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Hummelhotline 30/31 Bachtäler und Muscheln

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Medien und Reisen

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BAYERN AUCH 2022 WIEDER IM HUMMEL-FIEBER

DICKE BRUMMER

Foto: GettyImages/Ju Photographer Sie möchten lernen, die hübschen Hummeln im Garten besser zu unterscheiden? Kein Problem: Der BN ruft auf zur Mitmachaktion »Hummelfrühling«.

Dunkle Erdhummel

Foto: Makrowilli

Hummeln gehören zu den Wildbie-

nen. Insgesamt gibt es in Deutschland 41 verschiedene Hummelarten, aber nur etwa sieben können wir häufig in unseren Gärten beobachten.

ALLE KÖNNEN MITMACHEN

Mit dem Frühlingsbeginn am 20. März startet das bayernweite BN-Mitmachprojekt »Hummelfrühling« des BUND Naturschutz. Über die Nummer 0151 / 184 601 63 und dem Messenger-Dienst WhatsApp können Fotos von Hummeln mit Postleitzahl und Funddatum an das BN-Expertenteam geschickt werden. Das Projekt läuft dieses Jahr bis zum 18. April. Es soll einen wertvollen Beitrag zur Artenkenntnis leisten und die Menschen für die Natur vor der Haustür begeistern. Machen Sie mit! Hummeln fotografieren macht richtig Spaß.

Baumhummel

Foto: Makrowilli

2021: RUND 5500 FOTOS EINGESCHICKT

Letztes Jahr beteiligten sich 1800 Menschen an unserem Hummeltelefon und schickten dem BN rund 5500 Fotos zur Artbestimmung. Insgesamt wurden 2500 fleißige Hummeln abgelichtet und durch das Hummel-Expertenteam bestimmt.

Auf Platz eins der am häufigsten gemeldeten Hummelarten landete mit großem Abstand die Erdhummel, danach folgten Ackerhummel (Platz 2) und Steinhummel (Platz 3). Die Wiesenhummel musste sich mit Platz 4 zufriedengeben und auf Platz 5 landete die Baumhummel.

Über 140 Hummeln konnten leider nicht bestimmt werden. Das kann an der Qualität der geschickten Fotos liegen oder auch daran, dass einige Hummelarten sich äußerlich sehr ähneln. Besonders schwierig ist die Bestimmung der sogenannten Kuckuckshummelarten, die häufig mit den Wirtsarten verwechselt werden.

Neben Hummelbildern wurden den Expert*innen auch Fotos von anderen Wildbienenarten oder besonders flauschigen Fliegen zugeschickt, wie etwa von der Blauschwarzen Holzbiene oder der Gehörnten Mauerbiene. Das ist aber nicht schlimm – im Gegenteil: Nur wer sich mit den verschiedenen Arten beschäftigt, verbessert sein Wissen.

Steinhummel

HUMMELN ANLOCKEN

Hummeln brauchen Nektar und Blütenstaub. Im zeitigen Frühjahr finden die Hummelköniginnen oft nur wenig Nahrung, deshalb sind das Anpflanzen von Weiden, Buschwindröschen, Veilchen, Tulpen, Winterlingen, Schneeglöckchen, Huflattich, Kornelkirsche, Gundermann, Rosmarin, Thymian, Taubnessel, Traubenhyazinthe und vielen, vielen Krokussen besonders wichtig. Danke schön! Martina Gehret

Die Aufzuchtstation in Regnitzlosau an der tschechischen Grenze

ARTENSCHUTZ

RETTUNGSMISSION

In einer alten Mühle an der tschechischen Grenze zieht die BN-Kreisgruppe Hof Flussperl muscheln auf – um deren größtes verbliebenes Vorkommen in Mitteleuropa zu bewahren.

Alles andere als grün präsentiert sich

das Grüne Band an diesem klirrend kalten Dezembertag. Schnee und Eis, wohin man blickt. Aus dem winterlichen Weiß tritt nur das kahle Gehölz am Grenzbach hervor. In sein rasch strömendes Wasser wollte man heute nicht mal den Zeh halten. Eines unsrer seltensten Tiere ist besser an dieses Milieu angepasst. Und hat hier und in einigen benachbarten Bächen bis heute überlebt.

