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fĂźr ansteckenden Glauben

Einsamkeit Thema Anatomie der Einsamkeit

Interview Eine Beziehung wird heil

Auswertung Leserumfrage


F O T O : U N S P L A S H / A N A S TA S I I A - R O Z U M N A

inhalt Homeoffice lässt grüßen 4

Wir feiern

20 Jahre „Berufung konkret“ Feiern Sie mit?

Anatomie der Einsamkeit 6 Thema

Auswertung der Leserumfrage 14 Eine Beziehung wird heil 16 Interview

5. September 2020 13.30 – 20.30 Uhr Dreikönigskirche Dresden, Hauptstraße 23 Neben einem bunten Programm mit Aus- und Rückblicken sind auch Samuel Harfst mit seiner Band und Andreas Boppart als Leiter von Campus für Christus am Start. Tageseintritt – all inclusive – 20 Euro Nähere Infos erhalten Sie per Mail: berufungfeiern@campus-d.de oder telefonisch: 0351-8400658 Anmeldung unter www.campus-d.de/veranstaltungen

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Editorial 3 Im Ozean der Einsamkeit 12 Leitgedanken 13 Beziehungen eine Chance geben 20 Impressum 22 Hoffnung trotz Corona 23


editorial Unrein! Unrein! „Ich weiß nicht, wie ich meinen Umzug nächste Woche schaffen soll“, sagte sie. „Oh“, meinte er und plante schon, wen er noch zum Arbeiten einladen könnte. „Ich habe Krebs“, sagte er. „Oh“, meinte sie und überlegte, wie sie ihm helfen könnte. „Ich bin so einsam“, sagte er. „Oh“, meinte er und ließ ihn allein. An der Einsamkeit scheiden sich die Geister. Jede und jeder kennt sie. Psychiater Auch Redakteur Hauke Burgarth ist dieser Tage im Homeoffice und passt sich den Gegebenheiten an

wie der bekannte Autor Manfred Spitzer erklären sie zur Volksseuche und Todesursache Nummer eins. Und gleichzeitig schämen sich immer noch die meisten zuzugeben, dass Einsamkeit nicht nur ein Problem ist, sondern mein Problem. Einsamkeit tut weh. Und sie tut doppelt weh, wenn ich mir damit wie ein Aussätziger in der Antike vorkomme, der ruft: „Unrein! Unrein!“, und sehe, dass mir die anderen aus dem Weg gehen, statt mir zu helfen. Dass sie mit platten Lösungen daherkommen, die keine sind: „Lade doch einfach mal jemanden ein.“ – „Gott schenkt dir doch seine Gemeinschaft.“ – „Das ist nur eine Phase. Das geht vorbei.“ – „Bete einfach.“ Nichts an diesen Vorschlägen ist grundverkehrt und doch sind sie eher Teile des Problems als Teile seiner Lösung. Das unterstreicht Julia Spanka, wenn sie ab Seite 6 eine „Anatomie der Einsamkeit“ zeichnet. Sie hilft damit, dass wir über Einsamkeit reden lernen, zeigt aktuelle Forschungsergebnisse – und außerdem echte Lösungswege. Direkt einsteigen können Sie mit dem, was Sie als Leserinnen und Leser der Impulse zum Thema gesagt haben, denn auf Seite 14 sind die Ergebnisse unserer Umfrage. Und ab Seite 16 bekommen Sie einen tieferen und sehr persönlichen Einblick in das, was gerade bei Familylife geschieht. Ich wünsche Ihnen gute Impulse mit dieser Impulse,

Hauke Burgarth, Impulse-Redaktion

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Grüße aus dem Homeoffice Das Coronavirus hat uns auch bei Campus für Christus kalt erwischt. Wir dramatisieren die Situation nicht, bagatellisieren sie aber genau so wenig. Seit dem 17. März arbeiten die meisten von uns im Homeoffice. Das macht vieles komplizierter, aber es setzt auch kreative Ideen frei. Zum Nutzen von Technik, zur Zeiteinteilung, zum Gestalten von persönlichen Kontakten. Hier kommt ein kleiner Einblick in die neue Homeoffice-Szene … Übrigens: Schicken Sie uns doch auch ein Selfie von sich und schreiben ganz kurz, wie Sie Ihre persönlichen Corona-Einschränkungen erleben. Einfach bis 31.5. per Mail an impulse@campus-d.de. Einige Bilder werden wir in die nächste Impulse setzen bzw. bei Facebook zeigen (dort anonym).

Dominik Schweiger, Leiter der Studierendenbewegung Connect, und Tochter Lara. Dominik freut sich über seine Idee zum „Steh-Schreibtisch, Marke Eigenbau“. Von hier spricht er mit Kollegen auf der ganzen Welt. Gerade plant er die Studentenkonferenz „Connect 21“, die hoffentlich wieder stattfinden darf.

Harald Weiss, GAiN, stellt fest, dass er sich mit vielen Kollegen nun häufiger „trifft“ als vor Corona: mithilfe eines digitalen Konferenzraums. Quarantäne kann auch Nähe schaffen und Entfernung überwinden.

„Wake-up-Skypecall“ in Berlin. Der Frosch, den Helge Sych (Familylife) in der Hand hält, begrüßt den kleinen Eden, den Sohn von Kollegin Leah, der sich jedes Mal freut. Das Berliner Team ist regelmäßig über Skype verbunden.

Jan Othmer, Verwaltung, hat den Vorteil, dass er schon vor Covid-19 teilweise im Homeoffice gearbeitet hat. So war die Bürotechnik bereits vollständig eingerichtet.

Gerade wertet Nathalie Steinhauer, Grafik und Redaktion Impulse, die Leserumfrage aus (siehe S. 14). Sie jongliert mit Zahlen und Worten, skizziert, illustriert und layoutet. „Von zu Hause geht das besser als im Büro, weil ich privat eine ganze Menge Zeichenmaterialien habe.“

Ria und Götz Pecking beim Online-Lobpreisen mit den Berufung-konkret-Kursen in Dresden und Chemnitz.

Ein Dankeschön für die Kassiererinnen im Supermarkt: So viel Zeit muss sein, findet Beate Städter, Berufung leben.

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Almut Marburger, GAiN, mit Tochter Noa. In Coronazeiten ist der heimische Tisch mal Ess- und mal Schreibtisch.

Jan Matthes, Connect, möchte auch in diesen Tagen „fat“ sein. Die Abkürzung steht bei Campus für faithful, available, teachable (treu, verfügbar und belehrbar).

Judith Westhoff, Redaktion Impulse und Grafik, sitzt im Wohnzimmer am Laptop. Sie arbeitet gerade an der Ausgabe, die Sie jetzt in Händen halten.

„Corona hat geschafft, wogegen sich mein innerer Schweinehund monatelang gewehrt hat: Ich gehe jetzt regelmäßig laufen!“, meint Julia Spanka, Personalabteilung. „So ein Tag im Homeoffice kann schon ganz schön ‚stickig’ werden. Dass mir Laufen mal Spaß machen kann … wer hätte das gedacht?“

Die Kollegen des Gebetsministry treffen sich zur Zeit täglich um 9.30 Uhr per Videokonferenz, um zu beten. So sieht Claudia Michaelsen ihr Team.

Silvia Huth, GAiN, ist eine der wenigen, die noch in der Gießener Zentrale arbeiten. Jeder, der hier noch die Fahnen hochhält, ist allerdings verpflichtet, alleine in einem Büro zu arbeiten. „Ich ohne die anderen …“ findet Silvia nachvollziehbar, „aber schade“.

Bianca Hopcraft, Connect, hat bis eben per Skype mit zwei Leipziger Studentinnen besprochen, wie die Hochschultage, die im Mai stattfinden sollten, umgeplant werden können. Aber jetzt sind ihre drei Kinder dran.

„Ich mache aus der Not eine Tugend.“ Viele Aktivitäten sind abgesagt, da kann Clemens Schweiger, Ehemaligenarbeit, das Archiv sortieren. Begeisterung sieht anders aus, aber was sein muss, muss sein.

Max Richter, Crescendo, verbindet sich gleich zum Gebet mit den anderen aus dem City-Hub Leipzig. „Wir haben ausgemacht, dass wir als Team jeden Tag mit einem 30-minütigen Gebetstreffen per Skype starten.“

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THEMA

K

Kürzlich hörte ich den zugegeben etwas flachen christlichen Witz: „Alle sprechen über die Wunder Jesu, aber niemand spricht über das Wunder, dass Jesus als Mann in seinen 30ern 12 enge Freunde hatte.“ Hinter dem Lacher steckt ein ernster Kern. Unsere Gesellschaft feiert Werte wie Freiheit, Unabhängigkeit, Selbstständigkeit. Besonders Männlichkeit wird in unserer stark individuell geprägten Kultur mit Ungebundenheit verknüpft: stoisches Ertragen, kein Zeigen von Emotionen oder Verletzlichkeit. Männer sollen unabhängig und selbstständig sein. Anders „dürfen“ Männer sich fast nur gegenüber ihren Frauen zeigen. Vielleicht tragen genau diese Grundeinstellungen gegenüber dem Leben dazu bei, dass Einsamkeit wie ein Krebs in unserer Gesellschaft wuchert. Wir können Hunderte von Kontakten in unserem Adressbuch gespeichert haben, aber trotzdem niemanden, der uns anruft, wenn es uns schlecht geht. 231 Freunde stehen auf Facebook, aber niemand steht spontan vor der Tür und überrascht uns mit seinem Besuch. 42 Prozent der Deutschen zwischen 18 und 65 Jahren und sogar 60 Prozent der Amerikaner geben laut Umfragen an, dass sie sich oft einsam fühlen. Wir treffen uns mit weniger Menschen und auch seltener. Zwischen 1985 und 2011 fiel in den USA die durchschnittliche Anzahl enger Freunde von drei auf zwei pro Person. Wie kann es sein, dass wir vernetzter sind, als es die Menschheit jemals zuvor war, und trotzdem eine Epidemie der Einsamkeit um sich greift? Warum fühlen wir uns verlassen, wenn doch Freunde und Familie im Prinzip immer nur einen swipe auf dem Display entfernt sind? Und wie schaffen wir es, den Teufelskreis von Einsamkeit zu durchbrechen, wenn wir mitten in ihrem Morast stecken?

