Caritas-Magazin Juni 2024

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Liebe Leserin, lieber Leser

«Ihre Spende wird stets so eingesetzt, dass wir die grösstmögliche Wirkung damit erzielen.»

Alles wird teurer in der Schweiz. Seit im Herbst 2023 Prämienerhöhungen um über 8 Prozent angekündigt wurden und im Dezember der Referenzzinssatz ein weiteres Mal anstieg, ist die Lage akut: Das Thema ist in den Medien und auf dem politischen Parkett präsent, und das ist enorm wichtig! Eine klare Strategie gegen Armut hatte in der Politik jüngst leider zu wenig Relevanz, was kurzsichtig ist, auch aus wirtschaftlicher Sicht. Es braucht koordinierte Massnahmen über die Institutionen und ihre Zielgruppen hinaus. Vorschläge dazu machen wir im Positionspapier «Würdige Existenzsicherung für alle». Von der aktuellen Lage betroffen ist auch Fitsum, den wir Ihnen in der Reportage vorstellen.

Nun ein Blick ins Ausland, nach Gaza. Es muss Humanitäre Hilfe in den Gazastreifen gelangen, alles andere ist nicht tolerierbar! Caritas und viele andere Hilfswerke haben grosse Schwierigkeiten, Zugang zu Bedürftigen zu erhalten und so die nötige operative Hilfe zu leisten. Auf Seite 11 zeigen wir Ihnen, wie die Teams vor Ort – ihrerseits vom Krieg betroffen – in enger Zusammenarbeit mit lokalen Partnern es allen Hindernissen zum Trotz schaffen, Lebensmittel, Zelte und kleine Bargeldbeträge zu verteilen.

In der Ukraine können wir auf ein breit aufgestelltes Caritas-Netzwerk zählen – ein Beispiel finden Sie auf Seite 10. Die aktuelle Diskussion um die Finanzierung der Internationalen Zusammenarbeit der Schweiz bringt uns hier aber in ein Dilemma: Der Bundesrat will richtigerweise mehr Gelder für die Ukraine bereitstellen. Nur sind dies keine zusätzlichen Mittel – sie gehen zulasten anderer Länder im Globalen Süden. Diese Lösung ist für uns nicht tragbar und wir setzen uns für eine starke und faire Entwicklungszusammenarbeit ein.

Zum Schluss, liebe Spenderinnen und Spender, möchte ich mich aufrichtig für ihr Vertrauen bedanken. Ihre Unterstützung ist ein wichtiger Grundpfeiler unserer Arbeit, die den Menschen in der Schweiz und weltweit zugutekommt. Ihre Spende wird stets so eingesetzt, dass wir die grösstmögliche Wirkung damit erzielen. Dazu messen wir den Effekt unserer Aktivitäten laufend und passen sie entsprechend an. Danke, dass Sie diesen Weg mit uns gehen.

Herzliche Grüsse,

Peter Lack

Direktor Caritas Schweiz

Bild: Alexandra Wey Offener Brief 2

Notlage auf dem Wohnungsmarkt

Fitsum und Wezenet leben mit ihrem 2-jährigen Sohn Yafet in einem 30-Quadratmeter-Studio. Seit zehn Monaten sind sie auf der Suche nach der Nadel im Heuhaufen: einer bezahlbaren Wohnung. In der Stadt Zürich stehen gerade mal 6 von 10 000 Wohnungen leer. Seite 6

11 Brennpunkt: Kooperation ist angesagt in Gaza

Hilfe leisten ist in Gaza aktuell schwierig. Die enge Zusammenarbeit mit den lokalen Partnerorganisationen ist deshalb überlebenswichtig.

12 Menschen: Fünf neue Asylzentren in Zürich

Innert vier Monaten übernahm Caritas Schweiz im Kanton Zürich fünf Asylzentren. Giuseppe Sollazzi leitet das Mandat und erzählt im Interview von dieser Herkulesaufgabe.

13 Schweiz: Patenschaften verändern Leben

Claudia Künzli begleitet die achtjährige Tashima als Patin im Programm «mit mir» durch ihre Kindheit.

IMPRESSUM

Das Magazin von Caritas Schweiz erscheint sechsmal im Jahr. Herausgeberin ist Caritas Schweiz, Kommunikation und Marketing, Adligenswilerstr. 15, Postfach, 6002 Luzern, E-Mail: info@caritas.ch, www.caritas.ch, Tel. +41 41 419 22 22

Redaktion: Laura Scheiderer (ls); Livia Leykauf (ll); Vérène Morisod (vm); Daria Jenni (dj); Fabrice Boulé (fb); Niels Jost (nj); Reto Schefer (rs)

Das Abonnement kostet fünf Franken pro Jahr und wird einmalig von Ihrer Spende abgezogen. Grafik: Urban Fischer Titelbild: Simón Aurel Schwarz Druckerei: Kyburz, Dielsdorf Papier: 100 % Recycling Spendenkonto: IBAN CH69 0900 0000 6000 7000 4

Nachhaltig produziert

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Inhalt
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«Die

freiwilligen Helferinnen und Helfer sorgen für frischen Wind!»

Die Bewirtschaftung eines Bauernhofs in einer Bergregion ist eine Herkulesaufgabe. Deshalb erhält Céline Petermann auf ihrem Hof im Delémont-Tal Unterstützung von Freiwilligen, im Rahmen des Programms «Caritas-Bergeinsatz».

Céline Petermann betreibt ihren Bio-Bergbauernhof im Vallée de Delémont allein. Die Unterstützung der freiwilligen Helferinnen und Helfer der Caritas schätzt sie daher ganz besonders.

«Ich liebe die Einstellung der Freiwilligen vom Caritas-Bergeinsatz», sagt Céline Petermann begeistert. «Sie sind offen und lassen sich auf alles ein, was ansteht –einfach toll!»