EINST ZAHLREICH

BUND Naturschutz seit dreieinhalb Jahren als Aufzuchtstation für die Flussperlmuschel. Wie sich beim Rundgang durch die Mühle zeigt, ist es ungemein schwierig, diese Tiere großzuziehen. Unweigerlich stellt sich die Frage: Wie bloß haben es die Muscheln geschafft, trotz ihrer komplizierten Biologie rund 300 Millionen Jahre zu überdauern – so lange wie kaum ein anderer Organismus auf der Erde? Und warum ist ein so sagenhaft erfolgreiches Tier plötzlich auf Hilfe angewiesen? So viel ist klar: Den allergrößten Teil ihres irdischen Daseins kam die Flussperlmuschel bestens ohne uns Menschen aus. Noch in den 1950er Jahren lebten allein im Landkreis Hof sieben bis zehn Millionen Exemplare! Bald darauf ging es offenbar rapide bergab mit ihnen. 1989 fanden BN-Aktive nur mehr etwa 120 000 der Muscheln. 2020 war gerade noch ein Viertel davon übrig.

URSACHENFORSCHUNG

Anderswo erging es der Muschel nicht besser. Trotz eines Verlusts von mehr als 99,99 Prozent in nur siebzig Jahren ist das grenzüberschreitende Hofer Vorkommen heute das größte, das noch übrig ist in Mitteleuropa. Und selbst dieser klägliche Rest ist akut gefährdet. Warum, weiß kaum jemand besser als Wolfgang Degelmann, Geschäftsführer der Kreisgruppe Hof seit 1991: »Die verbliebenen Muscheln sind durchschnittlich 60 Jahre alt, die jüngsten 25. Seitdem hat sich die Art bei uns nicht mehr fortgepflanzt.«

Über die Gründe gab es anfangs nur Mutmaßungen: Liegt es an der Wasserqualität? Fehlt es an Bachforellen, die für die Fortpflanzung unverzichtbar sind? Oder hauptsächlich an Nahrung? Werden überhaupt noch genug Muscheln trächtig? Gemeinsam mit mehreren Hochschulen und Verbündeten auch auf tschechischer

Lebensraum der Flussperlmuschel im Grünen Band bei Hof.

Überlebende: Die unscheinbare Muschel im Bachbett

Seite ging man alle Verdachtspunkte durch. Keiner erwies sich als stichhaltig.

DAS ENDE DES ZYKLUS

Erst ein genauer Blick auf den Lebens- zyklus der Muscheln gab Aufschluss. Im Spätsommer stoßen trächtige Weibchen mehrere Millionen Larven aus. Einigen Tausend gelingt es, sich an die Kiemen von vorbeischwimmenden Bachforellen zu heften. Hier verbringen sie die Wintermonate und leben vom Blut der Wirtstiere.

Im Frühjahr verwandeln sie sich in Jungmuscheln und sinken ins Bachbett. Dort graben sich die 0,1 Millimeter kleinen Winzlinge in den lückigen Kiesgrund. Nach sechs bis acht Jahren wandern sie, nun groß wie ein Daumennagel, zurück an die Oberfläche und gesellen sich zu ihren Artgenossen.

Abermillionen von Jahren ist das alles gut gegangen. Dann kam der Mensch – und mit ihm der Zyklus zum Erliegen.

NICHT MEHR VIEL ZEIT

Im Einzugsbereich der Bäche hat Ackerwirtschaft die traditionellen Wiesen und Weiden verdrängt. Im Wald reißen schwere Erntemaschinen den Boden auf. Bei Regen schwemmt seitdem viel Feinsediment in die Bäche, bis zu drei Kilogramm pro Quadratmeter und Woche, wie Messungen ergaben. »Seit einem Vierteljahrhundert ersticken und verhungern darum alle Jungmuscheln im schlammigen Untergrund«, so Wolfgang Degelmann.

