CAMENZIND Nr. 05
Nov. 2007 3 € | 5 CHF www.cazmag.com
AMENZIND
Grössenwahn + nes i arch r Magazi e b t s u ojekt r a o Y P G f e u o n Z agazi aking The M enta 12 m m docu ssel in Ka
Battle in Kassel
Bewegende Bilder Grosse Emotionen Unvergessliche Momente
Von Leicht & Billig bis Ultraschwer Berlin Vollendet Mehr Grössenwahn! GRR Camenzind Homestory Bunker Im Jenseits der Architektur ... und Grossartiges mehr!
+ Zwei Poster für alle Fans ...
Camenzind Nummer 5:
GRÖSSENWAHN Dezember 2007
Mit Beiträgen von: Annette Berger Hilmar J Bucher Benedikt Boucsein Nele Dechmann Adrian König Stefan Kurath Lorenz Lachauer Rebecca Lehmann Marion Maisano Patrick Maisano Markus Podehl Tim Seidel Anna Weber Henry Wu Heike Zieher
Herausgeber: Jeanette Beck, Benedikt Boucsein, Axel Humpert, Patrick Maisano, Tim Seidel. Anschrift: Camenzind, Hardstrasse 69, 8004 Zürich Redaktion und Vertrieb: redaktion@cazmag.com Internet: www.cazmag.com Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Photographien kann keine Haftung übernommen werden. Rücksendung nur bei Rückporto. Die Verwertungsrechte an den Beiträgen liegen bei den Autoren. Nachdruck der Texte nur mit Genehmigung der Urheber und mit Quellenangabe. Nachdruck der Zeichnungen | Photographien nicht gestattet. Disclaimer: Wir haben uns bemüht, sämtliche Rechteinhaber ausfindig zu machen. Sollte dies an einer Stelle nicht gelungen sein, bitten wir um Mitteilung. Berechtigte Ansprüche werden im Rahmen der üblichen Vereinbarungen abgegolten.
Editorial Dass Größenwahn zu allen Zeiten ein wesentlicher Teil der Architekturproduktion war, muss man kaum betonen oder beweisen. Schon der Tätigkeit des Bauens selbst liegt ja ein gewisser größenwahnsinniger Impuls inne; der Architekt traut sich damit ja implizit oder explizit zu, seine Umwelt auf Jahrzehnte hinaus zu prägen und dies im Grunde auch noch gut zu tun. Die Objekte Nimmt man noch jene Bauherren von der Gier... Kleopatra über die römischen Kaiser bis hin zu den Diktaturen des 20. (und des 21.) Jahrhunderts hinzu – und natürlich ihre willfährige Architekten – wird deutlich, dass sowohl auf dem kleinen, als auch auf dem größten Maßstab des Bauens immer Größenwahn im Spiel ist.
... und ihre Gralshüter bei der Arbeit.
Uns war es daher wichtig, das Thema direkt anzusprechen. Günstigerweise traf gerade da die Einladung der Zeitschrift archplus zur Teilnahme am Projekt „The Making of Your Magazines“ an der Documenta 12 in Kassel ein; wir konnten nun also auch den Größenwahn unserer Autoren testen. Entsprechend richteten wir einen Wettkampf in Kassel aus – den Camenzind Starbattle 2007 – bei dem die Autoren gegeneinander antreten konnten, um untereinander „den Größten“ zu ermitteln. Aus Zeitgründen konnten nicht alle Autoren der vorliegenden Ausgabe antreten, sondern nur diejenigen, die es auch wirklich nach Kassel geschafft hatten. Es gab drei Kategorien: “Leicht und Billig”, “Supermittelmass” und “Ultraschwer”. Die Jury bestand aus zwei archplus-Redakteuren, Gregor Harbusch und Martin Luce, dem dérive-Herausgeber Christoph Laimer, der dérive-Redakteurin Elke Rauth, sowie aus den aus der Schweiz angereisten Dietrich Lohmann (Vertretungsprofessor an der Uni Karlsruhe und Gründer von LOST Architekten in Basel) und Dr. Joachim Huber (Leiter der Forschungseinheit Architektur in Burgdorf, Fachhochschule Bern). Aufgrund der Beurteilungen der Jury wurde unter den Autoren, die am Battle antraten, der Pokal für den Camenzind Superstar 2007 vergeben. Diesen Preis räumten Patrick und Marion Maisano mit ihrem Artikel über den Ice Age Star Scrat ab. Auch das zahlreich erschienene Publikum konnte seinen eigenen Preis vergeben. Sieger war hier der Beitrag von Nele Dechmann, Adrian König und Rebecca Lehmann über Berlins Vollendung. Der Battle selbst wird in dieser Ausgabe nicht dokumentiert. Festgehalten werden soll aber, dass Form und Ausrichtung des Ereignisses für die folgenden Ausgaben ausgebaut und weitergeführt Das Publikum, sensationsgeil, wartet auf die Tränen ... werden; mit der Form des Battles bot sich eine ungeahnte Möglichkeit zur Diskussion von Inhalten und Formen jenseits der immergleichen Podiumsdiskussionen. Denn die Themen der Architektur lebendig zu machen und sie zwar auf hohem Niveau zu diskutieren, dennoch aber einem breiteren Publikum zugänglich zu machen, bleibt oberstes Ziel von Camenzind. Resultat des Battles war eine intensive Diskussion in der Redaktion, die in einem erneuten Manifest endete - das auf der Rückseite nachgelesen werden kann. Wie geht es weiter mit Camenzind? Wird das Layout immer so fürchterlich bleiben? Und wer ist dieser Camenzind überhaupt? Doch zuerst zu den Beiträgen - und zur ersten Battle-Kategorie, “Leicht und Billig”.
Manche bemühte sich vergeblich - die Jury richtete mit eiserner Kälte.
Doch am Schluss, da gab es auch frohe Gesichter!!
Kategorie: LEICHT UND BILLIG
Um eine teilweise ziemlich bizarre, aber in den letzten Jahren in Berlin bitterernst diskutierte Vision geht es in dem Artikel, mit dem Nele Dechmann, Rebecca Lehmann und Adrian König den Publikumspreis am Starbattle abräumten. Ihre Beschreibung des Tages, an dem “Berlin vollendet” wird, treibt uns wohlig gruselige Schauer über den Rücken denn Oberbösewicht Hans Stimmann ist ja inzwischen pensioniert, eine Schweizerin ist am Steuer, und jetzt wird alles gut.
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Sensationell: Der Sieger des Publikumspreises 2007!!
Gar nichts ist gut bei Stefan Kurath, denn hier ist jemand kurz vor dem Durchdrehen am Grössenwahn, der ihn umgibt - scheinbar die Verwirklichung der absoluten Freiheit, schnappt uns der Grössenwahn dann doch wieder und katapultiert uns ins Jenseits - Lost in Space.
SEITE 10 Voll im Wahn - oder doch nicht?
Bei Anna Weber hingegen kommt die ganze Beklemmung des schöpferischen Prozesses zum Ausdruck. Höhen und Tiefen, Ängste und Machtfantasien - alles ist im Wort Grössenwahn enthalten, das wir jeden Tag wieder aufs Neue durchleben. Wer wissen will, wie es sich anfühlt, grössenwahnsinnig zu sein - hier steht es geschrieben.
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Anna Weber im Reich der Laute...
Und dann - ja dann muss das gute alte Oscar-Wilde-Zitat, wie immer, wenn es dreckig wird, wieder einmal herhalten. Für den kurzen Ausbruch eines wahrhaft Größenwahnsinnigen - aus dem Herz des finstersten Deutschlands direkt ins Heft geschneuzt. Exklusiv in Camenzind zu lesen - die einzige Architekturzeitschrift mit F-Worten!
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ja, warum denn nicht einmal richtig vulgär?
Zur Erholung wird es dann kuschelig und heimelig, es geht in den Brotsack und in den Ahnenschrank, in die tiefste Privatsphäre eines echten Superstars - dem Ice-Age-Tier Scrat. Ein Schlag auf die Gletscherspalte, und er war berühmt; ein Interview mit ihm, und die Maisanos waren es ebenfalls. Von Scrats Abglanz profitierten sie durch den ersten Platz beim Starbattle - und den Platz im Centerfold! Aber keine Angst, man kann es umdrehen.
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... beim Star in der Badewanne ...
Kein Grössenwahn ohne Nazis - keine Nazis ohne Grössenwahn. Aber nicht um das Volk ohne Raum oder um die Vernegerung geht es hier, sondern um das grössenwahnsinnigste Bauprojekt der Geschichte - was das Volumen angeht. Nicolae Ceausescu und Saddam Hussein hätten über diesen absurden Vergleich zwar gelächelt. Aber sie waren ja auch grössenwahnsinnig....
SEITE 16 die Frage nach den Bombenkellern....
Kategorie: SUPERMITTELMASS
Schluss mit Lustig macht dann definitiv Lorenz Lachauer. Wer den ersten, seichten Teil des Heftes genossen hat, muss jetzt eine Stufe hochschalten. Denn hier wird messerscharf und herausfordernd argumentiert, und den ästhetisierenden Künstler-Architekten und ihrem schwülstigen Selbstbild der Aiweiweische Stinkefinger gezeigt!
SEITE 18 der Aiweiweische Finger in der Wunde ...
Tim Seidels Finger zeigt in eine ganz andere Richtung. Er behauptet, dass man wenn, dann richtig größenwahnsinnig sein sollte - ja dass ein solcher “produktiver Grössenwahn” erst die Voraussetzung für wirklich gute Werke sei. Tim macht uns wieder Mut, aus der Selbstkasteiung aufzu-wachen und die Aufgaben mit dem nötigen Selbstbewusstsein anzugehen ES LEBE DER GRÖSSENWAHN!!!
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und der erhebende Aufruf zum RICHTIGEN Grössenwahn!
Annette Berger stimmt dem hingegen nicht zu, sie sieht den Grössenwahn als unmenschliche Komponente des architektonischen Schaffens, die uns alle zermürbt. Der Chef, der die Peitsche schwingt, ist gar kein Gott, sondern er ist im Grunde ein autistischer Sadist - das dürfte eine interessante Neuigkeit für so manchen Guru-Jünger sein ...
- gefolgt von dem Ruf, es den Diven zu zeigen.
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SEITE 30 Dann geht es noch einmal nach Deutschland, und noch einmal zu einer Sache, die von den “Braunen” angerichtet wurde. Benedikt Boucsein geht dem Baudrillardschen Bonmot des “Jenseits der Architektur” nach, und zeigt uns das persönliche Bild, was ihm dazu einfällt, wenn er durch die deutschen Städte geht. Beim Battle gab’s Schläge, besonders von den Deutschen - selbst Schuld, sagen wir! Reise ins Jenseits der Architektur ....
Kategorie: ULTRASCHWER Eine weitere Stufe muss man bei Markus Podehl hochschalten, der den intellektuellen Höhepunkt dieses Heftes hinlegt. Er wirft, aus der Perspektive des Koolhaasschen New Yorks und der Weltgeschichte des Kapitalismus, einen frischen Blick auf den gegenwärtigen Hochhausboom, und macht klar, was der Gasprom-Wettbewerb, aber auch die Hochhausschlachten in Dubai und Shanghai eigentlich genau bedeuten, und wie sich in ihnen der Zustand unserer Gesellschaft wiederspiegelt. Traubenzucker eingeworfen und Lesebrille aufgesetzt!
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Kapitalismus und Grössenwahn...
Und - als Abschluss - das Kurze, aber intensive ARCHITRAKTAT. Es handelt es sich um einen Blickpunkt von Außen, von der Philosophie, auf das, was durch die Bauschaffenden fabriziert wird. Bauen, darauf macht der Autor aufmerksam, ist eine Tätigkeit, die den Menschen direkt beeinflusst. Und Größenwahn kann dieses Tun aus dem Gleichgewicht bringen - genau wie Gewohnheiten und Kompromisse. Mehrmals lesen! Merken! sowie Archiektur und Philosphie! (und nein, das ist nicht Sean Penn, und auch nicht der Autor)
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Aber auch uns wurde schließlich klar: “Architektur hin, Architektur her, dat jeilste Gefühl ist immer noch mit der Knarre in der Hand!”