Céline Petermann (49), hat vor fünf Jahren den Pachtvertrag für den 50 Hektar grossen Bio-Hof ihrer Eltern im Delémont-Tal auf 700 Metern Höhe übernommen. Sie bewirtschaftet den Hof, auf dem sie Mutterkuhhaltung betreibt und insgesamt rund 40 Rinder hält, allein. An Arbeit mangelt es nie.

«Eine Schule fürs Leben»

Auch wenn sie auf die Unterstützung ihrer Angehörigen zählen kann, schätzt die Bäuerin die Hilfe der Freiwilligen vom Caritas-Bergeinsatz sehr. Einer von ihnen ist der 59-jährige Jean-Marc Burgan, der

sie im vergangenen Sommer tatkräftig unterstützt hat. «Die Bäuerinnen und Bauern haben enorm viel Arbeit und sind oft allein.» Für Jean-Marc war der Einsatz eine bereichernde Erfahrung. «Es ist eine Schule fürs Leben. Bäuerinnen und Bauern sind aufrichtige Menschen.» Für ihn ist so ein Bergeinsatz auch «eine Begegnung auf zwischenmenschlicher Ebene». Die Arbeitstage sind lang, doch «man ist im Grünen an der frischen Luft, und das ist auch Erholung».

«Jean-Marc hat viel Gestrüpp und Brombeeren entfernt. Er nahm mir ab, was ich körperlich nicht konnte», so Céline Petermann. «Man muss schon körperlich fit sein», betont Jean-Marc. «Es gibt enorm viel zu tun. Aber selbst das Übernehmen kleiner Arbeiten entlastet Céline.»

Die Kraft haben, um Hilfe zu bitten Als Bäuerin arbeitet man sieben Tage die Woche, hat eine Vielzahl an Aufgaben zu bewältigen und ist auch Unternehmerin, soviel haben wir verstanden. Viele Bäuerinnen und Bauern laufen heute deshalb Gefahr, sich in einem Strudel von Arbeit zu verlieren und in ein Burnout zu geraten. «Ist man erstmal in einem Zustand körperlicher und mentaler Überforderung, hat man kaum die Kraft, um Hilfe zu bitten», sagt Céline Petermann. «Es braucht einen Mentalitätswandel: In der Landwirtschaft sollte es ganz selbstverständlich sein, um Hilfe zu bitten», betonte sie. Genau hier kommen die Freiwilligen von Caritas-Bergeinsatz zum Zug. «Sie bringen frischen Wind», so Céline Petermann lächelnd. (vm)

Medienecho

SRF Schweizer Radio und Fernsehen | «Teils stehe ich Ende Monat nur mit einem Fünfliber im Laden» | 22. 3. 2024 Das Leben in der Schweiz ist in der letzten Zeit teurer geworden. Dies trifft auch Mittelstandsfamilien, die spätestens gegen Ende des Monats tiefer ins Portemonnaie schauen müssen. (…) Andreas Lustenberger, Geschäftsleitungsmitglied der Caritas, berichtet von seinen Erfahrungen: «Immer mehr Menschen, die arbeiten, kommen heute nur noch knapp über die Runden».

Schaffhauser Nachrichten | «Armut bleibt für Schweizer Verhältnisse hoch» | 27. 3. 2024 Angesichts der gestern publizierten Informationen zur Armut in der Schweiz appelliert das Hilfswerk Caritas an Bund, Kantone und Gemeinden, es verlangt ein gezieltes Vorgehen. «Der Politik ist es bis anhin nicht gelungen, genügende Massnahmen gegen den Anstieg der Lebenskosten zu ergreifen», sagt Aline Masé, welche die Fachstelle Sozialpolitik bei Caritas Schweiz leitet.

Weitere Informationen: bergeinsatz.ch

Watson.ch | Wunder wiederholen sich selten: Die Prämieninitiative wird es schwer haben | 18. 4. 2024 Die Prämienentlastungs-Initiative der SP zielt auf die grösste Sorge in der Bevölkerung: die stetig steigenden Krankenkassenprämien. Diese sollen bei 10 Prozent des verfügbaren Einkommens gedeckelt werden (…). Die Initiative trifft einen Nerv, denn für Haushalte mit tiefen Einkommen wird die Prämienlast untragbar. Sie würden hohe Franchisen wählen, um Geld zu sparen, sagte Peter Lack von Caritas Schweiz an der Medienkonferenz des Ja-Komitees am Mittwoch. Am Ende würden «aus Angst vor den Rechnungen» selbst notwendige Behandlungen herausgeschoben.

Echo
Bild : zVg 4

Mali kämpft gegen den Klimawandel

Die Menschen in Mali kämpfen mit diversen Problemen, die Klimakrise ist nur eines davon. Die lokale Landwirtschaft muss sich den veränderten Bedingungen anpassen, um ihre Ernten zu sichern. Die Caritas unterstützt die Menschen dabei.

Die letzten Ernten in der Region Kita waren gut – zum Glück. Denn die meiste Zeit kämpfen die Bäuerinnen und Bauern in Mali entweder gegen immer häufigere und heftiger werdende Unwetter oder aber mit

«Wir haben viel gelernt in den Schulungen. Jetzt müssen wir die verfügbaren Mittel effizient nutzen.»

dem Gegenteil: Wassermangel. Das ist ein grosses Problem, denn rund 70 Prozent der Bevölkerung in Mali leben von der Landwirtschaft, fast die Hälfte ist bitterarm. Schuld sind der Klimawandel, Konflikte und sicherheitspolitische Instabilität.

Verarbeitete Lebensmittel bringen mehr Gewinn

Die Caritas stellt Kleinbäuerinnen und Kleinbauern in der Region Kita kleine

Maschinen zur Verfügung, mit denen sie ihre geernteten Lebensmittel wie Erdnüsse oder Mais selbst verarbeiten und dann zu einem besseren Preis verkaufen können. Mit den Einnahmen kaufen sie wiederum Sorghum und Hirse, falls die selbst angebauten Lebensmittel nicht ausreichen. Im Verarbeitungszentrum im Dorf können sie zudem Schulungen besuchen. Vor Kurzem wurden im Rahmen des Projekts, das auch von Caritas Luxemburg sowie der Luxemburger Direktion für Zusammenarbeit unterstützt wird, zwei weitere solche Zentren eröffnet.