Zwar sind die Bäche und ein 20 Meter breiter Uferstreifen heute als FFH- und als Naturschutzgebiet gesichert. 99 Prozent des Einzugsgebietes aber sind es nicht. Was also tun?

Um die letzten Muschelbänke zu retten, pflegt der BN schon seit 1990 enge Kontakte zu tschechischen Verbündeten. Außerdem arbeite man Hand in Hand mit den Behörden, lobt Wolfgang Degelmann, von der Wasserwirtschaft über die Bezirksfischerei bis zur Forstverwaltung. Doch den Eintrag des Sediments zu verringern und viele Kilometer Bachbett zu sanieren, das dauert … Zu lange womöglich für die verbliebenen Muscheln. Den Beteiligten drohte die Zeit davonzulaufen. 2018 begann die Kreisgruppe Hof daher selbst Muscheln aufzuziehen. Gefördert von der EU gelang es dem BUND Naturschutz, die historische Huschermühle zu erwerben, zu sanieren und am »einzig möglichen Standort« (so Degelmann) in eine Aufzuchtstation umzubauen.

Der seltene Goldene Scheckenfalter ist eine der Arten, die von der Aufwertung der Muschelbäche profitieren.

Geschäftsführer Wolfgang Degelmann und sein Mitarbeiter Daniel Höllering in der Station

Seitdem sind zwei Vollzeitkräfte an 365 Tagen im Jahr damit beschäftigt, die Bedürfnisse junger Flussperlmuscheln bestmöglich zu erfüllen. Kaum zu glauben, welche ausgeklügelten Verfahren hierbei zum Einsatz kommen – vom Abschöpfen der Larven im Bach bis zur Rückkehr der Jungmuscheln in ihren Lebensraum. Um all die Vorgänge in der Station halbwegs getreu zu schildern, wäre eine eigene Doppelseite nötig. Deshalb gleich zum Wesentlichen: Es klappt!

Wie es das BN-Team in Hof schafft, Jahr für Jahr zehntausend Jungmuscheln aufzupäppeln – davon überzeugen Sie sich am besten selbst. Vierteljährlich ist Tag der offenen Tür in der Huschermühle. Wer seinen Besuch vorher anmeldet, erhält auch zu anderen Zeiten eine Führung durch die Station. Severin Zillich

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Mehr zum Thema

und zur Flussperlmuschelaufzuchtstation unter www.muschelmühle.de

Das Projekt wird dankenswerterweise gefördert vom Bundesamt für Naturschutz aus Mitteln des Bundesumweltministeriums sowie durch den Bayerischen Naturschutzfonds.

Mit 16 verschiedenen Arten, aufgeteilt in fünf Gattungen, zählen Stacheligel erdgeschichtlich zu den ältesten noch existierenden Säugetierformen. Sein jetziges Aussehen besitzt der Stacheligel seit ungefähr 15 Millionen Jahren. In Deutschland ist bisher nur der Braunbrustigel (Erinaceus europaeus, im Bild) heimisch. Er hat eine Körperlänge von etwa 28 Zentimeter und wird etwa 950 Gramm schwer. Männchen sind meist größer und schwerer als Weibchen und können ein Körpergewicht von 1500 Gramm erreichen.

Igel machen viele Geräusche. Sie können Puffern, Tuckern, Schnauben, Grunzen, Keckern oder Fiepen.

SCHUTZ FÜR BEDROHTE ARTEN

STACHELIGE SYMPATHIETRÄGER

Fast alle Menschen mögen Igel. Trotzdem machen wir ihnen oft das Leben schwer. Wer mehr über die stacheligen Tierchen weiß, kann ihnen besser helfen.

Foto: C h r is t ian Gehret

MARTINA GEHRET

Verantwortlich für BN-Mitmachprojekte und Igelexpertin

Jetzt im Februar ist es noch ruhig.