I: LEICHT UND BILLIG
SEITE Der Tagesspiegel vom 02.08.2020
Berlin vollendet Die Eröffnungsfeier der Bundeshauptstadt Autoren: Nele Dechmann, Rebecca Lehmann, Adrian König Der gestrige 1. August war ein ganz besonderer Tag für Berlin. Bei einem Festakt auf dem Alexanderplatz wurde mit der lang ersehnten Enthüllung des Fernsehturms die Vollendung der Bundeshauptstadt Realität – und gebührend gefeiert. Als die Seidenfallschirmumhüllung der Kugel fiel, setzte der Männerchor des BDA (Bund Deutscher Architekten) mit berauschendem Wagnergesang ein. Der Stolz war an den Gesichtern der Sänger deutlich ablesbar. Denn endlich zeichnet bürgerliche Noblesse nun auch den Fernsehturm aus, über dessen steinerne Außenhaut sich reliefartig Lisenen und Pilaster schieben. Auf die Enthüllung folgte die Festrede des Vorstehers der Obersenatsbaudirektion Dr. Dipl. Ing. Arch. Lic. Hist. Ploner: “Vorbei sind die Zeiten der unübersichtlichen und unwirtlichen Stadträume. Wir feiern heute nicht nur die Eröffnung eines einzelnen Gebäudes, sondern gleich die Eröffnung einer ganzen Stadt. Unsere neue Bundeshauptstadt erstrahlt jetzt in steinernem Glanz.” Die größte Baustelle Europas gehört nun endlich der Vergan-
genheit an. Das Straßennetz und das Verkehrsnetz von U-Bahn, S-Bahn und Fernbahn wurden umgebaut und vervollständigt. Das homogenisierte Stadtbild strahlt Ruhe aus; es wirkt aufgeräumt mit seinen vertikal strukturierten Fassaden aus hellem Kalkstein, ganz nach der Tradition des “steinernen Berlins”. Kollhoff Junior, Präsident des BDA, erklärte mit Tränen in den Augen am Rednerpult: “Sämtliche Baulücken wurden durch einheitliche Blockrandbebauung geschlossen. Die Stadt, die niemals ist und immerzu wird, gehört nun der Vergangenheit an. Dem geordneten Durcheinander, der ziellosen Heterogenität wurde ein Ende gesetzt. Berlin erstrahlt in neuer Eindeutigkeit.” Er erwähnte des Weiteren voller Stolz, dass die historischen Wurzeln Berlins im Zuge der Neuordnung keineswegs in Vergessenheit geraten sind. Die berühmte Berliner Mauer wurde mit Travertinverkleidung im Maßstab 1: 0.75 in Steglitz originalgetreu wieder aufgebaut. Und erst vor zwei Wochen wurden auch die letzten Steine der Rekonstruktion des Stadtschlosses an ihre ursprüngliche Stelle gelegt. Endlich kann der Prachtbau wieder an seine über 500 Jahre alte Geschichte anknüpfen, die von der Bombardierung im Zweiten Weltkrieg und der darauf folgenden Sprengung durch das DDR-Regime unterbrochen worden war. Aber auch der Palast der Republik, der dem Stadtschloss seinen Platz zurückschenkte, fand an seinem neuen Standort im Nor-
den Pankows ins Leben zurück und glänzt mit seinen kupferbedampften Scheiben wie einst bei seiner Ersteröffnung im Jahre 1976. Zum krönenden Abschluss der Feier traten die Herren des BDA zu Gunsten ihrer Ehefrauen zurück und überließen ihnen das Rampenlicht. Das große Kucheneinsatzmodell der Bundeshauptstadt wurde auf den Platz gerollt, und die Gemahlinnen der stolzen Architekten setzten die Entwürfe ihrer Ehegatten (gebacken im Maßstab 1:200, mit cremefarbener Lasur) in die dafür vorgesehenen Mulden ein. Eine euphorisch heitere Stimmung prägte die Atmosphäre des Abends (mit Ausnahme einer bestürzten Gattin, die ihren Kuchen fälschlicherweise im Massstab 1:250 gebacken hatte). Der Vizepräsident der Bauinteressierten demokratischen Vereinigung Dr. Dr. von Zitzewitz schwärmte gar: “So etwas hat die Welt noch nie gesehen! Mit der Vollendung der Stadt Berlin haben wir heute Abend nämlich eines bewiesen: Die Geschichte wiederholt sich nicht!”
Mehr Grössenwahn!
SEITE 10
Autor: Stefan Kurath Ich steh auf einer Bühne. Die Spots sind an. Alle jubeln mir zu. Ich schaue runter. Und sehe wenig. Ich sehe eigentlich nichts. Wahnsinn, ICH darf mal schreiben! Und ICH darf schreien! Ihr wollt mich verstehn? Ihr seid Idioten! Ihr wisst nichts! Ihr könnt nichts! Das ist der Anfang! Oder ihr seid SUPERSTAR! Oder Big Brother schaut euch zu! Ich bin Beobachter! Ich brauche EUCH! Ich brauche euren Grössenwahn! Aber du musst wissen, ich bin grösser! Schneller, höher, weiter! Wer braucht schon Inhalt? Form Follows Fun! Form Follows Spirit! Form Follows Whatever! Form Follows Content! FFM Form Folgt Mir! Mehr Form! Fuck the context! Ich habe ihn im Taschenformat! Nicht Fuck you! I LOVE YOU! Ich forme Form! Ich forme Euch! Im Wahn! Grösser wird’s nicht!
Ich tu’s nicht, DA! Mehr DA! Kauft’s ihr Gucker! Ich bin an der Documenta! S T O P !!! Ich bin Documenta! I don’t care! Dann seh ich reihenweise Mädels stehn. Wer weiss.... Jetzt darf ich nicht. Passt nicht zu meinem Style. Das Management sagt..... Darüber steh ich ART IS POP, POP IS ART Ich mach mich gross! Schreibt mir ein SMS! Mehr SMS! Ich stehe für euch da! Bewundert mich! Ich brauche gar nichts mehr zu tun! Ich versteh die Welt, sie ist aus Schaum. Wir sind Schaumschläger Architekten ihr Anfänger! Wir sind Schaumschläger! DU du Anfänger IHR ihr Anfänger Ihr wollt mich so! Ihr seid doof! Gegen mich seid ihr NICHTS Ihr braucht mich Mehr Dieter So ist die Gesellschaft! So will ich EUCH Ich bin Realist Ich bin die Wirklichkeit! Ihr habt mich gemacht! Ihr habt mich gemacht, damit ihr mich bestaunen könnt! Ich mach euch und ihr macht mich Ich kann nicht ohne EUCH! Glaubt ihr das etwa? Zu dumm. Ich bin ich, ihr seid klein Immer ein wenig schlechter Weniger, kleiner, krümmer Pipi ich kann auch mit meinem Po Jaqui Ich kann auch die Helix! Sie wollen nur mich. Was immer ich tu. Hamburg unter der Haube!
Ei ei, why why! the answer my friend is blowing in the wind Deutschland sucht den Künstlerstar! D O C U M E N T A! Ich bin das Menta, Ihr seid nichts! Ich bleib in Erinnerung, ihr werdet abgelegt Ich bleib in Erinnerung Bis morgen Mehr morgen! Sie werden mich holen. Sie werden mich dazu machen. Weil ich ich bin. Ich bin berühmt, weil sie mich sehen. Was guckst du? Rasier dir den Kopf Smells like teen spirit Zeig dein Höschen Smells like your spirit Mach nichts mit Sinn Smells like my spirit Just fun! Ich heile euch! RUF MICH AN! So ganz ohne Content! Ist alles leichter! Tausend und eins! Tausend und eins! Tausend und eins! 1500? Ich kann auch mehr! Ihr könnt mich....! Vor meiner Zimmertüre warten! Ich bin frei Ich bin gefangen Ich bin auch... Germanys next Topmodell!
I build you, you build me! Ich kann nichts! Selbst das besser als ihr! Ich werde reich, weil ihr denkt, dass ihr so werden könnt wie ich. Das könnt ihr nicht, weil ich’s schon bin. Ihr könnt besser werden! Fuck Content! Aber denkt daran! ICH BIN EINEN SCHRITT VORAUS! Aber unscharf. Seht ihr mich? IHR seht mich! Ihr seht mich nicht Ich bin nicht hier! Glaubt mir ich habe besseres zu tun! The meaning of....! Todays love sex and rock’n roll! Ich bin nicht ich! Ich bin das was ihr wollt. Ich brauche EUCH obwohl ihr mich nicht interessiert. Schreibt mir ein SMS! Dann sagt ihr: es ist schön. Mit DIR! Ihr wollt mich, weil ihr ich sein wollt Ihr seid die Gesellschaft! ICH BIN DAS PRODUKT! Daran und nicht an mir wird die Welt zugrunde gehen! Falls sie es so tut. Ich bin nur ein Mensch Lost in space! Gesellschaft ist Raum. Gesellschaft ist Raum und Spass! Spassräume! Spassgesellschaft! Die bessere! And fit for fun! Kritik ist Massenware! Und unterhaltsam! Wir wollen mehr! Und bauen gemeinsam an uns! An der Welt! Am Grössenwahn! Grössenwahn ist geil! That’s it!
GRRR Autorin: Anna Weber GRRR Kehliges Geräusch zu Beginn eines Angrrriffs auf eine sehr grrroße Herausforderung, erzeugt im hinteren Rachenraum; auch assoziiert mit Raubkatzen und Jägern anderer Art – während diese im Laufe ihres Lebens die Größe einer Herausforderung in Relation zur eigenen instinkthaft einschätzen lernen, ist dieser Instinkt bei anderen Wesen verloren, sodass zuweil folgt: Öh.. Ausdruck der Verwunderung beim Erkennen der eigentlichen (Über)Grrröße der Herausforderung; wenn überhaupt, dann häufig zu spät; steht im absoluten Kontrast zum Anspruch auf Unfehlbarkeit und dem unbedingten Zwang, sich behaupten zu müssen/wollen; erhält häufig wenig Aufmerksamkeit oder eben: keine. SSS Geräusch, erzeugt mit der Zungenspitze beim in Deckung gehen nach dieser Erkenntnis - ohne dabei Augenkontakt mit dem Angreifer zu verlieren! auch: ksss oder ksssch. Änderung der Strategie des direkten Angriffs hin zu einer listigeren, trickreichen: siehe auch in diesem Zusammenhang: ‚Abwarten’ und ‚Täuschung’ EN Fakt EN. Nicht zu über-, aber unterschiedlich zu seh EN. Zitat: ‚Es ist alles eine Frage der
Sichtweise.’ Gerne auch in Form von Tabellen herangezogen, um Behauptungen zu beweisen, zu unterMAUERN (-> Bauweise -> Architektur) Grundlage zur Entscheidung für weiteres Vorgehen, da vermutlich ‚objektiv’. Auch: ‚Rechtfertigung’. ‚W’ Kribbeliges Gefühl auf den Lippen gibt eine Vorstellung von dem sog. KITZEL -> nicht wissen, wie es ausgeht. Auch: ‚no risk, no fun’. Ahh auch: Aahhrrg – s. LAUT w. mögl. Armbewegung dabei: die Hände werden zu Fäusten geballt und abwechselnd heftig auf die Brust geschlagen, dabei kann der Kopf hin und her geworfen werden. Ausdruck der Freude über einen Erfolg. N.. ocheinmal! Denn genug ist es nie, grrrößer geht immer.
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Rassen, Kulturen (rette bitte noch ein paar Delphine) und das wichtigste:
Warum über Größenwahn schreiben?
