliches Verfahren ­eine freiheits­beschränkende Sicherung er­ forderlich erscheinen lässt, untergebracht. Zum anderen lag es an den Qualitätsstan­ dards, die von den Vereinten Nationen und der EU empfohlen wurden, schließlich be­ steht ein hoher und intensiver Betreuungs­ aufwand. Warum fiel die Wahl auf Vordernberg? Gutkas: Es sollte ein Ort sein, der zentral liegt und nur kurze Verkehrswege notwendig macht. Der Bürgermeister aus Vordernberg hat sich beworben, und das BMI hat das An­ gebot der Gemeinde aufgegriffen. Der große persönliche Einsatz von Bürgermeister Wal­ ter Hubner machte die Befürwortung (70 Pro­ zent) der Bürger erst möglich. 2010 fiel die Entscheidung für diesen Standort. Gab es Vorgaben an die Architektur?

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Gutkas: Das BMI hat ein Raum- und Funk­ tionskonzept erstellt. Unsere Experten ­haben klar vorgegeben, welche Bereiche zusam­ men­arbeiten, dass eine Kapazität von 200 bis 250 Personen benötigt wird und dass es Wohngruppen für Frauen, Männer und ­Familien geben soll. Aus dem Wettbewerb ist ein Architektenteam hervorgegangen, das die Idee sehr schnell verstanden hat. Ihm ist der Spagat zwischen Sicherheit und Wohn­ lichkeit sehr gut geglückt. Ein angenehmes Ambiente mindert im Übrigen Aggression und Vanda­lismus. Wie ist die Situation heute? Gutkas: Die Behörden sind bemüht, rasch ­einen klaren Status zu vergeben. Seit Jänner gibt es das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA). Die Verfahren laufen auf­ grund der nunmehr einfacheren und effizi­ enteren Verfahren schneller. Weiters gibt es die Möglichkeit, ein „gelinderes Mittel“ ein­ zusetzen. Dafür muss die Identität geklärt und ein Wohnsitz vorhanden sein. Der Be­ troffene muss sein Reisedokument abgeben und sich täglich bei der Polizei melden, aber in kein Anhaltezentrum. Außerdem gibt es eine Rückkehrberatung, unter anderem durch die Caritas. Ihr Ziel: die Betroffenen von der freiwilligen Ausreise zu überzeugen.

Wer findet in Österreich Aufnahme? Gutkas: Jene Menschen, die glaubhaft ma­ chen können, dass sie in ihrem Herkunfts­ staat verfolgt werden oder ihr Leben in ihrem Heimatland bedroht ist. Wie sehen Anhaltezentren in anderen Län­ dern aus? Gutkas: Griechenland, Frankreich, Italien und Großbritannien sind Beispiele für „Wie hässlich gestalte ich ein Gebäude, damit ­niemand hinein will?“. In Deutschland ist der Standard an Justizanstalten angelehnt. In Ös­ terreich will man Fremde menschenwürdig unterbringen. Wir wollten nicht irgendetwas machen, sondern ordentlich. Wenn man ei­ nen Neubau auf der grünen Wiese plant, kann er auch nett aussehen. Das kostet das Gleiche. Wohin werden die Schubhäftlinge abge­ schoben? Gutkas: Die meisten sind „Dublin-Fälle“. Das heißt, sie werden in jenes Land gebracht, wo sie das erste Mal EU-Boden betreten haben und das für die Prüfung des Asylantrags zu­ ständig ist. Oder sie werden – gegebenenfalls nach Prüfung des Asylantrags – in ihr Hei­ matland ausgeflogen, wenn die Alterna­tive einer freiwilligen Rückkehr nicht wahrge­ nommen wird. ‹ Nr. 15 | 2014 | www.big.at


Anhaltezentrum

Vordernberg

Bunte Möbel und Holzverkleidungen machen das Anhaltezentrum wohnlich. Das Herzstück: die Sicherheitszentrale (links).

«Schließlich wollte ich hier kein Gebäude, das aussieht wie ein Häfn!»

Fotos: Hertha Hurnaus

Fotos: Robert Frankl

Walter Hubner, Bürgermeister von Vordernberg

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Thema Conrad Observatorium

Fotos: Michael Grühbaum

Von außen wirkt die Forschungsstation eher unscheinbar.