Eine unausweichliche Erfahrung im Leben Kurzfristige, vorübergehende Einsamkeit kennt wohl jeder: Zwei von drei Deutschen fühlen sich mehr oder weniger einsam. Wir sitzen z. B. alleine beim Mittagessen, weil in der Kantine

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am Tisch der Kollegen kein Platz mehr frei ist. Wir ziehen in eine neue Stadt. Oder am Wochenende hat niemand Zeit. Diese Erfahrung an sich ist unausweichlich und sie wird sehr individuell erfahren und erlebt: Einsam ist, wer sich einsam fühlt. Die Psychologie definiert Einsamkeit als Verlassensein, Isolation und Verlorenheit. Aber nicht nur das Ohne-soziale-BezügeSein macht einsam, sondern auch, wenn Beziehungen Tiefgang und Kontaktfläche verloren haben. Einsame fühlen sich häufig nicht mehr benötigt und getrennt vom Sinn des Lebens. So misst die „UCLA Loneliness Scale” Einsamkeit z. B. anhand von Aussagen wie: „Ich fühle mich ausgegrenzt“, „Meine sozialen Beziehungen sind oberflächlich“, oder: „Es sind Menschen um mich herum, aber nicht bei mir“. Problematisch wird Einsamkeit, wenn sie zum Dauerzustand, also chronisch, wird. Dem geht oftmals ein schleichender Entfremdungsprozess voraus – gewollt (wir ziehen bewusst in eine neue Stadt) oder ungewollt (wir erkranken und können nicht mehr am normalen Leben teilhaben). In der chronischen Einsamkeit nehmen Gefühle von Ausgrenzung, Ungeliebtsein und Unverstandensein immer mehr zu. Es entstehen innere Leere und großes seelisches Leid.

Quer durch die Gesellschaft Dabei scheint es völlig gleichgültig zu sein, in welcher Lebensphase man sich befindet, wie viele Freunde der Freundeskreis umfasst und wie dick das Bankkonto ist: Einsamkeit kann jeden treffen. Häufig zieht Einsamkeit schleichend ein. Das Freunde-Karussell dreht sich, Menschen kommen und gehen, die gemeinsame Vergangenheit rückt in immer weitere Ferne und neue Erlebnisse teilt man nicht mehr. Da ist natürlich die schon fast klischeehafte alte Frau, die erkrankt und körperlich immer immobiler wird. Sie schämt sich ihrer Hilfsbedürftigkeit, ist ihrem Sohn aber auch ein bisschen gram (und wird es immer mehr), weil er sie so selten besucht. Ihr Mann ist schon lange verstorben und ihre Freund-


EIN SAM KEIT

Anatomieder

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Mythender Einsamkeit schaften aus Jugendzeiten sind mit den Jahren verblasst. Den ganzen Tag laufen Radio und Fernseher, um die Stille zu übertönen. Ihre Welt hat sich im wahrsten Sinn entmenschlicht. Auch Menschen, die mitten im Leben stehen, beliebt sind und ein scheinbar reiches Sozialleben haben, können einsam sein. Da ist der junge Mann, der für eine gute Jobgelegenheit in eine neue Stadt zieht. Natürlich tut er das, er hat ja auch fünf Jahre daraufhin studiert. Er arbeitet viel und geht in seinem Job auf. Aber abends ist er einfach zu groggy, um neue Leute kennenzulernen. Außerdem fühlt er sich zu alt und geniert sich, mit einem direkten „Möchtest du mein Freund sein?“ neue Freunde zu finden. Das geht im Sandkasten, aber doch nicht mehr mit 27, oder? Und wie angenehm sind lange, gemütliche Netflix-Wochenenden, wo man einfach mal vom Stress der Woche abschalten kann? So spricht er immer öfter von Freitagabend bis Montagmorgen mit niemandem außer einem kurzen Bitte-danke-tschüss an der Bäckertheke. Einsam wird es auch an den Orten, wohin Freunde oder Familie nicht mitkommen können. Das Ende einer Beziehung, der Tod des Partners, schwere Krankheiten – Schicksalsschläge können jeden treffen, und plötzlich ragen die eigenen Erfahrungen über die der Normalen, der Gesunden, der Verschonten heraus. „Warum passiert das ausgerechnet mir?“, ist ein Satz, der einem quälend die eigene Einsamkeit vor Augen führt. Doch nicht nur furchtbare Ereignisse, sondern das Leben selbst kommt häufig dazwischen: Der Angestellte, der beruflich aufsteigt und auf einmal nicht mehr Teil der Kollegen ist, sondern über ihnen steht. Wo plötzlich der Smalltalk verstummt, wenn er die Kaffee-

Undmanchmal istman einsaminmitten vonMenschen.

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Ein so weit verbreiteter und schmerzlicher Zustand wie Einsamkeit schreit geradezu nach Erklärungen. Nur sind manche in Wirklichkeit eher Mythen – sie sind falsch und helfen nicht weiter. Mythos 1: Alt = einsam Das Bild der einsamen Rentnerin, die mit ihren Katzen spricht, weil sonst niemand mehr da ist, und 24/7 den Fernseher laufen lässt, nur um menschliche Stimmen zu hören, mag teilweise zutreffen. Doch Studien zeigen, dass die ältere Generation nicht die einsamste ist. So sind die Einsamsten heute Menschen in ihren 30ern und 40ern. Die Dunkelziffer ist allerdings hoch, denn wer gibt schon gerne zu, einsam zu sein, wo das Leben um einen herum nur so schäumt? Mythos 2: Einsam sind die sozial Inkompetenten. Sind Einsame sozial inkompetent? Stehen sie sich selbst im Weg und sollten sich „mal locker machen“? Bevölkerungsbezogene Studien zeigen, dass soziale Fähigkeiten im zunehmenden Erwachsenenalter kaum Einfluss auf Kontakte haben. Auch fabelhafte Sozialkompetenz und ein feiner Charakter schützen uns nicht vor Einsamkeit. Mythos 3: Einsamkeit ist ein modernes Phänomen. Hat Einsamkeit etwas mit der heutigen Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt zu tun? Nein. Die Einsamkeitsepidemie nahm schon in der Renaissance ihren Anfang, als in den westlichen Kulturen nicht das Kollektiv, sondern das Individuum immer mehr in den Fokus rückte. Auch die damals aufstrebende protestantische Theologie unterstützte dies, indem sie die Verantwortlichkeit des Einzelnen vor Gott predigte. Industrielle Revolution und fortschreitende Modernisierung unserer Lebenswelt beschleunigte diesen Trend. Dorfgemeinschaften lösten sich auf und Städte wuchsen. Aber selbst in der Bibel sehen wir „antike“ Beispiele für Einsamkeit: Adam und Eva isolieren sich von Gott. Der Kranke am Teich Bethesda antwortet Jesus: „Herr, ich habe keinen Menschen.“ Einsamkeit gab es zu allen Zeiten. Sie ist so alt wie die Menschheit selbst.


Mythos 4: Unsere moderne Technik ist schuld an unserer Einsamkeit. Düstere Stimmen der Gesellschaftskritik rufen: Unsere Gesellschaft vereinsamt! Schuld sind Egoismus, der Verfall von Ehe und Familie, unser Verlust von tradierten Werten. Und allen voran der Computer. Das klingt plakativ, nachvollziehbar und – falsch. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Technik löst nicht automatisch unsere Einsamkeit auf. Von meinen 274 Facebookfreunden werden nur wenige vor der Tür stehen und mich umarmen, wenn ich meinen Job verliere. Doch soziale Medien können auch hilfreich sein, Beziehungen aufrecht zu erhalten. Und – siehe oben – einsam konnte man auch früher sein. Einsam in der Ehe, einsam mitten im Dorf als „Ausgeschlossener“, ohne die Chance auf einen Neuanfang. Die biblische Frau am Jakobsbrunnen mag hier als Beispiel für jemanden dienen, die mitten im familiären und dörflichen Umfeld völlig isoliert war (Johannes 4). Mythos 5: Einsamkeit ist immer schädlich. Aber was ist, wenn ich sie selbst gewählt habe? Dann ist sie der Ort, wo ich uneingeschränkt „sein“ darf, ohne Masken. Wenn ich z. B. einen Tag allein im Homeoffice verbringe, bis nachmittags in der Jogginghose, ungeschminkt und ohne Zwang zu menschlichen Interaktionen außer dem Postboten, kann das herrlich sein. Endlich einmal Ruhe! Wäre ich jeden Tag dazu gezwungen, wäre das schrecklich, aber ab und zu so zu arbeiten, lädt meinen Akku auf und ich erlebe Freiheit und Autonomie. Alleinsein kann auch dabei helfen, Gott zu begegnen. „Seid still und erkennt, dass ich Gott bin!“ aus Psalm 46 lädt uns dazu ein, immer wieder in die One-onone-Begegnung mit Gott zu gehen. Selbstgewählte Einsamkeit ist eine Chance zur Bestandsaufnahme, zur Konzentration und Kontemplation. Man muss nur aufpassen, dass dieser Zustand nicht ausufert.

küche betritt. Die junge Frau, die ein scheinbar so idyllisches Leben führt: verheiratet, ein kleines Baby, das Häuschen im Speckgürtel der Stadt. Die bis über den Scheitel in Windeln, Brei und Geschrei steckt und den Kontakt zu ihren Freundinnen verliert, die freitags immer noch um die Häuser ziehen. Dabei hat sie doch alles, was sie sich gewünscht hat, und ein gesundes Kind. Gerade für junge Eltern scheinen großes Glück und tiefe Einsamkeit nahe beieinander zu liegen. Und manchmal ist man einsam inmitten von Menschen. Wie das Paar, das sich gegen Einsamkeit versichern wollte und ein Leben zu zweit wählte – und das sich nach all den Jahren nichts mehr zu sagen hat. Sie sitzen sich stumm gegenüber oder reden maximal über Belangloses, Oberflächliches. Da ist der Jugendliche aus der 8b, der einfach dazugehören möchte zu der Clique mit den richtigen Leuten, den richtigen Handys, den richtigen Sneakern. Aber er wird nicht eingeladen, und am nächsten Tag sieht er auf den sozialen Medien, dass es alle anderen waren. Immer häufiger beschleicht ihn der Verdacht: „Is everyone hanging out without me?“ (Zitat Mindy Kaling). Und auch in Kirchen und Gemeinden gibt es da noch das allseits bekannte fromme, gut gemeinte und schlecht ausgeführte: „Ich bet‘ für dich“. Natürlich ohne dass ein sofortiges, gemeinsames Gebet an Ort und Stelle gemeint ist, sondern ein voneinander getrenntes Beten im stillen Kämmerlein. Situative Überforderung und fehlender Mut halten uns davon ab, Nähe aufzubauen und in die Welt der Einsamen vorzudringen, die dort allein bleiben in all ihrem Schlamassel.