Aber bereits ab März wachen die ersten Igel auf. Regionen- und wetterabhängig können Igel auch bis Ende April oder sogar bis in den Mai hinein schlafen. Erst mit den steigenden Temperaturen erhöht sich die Anwesenheit von Insekten und dann ist es für die stacheligen Fleischfresser wirklich Zeit aufzuwachen.

Für den Winterschlaf fährt der Igel seinen Stoffwechsel auf maximal 10 Prozent der Leistung des aktiven Zustands herunter. So verschläft er etwa fünf Monate in einem aufwändig gebauten trockenen Winternest aus Blättern und Gras. Aber nicht durchgehend: Manche Igel wechseln sogar ihr Winterquartier und suchen sich im zeitigen Frühjahr sonnige Lagen aus. Das endgültige Aufwachen wird durch die Außentemperatur und verschiedene Stoffwechselvorgänge eingeleitet und kostet sehr viel Energie. Ist der Igel erwacht, hat er ungefähr 20 bis 40 Prozent seines VorWinterschlaf-Gewichts verloren.

Viele männliche Tiere beginnen in Bayern den Winterschlaf schon im Oktober. Im November folgen dann die Weibchen und zum Schluss die Jungigel, die häufig noch Ende November und Anfang Dezember umherirren und auf Futtersuche sind. Junge Tiere können deshalb in Bedrängnis geraten, wenn sie durch kalte Temperaturen im Herbst und Winter kaum noch natürliche Nahrung finden. Genügend Nahrung für den Winterspeck ist aber überlebensnotwendig, um den Körper im Winterschlaf dann monatelang mit der nötigen Energie zu versorgen. Deshalb finden Tierfreunde im Herbst oft unterkühlte, kranke Jungtiere, die noch umherirren. In Pflegestationen werden sie aufgepäppelt und können dort auch überwintern.

IGEL FÜTTERN?

Wildtiere sollen eigentlich nicht gefüttert werden, da sie in einem guten Lebensraum eigenständig und ausreichend Nahrung finden. Die Fütterung von Igeln führt zu einer Verhaltensänderung: Igel sind bequeme Zeitgenossen und laufen auf ihrer nächtlichen Route bekannte Futterstellen ab, dadurch treffen mehr Igel aufeinander, die sich sonst aus dem Weg gehen würden. Das bedeutet Stress und Konkurrenzdruck. Außerdem wird die Übertragung von Krankheiten gefördert. Dennoch gibt es Ausnahmen: In der nahrungsarmen

Zeit, wie jetzt im zeitigen Frühjahr und im Spätherbst kann man Igel für kurze Zeit mit einem Schälchen Katzenfeuchtfutter, Rührei und getrockneten Insekten unterstützen. Auch Katzentrockenfutter kann angeboten werden. Je proteinreicher die Nahrung, umso besser.

Wichtig ist dabei, auch eine flache Schale mit Wasser bereitzustellen, die täglich gereinigt wird, denn eine Fütterung macht den Igel sehr durstig. Das Futter sollte an einem geschützten Ort aufgestellt werden, damit die Futterspende auch bei dem hilfsbedürftigen Stacheltier ankommt und nicht bei der ohnehin schon moppeligen Nachbarskatze.

Immer wieder liest man im Internet Aufrufe zur Ganzjahresfütterung beim Igel, da die Tiere angeblich vom Aussterben bedroht sind. Das stimmt so nicht. Je nach Jahr überleben bis zu 70 Prozent der Jungtiere den ersten Winter nicht. Das ist traurig, aber trotzdem normal, denn Bestandsschwankungen kommen in jeder Tierpopulation vor.

