Wiederaufbau in Nepal - Themenheft Caritas Schweiz

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Wiederaufbau Nepal

Ein Jahr nach dem grossen Erdbeben Neue Schulen für die Zukunft

Nach dem verheerenden Erdbeben vom 25. April 2015 lag Nepal in Trümmern. Sindhupalchok, ein Distrikt nordöstlich der Hauptstadt Katmandu, zählt mit rund 95 Prozent zerstörter Infrastruktur zu den am schwersten betroffenen Gebieten. Noch während der Nothilfe­ phase haben Caritas Schweiz und Helvetas Swiss Intercooperation die nahtlose Weiterführung des Schulbetriebes in Sindhupalchok sichergestellt, indem sie 100 provisorische Schulen erstellten. Seit Anfang dieses Jahres

werden die provisorischen Räume durch den Bau von permanenten, sicheren und kinderfreundlichen Schulgebäuden ersetzt. Um den Kindern in den neuen Gebäuden einen Schul­alltag frei von gesundheitlichen und naturbedingten Risiken zu ermöglichen, führen Caritas und ihre Partner auch Programme zu Hygiene und Katastrophenvorsorge durch. Zudem startet Caritas Kampagnen, die dem hohen Risiko von verfrühten Schulabbrüchen nach dem Erdbeben entgegenwirken sollen.


Von der Nothilfe zum Wiederaufbau

Am 25. April 2015 wurde Nepal von einem Erdbeben der Stärke 7,9 erschüttert. Zahlreiche Nachbeben folgten, unter anderem eine Erschütterung der Stärke 7,3 am 12. Mai 2015. Ein Jahr nach der Katastrophe hat Caritas gemeinsam mit Helvetas mit dem Wiederaufbau begonnen, unterstützt durch die Glückskette, das CaritasNetz und zahlreiche weitere Partner. Insgesamt kostete die Katastrophe mehr als 9000 Menschen das Leben, 700 000 Häuser und 7000 Schulen landesweit lagen in Trümmern. Eines der am schlimmsten betroffenen Gebiete ist der ländliche Distrikt Sindhupalchok nordöstlich der Hauptstadt Kathmandu. 97 Prozent der Bewohner des Distrikts, der hinsichtlich Fläche und Einwohnerzahl mit dem Kanton Tessin vergleichbar ist, wurden durch das Beben über Mittag obdachlos. 89 Prozent aller Klassenzimmer in Sindhupalchok wurden komplett zerstört. Unmittelbar nach dem ersten Erdbeben unterstützte Caritas Schweiz das Caritas-Netzwerk bei der Verteilung von Hilfsgütern wie Decken, Zelten und Medikamenten an die betroffene Bevölkerung. Zudem arbeitete Caritas Schweiz mit der Schweizer Hilfsorganisation Helvetas zusammen, um über 4000 Familien mit Wellblech für den Bau von vorübergehenden und permanenten Unterkünften zu unterstützen.

Wiederaufbau in 6 Gemeinden im Distrikt Sindhupalchok Sindhupalchok Helambu Ichok Mahankal Palchok Duwachaur Talamarang

NEPAL

Kathmandu Sindhupalchok

Dank der effizienten Zusammenarbeit aller Beteiligten konnten alle provisorischen Schulen vor dem Ende der Sommerferien Anfang August 2015 fertig gestellt werden. Dadurch hat das Projekt die nahtlose Weiterführung des Schulalltags für über 6500 Kinder ermöglicht. Die Caritas-Nothilfe belief sich auf rund 1,5 Millionen Franken.

Temporäre Unterrichtsräume Nach der Nothilfe-Phase schafften Caritas Schweiz und Helvetas die Trümmer von 41 zerstörten Schulen in Sindhupalchok weg, um an ihrer Stelle 100 provisorische Schulen zu erstellen. Zusätzlich zu den temporären Gebäuden wurden 141 Zelte als vorübergehende Klassenzimmer für Kleinklassen und als Stauraum bereitgestellt. In allen Schulen wurden zudem angemessene temporäre Latrinen und Wassertanks eingerichtet und die Verteilung von Unicef-Schulmaterialien unterstützt.

Der erste Spatenstich Im März dieses Jahres wurde der Grundstein für die ersten fünf von insgesamt 34 geplanten permanenten Schulen in Sindhupalchok gelegt. Der Baubeginn wurde aufgrund von starken Regenfällen sowie Strassenblockaden im Zusammenhang mit politischen Unruhen um einige Wochen verzögert. Trotzdem kann Caritas den Zeitplan einhalten. Im Oktober 2016 soll mit dem Bau von weiteren 16 Schulen begonnen werden. Bis 2018 sollen auf den verschiedenen Baustellen Schulen mit hellen Klassenzimmern, Lehrerzimmern, Bibliothek- und Gruppenräumen sowie Mehrzweck-Arealen ent­ stehen. Zudem werden die Schulen an die Trinkwasserver­ sorgung der Dörfer angeschlossen und überall separate sanitäre Anlagen für Mädchen und Jungen erstellt.

Der Schulweg führt über Hängebrücken und durch Weizenfelder.

Dank 100 provisorischen Schulen können 6500 Kinder nahtlos den Unterricht besuchen.


Die 15-jährige Nirmala Tamang und ihre Familie wurden vom Erdbeben hart getroffen. Heute ist Nirmala (ganz rechts auf dem Bild) froh, dass sie eine der provisorischen Caritas-Schulen besuchen kann. Später möchte sie in Kathmandu studieren und Englischlehrerin werden.

