B&E Magazin - Ausgabe Sommer 2014

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Ausgabe Sommer 2014

gazin a M e h c s i gspolit n u d l i b s ndes Da a b r e v s e und des VBE-B

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Schule: lebensl채nglich



Inhalt

2014 B & E 2| 4 Wie Lehramtsstudierende und Lehrerausbildung zusammenpassen von Gudrun Marci-Boehncke

Was ist das Ziel des Lehrberufs? Die gebildete Gesellschaft. Daran mitzuwirken, dass diese entstehen und gestaltet werden kann, ist ein lohnendes Ziel. Wer sind also die jungen Lehrerinnen und Lehrer, die sich dieser Aufgabe verschrieben haben? Es sind zunehmend gute Erfahrungen, die die Bevölkerung mit ihrem schulischen Lehrpersonal verbindet. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte: Trotz permanenter Reform ist es offensichtlich anspruchsvoller, sprich: stressiger geworden, heute Lehrerin und Lehrer zu werden – eine Spurensuche in dieser B&E-Ausgabe ...

11 Meinung: Unterstützung der Schulen JA – Testeritis NEIN von Udo Beckmann 12 Bildungspraxis: Leitbild für Berufseinsteiger: gesunde Leistungsfähigkeit und leistungsfähige Gesundheit von Bernhard Sieland und Dirk Lehr 16 Blickpunkt: Traumberuf oder Berufstraum? von Kerstin Ruthenschröer 18 VBE-Magazin 20 VBE in den Ländern 24 Die Kehrseite

Liebe Leserinnen und Leser, wer sich heute nach seiner Schulzeit aktiv für den Lehrberuf entscheidet, hat es mit völlig anderen Bildungs- und Ausbildungsbedingungen zu tun als noch eine Lehrergeneration zuvor. Die Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen hat sich radikal verändert. Die Folge sind eine Vielzahl neuer pädagogischer Herausforderungen. Entsprechend hat sich auch die Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer selbst – als Reflex auf diesen gesellschaftlichen Wandel – verändert. Die Lehrerbildung wurde zuletzt in allen Ländern reformiert. Das Ergebnis in Gestalt der ersten Absolventinnen und Absolventen erfahren wir jetzt an unseren Schulen. Was ist daran reizvoll, gerade heute den Lehrberuf zu ergreifen? Was unterscheidet die neue pädagogische Generation von der alten? Aber auch: Wie haben die „alten Hasen“ ihren ersten Schulalltag – auf den Punkt gebracht – erlebt? Fragen wie diese haben die B&E-Redaktion immer wieder beschäftigt. Deshalb ist diese B&E-Ausgabe ganz unseren jungen Kolleginnen und Kollegen gewidmet, die sich bewusst für Schule lebenslänglich entschieden haben. Viel Spaß beim Lesen. Wir freuen uns auf Ihre Anregungen. Ihre B&E-Redaktion

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Schule: lebenslänglich 4

Wie Lehramtsstudierende und Lehrerausbildung zusammenpassen Gudrun Marci-Boehncke Eine kleine Umfrage in meinem Seminar im Winter­ semester 2013 anlässlich der Thematisierung von Lehrern im Film ergab folgendes Bild: 30 % der Studierenden haben Lehramt gewählt, weil sie Schule gut finden und so werden möchten wie ihre Lehrer/-innen. 53 % finden Schule gut, aber möchten anders werden als ihre Lehrer/-innen. 18 % haben andere Gründe. Diese „kleine Empirie“ ist keinesfalls repräsentativ. Aber die Tatsache, dass die Mehrheit der knapp 70 Antwortenden den Beruf nicht deshalb wählt, weil sie ihre eigenen Lehrkräfte als vorbildlich empfunden haben, lässt zumindest nachdenklich werden. Warum wollen Abiturient(inn)en heute Lehrer/ -innen werden? Das wissenschaftliche Interesse am Fach scheint nicht das Hauptargument für die Wahl des Lehramtsstudiums. Auch die Abiturnote spielt eigentlich keine Rolle bei der Wahl – allerdings zeigen unter den Lehramtsstudierenden die Gymnasialstudierenden die besten Durchschnittsnoten. Hinsichtlich der Moti­vation geht es stattdessen wohl eher um soziale Interessen (Klusmann et al. 2009, Neugebauer 2013).