Contra torrentem ! (gegen den Strom)
Größenwahn Größenwahn ist wie eine nasse Fotze, die danach, schreit gefickt zu werden, oder der harte Schwanz, der es Dir besorgt wie ein Hengst. (ihr wisst schon von wem ….) DU liebst size of Illusion. DU stellst den Wahnsinn dar, der vom Durchschnitt bewundert wird. DU bist die Eitelkeit, die bewundert werden MUSS. Der Traum, im eigenen Egoismus allen in den Arsch zu treten und Dinge zu bewegen, die vorher niemand für möglich gehalten hat. Scheiß auf 15 Minuten Ruhm. Es lebe delirio de grandeza. Weltfrieden, stoppen der Erderwärmung, beenden der Atomenergie, Akzeptanz aller Religionen,
DEIN Haus wird größer als das von Bill Gates, dein Schiff wird fetter als das von Roman Abramowitsch, deine Freundin schärfer als Giselle Bündchen, der Freund so sexy wie Marcus Schenkenberg, der Busen geiler als Elle MacPhersons und der Schwanz größer als Rocco Siffredis. DU hast mehr Sexappeal als Cindy Crawford und Justin Timberlake, kannst bessere Filme machen als Quentin Tarantino, besser schreiben als Pascal Mercier, besser malen als Neo Rauch, besser spielen als Lang Lang, mehr über Wein wissen als Hugh Johnson, schönere Häuser bauen als Minoru Yamasaki ( zum Glück sind die Twin Towers weg) und besseren Tabak im Ruhrpott anpflanzen als auf Kuba. Aller Anfang ist der Traum von Megalomanie, denn nur Träumer verändern die Welt! Die Welt ist eine Scheibe und Du bist Deutschland! Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit, ich bin größenwahnsinnig und sterbe für Manolo Blahnik! A dirty mind is a joy forever! (Oscar Wilde )
SEITE 13
SEITE 14 Camenzind Homestory Besuch bei Scrat in Zürich
Autoren: Marion und Patrick Maisano Die Maisanos sind Marion Maisano und Patrick Maisano aus Zürich. Ihre Arbeiten bewegen sich zwischen Architektur, Kunst und Literatur. Erreichbar sind die Maisanos unter: maisano@gmx.net. Weitere Infos gibts auf: www.lenileone.ch
Das Haus liegt mitten im Kreis 4, dem Szeneviertel Zürichs. Von aussen verrät nichts, dass sich hier einer der grössten Hollywood-Stars niedergelassen hat. Wir drücken auf den Klingelknopf, neben dem auf ein Stück Malerband geschriebenen Decknamen. Nach wenigen Augenblicken öffnet sich die Tür. Mit dem Lift fahren wir ins Penthouse im vierten Stock. Scrat, der Superstar der Ice Age Filme, empfängt uns an der Wohnungstür. Zwischen den Pfoten hält er eine Eichel. „Sie ist mein Lieblingsaccessoire und mittlerweile erwarten die Leute, dass ich sie immer mit mir trage,“ begrüsst er uns. Dann zeigt er uns die DesignHighlights seines Zürcher Zuhauses...
Das Stille Örtchen
Scrat führt uns weiter zu dem, was er liebevoll sein Stilles Örtchen nennt. Hier betet er zu den Heiligen (die Devotionalie mit dem Bild von Padre Pio und der Medaglia Meravigliosa ist ein Geschenk aus der Ewigen Stadt). „Wenn ich versunken auf den Zahngläsern sitze und ans Himmelreich der Nüsse denke, kann ich besonders gut verdauen,“ beteuert er und drückt seine Eichel noch ein bisschen mehr an sich.
Der Rundgang beginnt im Speisezimmer. Nicht nur als Filmfigur dreht sich bei Scrat alles ums Essen. Auch privat ist er ein grosser Gourmet. Das Interior Design im Essbereich ist ihm besonders wichtig. „In disem Fall bin ich ein Markenfreak“, gesteht er. Der Brotsack des Nobelschuhherstellers Bally (wird nur beim Kauf von Bally-Schuhen abgegeben!) ist wie ein weich ausgebautes Nest mit angenehm abgedämpftem Licht. „Dort gibt es nur noch mich und das über Wochen luftgetrocknete Brot.“ Der Ahnenraum
Das Speisezimmer
„Immer zu wissen, woher ich komme, hilft mir, mit beiden Füssen auf dem Boden zu bleiben,“ erzählt Scrat auf dem Weg ins nächste Zimmer, den Ahnenraum. „Man sieht die Spuren der Zeit,“ meint er und deutet auf die vergilbten Wände, auf den etwas fleckigen Boden und die angegraute Decke. Die Regale (Ikeaklassiker Billy) sind auf drei Seiten geschlossen, während die offene vierte Seite den Geistern der Ahnen freien Zugang schafft. „Letztendlich kommt es auf die Erinnerungsstücke an,“ erklärt Scrat. „Der Dolch und das Soldatenbuch stammen aus der Aktivzeit des Grossvaters, das Kreuz von der Firmung der Mutter.“
Der Panic Room
„Ich mag Panic Rooms eigentlich nicht,“ sagt Scrat, als er zur Demonstration in dem multifunktionalen Möbel verschwindet. Dieses ist aus stimmungsvollen Bananenkisten zusammengestellt und enthält auch eine Schallplattensammlung, Handtäschchen und alte Liebesbriefe. „Man muss sich im Notfall doch unterhalten können,“ seufzt Scrat, als er wieder hervorgekrochen kommt.
Der Dreamroom
„Die letzten Jahre waren sehr hektisch. Mit dem Erfolg der Ice Age Filme ist meine Bewegungsfreiheit sehr eingeschränkt worden. Die Leute drehen sich auf der Strasse nach mir um, wollen mich berühren und streicheln.“ Im Zürcher Penthouse hat ein junges Künstlerpaar einen Dreamroom mit farblich verfremdetem Panoramabild von Rio de Janeiro und an die Wand gelehnten Liegestühlen eingerichtet. „Das Bild ist über drei Meter lang und fast einen Meter hoch und es ist ein Unikat – unverkäuflich!“ Niemand ausser Scrat hat Zugang, auch wir durften nur durch den Vorhang fotografieren.
Der Newsroom
Scrats Newsroom ist unter dem Einfluss der RecyclingIdeologie entstanden. Auffallend ist das Zusammenspiel kurzlebiger Nachrichten (bevorzugt aus der Neuen Zürcher Zeitung) und der nachhaltigen Wiederverwertung des Zeitungspapiers als Stabilisierungskonstruktion für den Küchentisch aus dem Erbe der Grossmutter. Scrat führt uns schnell weiter. „Der Newsroom funktioniert noch nicht richtig, die aktuellsten Nachrichten kommen einfach nicht schnell genug rein.“
Überraschenderweise geht es als nächstes in die Klimazentrale. Temperatur und Luftfeuchtigkeit werden hier durch eine ebenso innovative wie ästhetische Methode kontrolliert: Nasse Reizwäsche auf dem Heizkörper. „Aber das ist noch lange nicht alles,“ schmunzelt Scrat über unser offensichtliches Staunen. „Durch die Verwendung eines angenehm riechenden Waschmittels lässt sich die Stimmung im Raum beeinflussen!“ Die Klimazentrale
Der Tower
Scrat liebt das urbane Leben so sehr, dass er in der Wohnung einen eigenen Tower hat. „Es ist wie in einem Warenhaus, nur dass alle Sachen bereits mir gehören!“ Mindestens fünfmal pro Tag hält er sich damit fit, im original 60er Einbauschrank vom Weinkeller in den Schuhsalon, zur Damenbekleidung, Herrenbekleidung, Dessous, Haushalt, Elektronik bis hoch ins Dachrestaurant und wieder zurück zu klettern. Zum Abschied zeigt uns Scrat sein allerneustes Designaccessoire, das wir aber nur unkenntlich wiedergeben dürfen. In dieser Form ist es in Camenzind ein erstes Mal zu sehen. Man kann sich darauf freuen.
hier entsteht...
SEITE 16 BUNKER
Vom Entstehen, Transformieren, Überleben eines wirklich großen Bauprojektes Autorin: Heike Zieher heike.zieher@rwth-aachen.de Auf der Suche nach dem, was denn nun Bunker ausmacht, begebe ich mich auf eine Reise zurück. Ganz an den Anfang. Das Wort „Bunker“ hatte vor den beiden Weltkriegen im letzten Jahrhundert keineswegs eine derartig emotionale Belegung wie heute; es bezeichnete lediglich einen „Behälter zur Aufbewahrung von Massengut.“ Mit zunehmendem technischem Fortschritt – und vor allem mit der Entdeckung des Flugzeugs als neue Waffengattung – änderte sich die Bedeutung des Wortes „Bunker“. Im 1. Weltkrieg bezeichnete es Betonunterstände, im 2. Weltkrieg wurde es schließlich zum „Luftschutzbunker“ – einem bombensicheren Gebäude. Der Bunker am Boden war die Reaktion auf den Krieg aus der Luft. Bereits vor dem 2. Weltkrieg wurden in Europa Bunker im heutigen Sinne gebaut. Doch erst das nationalsozialistische Regime stampfte eine vorher nie gekannte Masse an Bunkern in wahnwitziger Geschwindigkeit aus dem Boden.
In der Nacht vom 25. auf den 26. August 1940 fielen die ersten Bomben auf Berlin. Von da an folgten regelmäßige Nachtangriffe. Dies war ein Schock für die nationalsozialistischen Machthaber: Der Krieg hatte Einzug in den Alltag der Zivilbevölkerung gehalten. Aus Angst davor, dass sich die Stimmung in der Bevölkerung gegen die Regierung wenden könnte, wurden ab dem Herbst 1940 – begleitet von großem Propagandaaufwand – bombensichere, zivile Luftschutzbunker gebaut. Offiziell galt es, in verstärktem Maße die „Heimat“, die „Kraftquelle der kämpfenden Nation“ zu schützen. Natürlich wurde der tatsächliche Grund, der Schutz der Arbeitskräfte und der rüstungswichtigen Betriebe, nicht erwähnt. Bereits am 10. Oktober war das sogenannte „Führer-Sofortprogramm“ beschlossene Sache. 61 Städte auf dem Reichsgebiet wurden als „besonders luftangriffsgefährdet“ eingestuft, und mit sofortiger Wirkung begann in diesen Städten der Bau der zivilen Luftschutzbunker. Damit fiel der Startschuss für einen Wettlauf zwischen Bomben- und Bunkerbauern. Das anfangs hehre Ziel, „den absoluten Volltrefferschutz für die gesamte Zivilbevölkerung zu gewährleisten “, konnte letztendlich bei weitem nicht erreicht werden. Wie nahezu alle NSPlanungen war auch dieses Vorhaben bombastisch wie maßlos – und kaum realisierbar: „Bei einer Anzahl von ca. 50.000.000 Schutzsuchenden in den 61 Städten und einem Baustoffaufwand von 4 m3 Beton je geschützter Person ergäbe sich eine Gesamtleistung von 200.000.000 m3 Schutz-Beton. Das entspräche einem 20jährigen ununterbrochenen Einsatz der gesamten Bauwirtschaft des Reiches.“ „Bedenkt man dabei, dass bei den 200 Millionen Kubikmeter Stahlbeton nur die Bunker berücksichtigt sind und darüber hinaus noch weitere Luftschutzbauten geplant waren, so belegen diese Zahlen, dass es sich bei dem ‚Sofortprogramm’ wohl um das größte Bauvorhaben der Menschheitsgeschichte gehandelt hat.“
Dessen ungeachtet wurde eifrig mit dem Bunkerbauen begonnen. Ab nun fanden regelmäßig Feldversuche statt, die Ergebnisse wurden säuberlich dokumentiert und flossen in die ständig aktualisierten „Bestimmungen für den Bau von Luftschutzanlagen“ ein. Darin enthalten waren Vorschriften zur Konstruktion, technischen Ausstattung und baulichen Ausführung der Bunker. Diese Vorschriften waren zwingend einzuhalten. Die zivilen Luftschutzbunker sind daher standardisiert und weisen keine regionalen Unterschiede auf, auch die städtebauliche Eingliederung wurde auf wenige Typen reduziert. Alles drehte sich um die Optimierung – und damit Beschleunigung – des Bauprozesses. Jeder neue Bunkerbau war eine genau kalkulierte Masse an Beton, Bewehrungen wurden standardisiert und an zentralen Biegestellen vorgefertigt. Von der Vermessung des Grundstücks bis zur Fertigstellung eines Bunkers (mit mehr als 500 Schutzplätzen) wurden zum Teil nur neun Wochen Zeit benötigt. So gezielt geplant und straff organisiert dieses umfassende Bauprojekt auch war, so wurde allen doch recht schnell klar, dass das Vorhaben nicht in dem geplanten Ausmaß zu schaffen war. Zunehmende Angriffe der Alliierten sowie Transportprobleme und Mangel an Baustoffen und Arbeitskräften machten einen reibungslosen Ablauf immer schwieriger, bis schließlich im Herbst 1944 die Arbeiten auf den Bunkerbaustellen praktisch zum Erliegen kamen. Bis dahin waren ca. 6000 Bunker erstellt worden. Im Krieg hatte sich das „Klappstuhlgeschwader“ mit immer häufigeren und länger andauernden BunkerAufenthalten arrangiert. Man richtete sich ein, versuchte in der Menge der zunehmend vertrauter werdenden Gesichter Geborgenheit zu finden. Doch die Bunkerrealität, das waren Angst, Enge, Hitze (ca. 60°C), Gestank und unzählige Dramen. Der Krieg ging vorbei, aber die Bunker blieben. 1945 waren die Hochbunker in nicht wenigen deutschen Städten die letzten Überreste, die aus den