Gemeinschaft bedeutete Überleben, Alleinsein meistensdenTod.

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Bis vor wenigen Jahrhunderten lebten Menschen in größeren Gruppen, denn es war unmöglich, allein für Sicherheit, Wärme, den Nachwuchs oder Nahrung zu sorgen. Gemeinschaft bedeutete Überleben, Alleinsein meistens den Tod. So ist Einsamkeit im Prinzip nichts anderes als ein uraltes Signal und Frühwarnsystem unseres Körpers, das uns vor isolierendem Verhalten schützen soll. Der Mensch hat ein Urbedürfnis nach Gemeinschaft: „Es ist nicht gut, wenn Adam allein ist“, sagte Gott selbst (Genesis 2,18). Interessant ist, dass Einsamkeit im Schmerzzentrum unseres Gehirns verarbeitet wird – wir nehmen also tatsächliche Schmerzen wahr. An unserem biologischen Bedürfnis nach Gemeinschaft hat sich auch für uns postmoderne Menschen nichts geändert. Die Beziehung und Verbindungen zu anderen Menschen wirken wie ein Polster, das wir im Leben brauchen, um weniger anfällig für „Verletzungen“ zu werden. Sie helfen uns, mit unausweichlichen Schwierigkeiten umzugehen. So sehr wir Bindungen im Laufe unseres Erwachsenwerdens abschütteln und unabhängig von Gott und anderen Menschen sein und selbst klarkommen wollen: Wir brauchen diese Verbindungen immer noch. Wie sehr, zeigen die gravierenden Folgen der Einsamkeit. Sie ist viel mehr als nur ein schlechtes Gefühl. Studien zeigen, dass chronische Einsamkeit dazu führt, dass wir schneller altern, anfälliger sind für Krebs, Herzinfarkte oder Schlaganfälle, dass unser Immunsystem geschwächt wird und Alzheimer schneller voranschreitet. Einsamkeit wirkt sich negativ auf unsere Produktivität im Arbeitsleben und unsere Kreativität aus. Einsame Kinder schneiden schlechter in der Schule ab als ihre Klassenkameraden. Statistisch gesehen ist Einsamkeit tödlicher als Übergewicht und genauso tödlich wie eine Schachtel Zigaretten am Tag. All das zeigt: Wir brauchen menschliche Beziehungen auch heute noch buchstäblich zum Überleben. Chronische Einsamkeit ist tückisch. Ein erstes Gefühl von Isolation löst sozialen Schmerz aus, der uns in Verteidigungshaltung führt. Unsere Wahrnehmung beginnt, sich zu verzerren. Wir fühlen uns bedroht und sehen in allem eine potenzielle Gefahr. Studien zufolge werden wir zwar empfänglicher für soziale Signale, können sie aber schlechter interpretieren. Unser Fokus richtet sich auf negative Interaktionen: Einen neutralen Gesichtsausdruck legen wir dann feindselig aus. Um uns vor weiterer Verletzung zu schützen, werden wir selbstbezogener. Uns fällt es zunehmend schwerer, die kommunikativen Bedürfnisse unseres Gegenübers zu verstehen und darauf einzugehen. Leider wirken wir dann auch auf andere misstrauischer, kälter, unfreundlicher und sozial inkom-

petenter – so wird es wahrscheinlicher, dass wir gemieden werden. Experten sprechen hier von dem „interaktiven Dilemma der Einsamkeit“. Unter dem Einfluss von Einsamkeit kultivieren Menschen absichtlich oder unabsichtlich Verhaltensweisen und Einstellungen, die sie immer weiter von der gesellschaftlichen Norm entfernen. Es fällt uns mit der Zeit immer schwerer, diesen Teufelskreis zu durchbrechen. Die Abwärtsspirale dreht sich, und schließlich können wir keine sozialen Bindungen mehr aufbauen, selbst wenn wir es uns wünschen und sie brauchen. Das macht Einsamkeit so tragisch. Genau dann, wenn wir echte und tiefe menschliche Nähe dringend benötigen und uns eigentlich öffnen müssten, haben wir die Fähigkeiten dazu verloren. Um echte Verbindungen zu anderen Menschen aufzubauen, benötigen wir Empathie, um auf unser Gegenüber einzugehen. Und das können und wollen wir immer weniger, wenn wir einsam sind. Noch etwas drängt uns tiefer in die Einsamkeit: Wir werden mit der Fähigkeit geboren, Liebe zu geben und zu empfangen. Das macht uns menschlich. Aber irgendwann in unserem Leben dämpfen wir diese Fähigkeit, spielen sie herunter oder verlieren sie ganz. Andere sagen uns, wir sollen uns nicht öffnen, weil wir ausgenutzt werden könnten. Liebe zu zeigen und auszudrücken, lässt uns schwächlich wirken. Aber in unserem inneren Kern tragen wir den Wunsch, Liebe zu geben und zu empfangen. Um Einsamkeit zu überwinden, brauchen wir den Mut, uns zu zeigen und uns verletzlich zu machen. Nur so können wir authentische Verbindungen zu anderen aufbauen und unser soziales Bedürfnis stillen.

Einsamist, wersich einsamfühlt.

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Der einsame Christ Wie tief und alt und grundlegend Gefühle von Einsamkeit sind, können wir in der Bibel nachvollziehen. Sie erzählt an vielen Stellen von einsamen Menschen. Die Psalmen sind voll von dem Gefühl der Verlassenheit. Der Schreiber von Psalm 42 klagt: „Wie der Hirsch schreit nach frischem Wasser, so schreit meine Seele, Gott, zu dir. Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott. Wann werde ich dahin kommen, dass ich Gottes Angesicht schaue?“ Ein anderer unterstreicht: „Ich kann nicht schlafen; ich bin verlassen und fühle mich wie ein einsamer Vogel auf dem Dach“ (Psalm 102,8). Oder bringt es direkt auf den Punkt: „Ich bin einsam und verzweifelt“ (Psalm 35,12). Auch Propheten klagen über Einsamkeit. Jeremia zum Beispiel heulte: „Nie saß ich fröhlich mit anderen Menschen zusammen, ich konnte nicht mit ihnen lachen. Nein, einsam war ich …“ (Jere-


Selbsttest

Die„UCLALonelinessScale“isteinpsychologischesTestinstrument, um Einsamkeitzumessen.HierkannmandenTestonlinedurchführen: https://artemciy.gitlab.io/loneliness-scale/#/(englisch). mia 15,17). (Übrigens wird hier das Manager-Prinzip deutlich: Herausgerufen aus der Masse in eine besondere Aufgabe, kann überaus einsam machen.) Auch Jesus selbst wurde von seinen Freunden in der Stunde größter Not im Stich gelassen. Einsam und allein ging er seinen letzten Weg zum Kreuz. Hier wurde selbst die tiefste und innigste Verbindung zu seinem Vater gekappt: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Markus 15,34). Jesus kennt Einsamkeit, vielleicht tiefer, als wir sie jemals kennen können. Dem gegenüber stehen tröstende Verse: „Denn mein Vater und meine Mutter verlassen mich, aber der Herr nimmt mich auf“ (Psalm 27,10), und: „Der Herr hat gesagt: ‚Ich will dich nicht verlassen und nicht von dir weichen‘“ (Hebräer 13,5). Die Bibel beschreibt also beide Seiten unseres geistlichen Lebens: Die unglaubliche Nähe und ultimative Verbindung zum Vater, die an vielen Stellen mit der Nähe einer Mutter zu ihrem Neugeborenen verglichen wird. Und die abgrundtiefe Einsamkeit und das Gefühl von Verlassenheit, wenn uns das Leben mit voller Breitseite trifft und selbst Gott scheinbar sich und seine dringend benötigten Wunder verborgen hält. Als Christin muss ich mich also nicht schlecht fühlen, wenn ich mich als einsam empfinde: Es ist einfach menschlich und normal, und obwohl ich Tochter eines himmlischen Vaters bin, darf es sich auch mal so anfühlen, als wäre ich die einsamste Waise dieser Welt. Im Zentrum unserer Fähigkeit, tief miteinander in Verbindung zu treten, liegt die Möglichkeit, uns mit uns selbst zu verbinden. Wenn wir nicht glauben oder wissen, dass wir wertvoll sind, warum sollten wir dann denken, dass andere gerne mit uns zusammen wären? Diese Haltung wird jede Beziehung sabotieren. Ein erster Schritt aus der Einsamkeit kann also sein, uns von Gott diesen Wert zusprechen zu lassen. In seinen Augen sind wir wertvoll, teuer erkauft und unendlich geliebt. Wenn er mich annimmt, kann ich es auch – mit allen Ecken, Verrücktheiten und Unvollkommenheiten.

eintippe, erscheinen ein paar Partnerbörsen (aha!) und dann ein Artikel mit dem ebenso griffigen wie frechen Titel „Einsamkeit überwinden in drei einfach umsetzbaren Tipps“. Was ist aber, wenn einfache Tipps nicht mehr greifen? Wenn man bei jedem Schritt über die eigene verzerrte Perspektive auf die Menschen um sich herum stolpert, über jedes unfreundliche Wort, über jeden schiefen Blick? Blöde Ratschläge wie: „Geh doch mal wieder unter Leute. Lade doch mal jemanden ein“ übersehen, dass der Schmerz der Einsamkeit häufig so viel tiefer sitzt: Ich störe. Ich bin nicht geliebt. Ich bin unattraktiv. Ich bin nicht gewollt. Und selbst wenn wir den Versuch starten, aus dem Alleinsein auszubrechen, braucht es doch immer noch einen Zweiten, der mitspielt und bei der nach „außen gerichteten Aktivität“ mitmacht. Sonst landen wir am Ende am einsamsten Ort der Welt: Auf einer Party unter lauter gut gelaunten Menschen, alleine dumm am kalten Buffet stehend.