Anziehende Magnetfeldforschung Am Conrad Observatorium der ZAMG in Niederösterreich geht ein neu gebautes Forschungszentrum für Geomagnetik in Betrieb. In einem unterirdischen Stollensystem beobachten Wissenschaftler jede Veränderung am Magnetfeld der Erde. Ein Besuch vor Ort fördert spannende Erkenntnisse zutage. Von Sabine Gaggl

D

er Trafelberg bei Muggendorf in Niederöster­ reich ist nicht jedem ein Begriff. Das muss aber durchaus kein Indiz für eine Bildungslücke sein. Bewusst in einer besonders ruhigen, für Touris­ ten wenig attraktiven und für Fahrzeuge nahezu unweg­ samen Gegend hat die BIG für die Zentralanstalt für Mete­ orologie und Geodynamik (ZAMG) auf 1.154 Metern See­ höhe eine Forschungseinrichtung für Geomagnetik ge­ baut. Denn hier ist ein idealer Ort für eine sogenannte „Low Noise Facility“, also ein Bauwerk frei von natürlichen oder künstlichen elektromagnetischen Störfeldern oder Bodenerschütterungen – eine Grundvoraussetzung für die Erhebung geomagnetischer Messdaten. Die Anfahrt zur Forschungsstation gestaltet sich nicht ganz einfach. Eine kurvenreiche Bergstraße führt zum Fu­ ße des Trafelbergs nach Muggendorf. Dass man wirklich ›

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BIG Business

Im Innern, rund 50 Meter unter Tag, ­öffnet sich ein Stollensystem von insgesamt rund 1.000 Metern Länge.

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Conrad

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Observatorium

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Thema

Ob es Licht am Ende des Tunnels gibt, kann man über die Elektroschalttafel schnell erkennen. Gut zu sehen ist hier auch der Verlauf von Haupt-, Neben- und Verbindungsstollen.

richtig liegt, weiß man, wenn selbst das Navi die Orientierung verliert. ­Satellitenempfang gibt es hier näm­ lich nicht. Wer zur Forschungsein­ richtung gelangen will, muss hier auf ein allradbetriebenes Geländefahr­ zeug umsteigen. Die schmale Forst­ straße, die zum Gipfel führt, ist auch an einem frühlingshaften Tag Ende Februar stark vereist. Weghängende Kurven und tiefe Abgründe machen die Fahrt zu einem kleinen Abenteuer. Die Ankunft vor der geomagneti­ schen Forschungseinrichtung bei strahlendem Sonnenschein und die frische Bergluft entschädigen aber für eineinhalb Stunden Anreise aus der Bundeshauptstadt.

Abenteuer Berg

Foto: Michael Grühbaum

Conrad Observatorium

Von der Forschungsstation offenbart sich auf den ersten Blick nur ein klei­ nes, in den Berg hineingebautes Holzhaus, in dem sich ­Büro-, Technik- und Sanitärräume befinden. Das Herz der Forschungseinrichtung verbirgt sich tief im Innern des Bergs. Hinter einer unscheinbaren Tür öffnet sich ein Stol­ lensystem von insgesamt rund 1.000 Metern Länge. Es be­ steht aus einem Haupt- und vier Nebenstollen, die rund 50 Meter unter Tag durch das Kalksteinmassiv des Trafelbergs verlaufen. Damit sind die Messgeräte von jahreszeitlichen Temperaturschwankungen abgeschirmt. „Zum Schutz vor Störquellen wurde jedes Bauteil vor Einbau auf Magnetis­ mus getestet und in der gesamten Stollenkonstruktion kein Eisen verbaut. Stattdessen haben wir auf Holz, Kunst­ stoff, Aluminium und Messing gesetzt“, erzählt BIG-Pro­ jektleiter Gerald Kaufmann von den Her­ ausforderungen des Baus. Ein bauliches Highlight sind zwei Tie­ fenbohrungen, die 100 und 200 Meter tief

ins Berginnere verlaufen. An deren Fußenden sind Kalium-Magneto­ meter angebracht. Diese erfassen kleinste elektromagnetische Impulse, wie sie zum Beispiel bei Erdbeben oder bei magnetischen Stürmen ent­ stehen. „Derartige Tiefenbohrungen wurden in Österreich zuvor noch nie durchgeführt. Gelungen ist die Um­ setzung nach mehrmaligen Versu­ chen erst mit Spezialrohren, die man üblicherweise für Ölbohrungen ver­ wendet“, berichtet Gerald Kaufmann. Bis zur Fertigstellung hat es rund drei­ einhalb Jahre gedauert, und es wur­ den insgesamt rund 8,5 Millionen ­Euro investiert.