Trümmern herausragten. Da waren sie nun, 6.000 Gebäude in den prominentesten Lagen unserer Städte, unübersehbar, mit intensivsten und grausamsten Erinnerungen behaftet. Bei dem Umgang mit diesen Gebäuden siegte zunächst der Pragmatismus. Da die Bunker oft die einzigen noch bewohnbaren Gebäude waren, wurden sie als Notunterkünfte benutzt. Als sie schließlich nicht mehr benötigt wurden, ließ man sie größtenteils einfach leer stehen, versuchte sie unsichtbar, durch Bemalung und (oft vergebliche) Sprengungen vergessen zu machen. Heute stehen die weitestgehend unangetasteten Bunker in unseren Städten als Fremdkörper ohne Gegenwartsbezug – als wäre für sie die Zeit stehen geblieben. Sie sind Zeitzeugen, die nicht nur vom Krieg, sondern auch von der Technik-, Bau-, Stadt- und Sozialgeschichte von nun über 60 Jahren. Sie erzählen von ihrer Entstehung, von diversen Umnutzungen, und von ihrer Verleugnung. Ohne Zweifel wurden im Laufe der Jahre immer häufiger Bunker zwecks Musealisierung erschlossen; das geschah vor allem im Kontext der breiten Gedenk- und Erinnerungskultur nach 1989. Bunker wurden wieder zugänglich gemacht, und damit mehr und mehr Teil des kollektiven Gedächtnisses. Im kollektiven Gedächtnis hat nur das Bestand, „was die Gesellschaft in jeder Epoche mit ihrem jeweiligen Bezugsrahmen konstruieren kann“, und das wiederum ist durch das Selbstverständnis eben jener Gesellschaft geprägt. Was nicht in den Bezugsrahmen passt, wird kurzerhand vergessen. In der Bundesrepublik der Nachkriegsjahre und der Zeit des Kalten Krieges schien genau dies mit den Bunkern der Fall zu sein. Dass sie nun wieder ins kollektive Gedächtnis dringen, liegt wohl daran, dass unsere Generation keinen persönlichen Bezug zu diesen Gebäuden in ihrer ursprünglich geplanten Funktion mehr hat. Dadurch ergibt sich Raum für unbefangene Neugier, Faszination angesichts des unbekannten Innenlebens, Mystifizierung. Die aus Beton gebauten Speicher scheinen eigentümliche Bedeutungen und
Faszination zu bündeln, die auf neue Weise lesbar und wichtig werden. Vielleicht auch, weil in ihnen etwas geborgen scheint, das in der offiziellen Erinnerungskultur von BRD und DDR verborgen blieb. Was also machen wir jetzt mit ihnen? Bereits seit den 60er und 70er Jahren, in denen die ersten Bunker zu Proberäumen umgestaltet wurden, stieg das Interesse an Bunkern zusehends. Und googelt man heute den Begriff „Bunker“, erhält man keineswegs nur eine Linkliste zu allen möglichen Bunker-Museen oder –Vereinen; genauso häufig stößt man auf Proberäume, Clubs und andere sub(?)kulturelle Einrichtungen. Auf bunker.de gibt es Clubwear zu erstehen, und unter bunker-records.com kann man „dirty brown and miserable“ Musik aus Den Haag erwerben. Wie damals die Ruinen der Industrialisierung mit ihren leer stehenden Fabrikgebäuden einen ganz physisch realen Raum für die Erfindung des Techno boten, so scheinen nun vermehrt Bunker ihren Mythos – und natürlich letztendlich auch ihren realen Raum – für die Subkultur zur Verfügung stellen zu wollen. Fast jede der 61 Städte, die durch das „FührerSofortprogramm“ mit Bunkern versehen worden waren, hat inzwischen mindestens einen „Musikbunker“. Abgesehen davon rücken Bunker immer mehr in das Wahrnehmungsfeld einer breiten Öffentlichkeit. Dafür sorgen auch Projekte von Planern und Architekten, die in der massiven Bauweise und der oft sehr zentralen Lage von Bunkern ein Potenzial sehen.
Sogar zu Altenheimen werden sie umgebaut. Die im Laufe dieser Wandlung sukzessiv stattgefundenen Verschiebungen und Erweiterungen der Bedeutung des Wortes „Bunker“ haben so durchaus ihren praktischen und historischen Grund. Sie verweisen auf Umnutzungen der Hinterlassenschaft des Dritten Reiches. Teil dieser Wandlung war aber auch eine Geschichte des Unsichtbarwerdens oder des Übersehens, in der Abstand zu den Bunkern gewonnen wurde. Man kann gespannt sein, was als nächstes passiert. Und wer weiß schon, welche Spiele in 60 Jahren in südafrikanischen Fußballstadien gespielt werden? Heike Zieher, Diplom 2006 an der RWTH Aachen, lebt & arbeitet zurzeit in London. Zitate aus: Georg Assmann: „Beitrag zur Entwicklung des Schutzraumes für die Zivilbevölkerung“, Bremen 1944. / Michael Foedrowitz: „Bunkerwelten“, Berlin 2002. / Maurice Halbwachs: „Das Gedächtnis und seine sozialen Bedingungen“ Frank a. M. 1985. Die Fakten bezüglich des Bunkerbaus, soweit nicht anders gekennzeichnet, stammen aus dem Buch von Michael Foedrowitz: „Bunkerwelten“, Berlin 2002, sowie aus der von Silke Wenk zusammengestellten Aufsatzsammlung „Erinnerungsorte aus Beton“, Berlin 2001. Weitere Informationen über die innerstädtischen Zivilschutzbunker sind größtenteils aus der Diplomarbeit von Andrea Heinemann und Heike Zieher „Bunker update“ entnommen, das Anfang 2007 im Verlag Dorothea Rohn erschienen ist. (Preis 22 Euro)
II: SUPERMITTELMASS Brauchen wir ästhetische Bildung – oder doch die Revolution? Eine konservative Stellungname zu den Leitmotiven der documenta 12. Autor: Lorenz Lachauer (lorenz.selim@gmx.de) Folgendes Zitat findet sich im Programm der diesjährigen Documenta: „Ab dem 16. Juni 2007 findet in Kassel zum zwölften Mal die weltweit bedeutendste Ausstellung zeitgenössischer Kunst statt – die documenta. Auch diesmal mit dem durchaus verwegenen Anspruch, das Potenzial des Ausstellungsmachens neu auszuloten und ihr Publikum (ästhetisch) zu bilden.“ Und weiter auf der Website von Arch+: „Die Frage nach zeitgenössischen Möglichkeiten ästhetischer Bildung und Vermittlung greift archplus mit ihrem Wissen als diskursive Architekturzeitschrift im Projekt „The Making of Your Magazines“ auf.“ Zuerst soll hier die Frage aufgeworfen werden, welche Aufgabe die so genannte „ästhetische Bildung“ hat. Der Begriff Ästhetische Bildung stammt ursprünglich von Friedrich Schiller, der ihn 1795 in seiner Schrift „Über die ästhetische Erziehung des Menschen“ prägte. Das Werk besteht aus 27 Briefen, im 12. Brief beschreibt Schiller die zwei schöpferischen Grundtriebe des Menschen: Der “sinnliche” Trieb strebt nach Veränderung, ist aber der Materie verhaftet und gibt der Materie im Verlauf der Zeit Inhalt. Der “formende“ Trieb strebt nach dem Aufheben der Zeit, nach Beständigkeit in der Veränderung, damit der Mensch bei aller äußeren Wandlung seine Identität behalten kann. Dies geschieht, indem der “Formtrieb” dem Werk Gesetzmäßigkeit verleiht. Nur in der Ausbalancierung dieser beiden sich widersprechenden Triebe ist
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Schönheit möglich. Im Sinne Schillers muss die ästhetische Bildung also das Ziel haben, diese beiden Triebe ins Gleichgewicht zu bringen. Als nächstes soll, frei nach Schiller, das Wirken dieser beiden Triebe im heutigen Architekturgeschehen dargestellt werden. Der erste schöpferische Grundtrieb des Menschen, der „sinnliche“ Trieb, oder wie man heute sagen könnte, der „Designtrieb“ eines Architekten, strebt danach, einen Stil bzw. eine individuelle architektonischen Sprache zu erfinden. Das Hauptziel ist die innovative Formschöpfung. Der Architekt konzentriert dabei sein Schaffen darauf, formal neue, ja vielleicht revolutionäre Welten zu erfinden. Dabei merkt er nicht, dass inhaltlich sehr konventionelle Bauwerke entstehen, deren Überraschungseffekte von den Consultants der Auftraggeber im Vorhinein einkalkuliert wurden. Ständige Innovation ist das Wasser auf den Mühlen des Kapitalismus. All die aktuellen Trends und emergent styles sind ästhetisch sehr kurzlebig und zeitgebunden. Und damit auch die Häuser und Gebrauchsgegenstände, die solch neuartige Formen haben. Die geringe Halbwertszeit fördert den Konsum, das hat schon Adolf Loos im Jahre 1924 erkannt und kritisiert: „Aber wenn es geschieht, dass ein Schreibtisch nach zehn Jahren für mich den ästhetischen Wert verliert, dass ich ihn unmöglich finde, dass ich ihn beseitige und mir einen neuen kaufen muss, dann ist das ein riesiger wirtschaftlicher Verlust.[...] Der Einwand, diese ständigen Änderungen der Mode seien ein nützliches Ding, indem sie den Erzeugern viel Arbeit verschaffen, ist eine verkehrte Anschauung.“ Aus ästhetischen Gründen müssten ständig neue Möbel, Autos und Häuser gebaut und gekauft werden. Wer würde denn heute noch gerne in einem Haus der Postmoderne wohnen wollen? Doch was gibt es traurigeres als ein Gebäude, das lange, bevor es funktional oder technisch unbrauchbar geworden ist, schon stilistisch ausgedient hat? Der zweite der schöpferischen Grundtriebe, der „formende“ Trieb, strebt
nach dem Zeitlosen, dem Beständigen im Werk. Hier geht es nicht mehr um die Erfindung neuer Stile oder Formen, sondern es wird eine bereits vorhandene Architektursprache verwendet, um aktuelle Lösungen zu finden. Das Augenmerk liegt auf der Neuordnung bestehender Elemente, um sie den heutigen Bedürfnissen anzupassen. Solch eine Haltung ist dem Werk der Architekten Adolf Loos und Luigi Snozzi eigen. Loos möchte keinen Stil erfinden, sondern er sucht nach neuen Möglichkeiten im Plan, in der Organisation eines Hauses. Dazu verwendet er die klassischen, zeitlosen Formen der Antike, also Pilaster, Säulen und Gesimse als Vokabular. In dem Essay „Architektur“ von 1909 schreibt Loos: „... wer den großen grundriß lösen kann, der denkt nicht an neue profilierungen“. Ähnlich denkt auch Snozzi: „Es gibt nichts zu erfinden, alles ist wiederzufinden“. Seine Aufgabe sieht Snozzi primär im Städtebau, jedoch verwendet er für seine Bauwerke nicht die Sprache der Antike, sondern den Formenkanon der Moderne der 20er Jahre, orientiert an Le Corbusier und Mies van der Rohe. Nach der vorangehenden Beschreibung der Schillerschen Triebe möchte ich an dieser Stelle die erste Leitfrage der diesjährigen documenta einschieben:
Ist die Moderne unsere Antike?