WirsinddieLösung desanderen.

Wege aus der Einsamkeit: von Rat-„Schlägen“ … Die meisten Menschen versuchen, so hat eine Studie ergeben, ihre Einsamkeit mit Fernsehen, Serien und Musik zu vertreiben. Eben jene Studie empfiehlt zur wirkungsvollen Bekämpfung dieses unangenehmen Zustands stattdessen „mehr Aktivitäten mit Menschen“. Das liest sich ungefähr so zynisch, als würde man einem Depressiven raten, einfach mal mehr zu lachen. Auch meine Internetrecherche entpuppt sich als Ausflug in die Welt der flachen Floskeln. Wenn ich „Einsamkeit“ in meine Suchmaschine

… und weisem Rat: Wir alle sind Ärzte. Wir in Deutschland sind heute in der Regel nicht mehr Wind und Wetter ausgesetzt und müssen nicht jeden Tag um unseren Kalorienzufuhr bangen. Wir brauchen keinen Clan mehr, der uns bei der Erfüllung dieser essenziellen Grundbedürfnisse unterstützt. Aber wir brauchen einander, um das tief eingravierte Bedürfnis nach menschlicher Nähe zu stillen. Einer so komplexen Lebenserfahrung wie Einsamkeit kann man also nicht mit einem einfachen Ratschlag begegnen. Und gleichzeitig ist die Antwort so schlicht: Wir bekommen das, was wir brauchen, nur voneinander. Wir sind die Lösung des anderen. In unserer individualistisch geprägten Gesellschaft fragt sich der Einzelne: „Wer bin ich? Was ist meine Aufgabe? Was ist mein Sinn des Lebens?“ Das sind gute Fragen, aber vielleicht ist es an der Zeit, sie zu ergänzen: „Wer bin ich in der Beziehung zu anderen? Was ist meine Aufgabe für andere? Was können wir gemeinsam erleben und erschaffen?“ Was ist das Gegenteil von Einsamkeit? Es ist Liebe. Und das Heilmittel gegen Einsamkeit sind wir. Wir können, wenn wir wollen, die Medizin für Einsame sein. Wir können die Lösung sein, nach der sich andere Menschen sehnen. Haben wir den Mut, uns zu öffnen, um tiefe Verbindungen aufzubauen? Haben wir die Entspanntheit, andere in ihrer Selbstbezogenheit und Kratzbürstigkeit zu ertragen und dahinter zu schauen? Haben wir den Mut, anderen zu helfen, über ihre Einsamkeitsmauer zu klettern? Sind wir bereit, spontan vorbeizufahren und einander fest in den Arm zu nehmen, wenn das Leben stürmisch wird? Julia Spanka

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Du fühlst dich fremd in dieser Welt. Fehl am Platz.

Meine Worte klingen wie schepperndes Metall in ihrer Mitte.

Sie ist kein Ort, an dem du überleben kannst. Du bist anders.

Die anderen sind so gleich.

Du fühlst, wie du in die Tiefe des Wassers hinabgezogen wirst.

Warum nehmen sie mir den Raum zum Atmen, den Raum zum Sein?

Der Ozean bedeckt den Großteil der Erdkugel und wahrt unter seiner tödlichen, tiefen Schicht Geheimnisse sicher auf.

Nun bin ich nicht mehr als eine Schattierung von Blau.

Vielleicht ist das der Ort, an den du gehörst.

Niemand hört mein Schreien! Oder ignorieren sie es?

Wenn du von der Dunkelheit verschlungen wirst, beleidigst du niemanden mehr mit deiner Anwesenheit.

Besser, ich bleibe allein.

Keiner muss sich mehr um dich kümmern. Eine Sorge weniger.

Ich kümmere mich jetzt um die Sorgen.

Du spürst, wie ein Fischschwarm dich umgibt. Von der Masse ihrer Körper wirst du nach oben gezogen, Richtung Licht.

Lasst mich in Ruhe! Lasst mich doch einfach alle in Ruhe!

Bist du denn ganz alleine auf der Welt?

Und ich will auch gar nicht so sein wie sie.

Eine Alge streift dich am Fußgelenk. Ein gespenstisches Gefühl. Schlagartig wird dir klar, wie weit du von der Wasseroberfläche entfernt bist. Luft!

Ich kann nicht … ich … ich bin noch nicht gebrochen!

Deine Lungen füllen sich mit Wasser. Du drohst zu ersticken.

Nicht! Nicht vorbei!

Panik ergreift dich. Dir wird schwarz vor Augen.

Es ist vorbei.

Es hätte nicht so weit kommen müssen, hättest du doch gekämpft. Schon immer hast du deine Chancen vertan. (Atmen)

Ich bin anders. Wer noch?

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Nathalie Steinhauer


leitgedanken

F O T O : P I X A B AY

Andreas Boppart, Leiter von Campus für Christus

Vor einigen Jahren war ich zu einem Einsatz in den Slums von Addis Abeba, der Hauptstadt von Äthiopien. Die himmelschreiende Not, Armut, Hunger und Arbeitslosigkeit, die in einer großen Hoffnungslosigkeit mündeten, hatte ich noch nie dermaßen nah gespürt und wahrgenommen. Durch viele persönliche Begegnungen bekam Leid ein Gesicht. Wieder zurück in der Schweiz setzte ich mich damit auseinander, wo denn die Not im deutschsprachigen Raum sei. Dabei stieß ich mit meinem Team auf die Einsamkeit. Wir nahmen wahr, dass viele Personen zwar mitten unter Menschen lebten, sich aber zutiefst einsam fühlten. Das führte dazu, dass wir die „Aktion Gratishilfe“ starteten, die seit 2009 in der Schweiz von vielen christlichen Allianzen teils jährlich durchgeführt wird. Dabei inserierten wir in Zeitungen oder riefen via Radio dazu auf, sich bei uns zu melden, wenn man irgendwo Hilfe im Alltag benötigte. Innerhalb von wenigen Tagen meldeten sich 130 Personen. Eine ältere Frau, die nicht alleine spazieren gehen wollte. Ein Rollstuhlfahrer, der Hilfe benötigte beim Umräumen seines Zimmers. Eine Frau, die jemanden benötigte, um die Gardinen von der Stange zu nehmen, damit sie diese waschen konnte – wohlgemerkt: sie lebte in einem Wohnblock umgeben von Nachbarn. All die vielen Anfragen machten offensichtlich, woran unsere Gesellschaft krankt – an Einsamkeit. Ich selbst bin mit hoffnungslosem Optimismus beschenkt zur Welt gekommen und habe ein starkes Sensorium für die Leichtigkeit des Lebens. Rasch verschenke ich Vertrauen, schließe Freundschaften und bin mit einem Grundrauschen der Freude und Dankbarkeit bestückt. Trotzdem erlebe auch ich Momente der Einsamkeit. Man sagt, dass Leitungsverantwortung einsam macht. Tatsächlich gibt es mit steigender Verantwortung immer mehr Dinge, über die ich mit immer weniger Menschen reden kann. Einerseits, weil nicht alles verstanden werden würde, andererseits, weil nicht alle Informationen für die breite Öffentlichkeit gedacht sind. Ich hatte in meinem Leben einsame Momente in meinem Spitalbett nach einer Rückenoperation, einsame Zweifel, als mich eine Sekundenpanik überkam: „Was wäre, wenn alles, was wir glauben, gar nicht wahr wäre?“ Einsame Momente auf einer Reise irgendwo in einem sterilen Hotelzimmer. Solche einsamen Momente können überall auftauchen. Manche sind harmlos, andere wiederum können uns den Teppich unter den Füßen wegziehen. Erstaunlicherweise hat das Gefühl von Einsamkeit nichts damit zu tun, wie groß das Beziehungsnetzwerk ist und wie viel Kommunikation geschieht. Jesus selbst durchlebte Einsamkeit immer wieder, ob in der Wüste oder kurz vor der Verhaftung im Garten Gethsemane. Am Kreuz gipfelte sie dann in ihrem unerträglichen Höhepunkt, als er schrie: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Gerade deshalb ist meine Beziehung zu ihm das einzige, was in solchen Momenten tragen kann. Er hat diese Momente ebenfalls durchlebt. Er ist es, der uns immer wieder in unserer Einsamkeit begegnet – sei es bei einem Zachäus, der sich durch sein Verhalten von seinen Mitmenschen isoliert hatte, einem aussätzigen Mann oder auch der Frau am Brunnen, die von den Menschen ausgestoßen worden waren, oder bei dem von Dämonen besessenen Mann. Jesus versteht unsere Einsamkeit zutiefst. Er durchbricht die Mauer der Isolation, um mit uns Zeit zu verbringen und uns an der Hand aus unserer Einsamkeit herauszuleiten.

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EINSAM Auswertung der Leserumfrage

Wenn das Thema Einsamkeit eines ist, das jeden betrifft, dann haben auch unsere Leserinnen und Leser damit ihre Erfahrung. Dieser Gedanke stand am Anfang der Umfrage, die wir Ihnen in der letzten Impulse ans Herz gelegt hatten. Und Sie haben sich sehr engagiert zu Wort gemeldet. Danke! Danke für Ihre Anregungen und Ihre persönlichen Äußerungen. Am liebsten würden wir all das nebeneinanderstellen, aber das würde den Rahmen sprengen. So haben wir Ihre Antworten einmal einsortiert. Finden Sie sich darin wieder?

Wie überwinden Impulse-Leser ihre Einsamkeit? Glaube

Kommunikation

Ablenkung

Aktivitäten

26 Prozent

24 Prozent

21 Prozent

11 Prozent

suchen Gottes Gegenwart, lesen in der Bibel, beten, singen Lobpreislieder oder hören Predigten.

suchen Kontakt zu anderen Menschen durch Besuche bzw. Einladungen, aber auch durch Telefonanrufe oder Whatsapp.

lenken sich durch etwas Schönes ab und sehen Filme oder Fernsehen, hören Musik, lesen ein Buch oder gehen shoppen.

gehen unter Leute oder spazieren, treiben Sport oder nehmen an Events bzw. Seminaren teil.