LEBENSRAUM FÜR IGEL

• Lebensräume im Garten schaffen, damit die Tiere alleine zurechtkommen. • Zäune igelfreundlich machen. Ein

Durchschlupf von 10 × 10 Zentimetern reicht schon aus. • Wasserstellen anbieten. Zugängliches

Wasser ist in den meisten Gärten

Mangelware. • In der Paarungszeit überqueren Igelmänner viele Straßen, um ein Weibchen zu finden. Das können je nach Gegend bis zu 30 Straßen sein. Deshalb:

Fuß vom Gas, wenn es dunkel wird. • Eine Anleitung zum Bau eines Igelhauses gibt es hier zum Download: www.bund-naturschutz.de/oekologisch-leben/tieren-helfen/igelhaus-bauen

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Mehr zum Thema

Tipps zum richtigen Umgang mit Igeln gibt es auch unter: www.bund-natur-

schutz.de/oekologisch-leben/tierenhelfen/igel

»NICHT WAHLLOS IGEL EINSAMMELN!«

Unterernährte Igel durch den Winter zu bringen ist nicht einfach! In der BN-Landesfachgeschäftsstelle in Nürnberg sind mehrere Mitarbeiterinnen als »Igelmamas« aktiv. Eine von ihnen ist Kerstin Ellersdorfer.

Natur+Umwelt: Kerstin, wie kam es, dass du Igel aufgenommen hast?

Kerstin Ellersdorfer: Begonnen hat alles im Herbst 2020, als Martina Gehret bei uns zu arbeiten angefangen hat, sie ist Igel-Expertin. Ich sagte zu ihr, dass ich gern einen Igel aufpäppeln würde, und sie meinte: Das ist prima, ich habe einen daheim. Martina hat uns dann mit allem Nötigen ausgestattet und den Igel gebracht, den wir Karl-Heinz genannt haben. Erst lief alles gut, aber plötzlich hat er nur noch abgenommen. Wir sind zu einem Tierarzt gegangen, aber der hatte keine Erfahrung mit Wildtieren und gab ihn weiter. An diesem anderen Pflegeplatz ist er bald darauf gestorben. Das hat uns sehr frustriert! Kurz danach hat bei uns eine Dame angerufen, die hier in Nürnberg wohnt. Sie hatte zwei Igel im Garten, die zu klein waren, um über den Winter zu kommen. Wir waren jetzt schon ausgerüstet und holten die beiden Igel ab. Wir haben sie gut über den Winter gebracht und im Frühjahr wieder bei der Dame ausgesetzt. Man soll Igel wenn möglich wieder in der Gegend freilassen, in der man sie gefunden hat, denn sie sind sehr ortstreu.

Und letzten Herbst?

2021 im September waren wir in einem Biergarten, dort hing ein Schild: Vorsicht, wir haben Igelbabies! Etwas später haben wir erfahren, dass die Igelmutter verschwunden ist. Also haben wir im Biergarten alle sechs Igeljungen eingefangen und zu uns gebracht. Sie wogen nur 60 bis 80 Gramm! Meine Kolleginnen haben dann auch welche aus dem Wurf aufgenommen.

Was würdest du Leuten raten, die bereit sind, unterernährte Igel aufzunehmen?

Es ist wichtig, sich gut zu informieren, wenn man Igel aufpäppeln will! Wir wurden von Martina Gehret sehr gut vorbereitet und haben jetzt auch eine tolle Tierärztin gefunden, die uns da unterstützt. Auf keinen Fall sollte man im Herbst wahllos Igel einsammeln! Ein Alarmzeichen ist es, wenn sie tagsüber unterwegs sind und nicht größer als eine Orange. Wenn man einen Igel aufnimmt, bitte unbedingt Hilfe und Wissen bei einer Igelstation holen! Und man muss sich im Klaren sein, dass man Arbeit, Zeit und Geld investieren muss.

Gab es in jüngster Zeit mehr Igel in Not?

Die Klimakrise und der Artenschwund wirken sich hier direkt aus: Wegen des Insektensterbens finden die Igel weniger Nahrung und sind dann im Herbst unterernährt. Zusätzlich können sie in sehr milden Wintern nicht richtig Winterschlaf halten und wachen immer wieder auf. Interview: Luise Frank

STREUOBSTPAKT UNTERZEICHNET

HILFE FÜR PARADIESE AUS MENSCHENHAND

Auch Bayerns Streuobstwiesen profitieren jetzt vom Volksbgehren »Rettet die Bienen« – allerdings erst nach zähem Ringen.