Individuelle Baupläne garantieren Sicherheit Während der Planung wurden detaillierte Erhebungen zu den geografischen, klimatischen und sozialen Bedingungen jeder Projektschule durchgeführt. Basierend auf den Ergebnissen erarbeitete ein Team von lokalen und internationalen Experten in Absprache mit der lokalen Bevölkerung für jede Schule einen Masterplan, der sich nach den Bedürfnissen der einzelnen Standorte richtet. Unter Berücksichtigung von nationalen und internatio­ nalen Baustandards werden Schulen gebaut, die selbst stärkeren Beben als jenem vom April 2015 standhalten. Schulabbrüchen vorbeugen Sichere Schulgebäude allein reichen jedoch nicht aus, um allen Kindern einen angemessenen Zugang zu Bildung zu verschaffen. Aufgrund von Kinderarbeit, Kinderheirat sowie einem oft fehlenden Bildungsbewusstsein brechen viele Kinder in Nepal die Schule vorzeitig ab. Materielle Not und Perspektivenlosigkeit nach dem Erdbeben lassen das Risiko für verfrühte Schulabbrüche weiter ansteigen. In Zusammenarbeit mit lokalen Partnern organisiert Caritas Schweiz Aktivitäten wie Radiosendungen, Elternberatung und themenbezogene Anlässe für Kinder, um den Schulbesuch zu fördern und Alternativen zum Schulabbruch aufzuzeigen. Risiken reduzieren Erdrutsche, die Schulwege wegschwemmen, sind in Sindhupalchok an der Tagesordnung, besonders während der Regenzeit. Caritas und Helvetas engagieren sich dafür, die Kinder auf mögliche Naturkatastrophen vorzubereiten, indem sie ihnen in Zusammenarbeit mit lokalen Organisationen Naturphänomene erklären und Kenntnisse in erster Hilfe vermitteln. Die Wissensvermittlung geschieht auf spielerische Weise: durch Gesangs- und Zeichnungswettbewerbe, Strassentheater und Schulzeitungen, die die Kinder selber

erarbeiten. Ähnliche Methoden werden angewendet, um das Hygieneverhalten der Kinder zu verbessern.

Vom Alltag in Trümmern zu einem neuen Leben «Ich hatte noch nie solche Angst», erzählt die 15-jährige Nirmala Tamang. Als ihr das Beben vom 25. April die Füsse unter dem Boden buchstäblich wegzog, hatte sie gerade mit Freundinnen Opfergaben in einem Tempel am Dorfrand dargebracht. Nirmala, ihre Eltern und ihre vier kleinen Geschwister blieben unverletzt, doch das Haus der Familie wurde komplett zerstört. Bis zum Eintreffen der ersten Hilfsgüter nach zwei Wochen schlief die Familie im Freien. «Es regnete und wir hatten kaum etwas zu essen», erinnert sich Nirmalas Vater. Aus Angst vor Nachbeben wollte Nirmala zuerst nicht mehr in die Schule. Aber dann hörte sie von Freunden, dass jemand provisorische Schulen gebaut habe, die nicht einstürzen können. «Also ging ich hin, und ich bin froh, wieder einen geregelten Alltag zu haben», sagt sie. Auch Nirmalas Vater ist dankbar, dass seine Tochter den Unterricht in provisorischen Klassenzimmern und bald in einer neuen, sicheren Schule fortführen kann: «Ich konnte selber nie die Schule besuchen», erzählt er, «aber von Freunden habe ich gesehen, dass Bildung Vorteile bringt. Ich möchte, dass meine Kinder diese Vorteile haben, und dazu brauchen sie gute Schulgebäude». Nirmala nickt – sie geht gern zur Schule. «Nach der Sekundarschule möchte ich in Kathmandu studieren und Englischlehrerin werden», sagt sie.


Die Wiederaufbauhilfe, die Caritas Schweiz in Nepal leistet, erreicht einen Umfang von 10,9 Millionen Franken. Konkret baut die Caritas im Distrikt Sindhulpalchok in sechs Gemeinden 34 Schulen wieder auf. Diese ermöglichen 6000 Schülerinnen und Schülern einen regelmässigen Schulbesuch. Ausserdem ist in den Schulen die Erstellung von Toiletten und Trinkwasseranlagen vorgesehen. Helvetas beteiligt sich am Wiederaufbauprogramm und übernimmt die Schulung von Lehrern und Schülern im Umgang mit Wasser und Hygiene.

Bilder: Bikash Khadge

Weiterführende Informationen

Die Caritas kann ihre Not- und Wiederaufbauhilfe in Nepal dank zahlreicher weiterer Beiträgen realisieren. Ihr Engagement wird mitgetragen von privaten Spenderinnen und Spendern, von Pfarreien, Ordensgemeinschaften, Stiftungen, politischen Gemeinden und Kantonen.

Webreportage Nepal Zum Jahrestag des Erdbebens veröffentlicht Caritas eine Webreportage aus Nepal: caritas.ch/1jn Weitere Informationen: www.caritas.ch/nepal-wiederaufbau

Neben Helvetas unterstützen die Wiederaufbauhilfe der Caritas in enger Partnerschaft folgende Institutionen: • Schweizer Glückskette • Cafod, Caritas Grossbritannien • Caritas Belgien • Caritas Luxemburg • Caritas Tschechien • Stiftung Cleanwater der Georg Fischer AG • Stadt Adliswil

Elemente einer Schule

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3

2 6 5

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1  Schulgebäude (2–9 Klassenzimmer) 2 Toiletten 3 Evakuationsplatz 4 Küchengarten 5 Spielplatz 6 Wasserstation 7 Zaun

Schulhaus mit neun Klasssenzimmern

Caritas Schweiz Adligenswilerstrasse 15 Postfach CH-6002 Luzern

Telefon: +41 41 419 22 22 Telefax: +41 41 419 24 24 E-Mail: info@caritas.ch

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