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MKEIT Wie oft fühlen sich Impulse-Leser einsam? Selten 18% Gelegentlich 67% Oft 15%

Wie stark hilft ihnen dabei der Glaube? Gar nicht 4% Schwach 0% Mittelmäßig 43% Stark 32% Sehr stark 21%

Kreativität

Innerer Dialog

Haushalt

8 Prozent

5 Prozent

3 Prozent

stellen sich ihren Emotionen und verarbeiten sie kreativ, z. B. durch Schreiben, Musizieren, Malen oder das Gestalten eines Fotobuchs.

horchen in sich hinein, führen Zwiegespräche mit sich selbst oder schreiben Tagebuch.

beschäftigen sich praktisch und machen sich nützlich, indem sie aufräumen, putzen oder spülen.

WIR GRATULIEREN

Priscilla Füllemann aus Zainingen, Paul Rieger aus Darmstadt, Susanne Brachhold aus Delingsdorf, Heike Kruse aus Detmold und Sarah Mittelstädt aus Heilbronn. Sie haben jeweils ein Buch „Neuländisch“ von Andreas Boppart gewonnen.

„Bezogen auf die Gefühle der Einsamkeit hilft der Glaube nur schwach. De facto hilft mein Glaube mir dennoch sehr stark. Denn in mir lebt das Vertrauen auf Gottes Güte. Er meint es unter allen Umständen gut mit mir. Mit dieser Überzeugung kann ich mich neu ausrichten.“ - Ein Umfrage-Teilnehmer

I L L U S T R AT I O N E N : N AT H A L I E S T E I N H A U E R

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E R LE B T

„Unsere Ehe hat mich fast getötet“ F O T O : C L A U D I A D E WA L D

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Eine Beziehung wird heil Interview

Als ich Viktoria und Jakob zu Hause besuche, treffe ich ein strahlendes Paar, das frisch verliebt wirkt. Dabei haben sie heftige Jahre hinter sich. Dass sie noch verheiratet sind oder sogar dass sie noch leben, ist ein Wunder. Schuld daran sind ein Seelsorger und der Gemeinsam-Kurs von Familylife. Und in erster Linie Gott selbst, der sie spürbar angerührt hat. „Wie bei jeder Ehe haben auch wir so unsere Höhen und Tiefen gehabt“, erzählt Jakob (40). Viktoria (36) muss lachen und ergänzt direkt: „Nur waren es eigentlich gar keine Höhen und ziemliche tiefe Tiefen.“ Wenn ich die beiden so vor mir sehe, ist das kaum vorstellbar, doch dann erzählen sie von Liebe, Schuld, Abhängigkeit, Manipulation und seelischem Missbrauch. Davon, dass ihre Ehe absolut am Ende war. Doch so startet ja niemand und zunächst waren sie für sich selbst und ihre Umgebung ein Traumpaar.

Jakob: Wir haben uns im Schwimmbad kennengelernt. Ich war mit meinen Kumpels da und Viktoria mit ihrer Clique. Wir haben etwas miteinander geschäkert. Erst sind wir uns zufällig dort begegnet, dann haben wir es so eingerichtet, dass wir uns treffen – und irgendwann waren wir dann zusammen. Ich war damals 19 und Viktoria 15. Und alle dachten: Die passen so gut zusammen. Als wir schon eine Weile befreundet waren, musste Viktoria zu Hause raus. Also nahmen wir uns eine Wohnung und zogen zusammen. Ich war noch in der Ausbildung zum Dachdecker, Viktoria in der Schule. Viktoria: Genau, und im Jahr vor meinem Abi kam dann unsere Tochter Angelina zur Welt. Jakob lebte weiterhin das wilde Leben von vorher – mit Alkohol, Partys und auch mit anderen Frauen – und ich war mit dem Kind zu Hause. Er studierte dann BWL und ich versuchte es erst mit Lehramt und hab dann auch BWL studiert mit Schwerpunkt Personalwesen. Jakob ist seit damals noch in der gleichen Firma, aber ich habe relativ oft gewechselt. Die wilde Zeit am Anfang sah so aus: Man hat sich gestritten und versöhnt, gestritten und versöhnt. Wir haben uns auch einige Male getrennt.

Einmal bin ich mit unserer Tochter ausgezogen und zu meiner Mutter gegangen. Doch da war es noch schlimmer und ich habe es nicht ausgehalten. Also bin ich wieder zurückgekommen. Doch es wurde nicht besser. Elf Jahre lang war unsere Beziehung geprägt von Jakobs Fremdgehen und davon, dass wir uns aufs Äußerste bekämpft haben. Ich bring es mal auf den Punkt: Es war emotionaler und psychischer Missbrauch. Das hat mir schließlich das Genick gebrochen. Das könnte jetzt der Punkt sein, wo man das Buch zuklappt: Fertig. Zwei Leben zerstört. Ein Ende in der Klapse oder unter der Brücke. Aber wir haben es noch einmal miteinander probiert und haben dann geheiratet. Das Thema Fremdgehen hatte sich für mich damit erledigt, denn wenn ich etwas versprochen habe, dann halte ich es auch. Damals kam unsere zweite Tochter zur Welt, Lara. Doch dann begann wieder diese unselige Dynamik. Den Begriff dafür haben wir erst nach 20 gemeinsamen Jahren gefunden. Jakob war ein Narzisst. Also ein Mensch, der sein Gegenüber in Besitz nimmt, manipuliert, absolut kontrollieren möchte und damit von innen zerstört. Jakob konnte mich nie loslassen. Wenn ich versucht

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Ich hab´ Viktoria vorgemacht, dass danach alles besser werden habe zu gehen oder Abstand haben wollte, hat er plötzlich alles für mich getan. Mir ist es nicht gelungen, mich von ihm zu lösen. Die beste Zeit war damals unser Hausbau. Da war Jakob von morgens früh an bei der Arbeit, anschließend auf der Baustelle und ist erst gegen zehn kaputt nach Hause gekommen. Aber trotzdem wurde mein Leben immer schwerer. An meiner Arbeitsstelle wurde ich noch zusätzlich gemobbt – und dann wurde ich krank. Es ging nicht mehr. An Neujahr 2017 lag ich völlig fertig im Bett, weil Jakob mich wieder fürchterlich behandelt hatte, und wusste nicht mehr weiter. Da hab´ ich zum ersten Mal gebetet: „Gott, ich fühl' mich gar nicht mehr lebendig. Ich wünsche mir, dass du in mein Leben hineinkommst.“ Geändert hat sich erst einmal nichts. Im Gegenteil: Es ging noch tiefer. Im Sommer sind wir als Familie zusammen nach Kroatien in den Urlaub gefahren und haben uns da extrem zusammengerissen. Die Zeit war so la la, weil auch andere da waren, doch auf dem Rückweg ging es schon wieder los. Und wieder zu Hause hat Jakob tatsächlich seine Koffer gepackt, um zu gehen. Ich wäre finanziell allein gar nicht zurechtgekommen, aber mir war alles egal. Ich war nur froh, dass er weg war – aber zwei Tage später stand er schon wieder vor der Tür. Inzwischen standen wir kurz vor dem Umzug ins neue Haus und ich hab´ Viktoria vorgemacht, dass danach alles besser werden würde. Das wurde es natürlich nicht. Und sie hat mich aus dieser Zeit als leibhaftigen Teufel in Erinnerung. Genau, da gab es einige Szenen, wo Jakob ein Gesicht hatte – das war nicht er. Wir standen zum Beispiel zusammen auf dem Balkon und er fing plötzlich an, von einer Frau zu erzählen, deren Gesicht mit Säure verätzt wurde, oder dass Frauen auch mal vom Balkon fallen. Ich habe in seinem Gesicht nach irgendeiner Regung gesucht, gehofft, dass er nur einen schlechten Witz macht, doch da war alles kalt und tot. Ich hatte wirklich Angst um mein Leben. Etwas Ähnliches passierte bei einem Abendspaziergang auf dem

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würde. Das wurde es natürlich nicht.

Feld. Als es dunkel wurde, meinte Jakob nur düster: „Hier ist weit und breit keiner …“, wie in einem Psychofilm. Und ich hab´ noch einen draufgesetzt und Viktoria bedroht, damit sie mich ja nicht verlässt. Ich wollte ihr Koks unterjubeln und sie von der Polizei verhaften lassen, damit sie die Kinder nicht behalten kann. Heute erschrecke ich selbst, wozu ich fähig war. Wenn ich an diese Zeit zurückdenke, dann sehe ich mich als innerlich tot. Ich war völlig antriebslos, hatte keine Energie mehr zum Aufstehen. Nach dem Einzug ins neue Haus zog ich ins Gästezimmer. Und dann kam plötzlich ein Anruf aus Irland. Eine Weile vorher hatte ich mich spaßeshalber dort beworben – und nun wollten sie, dass ich komme. Ich sagte ab, weil ich wegen der Kinder nicht wegkonnte, doch irgendetwas war zwischen uns noch vorgefallen und, als der Agent noch einmal anrief, sagte ich zu. Zu der Zeit war ich eigentlich so kraftlos, dass ich kaum meine Zahnbürste festhalten konnte, doch das gab mir eine neue Perspektive. Jakob sagte ich erst eine Woche vorher Bescheid. Und das Wunder geschah: Er ließ mich gehen. Fuhr mich sogar zum Flughafen. Fast sechs Monate war ich weg. Zweimal bin ich nach Deutschland zu Besuch gekommen, einmal kam Jakob mit den Kindern nach Irland. Jeden Morgen habe ich für meine Kinder und meinen Mann gebetet, sie gesegnet und ihm vergeben und während dieser Zeit ist tatsächlich etwas mit ihm geschehen. Der Prozess begann für mich schon vor Irland. Wir hatten beide gemerkt: Es geht nicht mehr weiter. Und es war mir klar, dass wir das allein nicht schaffen. Nur, wo sollte ich Hilfe finden? Ich habe einen frommen Hintergrund, doch die Gemeinde, in die ich als Kind gehen

