Mediendienst 10/2013 - Mit Gotte oder Götti die Welt entdecken

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Mediendienst 10 25. Juli 2013

Armut wirkt sich auf Kinder ausgrenzend aus

Mit Gotte oder Götti die Welt entdecken Bernhard Ackermann

Der Mediendienst der Caritas Schweiz ist ein Angebot mit Hintergrundtexten zur freien Verwendung. Für Rückfragen stehen die Autorinnen und Autoren gerne zur Verfügung. Download als PDF unter www.caritas.ch/mediendienst (nicht öffentlich zugänglich)


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Armut wirkt sich auf Kinder ausgrenzend aus

Mit Gotte oder Götti die Welt entdecken Kinder aus armen Familien erhalten weniger Unterstützung von ihren Eltern. Dabei geht es nicht nur um materielle Dinge, sondern auch um die nötige Unterstützung, um an den vielfältigen Angeboten der Gesellschaft teilzuhaben und sich dadurch entwickeln zu können. Das regionale Patenschaftsprojekt „mit mir“ wirkt diesem Ausschluss erfolgreich entgegen. In der Schweiz leben 600 000 Menschen unter der Armutsgrenze, weitere 400 000 sind armutsgefährdet. Jede vierte Familie verfügt nicht über genügend Reserven, um unerwartete Ausgaben in der Höhe von 2000 Franken zu tätigen. Auch wenn die staatlichen Sicherheitssysteme vor absoluter Armut schützen, führt die finanzielle Not doch oft zu gesellschaftlicher Ausgrenzung bis hin zu sozialer Isolation. Armut drückt sich nicht mehr nur als Einkommensschwäche, sondern vielmehr als eingeschränkte Handlungs- und Teilnahmemöglichkeiten einer Person in der Gesellschaft aus. Damit wird Armut zur Frage gesellschaftlicher Integration. Insbesondere für die rund 260 000 Kinder, die im betroffenen Umfeld aufwachsen und unter den verschiedenen Auswirkungen der Armut leiden: 

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Die Situation ist in betroffenen Familien oft belastet. Es fehlt den Kindern an Aufmerksamkeit und emotionaler Sicherheit durch die Eltern. Entsprechend verpassen diese relevante Entwicklungsbausteine. Viele Eltern dieser Gruppe haben nicht genügend Kraft, um die Kinder zu fordern und fördern. So vermissen die Kinder eine kreative Freizeit mit neuen Impulsen und Anreizen. Durch die finanziellen Restriktionen bleiben den Kindern normale Erlebnisse und somit auch für die Entwicklung relevante Erfahrungen verwehrt. Der Zoobesuch, Sportgeräte, Spiele, Musikunterricht und die Mitgliedschaft im Sportverein können sich viele dieser Eltern nicht leisten. Die Kinder leiden unter Ausgrenzung.

Der Ansatz von „mit mir“, und der Nutzen für die Kinder Hier setzt das von Caritas professionell betreute Patenschaftsprojekt „mit mir“ an: Seit 2003 bringt es Kinder zwischen drei und zwölf Jahren mit freiwillig tätigen Göttis und Gotten zusammen, die einen Teil ihrer Freizeit mit ihnen verbringen, zuhören und für sie da sind. Die Kinder lernen neue Welten kennen, entdecken ihre eigenen Fähigkeiten oder haben einfach einmal ein paar Stunden jemand nur für sich alleine. Damit bereichern die Paten das manchmal traurige und einsame Leben der Kinder mit fröhlichen Erlebnissen und neuen Erfahrungen in der Freizeit. Sie fördern ihre Patenkinder im Alltag und unterstützen sie, wo immer diese es nötig haben. Sei dies bei Nöten und Sorgen oder bei den Schulaufgaben. Die Kinder entdecken und entfalten so ihr eigenes Potenzial, gewinnen an Selbstvertrauen und sind besser gerüstet für ihre Zukunft. Anders als in der Schule kann durch die enge Bindung in einer Patenschaft stärker und intensiver auf die Förderung von Neugier, Selbstvertrauen und Handlungskompetenz geachtet werden.

Caritas Schweiz, Mediendienst 10, 25. Juli 2013


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Vorbildliches Handeln kann ein Weg sein, der die Heranwachsenden ermutigt und befähigt, die Zukunft in die Hand zu nehmen. Denn Kinder und Jugendliche lernen durch Vorbilder - Menschen, die Offenheit und Sensibilität für Probleme der Welt zeigen und auch dann eine zuversichtliche, handlungsorientierte Herangehensweise vorleben, wenn viele Hürden zu überwinden sind. Solche Erwachsenen können Kindern als Wegweiser dienen in der Fülle von Informationen, Angeboten und Einflüssen.

Einflüsse von „mit mir“ auf Eltern und Betreuende Eltern erfahren in der Betreuungszeit eine konkrete Entlastung, schwierige Familiensituationen können sich – wenigstens teilweise – entspannen. Die Gotte oder der Götti werden nicht nur für die Kinder zur wichtigen Bezugsperson, sie tauschen sich auch mit den Eltern aus. Dabei kommen Themen wie Schule, Erziehung oder generell Fragen des Alltags zur Sprache. Wird der oder die Freiwillige mit der Zeit zu einer Vertrauensperson für die ganze Familie, kann das belastende Situationen vereinfachen. Auch für die Paten und Patinnen ist der freiwillige Einsatz eine Bereicherung. Sie bewegen sich in den meisten Fällen in einem ungewohnten Umfeld und erfahren ganz konkret, was es heisst, in Armut und sozialer Isolation zu leben. Damit wächst das Verständnis für unterschiedliche Lebensumstände, was den Horizont erweitert und den gesellschaftlichen Zusammenhalt fördert. In der Schweiz betreut Caritas heute in den Regionen Aargau, Basel, Bern, Biel, Luzern, St. Gallen, Thurgau und Zürich 295 Patenschaften. 2012 wurden rund 42 480 Stunden mit benachteiligten Kindern verbracht und diese auf ihrem Lebensweg begleitet. 45 Prozent der Kinder haben Schweizer Eltern, acht Prozent kommen aus binationalen Familien und 47 Prozent aus ausländischen. Bernhard Ackermann, Koordinator Projekte Existenzsicherung und soziale Integration, Caritas Schweiz, E-Mail backermann@caritas.ch, Tel. 041 419 22 91

Caritas Schweiz, Mediendienst 10, 25. Juli 2013


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