Internationale Spitzenforschung

„Hier ist eine der modernsten und bestausgestatteten geomagnetischen Forschungsstationen der Welt ent­ standen“, sagt Roman Leonhardt, Leiter des Conrad Obser­ vatoriums. Hochsensible Messgeräte können jede Verände­ rung im Magnetfeld der Erde erfassen. Und da tut sich einiges: Im Erdkern brodelt flüssiges Eisen. Das erzeugt Strömungen, die dazu führen, dass Stärke und Richtung des Erdmagnetfelds schwanken. Im Alltag bedeu­ tet das, dass die magnetischen und geografischen Pole nicht genau übereinstimmen. Für Feinjustierungen an Satelliten oder an der GPS-Navigation ist man daher auf die Mess­ daten aus der geomagnetischen Forschung angewiesen. Das Magnetfeld ist ein Schutzschild gegen kosmische und solare Strahlung, das das Leben auf der Erde überhaupt erst ermöglicht. Seit Beginn der Aufzeichnungen vor rund 200 Jahren beobachten Wissenschaftler einen kontinuierlichen Abbau des Mag­ netfelds und eine Richtungsänderung von rund 20 Grad. „Das kann auf eine

Foto: BIG

Mit Rohren, die üblicherweise nur in der Ölindustrie verwendet ­werden, konnten die Tiefenbohrungen erfolgreich ­abgeschlossen werden.

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Conrad

Observatorium

Foto: BIG

Foto: Michael Grühbaum

Hochsensible Messgeräte erfassen jede Veränderung im Magnetfeld der Erde.

­geschickt werden. Hier kommt es zu einem Zusammenspiel ­ evorstehende Feldumkehr hindeuten. Dabei würden die b mit dem Erdmagnetfeld. Das kann geomagnetische Stürme ­Pole umspringen und das Magnetfeld verrücktspielen“, so auslösen. Diese erzeugen schöne Polarlichter, können aber Leonhardt. Kein Grund allerdings, einen Katastrophenruck­ auch Stromausfälle, Satellitenstörungen und den Ausfall sack zu packen. Feldumkehrungen habe es in der Geschich­ von Funkverbindungen mit sich bringen. te der Erde bereits mehrmals gegeben, zuletzt vor 774.000 Bereits im Jahr 2000 hat die BIG für die ZAMG am Trafel­ Jahren. Aus den historischen Befunden lasse sich keine berg eine Forschungsstation für Seismologie und Gravime­ ­Bedrohung für Menschen ablesen. Tiere mit magnetisch trie errichtet. Diese liegt einige Meter unterhalb der For­ gesteuertem Orientierungssinn, wie zum Beispiel Zug­ schungseinrichtung für Geomagnetik. Dort werden die vögel, Lachse, Wale oder bestimmte Bakterienarten, wür­ Schwerkraft der Erde und seismi­ den sich allerdings anpassen und sche Erdbewegungen beobach­ ihren inneren Kompass neu ein­ tet. Hochsensible Infraschall­ norden müssen. «Hier ist eine der modernsten und detektoren erfassen jedes noch bestausgestatteten geomagnetischen Sturmwarnung aus dem All so geringe Grollen, das bei tekto­ Forschungsstationen der Welt nischen Bewegungen oder gro­ Einflüsse auf das Magnetfeld der ßen Explosionen wie Atomtests Erde kommen nicht nur von in­ entstanden.» entsteht. Daher wird hier neben nen, sondern auch von außen: Roman Leonhardt, Leiter des Conrad Observatoriums Erdbebenforschung auch die Ein­ ­Leonhardt und sein Team beob­ haltung der Atomsperrverträge achten am Trafelberg auch das überwacht. Mit der Übergabe der Forschungsstation für Weltraumwetter. Dabei geht es nicht um Meteoritenschau­ Geomagnetik ist das Conrad Observatorium am Trafelberg er oder Tagestemperaturen am Mars, sondern um kompli­ jetzt komplett. Von nun an können die Wissenschaftler der zierte Wechselwirkungen zwischen dem Magnetfeld der ZAMG vom Trafelberg aus ihre wissenschaftlichen Er­ Sonne und dem der Erde. Das Sonnenmagnetfeld unterliegt kenntnisse aus dem gesamten Feld der Geodynamik mit phasenweise massiven Schwankungen. Dadurch entstehen der Welt teilen und so Rückschlüsse auf globaler Ebene Sonnenwinde oder Sonneneruptionen, durch die verstärkt ­ziehen. ‹ Materie, Teilchen und Strahlungsströme Richtung Erde Nr. 15 | 2014 | www.big.at