musste, habe ich als heuchlerisch empfunden, sodass ich da als Jugendlicher rebelliert habe und ausgebrochen bin und nie wieder etwas mit solchem Glauben zu tun haben wollte, der anderen Wasser predigt und selbst Wein trinkt. Trotzdem haben meine Eltern natürlich mitbekommen, dass Viktoria weg war. Und sie haben sicher für uns gebetet. Irgendwann habe ich mich dann überwunden und einen Pastor um Hilfe gebeten, den man mir empfohlen hatte. Das war direkt, bevor Viktoria nach Irland ging. So konnte er uns gemeinsam nur kurz begleiten und danach mich allein. Meinen Alltag habe ich ganz gut hinbekommen, trotzdem habe ich während dieser Zeit angefangen zu beten. Wie heißt es so schön: Im Schützengraben gibt es keine Atheisten. Und Matthias, mein Seelsorger, hat mir neben vielen praktischen Tipps auch immer wieder gesagt: „Knie dich hin und bete zu Gott, dass alles gut wird.“ Das habe ich getan. So habe ich wieder Vertrauen zu Gott gefasst und ihn als liebenden Vater kennengelernt, und bin da so hineingewachsen. Im Rückblick ist mir klar, dass solch ein Gebet nicht unbeantwortet bleibt. Als ich zurückkam, habe ich Jakob kaum wiedererkannt. Er konnte sein manipulierendes Verhalten noch nicht ganz ablegen, aber er hat zum ersten Mal für unsere Beziehung gekämpft. Matthias hat mir als Seelsorger empfohlen, zu einer Therapie in die De’Ignis-Klinik zu gehen, und mein Mann hat sich um alles gekümmert. Ich hab´ ihn direkt gefragt: „Wenn ich da zurückkomme, bin ich nicht mehr so schwach. Was machst du denn, wenn ich dann gehe?“ Jakob hat nur gemeint, dass er das jetzt nicht für sich tut, sondern für mich, damit es mir wieder besser geht. Er hat alles dran gesetzt, dass ich so schnell wie möglich einen Platz bekomme. Die Klinik hat Wartezeiten bis zu einem halben Jahr, also hat mein Mann mich nach der Anmeldung auf eine Geschäftsreise in die Ukraine mitgenommen. Das erste Mal. Früher hat er solche Gelegenheiten für Seitensprünge genutzt – und jetzt war ich dabei. Es waren


„Ach, du Scheiße. Gott, jetzt musst du helfen.“ Und das hat er getan. Das wunderschöne Tage und am letzten Tag kam völlig überraschend die Zusage, dass ich direkt nach dem Rückflug meine Therapie beginnen konnte. Nach Irland hatte unsere jüngere Tochter Verlassensängste entwickelt. Für sie war es sehr schwer, mich wieder ziehen zu lassen, doch wir haben dafür gebetet und schließlich ging es. Die Zeit in der De’Ignis-Klinik war ein echtes Geschenk. Ich kam mit starken Depressionen hin und bin ohne Depressionen und ohne Medikamente wieder gegangen. Außerdem habe ich mich in dieser Zeit bekehrt. Ich habe dort eine Gemeinde besucht und bin nach dem Gottesdienst zum Pastor gegangen. Der hat mich gefragt, was ich wollte, und ich habe mich selbst sagen hören: „Ich will mich bekehren.“ Danach hat sich einiges verändert. Geld und Job waren nicht mehr so wichtig. Stattdessen haben wir Zeit miteinander und mit den Kindern verbracht. Als es in einem neuen Job bei Viktoria schwierig wurde, haben wir nicht zuerst gefragt, wie wir das Haus abzahlen sollten, falls Viktoria kündigt, sondern wir wussten einfach, dass Gott uns versorgen würde. Ich habe sie sogar ermutigt zu gehen. Bei einem Spaziergang habe ich überlegt, wie ich die Zeit bis zum nächsten Job überbrücken sollte. Da meinte Jakob völlig spontan: „Mach doch den Jakobsweg.“ Zunächst war das nicht ganz ernst gemeint, doch eins kam zum anderen und plötzlich saß ich wieder im Flugzeug und war unterwegs zum Pilgern. Normalerweise brauche ich einen genauen Plan für mich – hier hatte ich nur das abschließende Ziel vor Augen. Während die Kinder auf einer Freizeit waren und ich pilgerte, hat sich Jakob zu Hause bekehrt. Aber nicht direkt. Ich war ja nun fast zwei Jahre bei Matthias in der Seelsorge und er hatte mich aufgefordert, einmal das Gleichnis vom verlorenen Sohn zu lesen und darüber nachzudenken. Das kannte ich natürlich schon von früher. Aber erst einmal wollte ich an diesem Tag die sturmfreie Bude genießen und habe mit ein paar Jungs ordentlich

war eine krasse Gebetserhörung

gebechert. Wirklich ordentlich. Danach habe ich ziemlich Ramba-Zamba gemacht und Leute beleidigt. Als ich am nächsten Tag wieder nüchtern war, habe ich erkannt: „Der verlorene Sohn, das bin ich.“ Ich wollte mir zwar einreden, dass ich doch nicht soo schlimm bin, doch das Erlebnis vom vorigen Abend stand mir noch sehr lebendig vor Augen und ich beschloss: „So kann das nicht weitergehen.“ Deshalb versuchte ich, Matthias zu erreichen, um Buße zu tun – keine Chance. Ich schrieb kurz an Viktoria: „Bete für mich!“ Sie hat sich sehr gewundert und sich gefragt, was da gerade passiert. Und dann habe ich mich hingekniet, geheult wie ein Schlosshund und Jesus mein Leben übergeben. Ich war ja schon ein Stück weit auf dem Weg, aber hier habe ich klargemacht, dass Gott von jetzt an über mein Leben bestimmt. Ungefähr zu dieser Zeit bin ich im Internet auf die Seite von Campus für Christus gestoßen – keine Ahnung warum. Und ich habe bei den Veranstaltungen das Tagesseminar „Gemeinsam eins“ für Paare entdeckt. Jakob hatte zwar keine Lust, ist aber trotzdem mitgekommen. Ich war schon sehr skeptisch. Sollte das so etwas wie eine Selbsthilfegruppe sein? Muss ich hier vor anderen über mich und unsere Ehe reden? Aber als ich da war, fand ich das Ganze ziemlich gut. Jedenfalls so lange, bis wir uns während einer „Zeit zu zweit“ über Konflikte unterhalten haben. Ich hab ehrlich meine Meinung gesagt und Jakob ist völlig explodiert. Wenn so etwas geschieht, ist normalerweise kein Gespräch mehr mit ihm möglich, dann ist die ganze Woche gelaufen. Ich dachte nur: „Ach, du Scheiße. Gott, jetzt musst du helfen.“ Und das hat er getan. Jakob wusste zwar nicht so recht, was mit ihm passiert ist, doch er

war direkt wieder ruhig und hat sich sogar entschuldigt. Das war eine krasse Gebetserhörung für mich. So konnten wir das Seminar einfach weitermachen. Zum Abschluss saßen wir beim Candle-LightDinner zusammen und, während andere Paare Arbeitsfragen durchgingen, haben wir entspannt miteinander geredet und uns einfach verliebt in die Augen geschaut. Bei diesem Seminar haben wir Achim und Conny Gramsch kennengelernt. Sie haben uns zu einem Fortsetzungsprogramm eingeladen: „Gemeinsam“. Da trifft man sich mindestens sechs Mal in einer kleinen Gruppe und vertieft die Inhalte des Tagesseminars noch. Ich hatte zuerst keine Lust. Wir hatten sogar Angst, andere Paare zu vergraulen, wenn wir aus unserer Vergangenheit erzählen würden. Doch es hat einfach alles gepasst. Das Essen zu Beginn war wunderbar. Die Themen waren klasse. Bei Conny und Achim haben wir viel gelacht und gleichzeitig viel mitgenommen. Und die Hausaufgaben waren so, dass wir gar nicht mehr aufhören wollten, miteinander zu reden. Ich dachte immer, Christen wären alles irgendwelche Schnarchnasen, die nur lesen und beten – und habe schnell gemerkt, dass das überhaupt nicht stimmt. Wenn ich so zurückschaue, dann waren meine Zeit in der Klinik und die Hilfe von Matthias die „grobe Arbeit“ an unserer Beziehung. Das hat uns auf jeden Fall die Ehe gerettet, vielleicht sogar das Leben. Die Treffen mit Conny und Achim sind eher der „Feinschliff“. Das war genauso wichtig. Hier haben wir gelernt und eingeübt, miteinander als Paar weiterzugehen. Die beiden sind dabei so authentisch, dass wir schnell gemerkt haben: Zu denen können wir Vertrauen haben. All diese Menschen hat Gott gebraucht. Und ich staune über Gott: Seine Liebe ist überwältigend. Er hat mir neben meinen Kindern einen absolut neuen Ehemann nach seinem Herzen geschenkt. Danke für das offene Gespräch! Interview: Hauke Burgarth

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familylife

KICK OFF Beziehungen eine Chance geben

„Wenn wir Familien erreichen, erreichen wir die Welt!“ – Bill Bright

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Wie zwei Blätter Papier, die aufeinandergeklebt sind … Es ist ein starkes Bild, das Ingo Marx, Gastredner von ERF Medien in Wetzlar, an diesem Abend gebraucht, um die Ehe zu veranschaulichen. Es könnte Nähe und feste Verbundenheit ausdrücken; Ingo Marx allerdings nutzt es, um den Schmerz und irreparablen Schaden zu beschreiben, der entsteht, wenn diese zwei Blätter auseinandergerissen werden. Ehe und Scheidung. Ingo Marx kennt beides und lässt seine Zuhörer teilhaben am Abenteuer Beziehung.