Für Snozzi ist die Rolle der Moderne tatsächlich ähnlich der Bedeutung, die die Antike für Loos hat. Sowohl die Antike als auch die Moderne verfügen über einen verbindlicher Formenkanon, den man, baukastenartig, zur Lösung architektonischer Fragen heranziehen kann. Beide, Loos und Snozzi, betrachteten die Architektursprache als gegeben, um mit ihr die grundlegende Frage des Wohnens, die Frage nach der Beziehung der Menschen untereinander, neu zu stellen. Und dabei kommen sie, völlig ohne formale Neuerung, zu Bauwerken mit sehr individuellem Charakter. Ich denke nicht, dass die Moderne heute eine allgemeine Verbindlichkeit hat. Und doch ist es wichtig, dass wir uns
auf einen einfachen, verständlichen Stil zurückbesinnen. Anstatt individuelle Architektursprachen zu erfinden, sollten wir unsere Schöpfungskraft auf die Inhalte konzentrieren. Die zweite Leitfrage der documenta 12 lenkt uns auf diese Inhalte:
zunehmend durch den Designtrieb dominiert wird. Das Gleichgewicht zwischen dem sinnlichen und dem formendem Trieb, das die Voraussetzung für wahre Schönheit darstellt, ist heute gestört. Die dritte Leitfrage lautet:
Was ist das bloße Leben?
Was Tun?
Was macht unser Leben heute aus? Wie leben Menschen zusammen? Was bedeutet die von der Documenta angesprochene „Ausgesetztheit des menschlichen Lebens“ in unseren Städten? In welchem „Verhältnis zur Natur oder, noch allgemeiner, zur Welt“ stehen wir heute? Diese ewig aktuellen Fragen liefern aufgrund der Mannigfaltigkeit des menschlichen Lebens zu jeder Zeit genug Stoff für die Architektur. Die Bauwerke des Duos Lacaton & Vassal zeugen von diesem Stoff. Die Architekten verwenden Elemente industrieller Gewächshäuser, um damit Wohnhäuser oder Ausstellungspavillons (Von ihrem Ausstellungspavillion auf der documenta 12 haben sie sich aufgrund von nachträglich eingebauten Klimanlagen distanziert) zu bauen. Damit wenden sie sich gegen die Idee der Form als Selbstzweck: „Die Schönheit kommt nicht aus der Form oder dem Material. Die Architektur produziert sie durch den bewussten Umgang mit Licht, Luft und Raum.[...] Und das erreichen wir ohne Design.“ Auf diese Weise gelingt es den beiden, zeitlose, d. h. ästhetisch nachhaltige Werke zu schaffen. Wir leben in einer Zeit, in der die Architektur, vor allem durch die allgegenwärtigen Architekten-Stars,
Auf welche Art und Weise lässt sich die gestörte Balance der Triebe wieder herstellen, um letztendlich Schönheit und Harmonie im Bauen zu erreichen? Wie oben gezeigt, wird durch ständige Innovation einerseits der Kommerz gefördert. Andererseits ermöglichen erst die repräsentativen Projekte der internationalen Konzerne (wie z. B. „EZB-Skytower“, „Mercedes-BenzMuseum“, „Porsche-Museum“ etc.) die Selbstinszenierung der Stararchitekten. Es besteht eine symbioseartige Beziehung zwischen Starsystem und Kapitalismus. Gegen solch ein mächtiges Bündnis kommt man mit ästhetischer Bildung allein nicht an. Dazu zitiere ich nochmals Luigi Snozzi: „Mit Architektur machst Du keine Revolution. Aber die Revolution genügt nicht, um Architektur zu machen. Der Mensch braucht beides.“ Um dem „Formtrieb“ wieder zu seinem Recht zu verhelfen, reicht ästhetische Bildung im Sinne einer „Geschmackserziehung“ nicht aus. Der Schaffende muss neben seinem eigentlichen Werk zusätzlich noch verbal Stellung beziehen. Ich möchte den Typus des „Politikerarchitekten“ als Antipode zum weit verbreiteten „Künstlerarchitekten“ vorschlagen. Der Künstlerarchitekt äu-
ßert sich zwar oft auch mündlich oder schriftlich zu seinen Werken, aber in einer unklaren, poetisch-mystifizierenden Weise. (Oder er lässt für sich schreiben, wie im Falle Jacques Derridas für Bernhard Tschumi) Damit wirkt er eher betäubend als erhellend auf den kritischen Geist. Unpolitische Diskussionen über die Ästhetik der heutigen Architektur sind nicht nur unnütz, sondern tragen aktiv zur Verschleierung der Zusammenhänge bei. Beispielhaft für die Paarung von politischem Geist und schöpferischer Kraft in einer Person scheint mir der chinesische Künstler und Architekt Ai Weiwei zu sein. Gegenüber dem ZEITmagazin macht er folgende Aussage über die aktuelle gesellschaftliche Situation in seiner Heimat: „Die Leute da oben haben ihre Macht nicht aufgegeben, und sie nutzen heute den Wirtschaftsaufbau, um sich das Kapital in die eigene Tasche zu stecken. Das geht auf Kosten derjenigen, die keine Macht besitzen und all ihre Rechte verschenken, nur um ein bisschen mehr Lohn zu verdienen. Die meisten sind es einfach nicht gewohnt, ihren Kopf selbstständig zu gebrauchen. Sie unterscheiden nicht zwischen richtig und falsch. Sie kümmert nur die Farbe ihres neuen Sofas.“ Über die Frage nach der Sofafarbe geht ästhetische Diskussion heute nur in seltenen Fällen hinaus. Wir brauchen neben ästhetischer vor allem auch politische Bildung, wir dürfen uns nicht scheuen, über richtig und falsch zu sprechen. Das gilt auch insbesondere für die Architekturzeitschrift, die nur durch eine klare Meinungsäußerung dem Schicksal entkommen kann, zu einer hochwertigen Werbebroschüre zu verkommen. Quellen: http://www.archplus.net/index. php?s=projekte&c=133 Adolf Loos: Von der Sparsamkeit, in Ders.: Die Potemkinsche Stadt, Georg Prachner Verlag Wien, 1987 Luigi Snozzi, Electa, Mailand 1996 http://www.art-magazin.de/architektur/549/ luxus_der_armen_dinge?p=2 http://www.zeit.de/2007/26/Traum-AiWeiwei?page=1 / ZEITmagazin LEBEN, 21.06.2007 Nr. 26
GESUCHT: TRAUMHÄUSER!! Wusstest Du, dass Le Corbusier die entscheidende Idee für die Villa Savoye erst im Halbschlaf bekam? Dass Mies van der Rohe seine MIT-Ecke erst im REM-Schlaf löste? Und dass Rem Koolhaas 10 Stunden am Tag pennt - aber mit dem Stift in der Hand? Stimmt vielleicht auch gar nicht. Doch von vielen Architekten wird berichtet, dass sie vornehmlich von Räumen, Raumfolgen, Fluren, Aufzügen usw. träumen. Wir glauben, dass in diesen Traum-Häusern ungeahntes Potential steckt. Wir suchen daher Zeichnungen, Bilder, Collagen (unterschiedliche Medien) von Traum-Häusern aller Art. Eine Handlung dazu muss nicht geschildert werden, ebenso können die Zeichnungen anonym eingereicht werden. Mehr Informationen bei redaktion@cazmag.com
GEFUNDEN: KLIMAWANDEL Eigentlich wollten wir in dieser Ausgabe von Camenzind ein paar Worte über die Auswirkungen des Größen- und Machbarkeitswahns auf unsere Umwelt verlieren und einige dringende Fragen („was kann ich tun?“) beantworten, die sich den Architekten angesichts des Klimawandels stellen. archplus hat diesen Job inzwischen erledigt und mit der aktuellen Ausgabe Nr. 184 zum Thema „Architektur im Klimawandel“ herausgegeben. Obwohl insgesamt eher nur mittelmäßig aufregend, ist die Ausgabe ein Muss für jeden Architekten!!! Denn: so heißt es im Leitartikel: „Die sozialen und politischen Folgen des Klimawandels sind für die Gesellschaft in ihren Dimensionen kaum absehbar. Es wäre aber naiv zu meinen, dass sie nicht tiefgreifend sein werden. Zu glauben, dass eine drohende Katastrophe ohne Einbußen an Wohlstand abgewendet werden kann, verlangt eine gehörige Portion Blauäugigkeit, wenn dieser Wohlstand sich demselben Umstand verdankt, der die Katastrophe herbeiführt - der Konsumption von fossiler Energie.“
Publikumspreis des Camenzind Starbattle 2007
Berlin vollendet - Nele Dechmann/Adi Koenig/Rebecca Lehmann
Q J G L K = @GE
Camenzind 05
Gewinner des Camenzind Starbattle 2007
ENTHÜLLUNG!!! Das Büro von SANAA - Der Sklavenkeller in Japan!
Das unschuldige Lächeln trügt... Gleich wird wieder in den Massenschlag hinuntergeschrien!
Triebkraft Grössenwahn Autor: Tim Seidel Krankhafte Ambition Grössenwahn im engeren Sinne ist ein pathologisches Syndrom, dass sich als Folge einer Sucht oder Erkrankung jeder theoretischen Diskussion entzieht, da seine Beeinflussung nicht in der Macht des Kranken, geschweige denn des Architekten liegt. Der Wahn als vom Individuum beeinflussbare Grösse erfordert eine erweiterte Definition: Er ist nicht Syndrom einer Krankheit, sondern extremes Resultat einer bewussten Entscheidung, das von der Umwelt als so ausserordentlich wahrgenommen wird, dass es sich die Prädikate „abnorm“ oder „krankhaft“ verdient. Der Wahn entspringt der anmassend erscheinenden Vorstellung, die Welt durch eigenes Handeln substantiell verändern zu können und zu müssen. Die aus dieser Vermessenheit resultierenden Energien sind nicht a priori negativ. Neben den unendlichen Verirrungen der Vergangenheit und auch der Gegenwart konnten durch diese Energien erst die intelligentesten und ungewöhnlichsten Architekturen entstehen. Die Ambivalenz des Grössenwahns Grössenwahn in der Architektur lässt sich entsprechend in zwei Kategorien unterteilen: Der egomanische Wahn und der architektonische Wahn. Größenwahn
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ist also Fluch und Segen zugleich, bringt sowohl aufdringliche Monstranzen von atemberaubender Selbstgenügsamkeit als auch sinnlich, funktional und technisch vollendete Kunstwerke hervor. Sieht sich der Architekt als omnipotenter Weltverbesserer, der die architektonische Lösung bereits zu kennen meint, bleibt die Architektur gewaltig, aber stumpf. Ihre Beziehung zielt allein auf Bewunderung des Werks und gottgleiche Anbetung des Geniearchitekten durch die Umwelt und nicht auf paritätischen Austausch. Besteht der Grössenwahn des Architekten in einem masslosen, aber bewussten Perfektionswillen, einem suchenden Drang zur endgültigen Lösung aller räumlichen Probleme, resultierend aus der Überzeugung die Welt durch Architektur verbessern zu müssen, wird er produktiv und nachhaltig. Die entscheidende Frage lautet: Wie weit lassen sich diese beiden Erscheinungen durch bewusste Wahl des Individuums voneinander trennen? Notwendige Bedingung guter Architektur Aller guten Architektur muss der Anspruch zur positiven Beeinflussung der belebten Umwelt zu Grunde liegen, auch wenn unter realistischer Betrachtung der Einfluss des einzelnen Gebäudes und des einzelnen Architekten marginal sein mag. Grosse Werke können nur dem Willen entspringen, das Projekt ideell und planerisch auf allen Ebenen vom Städtebau bis zum Handlauf durchdringen zu wol-
len. Sobald dieser Ehrgeiz aufgegeben wird, beschränkt sich die Architektur immer mehr auf das geistlose Abfüllen von Material und Programm in eine unterbestimmte Hülle. Die Dilemmata des Grössenwahns Fehlt dem Objekt der unendliche Wille der planenden Protagonisten, wird es inkonsistent und verharrt auch im ausgeführten Zustand auf einer unfertigen Stufe, da im Entwurfs- und Planungsprozess der Ehrgeiz zur Lösung aller Fragestellungen fehlte. MITTELMASS. Die unglücklichste Verirrung der Gegenwart ist hierbei das „Konzentrieren auf das Wesentliche,“ also die Reduktion des Entwurfs auf die vermeintlich der Kontrolle des Architekten noch nicht
entzogenen Bauteile. Resultat des „Core & Shell“ ist eine schizophrene Spaltung zwischen schillernder Fassade und einem vielleicht wohl proportionierten, aber sagenhaft profanen und kurzlebigen Innenraum. Mit der Entscheidung, nur noch Masse zu produzieren, gibt der Architekt auch seine gesellschaftliche Rolle als Baukünstler preis und degradiert seinen kulturellen Beitrag zur staubigen Dienstleistung. Zielt hingegen eine masslose Ambition des Architekten - oder auch des Bauherrn - in die falsche Richtung, entstehen groteske Werke, die zwar ihre Erdenker zu Lebzeiten unsterblich machen können, aber ihren Benutzern und ihrer Umgebung keinen nachhaltigen Nutzen bereiten. Zwar ist es wahrscheinlich, dass das Gebäude unter den Zeitgenossen und folgenden Generationen Bewunderung erfährt – dies aber ausschliesslich aufgrund seiner schieren Grösse, seines exorbitanten Verbrauchs
an Ressourcen oder seiner prätentiösen Pracht, und nicht wegen der kunstvollen Lösung ästhetischer und funktionaler Probleme im Raum. Diese Entwicklung gipfelt in einem weiteren Dilemma des frühen 21. Jahrhunderts: MAGAZINARCHITEKTUR. Repräsentation und die ultraästhetische Abbildung werden Sinn und Zweck des Baus, während man Praktikabilität und Material getrost als Schrott bezeichnen darf. Also Grössenwahn... Grössenwahnsinnig sollte man als Architekt nur sein, wenn man es auch sein kann, d.h. wenn man bereit ist, die damit verbundenen Anstrengungen und Entbehrungen in Kauf zu nehmen. Dies erfordert kontinuierliche Selbstkontrolle, ob man die selbst gesteckten Ziele noch verfolgt, und ob dies mit der nötigen
Hartnäckigkeit und Konsequenz geschieht. Das Interesse des grössenwahnsinnigen Architekten darf entsprechend nur dem Verändern der Welt durch Architektur und nicht seiner eigenen Rolle als architektonischem Weltverbesserer gelten. Produktiv und nachhaltig wird der Grössenwahn somit, wenn die aus ihm resultierende Energie im Dienste der Architektur kanalisiert wird. Meisterwerk hin oder her - liegt einem Bau tatsächlich diese Besessenheit in der ideellen und technischen Durcharbeitung zu Grunde, resultiert daraus ein über den rasenden Zeitgeist erhabenens Werk.