Dem Hunger entkommen

Es sind vor allem Frauen, die im Projekt arbeiten, zum Beispiel Fanta Diakité. Sie ist Mutter von sechs Kindern zwischen 13 und 24 Jahren und lebt im Dorf Bougaribaya. Die 54-Jährige hat keine Angst vor Veränderungen: Sie hat eine landwirt -

schaftliche Kooperative mitgegründet und präsidiert diese.

«Bis jetzt sehen wir nur kleine Fortschritte», meint Fanta. «Der Verkauf meiner verarbeiteten Produkte ist noch gering, aber ich hoffe sehr, dass er in den nächsten Jahren steigt.» Bis sich die Lage verbessert, müssen die ältesten Söhne der Familie im Goldabbau arbeiten. Gerade deshalb freut sich Fanta sehr über das neue Verarbeitungszentrum im Dorf: «Wir haben viel gelernt in den Schulungen. Jetzt müssen wir uns innerhalb der Kooperative organisieren und die verfügbaren Mittel möglichst effizient nutzen.» (fb)

Schweiz darf Klimaverantwortung nicht ins Ausland abschieben Ein in Mali lebender Mensch verursacht 45-mal weniger Treibhausgasemissionen als jemand in der Schweiz. Damit trägt er viel weniger Verantwortung am Klimawandel und leidet doch mehr unter dessen Folgen. Trotzdem will das Parlament Schweizer Emissionen im globalen Süden kompensieren, wie es in der Frühlingssession entschied. Wieso das kein guter Plan ist, steht in unserem neuen klimapolitischen Positionspapier.

Weitere Informationen: caritas.ch/klimakompensation

Bilder:
John Kalapo, Bréhima Coulibaly
Weltweit
Fanta Diakité (54) ist Teil des Caritas-Projekts in der Region Kita in Mali.
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Mithilfe kleiner Maschinen können die Bäuerinnen und Bauern in diesem Projekt in Mali ihre Ernte verarbeiten und so zu einem höheren Preis verkaufen.

Wohnen ist ein Menschenrecht

Text: Laura Scheiderer

Bilder: Simón Aurel Schwarz

Fitsum ist seit 10 Monaten auf Wohnungs suche und war schon an über 40 Besichtigungen. Der Wohnungsmarkt ist ausgetrocknet und wird für immer mehr Menschen zum ernsthaften Problem.

Reportage

Fitsum und Wezenet kennen sich seit ihrer Kindheit. Sieben Jahre waren sie getrennt, bis Wezenet mit dem gemeinsamen Sohn Yafet über den Familiennachzug in die Schweiz reisen konnte.

Die Mieten und Energiepreise steigen markant und die Wohnungsnot ist grösser denn je. Das spüren auch Fitsum und seine Familie. Zu dritt leben sie in einem Studio mit 30 Quadratmetern und suchen nach der Nadel im Heuhaufen: einer bezahlbaren Wohnung.

Über eine Stunde beobachtet der kleine Yafet das Gespräch seiner Eltern bei der Wohnberatung. Er ist geduldig für ein

« Wir warten immer darauf, dass Yafet einschläft, sodass ich für die Schule und Wezenet für den Deutschkurs lernen kann. »

zweijähriges Kind. Jedes an ihn gerichtete Wort, jeden Blick, beantwortet er mit einem bestechend verschmitzten Lachen, bei dem seine weissen Milchzähn-

chen hervorblitzen. Zwei davon hatte er schon bei der Geburt, erzählen seine Eltern schmunzelnd.

Seine Eltern, das sind Fitsum und Wezenet. Sie haben einen langen Weg hinter sich und suchen nun ein Familienzuhause in Zürich. Ein einfacher Wunsch? Mitnichten.

Von Addis Abeba an den Zürcher Wohnungsmarkt

Das junge Paar kennt sich seit der Kindheit, sie sind zusammen in Eritrea aufgewachsen. 2016 flüchtete der damals 20-jährige Fitsum in die Schweiz. 2022, nach fünf Jahren der Trennung, konnten sich die beiden in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba wieder-

sehen, um zu heiraten. Fitsum musste aber vorerst allein in die Schweiz zurückkehren.

Der junge Mann hat hier schnell Deutsch gelernt. Vor zwei Jahren konnte er eine Lehre als Logistiker starten, die er nächstes Jahr abschliesst. Zeitgleich mit dem Start der Ausbildung bezog er seine erste eigene Wohnung in der Schweiz: ein Studio mit 30 Quadratmetern am Stadtrand von Zürich. Der Ausbaustandard ist alt und der Backofen defekt – doch für Fitsum allein reichte es vollkommen. Im Oktober 2023 konnten dann endlich seine Frau Wezenet und der kleine Yafet über den Familiennachzug in die Schweiz kommen – ein grosser Glücksmoment für die junge Familie.

Was das Glück trübt, ist die Suche nach einer Familienwohnung. Seit neun Monaten lebt das Paar mit dem kleinen Yafet im gedrängten 30-Quadratmeter-

Reportage
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Fitsum sucht eine 3-Zimmer-Wohnung für sich und seine Familie für 1650 Franken. Im Programm WohnFit der Caritas Zürich erhält er Unterstützung bei der Suche.

Studio. Amüsiert erzählt Fitsum: «Wir warten immer darauf, dass Yafet einschläft, sodass ich für die Schule und Wezenet für den Deutschkurs lernen kann.»

Einen Rückzugsort gibt es unter diesen Umständen nicht. Sie baten auch darum, das Gespräch für diesen Beitrag nicht bei ihnen zuhause zu machen, es sei zu eng.