Mitarbeitenden verschrieben haben. Dass sich Campus für Christus dieses Ziel auf die Fahne geschrieben hat, ist nicht neu. Schon Bill Bright, der 2003 verstorbene Gründer von Campus für Christus International, war sich sicher: „Wenn wir Familien erreichen, erreichen wir die Welt!“, weswegen Anfang der 70er-Jahre in den USA Familylife gegründet wurde. Von dort trat es seine Reise in die Welt an. Heute gibt es den Dienst in ca. 100 Ländern*, alle unter demselben Namen, weshalb jetzt auch Deutschland dieses Label übernimmt. Aus dem Arbeitszweig „Ehe und Familie“, so der bisherige Name, wurde am 1. Februar offiziell Familylife.

Samstagabend, 19 Uhr. Der Raum im Gebäude der FeG Gießen füllt sich mit Gästen. Sekt oder alkoholfreier Cocktail? Beides wird jedem neuen Besucher mit einem herzlichen Willkommen angeboten. Überall in der Lobby stehen Besucher in kleinen Grüppchen. Man plaudert und lacht – viele scheinen sich zu kennen. Wer noch niemanden zum Reden hat, geht in den Festsaal, um in angenehmes Licht getaucht auf die Dinge zu warten, die da noch kommen. Familylife, ein Arbeitsbereich von Campus für Christus, hat geladen: zum Beisammensein, zum Feiern und vor allem zum Start unter neuem Namen. „Paare stark machen“ heißt das Motto, dem sich alle

Gesichter und Geschichten Mittlerweile sitzen die Gäste im Saal und lauschen dem Programm aus Musik, Improvisationstheater, Infos und Erfahrungsberichten. Denn natürlich wird heute nicht nur ein neuer Name gefeiert, sondern auch das, was in den vergangenen Jahren durch Familylife entstanden ist. Beziehungen wurden gestärkt, manch ein Problem gelöst, hilfreiche Tipps weitergegeben und Ehen gerettet. Viktoria und Jakob z. B. befanden sich gerade am Ende einer gewaltigen Ehekrise (siehe Interview auf Seite 16), als sie sich aufrafften, den Kurs „Gemeinsam“ zu besuchen. Dabei treffen sich drei bis fünf Paare an acht Abenden, um das Buch „Gemeinsam“ durchzuarbeiten und über Themen

Menschen erleben Gott an den Grenzen ihrer eigenen Beziehungsfähigkeit.


wie „Konflikte“, „Kommunikation“, „Intimität“ und „Teamarbeit“ zu reden. Wem acht verbindliche Treffen zu viel sind, der kann auch einen einzelnen Seminartag besuchen – den Schnelldurchlauf sozusagen. Die vermittelten Inhalte sind ähnlich; der Unterschied zu dem Kurs besteht darin, dass die Paare nicht so viel Austausch untereinander haben. Constanze und Achim Gramsch kennen Viktoria und Jakob als Teilnehmer ihres Eheseminars und einer Gemeinsam-Gruppe. Sie wissen: Nicht bei allen Paaren ist der Werdegang so spektakulär, doch Positives bleibt bei den meisten Teilnehmern durch die Kurse hängen. Sich wieder näherkommen, Gesprächskultur erlernen; erleben, dass sich andere mit den gleichen Problemen herumschlagen wie man selbst – all das haben Paare in den vergangenen Jahren bei Familylife erlebt und Gutes für ihre Beziehungen dabei mitgenommen. Bis 2011 lebte Familie Gramsch in Russland. 18 Jahre lang waren sie dort im Außendienst für Campus für Christus tätig – zeitweise auch schon in der Ehearbeit. Sie haben selber den Kurs durchlaufen und hautnah erlebt, wie wichtig funktionierende Beziehungen sind, sowohl in russischen Gefilden als auch bei sich persönlich. 2016 schließlich übernah-

men die beiden die Leitung der deutschen Arbeit von Familylife. „Das, was uns hilft, hilft garantiert auch anderen“, so Constanzes pragmatisches Fazit. Sie steht ganz und gar hinter ihrem Produkt und ist ein glaubwürdiger „Werbeträger“. Das neuste Baby der Paararbeit ist familylife FIVE, ein Podcast, der kurz und knapp Anregungen für Beziehungen auf den Punkt bringt … das Ganze ist übrigens auch als Newsletter erhältlich. Ehepaar Katzmarzik nutzt den Podcast regelmäßig. „Ich find’s gut, dass er so kurz ist“, sagt er. „Er hat uns dazu gebracht, mal wieder einen Liebesbrief zu schreiben“, meint sie. Mareike und Franjo aus Augsburg haben Familylife 2018 in München kennengelernt und waren sich sofort einig, es in ihre Gemeinde bringen zu wollen. Ihnen gefiel das Material, die Ideen, das Konzept und nicht zuletzt die Mitarbeitenden von Familylife. Nach einem GemeinsamAbend und einem Tagesseminar entstanden zwei neue Gemeinsam-Kurse. Im ersten Kurs waren es nur drei Ehepaare, die teilnahmen, aber Mareike hat ihn dennoch in bester Erinnerung: „Die Abende waren wunderbar, harmonisch, interessant. Wir waren drei Paare, die unterschiedlicher nicht sein konnten. Wir selbst mit drei Kindern und zehn Ehejahren, ein Paar

recht frisch verheiratet und ohne Kinder und dann ein schon etwas älteres Paar, bei dem es für den Mann die zweite Ehe war.“ Mittlerweile werden über die teilnehmenden Paare neue Gruppen organisiert.

Stellschraube für eine gelingende Beziehung Hansjörg Forster betritt die Bühne. Er ist Schweizer, leitet die europäische Familylife-Arbeit und ist angereist, um seinen deutschen Kollegen die besten Segenswünsche mit auf den Weg zu geben. Seiner Erfahrung nach erleben viele Menschen an den Grenzen ihrer eigenen Beziehungsfähigkeit Gott. Ehe ist solch ein Terrain der Grenzerfahrungen – das würden bundesweit Hunderttausende bezeugen. Zwar ist die Scheidungsrate in Deutschland in den vergangenen zehn Jahren gesunken, zu viele sind es aber allemal noch, meint Achim Gramsch. „Trennung ist in den meisten Fällen eine Tragödie, an der die Beteiligten noch Jahre zu knabbern haben. Das sollte man so vielen wie möglich ersparen.“ Alle bei Campus für Christus sind überzeugt, dass eine Ausrichtung auf Gott eine immens wirksame Stellschraube für gelingende Beziehungen ist, auch oder vielleicht gerade in den Grenzerfahrungen. Fortsetzung auf der nächsten Seite.

lieben – scheitern – leben

Hilfe nach der Trennung

Der Kurs Lieben – Scheitern – Leben, kurz LSL, hilft Betroffenen, eine Trennung oder Scheidung zu verarbeiten. Er lebt von der Authentizität der Mitarbeitenden, die alle selbst eine Scheidung durchlebt haben. In den Kursen berichten sie ehrlich aus ihrem Leben, welche Höhen und Tiefen es gab und wie sie mit Gottes Hilfe diese Zeit überstanden haben. Der Kurs richtet sich an alle, die vor kurzer oder längerer Zeit eine Trennung oder Scheidung erlebt haben (auch die Trennung nach einer langjährigen Partnerschaft fällt darunter). Der Kurs basiert auf christlichen Werten, ist aber ausdrücklich nicht nur für Christen gedacht, sondern hilfreich, unabhängig von der persönlichen Glaubensüberzeugung. „Für mich ist es das schönste Geschenk, wenn ich ehemalige Teilnehmende nach Monaten wiedertreffe oder höre, wie sie ihren Weg gehen und wieder aufblühen – das ist ein bisschen wie die Ernte im Herbst.“ Reinhild Lorentzen, Mentorin/Kursleiterin LSL

Darum geht's Jede Scheidung stellt einen Ausnahmezustand dar, der das Selbstwertgefühl der Betroffenen schwächt. In Gemeinden ist nicht immer Verständnis zu finden, Betroffene fühlen sich ausgegrenzt und hilflos. LSL ist wie ein „Erste-Hil-

fe-Koffer“ bei einem Notfall. Es werden Schritte vermittelt, die notwendig sind, um langsam wieder heil zu werden. So läuft's An sieben Abenden oder drei Samstagen arbeiten die Teilnehmenden ein Kursheft durch. Für Kursleiter gibt es eine eigenständige Anleitung. Der Kurs ist klar aufgebaut und wird kontinuierlich aktualisiert und weiterentwickelt. Die Themen Den Folgen von Trennung und Scheidung ins Auge blicken Kommunikation und Konfliktlösung Vergebung Beziehungen pflegen zu Kindern und anderen Personen Rechtliche und ethische Fragen Ein neues Leben aufbauen Abschlussabend: gemeinsam Fortschritte feiern www.liebenscheiternleben.com

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IMPRESSUM Anzeige Garantien allerdings gibt es nicht, familylife und so schmerzhaft es ist: Es wird weiter Trennung und Scheidung geben, das ist jedem bei Familylife klar. Gerade deswegen stellt Hansjörg Forster an diesem Abend noch einmal klar: „Wir kämpfen nicht gegen, sondern für etwas.“ Also kein Gezeter über Scheidung, wilde Ehe und die ach so schlimme Welt, sondern ein Werben für ein gutes, biblisches Miteinander. Und wenn es trotz allem nicht klappt? „Wir bedauern es sehr, wenn Ehen in die Brüche gehen“, sagt Achim Gramsch. „Gottes Interesse an einem Menschen hört aber nicht jenseits seiner Ehe auf. Im Gegenteil: Wir verstehen das Evangelium so, dass Gottes Herz gerade für die Gescheiterten und Verwundeten schlägt. Wir haben festgestellt, dass Menschen, die durch eine Trennung gehen oder eine Scheidung hinter sich haben, viel Unterstützung und Hilfe brauchen. In diese Bresche steigen wir gerne ein!“ Und zwar mit dem Kurs „Lieben–Scheitern–Leben“, kurz LSL. Hier haben Betroffene Gelegenheit, in einer Gruppe konkrete Hilfestellung für ihre Situation zu bekommen. Behutsam geht es darum, den Folgen der Trennung ins Auge zu blicken und Themen wie „Vergebung“, „ein neues Leben aufbauen“, „Kontakt zu den Kindern pflegen“, „rechtliche Grundlagen verstehen“ und andere anzugehen. Der Kurs beruht auf christlichen Werten, ist aber unabhängig von der eigenen religiösen Überzeugung für jedermann hilfreich (siehe Info Seite 21). In Gießen endet der Abend mit einer Zeit der Fürbitte für die Mitarbeitenden von Familylife und einer Überraschung, die von den Veranstaltern nicht geplant war: Bevor Constanze und Achim Gramsch die Bühne verlassen können, kommen vier junge Damen zu ihnen. Es sind ihre Töchter, die nebst Blumen für die Mama ihren tiefen Respekt für die Eltern zum Ausdruck bringen. „Wir sind stolz auf euch!“, sagen sie. So gibt es zum Abschluss des Abends Family live bei Familylife. Judith Westhoff