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Galerie ARE Frühstück

ARE-Business-Frühstück Am 4. Juni luden ARE Austrian Real Estate und der DMV Verlag zum zweiten Immo-Frühstück in die Strandbar Herrmann. Rund 180 Gäste sind der Einladung gefolgt und haben die Gelegenheit zum Netzwerken genutzt. Im Rahmen des ImmoFrühstücks hat die ARE ihre Bilanz des ersten operativen Geschäftsjahrs präsentiert und belegt darin, dass sie trotz ihres zarten Alters bereits zu den Top-Playern der Immobranche zählt. 

Fotos: Elke Mayr

Michael Griesmayr (IC Projektentwicklung), Sigrid Oblak (Wien Holding GmbH) und HansPeter Weiss (ARE).

 Elisabeth Della Lucia (DMV) begrüßt ­gemeinsam mit den ARE-Geschäfts­ führern Hans-Peter Weiss und Wolfgang Gleissner die Gäste.

Gute Stimmung bei Helga Mayer (immo 360 grad) und den weiteren Leadern aus der Immo-Branche, die sich zahlreich in der Strandbar Herrmann eingefunden haben.

Bei strahlendem Wetter und ­entspannter ­Atmosphäre wurde intensiv über ­aktuelle Branchenentwicklungen ­geplaudert.

Heinz Kropiunik (Aetas), Elisabeth Della Lucia (DMV) und Anton Bondi de Antoni (Bondi Immobilien Consulting).

Das Frühstücksbuffet ließ keine Wünsche offen.

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ARE

Frühstück

Ein Jahr ARE! Die beiden Geschäftsführer Hans-Peter Weiss und Wolfgang Gleissner freuen sich über ein erfolg­ reiches erstes ­operatives ­Geschäftsjahr.

Hans-Peter Weiss (ARE) im Talk mit Thomas Kreiner (KIBB) und Markus Neurauter (Raiffeisen evolution).

Stefan Artner (DBJ), Gerhard Haumer (Porr Real), Andreas Gnesda (teamgnesda).

Richard Woschitz (RWT) und Werner Müllner (CAD Office Müllner).

Ronald Mischek ­(Mischek ZT GmbH), Claudia Nutz (Wien 3420 Aspern ­Development) und Christian Marth (VHM).

Johanna Seeber (Seeste) im Gespräch mit Michael Ehlmaier (EHL).

Für die Gäste des ­Immo-Frühstücks gab es den ersten ARE-Geschäfts­ bericht.

Gerald Beck (Raiffeisen evolution) und Michael Pech (ÖSW).

Johannes Karner (NÖ Wohnbaugruppe) mit ARE-Geschäftsführer Wolfgang Gleissner.

Michael Möstl (SIGNA Development) und Eugen Otto (Otto Immobilien Gruppe).

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Robert Wagner (Aucon Immobilien) mit Michael Reinberg (Reinberg & Partner).

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www.big.at Ausgabe Nr. 15 • Juni 2014

Das Magazin der Bundesimmobiliengesellschaft

Nur nicht ins Altersheim!

Aufgrund des demografischen Wandels sind diverse Wohnformen für Senioren stark nachgefragt. Ein Marktüberblick.

Kantine mit Haube

Dem Direktor der größten heimischen Schule gelang es, für seine neue Küche auch einen entsprechenden Koch zu gewinnen.

BIG Business Nr. 15 • Juni 2014 • www.big.at


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