SEITE 28 Ein solides Fundament für den Wahn! Autorin: Triple A (keine Architektin!) Es ist ein Uhr nachts. Noch immer brennen die Neonröhren grell hinunter auf die länglichen Tische, auf denen die Computer nebeneinanderher flimmern und summen. Wer genau hinsieht, kann hinter den Bildschirmen einige bereits durchsichtig schimmernde ovale Flächen mit Augen und Ear-Plugs erkennen, die vermutlich zu den Architekten gehören, welche bereits seit geraumer Zeit mühsam eine AbgabeSchicht schieben. (Diese Schicht beginnt in den meisten Fällen bereits morgens um neun!) Einzelne Workaholics versuchen sich mit Kaffee wach zu halten, doch dieser reicht schon längst nicht mehr aus. Das Ende der Szenerie ist noch nicht in Sicht. Dem Betrachter drängt sich die Frage auf: Ist das gesund? Die Antwort ist ein klares: Nein! Nicht nur wegen den Neonröhren, welche nicht gerade als kreativitätsfördernd gelten (Dies habe ich von einem Anthroposophen erfahren...), sondern auch weil dieser Lebenswandel einen bitteren Nachgeschmack hinterlässt. Jede/r Architekt/in kennt diese Arbeitswahnzustände und wird darüber lächeln können. Oder bitterlich weinen, je nach vorhandener Selbsterkennungsfähigkeit. Ein weiterer Faktor für die psychische Gesundheit eines Angestellten in einem Architekturbüro ist der Vorgesetzte. Dieser bestimmt maßgeblich das Arbeitsklima (Tempo, konstruktive Kritik, Zeitmanagement, etc.) des Büros. Beim Vorgesetzten kann es sich um den Projektleiter oder um den bekannten Architekten handeln, für den man sich aufopfert. Ob Guru oder normaler Projektleiter: Arbeitsweise und -verhältnisse des Architekten bieten für Wahnwucherungen ein solides Fundament.
Warum? Ich werde versuchen, es Euch anhand von Wikipedia und meinen persönlichen Beobachtungen und Erfahrungen bildhaft zu machen. 1. Der Alltag des angestellten Architekten Bei Wikipedia findet man unter dem Schlagwort „Wahn“ folgende Definition: Der Begriff Wahn repräsentiert eine Überzeugung, die logisch inkonsistent oder wohlbestätigtem Wissen über die reale Welt widerspricht und trotz gegenteiliger Belege aufrechterhalten wird, weil die persönliche Gewissheit der Betroffenen so stark ist, dass sie rational nicht mehr zugänglich sind. Wahn gilt als Zeichen einer Psychischen Störung. In der Psychiatrie werden Wahngedanken auch als “inhaltliche Denkstörungen” bezeichnet, die unter anderem bei schizophrenen Psychosen, bei (endogenen) Depressionen, bei Manie, bei Demenzen und weiteren psychischen Erkrankungen mit oder ohne diagnostizierbarer organischer Ursache auftreten. Dieses bedeutet also, dass der Wahn erst einmal ein Symptom (Erkrankungszeichen) ist, dem die verschiedensten Erkrankungen und Ursachen zugrunde liegen können. Bei einer Depression mit Wahnsymptomen treten zum Beispiel häufig Verarmungswahn, Schuldwahn und Katastrophendenken auf, bei einer Manie mit psychotischen Symptomen ist Größenwahn typisch: Patienten mit Größenwahn sind entgegen der Auffassung ihrer Umwelt der Überzeugung, sie seien beispielsweise ein hochbegabter Künstler oder eine geniale Musikerin und kaufen daraufhin einen teuren Flügel, obwohl sie noch nie zuvor Klavier spielten, oder mieten ein Atelier, obwohl niemand ihnen jemals ein besonderes künstlerisches Talent zusprach.
Liebe Architekten, KEINE ANGST! Bei Euch Angestellten ist es mit dem Wahn noch nicht so weit. Allerdings habe ich von mehreren Seiten erfahren, dass Ihr durchaus manie- bzw. depressionsgefährdet seid! Ihr merkt dies zum Beispiel, wenn Ihr eines Morgens glücklich und voller Elan ins Büro geht, da der Projektleiter Euch am Abend zuvor zugesichert hat, dass alles, was Ihr entworfen habt, im Sinne der Idee ist. Nach der Teamsitzung jedoch sieht alles wieder anders aus. Er, der alles entscheidende Guru, brüllt:„...das ist komplette Scheiße!“..., und Ihr steht da und fühlt Euch wie ein Kind, welches zum dritten Mal in Folge das Blatt der Laubsäge kaputt gemacht hat. Nun taumelt Ihr (mit einer Mixtur aus Enttäuschung, Selbstzweifel und Wut) zurück an den Tisch, und schiebt eine weitere Schicht. Nebenbei ruft Ihr die Freundin oder den Freund an, entschuldigt Euch, dass Ihr abends wieder einmal nicht da seid (ca.1 Min.) und klagt über Euer Arbeitsleid (ca.10 min. - aber nicht länger: Die Arbeit sitzt im Nacken). Achtung: Wenn diese Situationen häufiger werden und die Klagezeit anfängt, das ganze Gespräch mit dem Partner zu überschatten, dann sollten bei Euch die Alarmsirenen losgehen. Die Selbstzweifel wachsen und Ihr vergesst wie Eure Freunde aussehen? Ihr hört nicht mehr, dass diese/r Euch immer wieder (am Telefon oder per Mail) sagen, wie sensibel, liebevoll und zuverlässig Ihr seid? Dann verlasst Ihr die reale Welt durch Gefühlsschwankungen, Erschöpfung und Vereinsamung. Und keiner versteht Euch, es sei denn sie/er ist selbst Architekt/in. Willkommen, Ihr sitzt im Topf der Architekten-Depression, der Vorstufe zum Wahn! 2. Der Chef und seine Launen Die betroffene Person hält sich für eine wichtige politische oder religiöse Persönlichkeit, die Reinkar-
nation großer Persönlichkeiten, für einen Gott, ...aha!... oder einen Propheten, ...hmm?.... obgleich ihre Mitmenschen sie für einen gewöhnlichen Menschen halten. ...genau, und wie gewöhnlich!... Auch wenn sich einige Diven aus der Welt der Architektur für den Baugott/-göttin halten, so dürfen sie auf keinen Fall erwarten, dass ihre Mitarbeiter Gedanken lesen können! Bei einigen größeren Büros (ich will keine Namen nennen) werden Teamsitzungen abgehalten, bei denen der Chef sich zwar endlich mal blicken lässt, sich aber längst nicht dazu herablässt jedem Projekt die notwendige Aufmerksamkeit oder Kritik zu schenken. Manchmal ist dann die zwei nächsten Wochen „architektonisches Schwimmen“ angesagt. Die Unsicherheiten wachsen erneut - und damit auch die Selbstzweifel - die Depression - und die Schuldgefühle (Schuldwahn?), nicht zum rechten Zeitpunkt fertig zu sein. Vorwiegend wird die Haltung hinter dieser Arbeitsphilosophie sehr einfach und verständlich für jeden Mitarbeiter so ausgedrückt: „Sei froh, dass Du bei mir arbeiten darfst!“ Eindeutig Größenwahn, nicht wahr? Ich frage mich bei solchen Berichten aus dem Freundeskreis jeweils, ob der „Guru“ vergessen hat, dass er/sie
hier mit Menschen arbeitet und nicht mit irgendwelchen „hightechsci-fi-artificial-intelligence“-Wesen. Warum machen das die Betroffenen mit? Wieso? Und noch mal: Wieso? Seid ihr denn wahnsinnig? Vielleicht ja. Denkt mal scharf darüber nach. Euer Arbeitswahn ergänzt sich wunderbar mit dem Größenwahn Eures Vorgesetzten. Man könnte es auch Co-Abhängigkeit nennen. Und wie kommt Ihr aus dieser verworrenen Situation heraus? Ganz einfach: Fordert Eure Rechte als normalsterbliche Gleichgesinnte der Architektur-Diven. Der/Die selbst ernannte Größe soll seine/ihre Wünsche klar äußern, und klare Anweisungen zu den Projekten geben, unter denen später seine/ihre Signatur steht. Empfindet er/sie sich als eine Art Gott, so sollt Ihr dennoch die Gebote mitgestalten und ihn/sie damit von seinem/ihrem Thron heben, denn er/sie ist nicht besser, sondern meistens nur älter. Jeder Pädagoge würde an dieser Stelle erwähnen, dass seine/ihre Aufgabe wäre das Team zu begleiten und nicht darauf herumzutrampeln oder es gar zu ignorieren. 3. Fazit Dem Größenwahn ähnlich ist der so genannte Sendungswahn (“ich muss die Menschheit erlösen”). Eine Aufgabe an alle großen und bedeutungsvollen (selbstverständli-
che auch kleinere, sich im Aufstieg befindende) Architekturbüros zur Prävention von Größenwahn: Wandelt ihn um in den Sendungswahn, erlöst Eure Mitarbeiter von personellen Fehlbesetzungen und schützt sie so vor den wechselnden Launen des Chefs. Erlöst die aufbauende Welt von den größenwahnsinnigen Individuen, die in ihrem visionären Wahn nicht merken, dass sie über lebende Leichen gehen! Und zuletzt ein Aufruf an ebendiese Leichen: WACHT ENDLICH AUF... und geht früher ins Bett! P.S.: Co-Abhängige orientieren sich in ihrem Handeln an anderen. Manche CoAbhängige machen andere Menschen zum Mittelpunkt ihres Lebens. Ihr eigenes Leben scheint ihnen unbedeutend und langweilig. Das Gefühl von Bedeutung erfahren sie in den Reaktionen ihrer Umwelt. Sie sind süchtig nach Anerkennung und opfern alles dafür, was bis zur völligen Selbstverleugnung gehen kann. Es wird immer die Opferrolle in Beziehungen (zu Partnern, Kollegen, Familienangehörigen und anderen) gesucht; meist eine Helfer-Rolle in aussichtsloser Position. So kommt es häufig vor, dass Co-Abhängige in Beziehungen zu süchtigen Menschen geraten, die sie „retten“ wollen. Dabei sehen sie sich meist als Märtyrer. Nicht selten ketten sie ihr eigenes Schicksal an das eines Anderen, möglichst ein „Verlierer“, mit dem sie dann mit „Wehenden Fahnen“ untergehen können. So kommt es z. B. zur völligen Überschuldung bei dem Versuch, einem Heroin-Süchtigen zu helfen, oder zum Burnout bei dem Versuch, die Firma durch Überstunden und völlige Verausgabung zu retten.