KAI FROBEL

BN-Referent für Artenschutz

Sie sind eine Zierde der Landschaft,

sie sind purer Genuss und ein Schatz der Artenvielfalt: die Streuobstbestände in Bayern. Großwüchsige Obstbäume, die mit gebührend Abstand verstreut stehend Ortsränder oder ganze Landschaften prägen.

Die etwa 5000 lokalen Obstsorten Bayerns mit klingenden Namen wie Fromms Goldrenette, Mollebuschbirne oder Schwä bische Weinweichsel sind Heimat für Tausende verschiedener Tier- und Pflanzenarten. 1965 gab es noch 20 Millionen Streuobstbäume im Freistaat, heute sind gerade einmal 5 Millionen übrig. Staatliche Rodungsprämien, einengende Handelsvorschriften, neue Baugebiete oder – vom BUND Naturschutz verzweifelt bekämpfte – Flurbereinigungsverfahren mit flächigen Obstbaumrodungen bis Mitte der 1980er Jahre machten ihnen den Garaus.

Die Pflege und Ernte der hochstämmigen Obstbäume sind zudem arbeitsintensiv und aufwändig; oft war die Nutzungsaufgabe die Folge. Kein Wunder, dass Obst aus genormten, pestizidbehandelten und artenarmen Niedrigstammplantagen heute den Markt beherrscht.

Foto: AdobeStock/Kathrin39

Bayerns Streuobst somit im freien Fall? Eine Liebhaberei von gestern? Der BUND Naturschutz hat sich in den vergangenen Jahrzehnten immer für Streuobstwiesen stark gemacht, mit einer Fülle kreativer Aktionen: vom Apfelfest über die KirschKerwa, Streuobstbörsen bis zu Vermarktungsinitiativen, zum Beispiel mit dem Aufbau regionaler Apfelsaftmarken. Die Begeisterung vor Ort auch für die Sorten- und Geschmacksvielfalt ist ungebrochen. Immer mehr Menschen wollen derart schmackhafte Produkte aus ihrer Region genießen. Aber es fehlte der landesweite Rückenwind der Politik für diese vielen einzelnen Modellprojekte.

Die Wende brachte das Volksbegehren »Rettet die Bienen«, mit dem

auch für eine Stärkung der bayerischen Streuobstbestände gestimmt wurde. Weil die Umsetzung aber so verwässert zu

werden drohte, dass von der ursprünglichen Absicht kaum etwas übrig geblieben wäre, bereiteten der Landesbund für Vogelschutz und der BUND Naturschutz eine gemeinsame Klage vor. Statt vor Gericht traf man sich dann 2021 an einem Runden Tisch und in vielen Online-Arbeitsgruppen. Entstanden ist dabei ein umfangreiches Maßnahmenkonzept, ausgehandelt von Vertretern und Vertreterinnen von Baumschulen, Saftindustrie, Bauernverband, Landschaftspflegeverbänden, Landesanstalten, Umwelt- und Landwirtschaftsministerium und zahlreichen Fachleuten aus der Praxis. Es enthält die Erfassung der noch vorhandenen Bestände, neue Förderprogramme für Streuobstanbau und Pflege, Investitionsförderung für landwirtschaftliche Betriebe, Vermarktung und Marketing, Forschung, Beratung und landesweite Öffentlichkeitsarbeit. Ziel ist es, die Anzahl der Streuobstbäume in Bayern bis 2035 um eine Million neuer Bäume zu erhöhen und den Ausgangsbestand durch Nachpflanzung in überalterten Beständen zu halten. Im Oktober 2021 wurde der »Streuobstpakt« in der Staatskanzlei von den beteiligten Verbänden mit Ministerpräsident Dr. Markus Söder unterzeichnet. Nur ein Papier? Es war dem BUND Naturschutz sehr wichtig, dass ein ausdifferenziertes Maßnahmenpaket mit Finanz- und Personalbedarf für jedes Umsetzungsmodul die Grundlage des Paktes ist. Notwendig sind durchschnittlich 47,9 Millionen Euro pro Jahr zwischen 2022 und 2035. Das Wiederherstellen von Natur ist bekanntlich immer teurer als deren Zerstörung.