« Für Menschen mit geringem finanziellen Handlungsspielraum ist es quasi unmöglich, eine zahlbare Wohnung zu finden. »

Eine Suche nach der Nadel im Heuhaufen

Während zehn Monaten Wohnungssuche hat Fitsum über 40 Wohnungen besichtigt.

Für wie viele er sich beworben hat, aber abgelehnt und nicht mal zur Besichtigung ein-

geladen wurde, kann er nicht mehr zählen.

Die Suche ist nervenaufreibend und kostet Fitsum Zeit und Energie. Mit seiner Lehre ist er in einem 100 % Pensum beschäftigt – von den Familienpflichten noch abgesehen. Wohnungen sind oft nur einige Stunden ausgeschrieben, sodass er theoretisch ständig am Handy sein müsste, um die wenigen passenden Angebote nicht zu versäumen.

Der Wohnungsmarkt grenzt aus Wezenet und Fitsum suchen eine 3-Zimmer-Wohnung in der Stadt Zürich für maximal 1650 Franken – das ist die Limite der sozialen Dienste. Passende Angebote gibt es, wenn überhaupt, nur in Wohnbaugenossenschaften. Und dort stehen die nächsten Hürden: Wer Mitglied werden will, muss Anteilsscheine kaufen. Dazu fehlt vielen Menschen das nötige finanzielle Polster. Einige Genossenschaften vergeben ihre Wohnungen zudem entsprechend der Mitgliedsjahre, was den Zugang für Neuzugezogene stark erschwert. Eine weitere Option auf eine zahlbare Wohnung sind Liegenschaften,

die der Stadt gehören. Doch dort bewerben sich teilweise bis zu 200 Parteien auf eine ausgeschriebene Wohnung – entsprechend klein sind die Chancen.

Nebst dem schmalen Budget erschweren weitere Faktoren die Suche nach einer angemessenen Wohnung. Fitsum hat ein kleines Kind, einen Migrationshintergrund, bezieht während der Lehre ergänzende Sozialhilfe für Wezenet und Yafet, und verfügt auch nicht über hilfreiches «Vitamin B» bei der Wohnungssuche. All diese Faktoren erschweren die Wohnungssuche für ihn – ganz unabhängig von der Lage auf dem Markt.

Steigende Mieten sind ein neuer Risikofaktor für das Abrutschen in die Armut

Der Schweizer Wohnungsmarkt ist ausgetrocknet und überteuert. In der Stadt Zürich lag die Leerwohnungsquote im Juni 2023 bei 0,06 Prozent. Das bedeutet, dass auf 10 000 Wohnungen nur sechs leer stehen, Eigentumswohnungen eingeschlossen. Im Juni und im Dezember 2023 wurde gleich zwei Mal

Reportage
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der hypothekarische Referenzzinssatz angehoben. Das ermöglicht jeweils eine Erhöhung des Mietzinses um 3 Prozent. Zudem sind die Energiepreise und damit die Nebenkosten in die Höhe geschnellt. Gerade für Menschen mit geringem finanziellem Handlungsspielraum ist es unter diesen Umständen quasi unmöglich, eine neue, tragbare Wohnung zu finden. Die Situation droht sich in den kommenden Jahren weiter zu verschärfen.

Gemäss Berechnungen dürften im Jahr 2026 rund 50 000 Wohnungen auf dem Markt fehlen.

Positionspapier von Caritas Schweiz zeigt Lösungen auf

Anlässlich dieser prekären Lage wird Caritas Schweiz noch im Juni ein Positionspapier veröffentlichen. Sie fordert die Politik auf, kurzfristig mit gezielten Hilfestellungen in Notlagen Hand zu bieten

und langfristig die politischen Weichen so zu stellen, dass in der Schweiz alle Personen die Möglichkeit auf eine würdige Wohnsituation haben – auch Wezenet, Fitsum und Yafet. Wohnen ist nicht umsonst ein Menschenrecht.

Weitere Informationen: caritas.ch/fitsum

Das Ziel unserer Arbeit ist Chancengerechtigkeit, sodass niemand am Wohnungsmarkt benachteiligt ist

Interview mit Sozialarbeiterin Sheila Löwy

Sheila Löwy vom Projekt WohnFit der Caritas Zürich berät und begleitet Fitsum und seine Familie bei der Wohnungssuche. Im Interview erzählt sie, wie das genau geht.

Sheila, wie hast du Fitsum kennengelernt?

Fitsum hatte selbst im Internet nach Unterstützung gesucht und sich über die Website bei unserem Angebot WohnFit angemeldet. Das sagt schon viel über seine Ausgangslage aus: Fitsum bringt viele Ressourcen und Initiative mit. Er besitzt einen Laptop und kann ihn benutzen, spricht gut Deutsch, und durchschaut das System Schweiz so gut, dass er sich selbst Hilfe suchen kann. Die allermeisten unserer Klientinnen und Klienten werden über andere Beratungsangebote oder Netzwerke an uns vermittelt.

Wie unterstützt du ihn bei der Wohnungssuche?

Mit unseren Angeboten möchten wir allfällige Defizite unserer Klientinnen und Klienten ausgleichen und ihre Selbständigkeit stärken. Ziel ist, dass sie am Wohnungsmarkt nicht benachteiligt sind und Chancengerechtigkeit hergestellt wird.

« Fitsum bringt viele Ressourcen und Initiative mit. »

Bei Fitsum war eine Beratung angezeigt. Ich habe ihm einige zusätzliche Immobilienplattformen gezeigt, zum Beispiel von Wohnbaugenossenschaften und jene der Stadt Zürich. Zudem haben wir seinen Bewerbungsbrief – den er schon hatte – etwas überarbeitet und zusammen überprüft, ob er sicher alle Unterlagen bereit hat. Mir war klar, wenn ich ihm etwas zeige und erkläre, kann er das nachher gut selbst umsetzen.