SEITE 30 Im Jenseits der Architektur Autor: Benedikt Boucsein Beim folgenden Text handelt es sich um meine persönlichen und höchst subjektiven Gedankengänge, und nicht etwa um eine wissenschaftliche Behauptung. Es handelt sich um den Versuch der Ausformulierung eines vagen Gefühls, das mich bei meiner Arbeit immer wieder beschleicht. Die Vermutung, wir befänden uns in einer Art Jenseits der Architektur, hat einen plausiblen Klang, ohne dass man jedoch genau zu sagen wüsste, wieso. Selbst der Schöpfer dieser Wendung, Jean Baudrillard, scheint sich der Sache nicht ganz sicher zu sein, wenn er schreibt: „Hat in der Architektur nicht etwas stattgefunden, dass alles, was seither passiert ist, auf Grundlage eines Verschwindens der Architektur als solcher (...) passiert ist?“ Baudrillard spielt hier auf ein Ereignis in der Geschichte der Kunst an, nach dem nichts mehr so war wie vorher: Dem Kunstwerk Fountain von Marcel Duchamp, ein signiertes Pissoir, eingereicht 1917 bei der Jahresausstellung der Society of Independent Artists in New York. Duchamp provozierte, indem er ein industrielles Produkt zur Kunst erklärte – ein Ready-made. Und läutete damit den Anfang einer Epoche ein, in der schließlich alles beanspruchen konnte, Kunst zu sein. Ob „diese Revolution des Readymade in der Architektursphäre ihr Ebenbild hat?“ fragt sich Baudrillard angesichts des Duchampschen Pissoirs. „Gibt es dort so etwas wie diese brutale Nivellierung der Ästhetik?“ Denn die Art und Weise, wie heute Architektur produziert und verstanden wird, lässt eine Art Jenseits oder zumindest eine neue Epoche unserer Disziplin durchaus plausibel
erscheinen. Allein die industrielle Massenproduktion und die damit verbundene Abwendung von größtenteils handwerklich hergestellter Architektur haben jahrtausendealte Bedingungen radikal modifiziert. Die deutsche Architekturgeschichte und die Art der gegenwärtigen Produktion jedenfalls erscheinen unter der Frage nach dem Zeitpunkt des Eintritts ins Jenseits der Architektur in einem neuen Licht. Denn zwischen 1933 und 1965 fanden hier Umwälzungen statt, nach denen in den deutschen Städten buchstäblich kein Stein mehr auf dem anderen stand. Von einer inhaltlichen oder formalen, geschweige denn qualitativen Stabilsierung der deutschen Architektur kann seitdem nur bedingt die Rede sein. Das Jenseits der Architektur ist hierzulande Realität, und diese Realität ist nicht mehr revidierbar. 1. Größenwahn Mit dem Größenwahn des nationalsozialistischen Deutschlands fing alles an. Die Architektur war ein wichtiger Teil des „Dritten Reichs“. Die NS-Bauten sollten denen des antiken Griechenlands sowohl in Monumentalität als auch in Dauerhaftigkeit gleichen. In der Architektur dominierte bald der ungebremste Gigantismus der Speerschen Entwürfe. Der Effekt auf die deutsche Architektur blieb durch den bald
einsetzenden zweiten Weltkrieg ein weitestgehend ideologischer – spätestens der Bau des Westwalls an der Grenze zu Frankreich brachte ab 1936 die Bauwirtschaft Deutschlands weitestgehend zum Erliegen. Doch die Instrumentalisierung der Architektur durch das Hitler-Regime hatte im Wiederaufbau weit reichende Folgen. 2. Angst Mit dem ab 1940 einsetzenden flächendeckenden Bombardement durch die alliierten Streitkräfte begann für die deutschen Städte eine grausame, neue Realität. Wie fühlt man sich, wenn alles, was man hat, von einer einzigen Bombe vernichtet wird, wenn die vormals als sicher empfundenen Behausungen auf einmal zu Todesfallen werden, wenn auf den Straßen zusammengekrümmte, verkohlte Leichen herumliegen, wenn man im eigenen Haus
fast verhungert? Man kann es nur erahnen, doch der Schock war gigantisch. Nachdem der Krieg vorbei wahr, hielt diese Ausnahmesituation erst einmal an. Markus Enzensberger schreibt dazu: „Überhaupt bringt die europäische Psychologie dieser Jahre Haltungen hervor, wie man sie in der Dritten Welt antrifft. Wer nur an die nächste Mahlzeit denkt, wer gezwungen ist, sich ein Dach über dem Kopf zusammenzunageln, dem fehlen gewöhnlich Lust und Energie dazu, sich zum wohlinformierten Zeitgenossen zu emanzipieren.“ 3. Kleinheitswahn Der bald einsetzende Wiederaufbau war ein ungeheuer komplexes
Geschehen, das nicht in wenigen Sätzen zusammengefasst werden kann – ganz abgesehen von dem großen Unterschied zwischen DDR und BRD. Für Westdeutschland war jedenfalls das Tun der Baumeister insbesondere in den 50er Jahren prägend. Für die Ausgebombten, aber auch für die über 12 Millionen vertriebenen Deutschen aus den Ostgebieten, mussten möglichst schnell möglichst viele Unterkünfte geschaffen werden. In vielen Städten war nur noch ein Bruchteil des Wohnbestandes nutzbar. Die Aufgabe der Baumeister – die damals das Gros der Bauschaffenden bildete – war daher vor allem: Volumen bzw. Quadratmeter schaffen. Die handwerklich ausgebildeten Baumeister waren traditionalistisch orientiert und neigten tendenziell nicht zur universitär-intellektuellen Reflexion ihrer architektonischen Entscheidungen. Die meisten von ihnen gehörten älteren Jahrgängen an. Die Architekten der jüngeren Jahrgänge waren gefallen, saßen in Kriegsgefangenschaft, oder holten ihre durch den Krieg unterbrochene Ausbildung nach. Die Baumeister, zum Teil schon im Rentenalter, konnten aber nicht mehr nach den Prinzipien bauen, die sie gelernt hatten: Zum einen wegen der wirtschaftlichen Einschränkungen, zum anderen aber auch wegen der negativen Konnotation der Bauformen der Vergangenheit. Weder auf die NS-Zeit, noch auf die wilhelminische Epoche – die Architektur des gescheiterten Kaiserreichs und der gescheiterten Weimarer Republik – konnte zurückgegriffen werden: Die Vergangenheit war kontaminiert, tabu, „desavouiert“. Als Alternative blieb daher nur die Bauhausmoderne. Diese wurde nun von den Baumeistern in einer abgespeckten, „abgenagten“ Form umgesetzt – und mit immer noch sehr starken formalen Bezügen vor allem zur Gründerzeitarchitektur.
Man versuchte, bescheiden und möglichst, aber eben nicht zu sehr, „modern“ zu bauen. Das heutige Deutschland entstand, mit seinen Straßen voller seltsam ausdrucksloser Häuser.
4. im Jenseits der Architektur Was in der Zeit von 1933 bis zum Ende des Wiederaufbaus 1965 mit der deutschen Architektur geschah, war eine extreme Magnetisierung zwischen Größenwahn und Kleinheitswahn, ein Strudel, in dem Aspekte wie die Massenfertigung, der Verlust des Handwerklichen, die Durchsetzung der autogerechten Stadt und die Implementierung der Funktionstrennung der Städte auf unübersichtliche Weise vermengt sind. Für das Nachdenken über das Bauen in Deutschland müssen die Ereignisse von 1933 bis 1965 entsprechend immer wieder den Ausgangspunkt bilden. Dieser Zeitraum prägt unsere Städte und unsere Art, zu Bauen, wie kein Zweiter. Die deutsche Stadt, die deutsche Tradition, ist zu großen Teilen nichts Anderes als das Kind einer mehrfachen Zerstörung und einer mehrfachen Polarisierung, wie sie in so kurzer Zeit wohl nur in wenigen anderen westeuropäischen Ländern geschah. Der „historische Kern“ der deutschen Stadt ist meist nicht der mittelalterliche Kern, sondern der Behelfsbau der Nachkriegszeit mit all seinen Fehlern und Schwächen. Das Erstaunliche dabei ist jedoch, dass die meisten westeuropäischen Großstädte, sieht man von den historischen Innenstädten ab, den
deutschen Städten inzwischen gleichen. Das, was in Deutschland passierte, war im Endeffekt also eine unaufhaltsame gesamteuropäische Entwicklung. Es fand nur zu verschiedenen Zeitpunkten und auf unterschiedliche Arten und Weisen statt. 5. Fazit Das Gleichgewicht unserer Städte ist also keineswegs so wiederhergestellt, wie wir es gerne hätten. Vielmehr scheint es, als würde in vielen deutschen Städten seit der Nachkriegszeit konstant von Menschen gebaut, die nicht wagen, diese Städte so zu akzeptieren, wie sie wirklich sind. Dabei würde eine kleine Verschiebung unserer Wahrnehmung sowohl Bauschaffende als auch die Bevölkerung wieder mehr zu einer realistischen und kritischen Betrachtung unserer Städte verhelfen, wie dies in Berlin bereits teilweise der Fall ist. Ein mögliches Denkmodell wäre, sich die deutsche Architektur als im „Jenseits ihrer Selbst“ befindlich zu imaginieren. Es gäbe dann zwar durchaus eine deutsche Architektur mit historischen Wurzeln. Doch diese dürfte nicht unreflektiert die Internationalismen irgendeiner Avantgarde aufgreifen, oder sich in den modischen Plattitüden der neoklassizistischen Formensprache gehen lassen. Sondern müsste sich die Frage, wo sie herkommt, ernsthaft und mit vollem Bezug zu allen Kapiteln ihrer Vergangenheit stellen. Die Zeit wäre reif dazu. Quellen: Enzensberger, H. M. and S. Dagerman (1990). Europa in Ruinen. Augenzeugenberichte aus den Jahren 1944-1948. Frankfurt am Main, Eichborn-Verlag. (S. 8) Baudrillard, J. and C. Fournier (1999). Architektur: Wahrheit oder Radikalität? Graz, Literaturverlag Droschl. Bilder: Archiv Stadtplanungsamt Essen / Privatbesitz
III: ULTRASCHWER Deregulierte Retrospektive Vom Zeitalter der Perspektive zum kapitalistischen Historismus von heute Autor: Markus Podehl 1516 erschien „ein wahrhaft goldenes Büchlein von der besten Staatsverfassung und von der neuen Insel Utopia“ - Thomas Morus’ berühmte Erdlandung des himmlischen Jerusalem. Morus erzählt darin, wie er auf einer Dienstreise nach Antwerpen kommt, und wie sein Freund Peter Aegid ihm nach dem Besuch einer Kirchmesse einen älteren Mann mit sonnenverbranntem Gesicht, Raphael Hythlodeus, vorstellt - offensichtlich ein Seemann. Hythlodeus entpuppt sich aber nicht als einfacher Schiffer, sondern als intellektueller Abenteurer, der mit Amerigo Vespucci mehrfach die Welt umrundet hat. Es ist ein moderner Prophet, ein Wissenschaftler auf dem Rücken des Fernhandels, der dem interessierten Thomas Morus von der Insel Utopia erzählt.
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Morus führt über Raphael Hythlodeus’ Idealinsel einen Topos in das europäische Denken ein, dessen Heilsbotschaft nicht mehr von göttlicher Vorsehung und Willkür abhängt. Das Paradies wird der Welt nicht mehr am Ende aller Tage oktroyiert, seit Utopia existiert Eden durch „treffliche und kluge politische Maßnahmen“, das heißt, rational erschaffbar, perspektivisch konstruierbar. Das Zeitalter der Perspektive und der großen überseeischen Entdeckungen gilt heute für den globalen Kapitalismus, über ihn, für die Utopie als Wurzelgrund. Der neue, der utopische Mensch, wartet nicht und tut Buße, wie bisher, er handelt um sein Heil zu erlangen – und baut. Kennzeichnend für ihn ist sein stark spekulativer Charakter. Spekulation ist eine unvermeidliche Nebenerscheinung der charakteristischen Funktionsweise des Kapitalismus, der im Wesentlichen in der Investition in ein Unternehmen, in Erwartung eines Gewinns, besteht und damit an Bodenständigkeit verliert.