JAHRHUNDERTAUFGABE

Es wird eine generationenübergreifende Aufgabe. Die neuen Bäume, die jetzt gepflanzt werden, erreichen etwa im Jahr 2100 ihre volle Blüte. Eines der vielen Probleme dabei: Die bayerischen Obstbaumschulen können so viele junge Obstbäume derzeit gar nicht liefern und benötigen eine Art staatliche Abnahmegarantie für ihre Zukunftsinvestitionen.

Die Nachfrage nach Obstsaft, zum Beispiel Apfelsaft, ist da. Der Bedarf kann derzeit nur durch Import von Saftkonzentrat – bis aus China – gedeckt werden. Die Besinnung auf Produkte aus der Region steigt aber erfreulicherweise immer mehr an. Auf der Verbraucherseite hat das Streuobst also Zukunft.

Der Streuobstanbau steht und fällt aber mit den Obstbauern und -bäuerinnen und den engagierten Bewirtschaftern vor Ort, denen der Streuobstpakt schlicht das wirtschaftliche Überleben ermöglichen muss. Derzeit werden von den 5 Millionen Streuobstbäumen in Bayern nur 10 Prozent von Förderprogrammen des Freistaates abgedeckt. Überfällig sind finanziell attraktive Rahmenbedingungen für Neupflanzung, Pflege, Ernte und Vermarktung von heimischem Streuobst, um gegen den Plantagenanbau bestehen zu können.

Es braucht jedoch noch einen anderen Verbündeten: die Abgeordneten des Bayerischen Landtages, die im Staatshaushalt Weitsicht zeigen und diese Mittel auch wirklich bereitstellen. Nur so werden auch unsere Enkelkinder im Frühjahr in den Genuss der faszinierenden Kirsch- und Apfelblüte von den Hängen des Maintals und der Fränkischen Schweiz bis hin zum Bodensee kommen und von leckeren Früchten uralter Sorten im Spätsommer und Herbst schwärmen können.

Und wenn es dann einmal heißt, dass der »Streuobstpakt« die Renaissance des Streuobstes in Bayern auslöste, hat sich der Einsatz von allen Streuobstfreundinnen und -freunden im BUND Naturschutz gelohnt!

AKTIONSLEITFADEN

Passend zum Streuobstpakt hat der BUND Naturschutz in Kooperation mit dem Deutschen Verband für Landschaftspflege den Aktionsleitfaden »Ein Herz für Streuobstwiesen« erstellt, der auf fast 300 Seiten spannende Ideen für Mitmachaktionen und alles Wissenswerte zum Streuobst bündelt.

iMehr Info

Download unter: www.bund-

naturschutz.de/publikationen

Bestellung per Mail an versand@bn-service.de oder über www.bn-onlineshop-de

Bedroht

Die Verbreitung der Märzenschnecke oder Weißen Turmschnecke reicht nach Norden bis zum Harz. Sie lebt bevorzugt auf sonnig-trockenen, schütter bewachsenen Kalkböden in Magerwiesen oder Weinbergen. Nach den ersten lauen Regentagen paart sich die Märzenschnecke. Ihr cremefarbenes Gehäuse misst bis zu 25 mm. Die Veganerin kann mehr als fünf Jahre alt werden. Bei langer Trockenheit heftet sie sich an Pflanzen und ruht. Nur noch jede vierte der etwa 330 Schneckenarten im deutschen Binnenland gilt als ungefährdet. Die Märzenschnecke ist sogar stark bedroht. Durch den vielen Stickstoff aus Landwirtschaft und Verkehr wachsen ihre Lebensräume zu. Zudem isolieren Straßen, Siedlungen und Agrarwüsten die restlichen Vorkommen immer mehr. Der BUND setzt sich für eine naturverträgliche Landwirtschaft und ein Ende des Flächenverbrauchs ein.

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