Gibt es auch andere Fälle?

Die Alternative wäre ein Coaching in einem sogenannten Tandem gewesen. Hierbei werden die Klientinnen und Klienten über einen Zeitraum von sechs bis neun Monaten von Freiwilligen begleitet. Das ist notwendig, wenn weniger Ressourcen vorhanden sind als bei Fitsum.

Wie spürt ihr die aktuell verschärfte Situation?

Die Situation spitzte sich in den letzten Monaten eindeutig zu. Bei unserer Zielgruppe spüren wir das aber nur bedingt, denn: Für Menschen, die an der Armutsgrenze leben, ist die Situation schon sehr lange so. Durch die gesamtwirtschaftliche Verschlechterung betrifft es jetzt einfach einen grösseren Teil der Bevölkerung. Einen Teil, der mehr öffentliches Interesse geniesst. Doch es ist gut und wichtig, dass die Problematik jetzt mehr Sichtbarkeit erhält und sich etwas bewegt.

Reportage
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Wenn die schlimmsten Erinnerungen

wieder hochkommen

Valentyna Tkachenko wurde im Zweiten Weltkrieg geboren. Sie erinnert sich noch an die Zerstörung und Not. Sie hoffte auf einen ruhigen Lebensabend in ihrer kleinen Wohnung in Zaporizhzhia. Doch der Angriff der russischen Armee auf die Ukraine änderte alles.

«An die Sirenen war ich gewöhnt. Seit zwei Jahren heulten sie ständig, ohne dass etwas passierte. Aber an diesem Tag ging es ganz schnell», erinnert sich Valentyna Tkachenko. «Ich lief gerade von der Küche ins Schlafzimmer, als ein ohrenbetäubender Lärm ertönte und wenige Sekunden später die Fensterscheiben zerbarsten.» Die 84-Jährige schildert, wie die Bilder von der Wand krachten und liebevoll angeordnete Gegenstände aus

der offenen Vitrine fielen. In der Wohnung herrschte totales Chaos. Gut, sagt Valentyna, hatten ihre hochschwangere Enkeltochter und deren Freund bei seinen Eltern übernachtet.

So schnell wie möglich wieder in die eigenen vier Wände Äusserlich blieb Valentyna bei dem Raketenangriff unverletzt, aber der Schreck sass so tief, dass sie nicht aufhörte zu

zittern. «Zehn Tage lang», so erzählt sie, «konnte ich kaum eine Tasse in der Hand halten.» Valentyna und die vier Familienmitglieder, die mit ihr die Wohnung teilen, kamen bei Freunden und Bekannten unter. Die alte Dame nahm nur eine Tüte mit Dokumenten, Medikamenten und etwas Wechselwäsche mit, sonst nichts. Sie will so schnell wie möglich wieder zurück in ihre eigenen vier Wände.

Ein wichtiger Schritt in diese Richtung ist, dass die Stadtverwaltung die fehlenden Fenster mit Pressspanplatten abgedichtet hat. Zwar ist es jetzt in der Wohnung dunkel und es zieht durch die Ritzen, aber das hält Valentyna nicht davon ab, fast jeden Tag für mehrere Stunden nach Hause zu gehen. Dann setzt sie sich –wenn es sein muss auch im Mantel – auf ihr Sofa und wartet, ob sich ihre Katze «Sonnenschein» hervortraut. Das Tier ist seit der Explosion völlig verängstigt.

Ein Wunsch für den Urenkel Wenige Tage nach dem Unglück klopfte das Team von Caritas Zaporizhzhia an Valentynas Tür. Sie fragten in der ganzen Nachbarschaft, wie es den Menschen geht und welche Schäden die Explosion

«Zehn Tage lang konnte ich kaum eine Tasse in der Hand halten.»

bei ihnen verursacht hat. Die Mitarbeitenden der Caritas verteilten kleine Bargeldbeträge für notwendige Anschaffungen. Etwa zwei Wochen später kamen Ingenieure der Caritas ins Hochhaus, um die Fenster zu vermessen. Valentyna hätte keine finanziellen Mittel, die zu Bruch gegangene Fensterfront zu ersetzen. Jetzt treibt sie die Reparaturarbeiten voran, damit alles fertig ist, wenn ihr Urenkel auf die Welt kommt. «Er soll hier aufwachsen können. Und ich hoffe, im Frieden.» (ll)

Bild: Valentyn Kliushnyk Brennpunkt Am Puls
aus der Ukraine: caritas.ch/olena 10
Valentyna Tkachenko vor ihrem demolierten Zuhause. Die Fensterfront zerbarst, als in der Nähe eine Bombe explodierte.
Mehr

Wann immer möglich, verteilt die Caritas über ihre Partnerorganisationen Decken, Planen und Bargeld an die Bevölkerung im Gazastreifen.

Seit Monaten leben die Geflüchteten im Gazastreifen in Zeltlagern.

Jeder Tag bringt neue Herausforderungen

Seit dem brutalen Überfall der Hamas auf Israel ist die Situation im Gazastreifen aus humanitärer Sicht dramatisch. Gleichzeitig ist sie politisch so komplex und volatil, dass es eine grosse Herausforderung ist, die dringend benötigten Hilfsprogramme umzusetzen.