Das keynesianische Utopia
In den 1920er Jahren spekuliert man im Namen des utopischen Sozialismus darauf, bereits hundertjährige architektonische Konzepte des französischen Sozialphilosophen Charles Fourier in die Tat umzusetzen. Es ist das Phalanstère, eine autonome, in ihrem Äußeren versaillesartige Riesenkolchose, das, funktionalistisch geupdatet und gesegnet durch den Esprit Nouveau, allen voran von Le Corbusier propagiert wird. Bei ihm trägt es den schlichten Namen „Wohneinheit“ und ist Bestandteil einer „strahlenden Stadt“, ausgestattet mit fünf, heute skurill anmutenden, dogmatischen Gestaltungsgrundsätzen. Beflügelt durch die Zerstörungen des 2. Weltkriegs und durch die starke soziale Wirtschaftspolitik in den Industrienationen eröffnet sich nun endlich die Möglichkeit, ganze
Städte nach den radikalen Utopien linker und rechter Sozialisten neu zu gestalten. Am reinsten gelingt dies, zu Gunsten (oder zur Schmach?) beider Lager, im Osten Europas. Hier, wo der Kapitalismus am meisten geknebelt wird, und wo das Heilsversprechen sich schon bald zu erfüllen verspricht, breiten sich die Phalanstères besonders epidemisch aus. Hier ist es die Geschichte der kapitalistischen Utopie innerhalb des Sozialismus, die Geschichte des Plattenbau-Dystopia als eine Folge angeheizter Spekulation, die sich auch im Westen gegen alle reaktionären Erdungsversuche in gewaltigem Ausmaß durchsetzte.
Das deregulierte Utopia
Durch den Zusammenbruch des gesteuerten, sozialen Kapitalismus in den 1970er Jahren, und des Sozialismus am Anfang der 1990er Jahre, (in der Architektur ist es die Sprengung der Plattensiedlung Pruit-Igoe in St. Lois 1972, die den Anfang vom Ende der modernen Stadt mit ihren paradoxen Legebatterienhäusern einläutet), ist mit dem revitalisierten Marktkapitalismus auch die Architektur des 19. Jahrhunderts wieder auf dem Plan, inklusive der zu ihr gehörigen Paradiesvogel-Entwerfer. Deren Visionen ähneln den Stilexperimenten Otto Wagners bis zu denen Henry van de Veldes. Sie werden schmückend in die historische „Collage City“ der 1980er und 1990er Jahre eingepflanzt, oder aber konterkarieren ein überrationales Raster. Durch die Hintertür des Skulpturalen führen sie mit ihren Heterotopien in urbanem Maßstab, als „Gehry“, „Foster“ oder „Nouvel“, in marketingorientierte Städte das Ornament wieder ein. Mit Rem Koolhaas’ Manhattanismus, der sich „an Le Corbusier verschluckte, ihn dann aber verdaute,“ gewinnt 1978 ein anderes, „retroaktives“ Utopia an Form. Dieses setzt dem ausgeprägten Individualismus und dem weitverbreiteten Glauben
an Erfolg nicht nur ein Denkmal, sondern macht aus ihm das intellektuell befriedigende Architekturkonzept der 1990er Jahre. Statt gegen die Limitierungen kapitalistischer Spekulation aufzubegehren, poetisiert es den Manhattanismus – gerade so wie zuvor die „Moderne“ die Industrie. Die Insel Manhattan wird am Ende von Koolhaas’ „Delirious New York“ durch russische Konstruktivisten von ihrer alptraumhaft anti-urbanen Architektur befreit. In einer fiktiven Aktion wird sie aus dem keynesianischen Dornröschenschlaf wachgeküsst, in den sie kurz nach der Wirtschaftskrise der 30er Jahre gefallen war. Die Architekturepoche einer neuen wirtschaftlichen Freiheit orientiert sich konzeptuell an dem amerikanischen Kapitalismus der vorregulativen Zeit im ausgehenden langen 19. Jahrhundert. Der Manhattanismus bezieht Ideen aus dem Laboratorium des frisch sich konstituierenden Sozialismus ein, waghalsige Visionen aus der Sowjetunion der 1920er Jahre, und avanciert so zum neuen Architektur-Ideal. Er ist die Renaissance, und damit eine retroaktive Rationalisierung, des sich zum Leitmotiv der Entwicklungen des ausgehenden 20. Jahrhunderts mausernden anarchischen Kapitalismus. Das New Yorker Hochhaus ist
Leitbild geworden, da es in seiner Lobotomie unterschiedliche Idealbilder mit einem auf kapitalistischer Spekulation beruhenden, urbanen Kontext vereint. Der Skyscraper gibt der Architektur des liberalen Kapitalismus eine dichte, städtische Vision. Dadurch kann er die Ideale der europäischen Stadt, und darüber hinaus aller traditionellen Stadtgesellschaften, penetrieren. Auch nach dem 11. September 2001 steht der phallischen und neurotischen Architektur der Inselstadt kein alternatives utopisches Real-Ideal zur Seite. Allerdings hat die Rückkehr der Geschichte die Utopie des Manhattanismus gelähmt. In der Verhärtung gegen einen Feind liegt die Wurzel des Größenwahns eines kapitalismusbasierten, sich über alles erhaben fühlenden Demokratieverständnisses. Die New Yorker Architektur, in ihrer Verkörperung eines freien und deregulierten Marktes, ist die Grundlage für eine neue Megalomanie. Sie ist gebunden an die Weltmachtstellung der USA. In der Nachahmung durch andere Weltmachtsanwärter, wie das neue Russland, stellt der Manhattanismus ein Vorbild für skurille Selbstkolonialisierungen dar, wie im Projekt Gasprom-City für St. Petersburg, und verblüht darin.
Die Frage nach dem zeitgenössischen Größenwahn ist keine Stilfrage. Es ist die Frage nach einem arroganten Machbarkeitsglauben, der einen Jenseitsglauben abgelöst hat, und sich nun seinerseits durch einen solchen unliebsamen alten Verwandten (wir erinnern uns des unehelichen Sohns Abrahams) terrorisiert sieht. Zur Stilbildung des Kapitalismus, zu seiner Blüte und zu seinem Absterben im Größenwahn, ist ein Feind sehr nützlich. Ob nun die Ideen von der Insel Manhattan oder aus Utopia kommen, der Feind schärft die Konturen unserer Gesellschafts- und Raumphantasien. So werden die Umrisse einer Architektur des deregulierten Kapitalismus vor dem Hintergrund des Steinzeitislamismus in einem nostalgischen und durchaus nicht mehr lustigen kapitalistischen Historismus geschärft.
Architraktat Autor: Hilmar J. Bucher 1. Jeder Mensch entfaltet um sich einen unsichtbaren Raum. 1.1. Dessen Gestalt und Klangfarbe entstehen durch seine Tätigkeit. 1.1.1. Sie sind deshalb kulturelle Phänomene. 1.1.2. Nuancen der Klangfarbe sind jedoch private Charakterzüge. 2. Die Menschen suchen die Ausgestaltung dieser Räume im Sichtbaren. 2.1. In der Natur finden sich die Klangfarben. 2.1.1. Doch nicht die gesuchte Ausgestaltung. 3. Sachgemässe Architektur ist die Ausgestaltung dieser unsichtbaren Räume. 3.1. Dann ist sie Kunst in Wirklichkeit und Wahrheit. 4. Ist Architektur unsachgemäss, ist sie misslungen oder grössenwahnsinnig. 4.1. Grössenwahn bedeutet, das Sachgemässe mit Willkür zu ersetzen. 4.1.1. Willkür kennt in der Architektur keine Grenzen. 5. Macht, Originalität und Intelligenz sowie der Markt motivieren Willkür. 5.1. Macht, weil sie im Sachgemässen nicht auszuleben ist. 5.2. Originalität, weil sie verlockender ist als das Sachgemässe. 5.3. Intelligenz, weil sie den Anschein des Sachgemässen verbreitet. 5.4. Der Markt, weil er das Sachgemässe nicht kennt. 6. Gewohnheiten und Kompromisse akzeptieren Willkür. 6.1. Gewohnheiten, weil sie bequem sind. 6.2. Kompromisse, weil sie unproblematisch sind. 7. Unsachgemässe Architektur bleibt letztlich befremdend. 7.1. Es gibt Wege, dies zu kaschieren. 7.1.2. Beispielsweise der Verzicht auf körperliche Widerständigkeit.
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Who is Camenzind?
Peter Camenzind strebt nach Selbstverwirklichung als Schriftsteller und zieht dazu in die Großstadt. Dort aber merkt er, dass er sich selbst verliert, wenn er sich von seiner Herkunft ablöst: Er verliert den Kontakt zu den Dingen, die ihn eigentlich ausmachen. Auf Umwegen kehrt er wieder in sein Heimatdorf zurück, wo er endlich die nötige Ruhe zum Schreiben findet.
der Karriere- und Ideenvehikel, der glatten und harten Konzepte sein. Mit Camenzind wollen wir in wirklichem, nicht institutionalisiertem Kontakt mit der Welt außerhalb unseres professionellen Umfelds bleiben. Camenzind ist unser Dorf in den Bergen, in dem wir ruhig und gelassen mit Anderen über das sprechen können, was uns wichtig ist.
wirklich neuer und frischer Ideen und eine wichtige Inspiration für unser Schaffen erblicken. Das Format von Camenzind entwickelt sich mit jeder Ausgabe weiter. Ziel ist es, Interesse an den Beiträgen zu wecken, Freude am Lesen zu bereiten, und Lust auf das Schreiben zu machen. Jede Ausgabe hat ein grobes Überthema, das mit einem zum Diskurs auffordernden Thesenblatt eingeleitet wird. Der Vertrieb läuft über von Camenzind organisierte Parties, Article Slams (Artikelwettbewerbe) und Vorträge, über Hochschulnetzwerke, kleinere Läden und persönliche Kontakte.
Wie im Roman von Hermann Hesse geht es bei Camenzind vor allem darum, nicht die Bedeutung von Herkunft und Heimat, von Freunden und Familien zu vergessen. Camenzind soll – als Reaktion auf die im Roman aufgezeigten Gefahren – eine Ausnahme in der Welt
In Camenzind diskutieren Architekten und Laien, Theoretiker und Praktiker, Pessimisten und Optimisten über unsere gebaute Umwelt. Entsprechend unterschiedlich sind Ausrichtung, Inhalt und Form der Beiträge – im Grunde können sie jede erdenkliche Form haben. Und in Camenzind ist vor allem auch Platz für das Unausgegorene, das Subjektive, das Merkwürdige, in dem wir aber auch die Wurzel
SCHREIBEN für Camenzind
Nr. 06 „GELD!“
„Money makes the world go round“, „Ohne Moos nix los“ – in der 6. Ausgabe von Camenzind soll über die Verbindung von Geld und gebauter Umwelt nachgedacht werden. Bewusst möchten wir keine konkretere Ausrichtung vorgeben – ALLES, was die beiden Themenfelder irgendwie verknüpft und in einen Zusammenhang stellt, ist erwünscht. Von reichen Architekten, die das Geschäft kaputtmachen, über böse Investoren mit guten Seiten, über die Unentrinnbarkeit des Kommerzes im Öffentlichen Raum oder die ganz privaten Phantasien, was sich mit sehr, sehr viel Geld (oder ganz wenig Geld) alles mit unseren Städten anfangen ließe – das Themenfeld ist weit gespannt! Wir freuen uns auf bissige und schöne Beiträge, aber vor allen Dingen zahlreiche! Bei weiteren Fragen, organisatorischen oder
Jeder, der sich mit diesen Zielen identifizieren kann, ist aufgefordert beizutragen! Und wer sie angreifen will, in Frage stellen will, schweinisch suhlend in den Schmutz ziehen will natürlich auch.
inhaltlichen Fragen und Kommentaren steht unsere Hotline zur Verfügung: redaktion@cazmag.com Telefon: +41 (0)7x xxx xx xx. Wir antworten prompt!
DEADLINES Ideen und Skizzen bis 31. Jan 2008 Redaktionsschluss ist 30. Mär 2008