Herausgeber: Campus für C ­ hristus e.V. Postfach 10 02 62 D-35332 Gießen Telefon: 0641 97518-0 Fax: 0641 97518-40, E-Mail: impulse@­campus-d.de Internet: campus-d.de

KICK OFF

* H T T P S : / / W W W. F A M I LY L I F E G L O B A L . C O M / A B O U T- U S / W H E R E - W E - A R E /

Angebote von Familylife: - Gemeinsam eins: ein besonderer Tag oder ein Wochenende zu zweit mit Impulsreferaten und CandleLight-Dinner. - Gemeinsam: ein Gesprächsleitfaden für Paare, die sich in einer befristeten Kleingruppe mit anderen Paaren austauschen möchten. - familylife FIVE: wöchentlicher Podcast für Paare, erhältlich als Newsletter oder über Podcastanbieter. - „Beziehungsstark” von Marc Bareth: fasst viele Inputs aus dem Podcast in Buchform zusammen. 14,99 Euro. Erhältlich in jeder Buchhandlung und direkt bei Campus für Christus. - Elternblog: wöchentlicher Newsletter mit Ermutigung und Tipps für Eltern. Weitere Infos unter familylife.de

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Redaktion: Hauke Burgarth, Julia Spanka, ­Nathalie Steinhauer, ­ Judith ­Westhoff Gestaltung: Nathalie Steinhauer, Judith Westhoff Druck: Welpdruck, Wiehl, ­gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier Erscheinungsweise: ­vierteljährlich

Rainer Ragette machte auch als Pastor viele Jahre einen Bogen um das letzte Buch der Bibel: zu kompliziert, verwirrend, kontrovers. Aber: Brachte er damit sich und seine Gemeinde nicht um verheißenen Segen? (Off 1,3). Dieses Buch ist das Ergebnis seines jahrelangen Studiums der Offenbarung. Und es macht deutlich, dass die Offenbarung keine düstere Endzeitvision, sondern ein Buch des Trostes und der Hoffnung ist. Stimmen zum Buch „Ein tolles Hilfsmittel zur gemeinsamen Erarbeitung dieses durchaus nicht immer leicht zu verstehenden biblischen Buches.“ Dr. Frank Hin-

kelmann (Präsident der Europäischen Evangelischen Allianz)

„Das Buch fasziniert durch eine ausgewogene, durchdachte Auslegung, … auch für Prediger ist das Buch sehr hilfreich.“ Richard Moosheer (Rektor der Evangelikalen Akademie Wien)

„Das Buch ist gut zu verstehen (auch ohne theologisches Fachwissen), und durch die hilfreichen Anleitungsfragen wird das Thema der Offenbarung lebensnah und praktisch gemacht.“ Monika Giefing (Hausfrau)

Die Geheimnisse der Offenbarung entdecken, Rainer Ragette 213 Seiten, Softcover, ISBN 978-3-20006464-5 18,70 Euro (erhältlich in jeder Buchhandlung und bei Amazon)

Konto: Campus für Christus, Volksbank Mittel­hessen IBAN DE30 5139 0000 0050 1688 08, BIC VBMHDE5FXXX Anzeigenverwaltung: René Adam Tel. 06439 2 299 078 campus@rene-adam.com Vertrieb: Campus für ­Christus Abdruck: Abdruck bzw. ­auszugsweise ­Wiedergabe von Textbeiträgen, ­Illustra­tionen und Fotos nur mit Genehmigung des ­Herausgebers ­gestattet. Bildnachweis: Bildnachweis am Foto. Ansonsten privat oder Campus-für-Christus-Archiv. Cover: istockphoto Campus für Christus versteht sich als Missions­bewegung mit den Schwerpunkten Evangelisation, ­Anleitung zu Jüngerschaft und Gebet. GAiN gGmbH ist der Partner von ­Campus für Christus für ­humanitäre ­Hilfe. ­ orstand: V Andreas Boppart, Kurt Burgherr, Andreas Fürbringer, Raphael Funck, Florian Stielper Campus für Christus ist der ­deutsche Zweig von ­Agape Europe. Ein Hinweis für ­unsere ­Bezieher: Die Deutsche Post AG geht davon aus, dass Sie mit ­einer Mitteilung Ihrer Adress­änderung an uns einverstanden sind, wenn Sie nicht bei uns ­schriflich ­Ihren Widerspruch anmelden. Wir werden Ihren Wider­spruch an die zuständigen Zustellpost­ ämter ­weiterleiten. Datenschutz: Unsere aktuelle Datenschutzerklärung finden Sie unter www.campus-d.de/ datenschutz


Hoffnung trotz Corona Mein Leben als Risikopatientin F O T O : C L A U D I A D E WA L D

Katja Winter ist 37 Jahre alt. Sie ist glücklich verheiratet und Mutter von vier Kindern. Ihr Mann arbeitet bei GAiN. Die gelernte Erzieherin ist leidenschaftliche Köchin und Bäckerin. Diejenige mit dem grünen Daumen in der Familie. Vitamin-D-Junkie, Musikliebhaberin … und sie gehört zur Risikogruppe, deren Leben von Covid-19 bedroht ist. Sie erzählt:

Vor 19 Jahren wurde bei mir eine sehr seltene Blutkrebserkrankung festgestellt. Damals gehörte ich noch zu den Kuriositäten und man hatte nicht einmal einen Namen für meine Krankheit. Dank der Forschung und unermüdlicher, grandios begabter Menschen kann ich heute leben. Mit zwei leiblichen, zwei Pflegekindern und einem wunderbaren Mann. Ich treibe Sport, reise in ferne Länder, spiele und lache mit meinen Kindern, gehe mit meinem Mann zu Konzerten und fühle mich nicht mal ansatzweise schwer krank. Seit Covid-19 ist das anders. Die letzten Wochen haben viel verändert; gedanklich, perspektivisch, situativ.

Die Uhr steht still Ich bin zu Hause. Und zwar ohne Ausnahme. Meine Kinder übrigens auch und mein Mann. Vor vier Jahren sind wir in unser eigenes Haus gezogen und haben einen großzügigen Garten. So gesehen büßen wir gerade nicht viel ein. Ganz im Gegenteil, wir genießen unsere gemeinsamen Momente. In den letzten Jahren waren mein Mann und ich immer wieder gehetzt und getrieben vom Alltag mit seinen Terminen. Zurzeit steht die Uhr still und ich bin dankbar für diese Chance. Ja,

ich weiß, viele Menschen leiden, leiden sogar sehr stark. Und ich weiß auch, dass wir nur zu Hause bleiben können, weil andere für uns die Stellung halten. Danke, ihr seid ein riesengroßes Geschenk!

Und wo ist Gott? Ich weiß nicht, ob ich die nächsten Wochen oder Monate überleben werde. Ich will mir auch gar nicht so viele Gedanken darüber machen. Zu oft in meinem Leben sollte ich schon Abschied nehmen oder mir zumindest darüber im Klaren sein, bald zu gehen. Doch jetzt bin ich hier und dieses Jetzt zählt. Mit meinen Kindern lachen. Ihnen immer wieder sagen, dass ich sie liebe. Dass ich meinen Mann liebe und ihn das spüren lasse. Viele fragen, wo Gott in dieser ganzen Not ist? Er ist da! In den ganzen kleinen Dingen, die sonst so oft vom Alltag verschluckt werden. Er ist da, wenn ich meinen kleinen, geistig beeinträchtigten Sohn auf der Schaukel anschubse und er vor Freude und Lachen Muskelkater im Bauch bekommt. Er ist da, wenn wir mit unseren zwei großen Kindern zusammen am Lagerfeuer sitzen und schlechte Witze erzählen. Er ist da, wenn unser Jüngster um sechs Uhr morgens laut singend alle Men-

schen in unserem Haus mit seinem „Kackilied“ weckt. Er ist da, wenn mir meine Freundin Hafermilch vorbeibringt, damit ich nach fünf Tagen endlich meinen ersten Morgenkaffee genießen kann. Er ist da in der Umarmung, die ich meinem kleinen Sohn gebe, der sich so sehr Pancakes zum Frühstück gewünscht hatte und doch nur Brot bekommt. Er ist da in den tiefen Gesprächen, die ich mit meinem Mann über Träume, Sehnsüchte, Wünsche und den Alltag führe. Er ist da in jedem Hoch und Tief. Und er wird da sein, wenn ich es nicht mehr bin. Das ist meine Gewissheit. Mein Trost. Meine Hoffnung. Mein Frieden. Im 2. Korintherbrief 5, 1–10 beschreibt Paulus, was mit unserem Leib geschieht. Er beschreibt seine Sehnsucht nach Gott und seine Zerrissenheit. Und er hilft mir dabei, meinen Fokus neu auf ihn auszurichten: „Ganz gleich, ob wir nun bei ihm sind oder noch auf dieser Erde leben, es kommt nur darauf an, alles zu tun, was Gott gefällt“ (Vers 9). Ich will Zeugnis sein. Ich will nach Gottes Herzen handeln, ganz gleich, wie viel Zeit mir auf dieser wunderschönen Erde geschenkt wurde. Katja Winter

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Postfach 10 02 62 35332 Gießen www.campus-d.de

Große Unternehmen haben eine Müllpresse - wir haben Kyrill. Natürlich steht der Familienpapa und Logistiker von GAiN nicht jeden Tag in der Tonne, aber es macht ihm schon Spaß, an einem großen Aufräumtag für Platz beim Altpapier zu sorgen.


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