«Wir müssen uns jeden Tag auf neue Bedingungen einstellen», erklärt Patricia Kröll, die bei Caritas Schweiz für das Nothilfeprogramm im Gazastreifen zuständig ist Ende Mai im Gespräch. «Es lässt

«Um der notleidenden Bevölkerung nahe zu sein, passen die Partner die Projekte ständig an.»

sich nicht abschätzen, wie sich die Situation zwischen Angriff und Frieden entwickelt. Phasenweise kommt mehr Hilfe in die Region – bei weitem aber nicht genug für den riesigen Bedarf.» Die Verteilung bleibt komplex, weiss die KatastrophenExpertin. Zum einen lässt sich nicht vorhersagen, wie lange die Lastwagen an der Grenze warten müssen, bevor sie in den Gazastreifen fahren dürfen. Zum anderen sind durch die Bombardierungen viele Strassen und Verbindungen zerstört, die

Kommunikationssysteme fallen häufig aus und die Zusammenarbeit mit den Behörden ist auf beiden Seiten schwierig. Unter diesen Bedingungen, so Patricia Kröll, ist es besonders wichtig, eng mit lokalen Partnerorganisationen zusammenzuarbeiten. «Sie kennen die Strukturen, sprechen die Sprache und sind gut vernetzt.»

Kindern Raum geben

Im Gazastreifen arbeitet Caritas Schweiz mit Caritas Jerusalem und Catholic Relief Services (CRS) zusammen. Die langjährigen Partnerschaften bewähren sich jetzt im humanitären Notstand. Trotz aller Herausforderungen gelingt es den Mitarbeitenden, Lebensmittel, Zelte und kleine Bargeldbeträge zu verteilen. Um der notleidenden Bevölerkung nahe zu sein, passen sie Projekte flexibel an. Gerade haben sie z. B. ihr Büro in Rafah weiter in den Norden verlegt, um für die erneut fliehende Bevölkerung erreichbar zu sein. Die Gesundheitszentren der Caritas Jerusa-

lem bieten im Gazastreifen bis heute wann immer möglich medizinische Grundversorgung an. Ein weiterer Fokus liegt auf der Begleitung von Kindern. «Sie leiden besonders unter der Gewalt und der Entwurzelung. Für sie bieten wir Räume, wo sie unbeschwert spielen oder mit psychologisch geschulten Fachpersonen reden können», erläutert Patricia Kröll.

Was den Mitarbeitenden Halt gibt Sie ist beeindruckt, wie professionell die lokalen Teams in diesem anhaltenden Ausnahmezustand funktionieren. Viele von ihnen haben Angehörige oder Kolleginnen und Kollegen bei den Angriffen verloren oder mussten selbst vor den Angriffen fliehen. Die ständige Unsicherheit, schafft grossen psychischen Druck. In dieser Situation geben sich die CaritasMitarbeitenden gegenseitig Kraft. Sie finden darin Halt, dass sie selbst als Betroffene helfen können. (ll)

Mehr zu unserer Arbeit in Gaza: caritas.ch/gaza

Brennpunkt
Bilder: Daniele Piccini
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«Wir möchten die bestmögliche Betreuung für Geflüchtete bieten»

Caritas Schweiz ist seit März im Kanton Zürich für den Betrieb von fünf Asylzentren zuständig. Giuseppe Sollazzi leitet das Mandat. Er erzählt, was es bedeutet, ein solches Grossprojekt innert kürzester Zeit umzusetzen.

Als humanitäre Organisation engagiert sich Caritas Schweiz in vielfältiger Weise im Asylwesen. Im Auftrag des Kantons Zürich betreibt sie seit März sogenannte Durchgangszentren und Wohngruppen

«Unsere Mitarbeitenden begegnen den Menschen mit viel Sensibilität und Empathie»

für unbegleitete Minderjährige. Hier leben asylsuchende und geflüchtete Personen, die vom Bund dem Kanton zugewiesen wurden. Die Familien, Einzelpersonen und Jugendlichen wohnen meist einige Monate in den Zentren, bis sie einer Gemeinde zugeteilt werden.

Giuseppe Sollazzi, wie muss man sich den Alltag in einem Asylzentrum vorstellen?

Die Menschen haben unterschiedliche Tagesprogramme: Während die einen zum Deutschunterricht gehen, haben andere Termine bei Behörden, bringen ihre Kinder zur Schule oder helfen bei der Gebäudereinigung mit. Auch der Betreuungsbedarf ist sehr individuell. Kurz: Der Alltag ist dynamisch und von Spontanität geprägt. Unsere Mitarbeitenden sind ständig gefordert, gerade in belastenden Situationen.

Was meinen Sie damit?

Wir arbeiten mit Menschen zusammen, die eine schwere Flucht hinter sich haben. Viele sind traumatisiert und befinden sich jetzt in einem Land, dessen Sprache sie nicht sprechen und Gepflogenheiten nicht kennen. Sie sind nicht zuhause und das macht etwas mit ihnen. Unsere Mitarbeitenden begegnen ihnen mit Sensibilität und Empathie. Wir sind dankbar, einen sinnvollen Beitrag für diese Menschen leisten zu dürfen.

Die Caritas hat im November 2023 den Zuschlag für 5 Asylzentren erhalten, vier Monate später startete bereits der Betrieb. Was war die grösste Herausforderung?

Wir mussten die Standorte innert kürzester Zeit von der Vorgängerorganisation übernehmen. Es gab unzählige Aufgaben zu erledigen, von der Einstellung von rund 100 Mitarbeitenden und der Festlegung neuer Prozesse bis hin zum Einkauf von Zahnbürsten.

Wie haben die asylsuchenden und geflüchteten Personen auf den Wechsel der Betreiberin reagiert?

Die Reaktionen waren mehrheitlich positiv. Die Mitarbeitenden sorgten dafür, dass sich der Alltag der Menschen nicht allzu stark verändert, was durchaus eine Herausforderung war. Denn einen Teil des Personals konnten wir von der Vorgängerorganisation übernehmen, einen anderen Teil mussten wir neu rekrutieren.

Was möchte die Caritas mit dem Mandat erreichen?

Wir möchten den Klientinnen und Klienten die bestmögliche Betreuung bieten und sie bei ihrer Integration unterstützen. Zudem will die Caritas eine verlässliche Partnerin des Kantons sein und sich für gute Standards in der Unterbringung und Betreuung einsetzen. (nj)

Brennpunkt Menschen
Die Caritas bereitet geflüchtete Personen in den Asylzentren auf ein selbständiges Leben in der Schweiz vor.
Weitere Informationen: caritas.ch/asyl-zürich 12
Bilder: Pia Zanetti, Caritas Schweiz

Tashima und Claudia Künzli sind ein eingespieltes Team und geniessen die Zeit, die sie im Rahmen ihrer «mit mir»-Patenschaft zusammen verbringen.

Diese «mit mir»-Patenschaft ist für alle eine grosse Bereicherung

Seit drei Jahren verbringt Claudia Künzli regelmässig Zeit mit der achtjährigen Tashima. Sie pflegen eine Patenschaft im Rahmen des Angebots «mit mir». Schon beim ersten Treffen wollte Tashima ihr «Gotti» nicht mehr gehen lassen. Die beiden sind sich einig: Die Patenschaft bringt für alle viel Gutes.

«Claudia ist mein Gotti. Sie gehört zu unserer Familie», so die achtjährige Tashima über ihre «mit mir»-Patin, Claudia Künzli.

«Claudia hat Tashima beim Erlenen der deutschen Sprache sehr geholfen.»

Im Angebot «mit mir» vermittelt Caritas Schweiz Freiwillige als Patinnen und Paten an benachteiligte Familien. Die Freiwilligen schenken den Kindern regelmässig Zeit und helfen ihnen damit, aus ihrem Alltag auszubrechen. Gleichzeitig werden die Eltern entlastet.

Bei Tashima und Claudia Künzli hat es sofort gepasst

Seit rund drei Jahren verbringen die 61-jährige Claudia Künzli und das Mädchen alle zwei Wochen Zeit miteinander. Sie backen, spielen, basteln und machen Ausflüge. «Der Besuch im Papillorama hat mir besonders gut gefallen», schwärmt Tashima. «Wir unternehmen viel und ich kann mit Claudia immer wieder Neues entdecken.»

Auch Claudia Künzli schätzt ihr Engagement als Patin sehr: «Es ist eine schöne Gelegenheit, der Gesellschaft etwas zurückzugeben.» Zudem merke sie bei jedem Treffen direkt, was ihre freiwillige Tätigkeit bewirkt. «Tashima kommt

bei mir zur Ruhe und geniesst die volle Aufmerksamkeit», sagt Claudia Künzli lächelnd.

Die ganze Familie sei ihr schnell ans Herz gewachsen. «Unsere Beziehung ist eng und wir tauschen uns zwischen den Treffen via WhatsApp aus», so Künzli. Als besondere Bereicherung sieht sie den gegenseitigen kulturellen Austausch. Tashimas Vater ist vor 12 Jahren von Tibet in die Schweiz migriert, die Mutter kam drei Jahre später nach.

Neben Haushalt, Arbeit und Ausbildung bleibt nicht immer genügend Zeit für die Kinder

Die 33-jährige Mutter von Tashima arbeitet in der Pflege und absolviert eine Ausbildung zur Fachfrau Gesundheit, der Vater ist in der Gastronomie tätig. Daneben sei es nicht immer einfach, Tashima und ihrem fünfjährigen Bruder vollumfänglich gerecht zu werden, erzählt die Mutter. Über die tibetische Community wurde sie auf das Angebot der Caritas aufmerksam und meldete sich bei der zuständigen Stelle. Nach dem ersten Treffen mit Claudia Künzli und der Verantwortlichen bei «mit mir» war die Patenschaft schnell beschlossene Sache.

Die Eltern sind dankbar, dass sie Claudia Künzli über die Caritas kennengelernt haben. Sie sei eine grosse Stütze: «Claudia hat Tashima beim Erlenen der deutschen Sprache sehr geholfen. Auch kann unsere Tochter bei ihr frei über ihre Gefühle sprechen. War Tashima früher eher zurückhaltend, geht sie heute ohne Hemmungen offen auf andere Kinder zu», schildert die Mutter erleichtert. (dj)

Bild: Annette Boutellier
Schweiz
Weitere Informationen: caritas.ch/mitmir 13

Über 80 Prozent der Dolmetsch-Einsätze finden in den Bereichen Gesundheits- und Asylwesen statt. Der Rest verteilt sich auf die Bereiche Soziales, Bildung, Behörden und Gerichte.

Nachfrage beim Dolmetsch-Dienst

40 Prozent gestiegen

Verständigung ist der Schlüssel, um sich in einem fremden Land ein neues Leben aufbauen zu können. Die Dolmetschenden von «se comprendre – Verständigung für alle» ermöglichen den Migrierenden Zugang zu den Institutionen. Der DolmetschDienst ist derzeit gefragt wie nie.

«Wenn eine Person nach einer traumatischen Reise in der Schweiz ankommt und Asyl beantragt, hat sie im Minimum das Recht, verstanden zu werden», sagt Anne Kristol, Leiterin des Dolmetsch-Dienstes

«Die emotionale Belastung ist gross.»

«se comprendre – Verständigung für alle» von Caritas Schweiz. Die Arbeit der Dolmetschenden ist zentral: Sie ermöglichen den Migrierenden Zugang zu den Institutionen unseres Landes und sie stellen sicher, dass alle Betroffenen gleich behandelt werden, informiert sind und rechtliches Gehör erhalten.

Infolge der steigenden Flüchtlingszahlen in der Welt sah sich der Dienst, der seit 25 Jahren besteht, in den letz-

ten zwei Jahren mit massiv mehr Anfragen konfrontiert. 2023 wurden in den Kantonen Freiburg, Bern und Jura sowie in den Bundesasylzentren für 353 Institutionen (Spitäler, Arztpraxen, Schulen, Gerichte) sage und schreibe 65 501 Einsatzstunden interkulturelles Dolmetschen und Vermitteln geleistet (+ 40 % gegenüber 2022).

Richtig mit Emotionen umgehen

Derzeit bieten 130 Dolmetschende ihre Dienste in 45 Sprachen an. Sie verfügen über entsprechende Sprachkenntnisse und wurden in interkultureller Kommunikation geschult. Zudem profitieren sie von einem Weiterbildungsangebot und können auch die mit Unterstützung des Bundesamts für Gesundheit (BAG) entwickelte Zertifikatausbildung von INTERPRET absolvieren.

Agenda

Veranstaltung

«Wie suche ich eine Wohnung in Zürich»

28.6.2024, Caritas Zürich

Weitere Infos unter caritas-regio.ch

youngCaritas Sommerlager 4. bis 10. August 2024 in Zweisimmen BE Verbringe eine unvergessliche Woche mit jungen Menschen aus aller Welt. Dich erwarten neue Freundschaften und Erfahrungen.

Weitere Infos unter youngcaritas.ch

Caritas-Bergeinsatz Im Sommer fällt auf Schweizer Bergbauernhöfen ein Haufen Arbeit an. Mit einem Bergeinsatz helfen Sie den überlasteten Bauernfamilien und gönnen sich selbst eine Auszeit vom Alltag. Den passenden Einsatz für sich finden Sie unter bergeinsatz.ch

Ebenfalls absolvieren sie eine Supervision zum Umgang mit Emotionen. Evgenija Bosson, Dolmetscherin für Ukrainisch und Russisch, präzisiert: «Die emotionale Belastung ist natürlich gross, aber ich glaube, dass ich sie bewältigen kann. Dass ich meinen Landsleuten helfen kann, erleichtert es mir sogar, meine eigenen Emotionen im Griff zu behalten.»

Für den Arabischdolmetscher Abdelouahab Bennouna muss man vor allem «versuchen, sich in die Lage der jeweiligen Person hineinzuversetzen. Ich achte sehr darauf, dass die Worte, ihr Sinn und die Emotionen adäquat übertragen werden.» Er betont weiter: «Dolmetschende tragen eine hohe moralische Verantwortung.» (vm)

Weitere Informationen: www.secomprendre.ch

Service
Bild: Caritas Luzern / janmaat.ch
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youngCaritas stellt Lehrpersonen kostenlos Unterrichtsmaterial zu den Themen Armut, Migration, Entwicklungszusammenarbeit, Klimagerechtigkeit und Jugendverschuldung zur Verfügung.

Neues Unterrichtsmaterial

zu Jugendverschuldung

youngCaritas will junge Menschen dabei unterstützen, sich aktiv für die Gesellschaft zu engagieren. Entsprechend wichtig ist es, Jugendliche bereits früh für wichtige soziale, ökologische und politische Themen zu sensibilisieren. Hierfür stellt youngCaritas Unterrichtsmaterial für Lehrpersonen und Jugendarbeiter*innen bereit.

Als Lehrperson ist man oft mit der Herausforderung konfrontiert, komplexe Themen alters- und stufengerecht für die Schüler*innen herunterzubrechen und attraktiv zu vermitteln. Genau hier setzen die Unterrichtsdossiers von youngCaritas an. Diese enthalten nicht nur Hintergrundinfos, sondern auch didaktische Ideen, spannende Links und Videobeiträge. Sie bieten somit eine ideale Grundlage für die Vorbereitung spannender Unterrichtsstunden. Die Dossiers sind auf die schweizweiten Schullehrpläne abgestimmt und werden von youngCaritas-Mitarbeitenden mit pädagogischer Ausbildung und Erfahrung erarbeitet. Bisher waren Dossiers zu den Themen Migration und Flucht, Klima als Fluchtgrund und Naturkatastrophen verfügbar.

Seit kurzem ist zudem ein neues Unterrichtsdossier zum Thema Jugendverschuldung erhältlich. Die Caritas bietet in verschiedenen Regionen Beratungsangebote für verschuldete Personen an. youngCaritas ist es wichtig, bereits früher anzusetzen. Sie engagiert sich deshalb in der Schuldenprävention von Jugendlichen. Mit dem Unterrichtsdossier «Jugendverschuldung» wird eine gute Grundlage geboten, Jugendliche nicht mit «erhobenem Mahnfinger» mit dem Thema zu konfrontieren, sondern den Umgang mit Geld und mögliche Gefahren in offenen Diskussionen und auf spielerische Weise aufzugreifen. (rs)

Globale Themen attraktiv aufbereitet

Sarah Bischofberger, Berufsschullehrerin GBS St. Gallen

Seit 15 Jahren unterrichte ich an einer Berufsschule im Kanton St. Gallen die Fächer Allgemeinbildung und Sport. Ich habe tagtäglich mit Lernenden zu tun, die nicht aus einem wohlbehütetem Zuhause kommen. youngCaritas stellt der Allgemeinheit, somit auch uns Lehrpersonen, seit Jahren sehr wertvolles Unterrichtsmaterial kostenlos zur Verfügung. Die Unterrichtsmaterialien beinhalten aktuelle, globale Themen, wie Flucht, Armut und deren Folgen; auch das Thema «Umgang mit Geld» wird thematisiert. Die zur Verfügung gestellten Lehrmittel sind sehr modern, vielseitig und mit QR-Codes versehen. Das Unterrichtsmaterial ist so aufgebaut, dass es 1:1 so durchgeführt werden kann oder die Lernenden individuell im Selbststudium daran arbeiten können. Vielen Dank dem youngCaritas-Team und weiter so!

Sämtliche Bildungsmaterialien von young Caritas stehen kostenlos auf der Webseite zum Download bereit:

youngcaritas.ch/ unterrichtsmaterial

Bilder: Reto Gini, zVg youngCaritas
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Heu dir den Kopf frei!

Online Bergeinsatz buchen:

Heuen, Misten, Tiere füttern oder Kochen: Wir suchen Freiwillige, die Bergbauernfamilien in Not unterstützen. www.bergeinsatz.ch

Bei einem Caritas-Bergeinsatz
Foto: Franca Pedrazzetti

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