Lehramtsstudierende arbeiten gern mit Kindern und Jugendlichen und nehmen sich selbst als ge­eignet wahr, z.B. weil sie geduldig erklären können (vgl. Künsting/Billich/Lipowsky 2009). Vor allem für die Wahl des Grundschullehramts, aber auch Sek. I scheint zu gelten (vgl. Denzler/Wolter 2008, Neugebauer 2013), dass die soziale Orientierung und die Möglichkeit, Familie und Beruf zu vereinbaren, zentrale Argumente für die Wahl darstellen. Die überwiegende Zahl von Lehramtsstudierenden scheint eher intrinsische Motive zu besitzen und ihnen ist die Förderung von Persönlichkeiten ein echtes Anliegen (Künsting/Billich/Lipowsky 2011). Überwiegend zeigen sich solche Studierenden mit ihrer Entscheidung zufrieden und würden noch einmal das gleiche Studium wählen. Deutlich wird darüber hinaus, dass intrinsische Motive von Frauen deutlich höher bewertet werden als von männlichen Lehramtsstudierenden – und zwar unabhängig vom konkreten Fach. Was bedeutet das? Zunächst wohl, dass wir davon ausgehen können, dass die Mehrheit der Studierenden wirklich Lehrer werden wollen und nicht nur studieren, weil sie nicht wissen, was sie nach der Schule machen sollen. Sie sind offenbar auch motiviert, es anders machen zu wollen als sie ihre eigenen Lehrer/ -innen erlebt haben – aber dennoch gibt ihnen das Berufsbild offensichtlich eine große Sicherheit: Schule – da weiß man, was man hat. Dass sie als Schüler/-innen die Schule immer aus einer anderen Perspektive kennen gelernt haben als derjenigen, die sie künftig einnehmen sollen, scheint zunächst unbedeutend zu sein. Und auch eine gesellschaftliche Lehrerschelte der letzten Jahre in Deutschland hat in den Studienzahlen nicht wirklich demotivierend gewirkt. Die Forschung unterscheidet zwei Lehrertypen: diejenigen, die Grundschule und Sekundarstufe 1 studieren – also bis zur Realschule eingesetzt werden –, und die Gymnasialstudierenden. Aus meiner Erfahrung mit Lehrerausbildung würde ich noch weiter differenzieren – und die jüngste Studie von Neugebauer (2013, 14) bestätigt diesen Eindruck in weiten Teilen: Lehramtskandidaten, die sich entscheiden, den Schwerpunkt in Sonderpädagogik zu legen, sind durchaus anders zu beurteilen.


„Am Abend vorher konnte ich kaum einschlafen und war schließlich auch sehr früh schon in der Schule. Mit guten Wünschen und Ratschlägen durch meine neue Kolleginnen und Kollegen und die Schulleitung versorgt, stand ich endlich das erste Mal als „richtiger“ Lehrer vor der Klasse... ein tolles Gefühl – zu Beginn. Dann merkte ich, dass ich noch viel zu lernen hatte...“ Stefan Behlau / VBE NRW

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Sie sind sozial stark motiviert, belastbar und fachlich oft deutlich besser als andere Lehramtsstudierende. Zwar wählen sie dieses Studium nicht aus Karrieregründen, haben aber auch nicht nur ein soziales „Betreuungsinteresse“. Diese Studierenden sind theoriebewusst und haben eine Vorstellung, worauf sie sich menschlich einlassen. Und auch Studierende, die an eine Hauptschule gehen wollen, sind besonders motiviert. Nicht selten kommen sie selbst über einen langen und nicht immer leichten Weg aus der Hauptschule, haben sich über Fachoberschulen etc. zum Abitur hochgekämpft und möchten ihre positive Bildungserfahrung auch anderen ermöglichen. Sie bringen dazu m. E. zwei wichtige Erfahrung mit: Schule ist kein Spaziergang – aber unser Bildungs­system ermöglicht sozialen Aufstieg. Auch wenn man kein Abitur mit Bestnote erreicht, ist der Weg steiler gewesen als bei Gymnasiasten aus bildungsstarken Familien. Für Studierende, die Haupt- (und Grundschul-) Lehramt wählen, ist diese Berufswahl meist selbst bereits ein eigener sozialer Aufstieg – mit dem sie auch zunächst zufrieden sind und nur ein geringes Karriereinteresse mit ihrem Beruf verbinden (Neugebauer 2013, 14). Sie könnten andere Merkmale mitbringen, die für einen guten Lehrer wichtig sind. In ihrer Schulbiografie gab es immer Lehrer/-innen, an denen sie sich menschlich orientiert haben, die ihnen Vorbild waren, die Erziehungs- und Moti­vationsfunktion übernommen haben. Wer aus der Hauptschule kommt, dem fehlte oft die familiäre Unterstützung, fachlich und motivational. Selbst­vertrauen und Selbstwirksamkeit zu erfahren ist wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Schulkarriere. Wer das im Elternhaus erlebt, der braucht Lehrkräfte, die fördern und Fähigkeiten entdecken, die hinter sozialen Fassaden versteckt bleiben. Nicht umsonst landen Jungen mit Migrationshintergrund häufiger auf Schulen, die nur einen unteren Bildungs­abschluss ermöglichen, als Mädchen aus Zuwanderungsfamilien und Jungen aus Nicht-Zuwanderungsfamilien. Und unter denjenigen, die keinen Schulabschluss erreichen, sind prozentual mehr als doppelt so häufig männliche Jugendliche mit Zuwanderungsgeschichte (Bildungsbericht 2012, Tab. D7-8web).

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Rollenbilder und zum Teil auch Vorurteile aufseiten der Lehr­k räfte erschweren es, Leistungsmöglichkeit und soziale Anpassungsfähigkeit aufseiten der Schüler zu unterscheiden. Schon deshalb ist es begrüßenswert, dass auch jugendliche Migrant(inn)en auf vielfache Weise zum Lehramtsstudium gefördert werden (z.B. HORIZONTE-Stipendium). Braucht es sie also doch: die charismatische Lehrerpersönlichkeit? Ein Persönlichkeitsprofil für die ideale Lehrkraft konnte bisher zwar nicht definiert werden – aber es scheint bestimmte Eigenschaften und Einstellungen zu geben, die sich positiv auswirken. Dies hat nicht zuletzt die Hattie-Studie (2013) deutlich werden lassen. Natürlich gehört Fachkompetenz dazu: Wer selbst nichts weiß, kann auch nichts vermitteln. D. h., wir dürfen in der Lehramtsausbildung ein bestimmtes Niveau nicht unterschreiten. Welche Eigenschaften braucht ein guter Lehramtsstudierender noch – für das Studium und für den Lehramtsberuf ?


„Mein erster Schultag war geprägt von einer positiven Anspannung und der Freude, endlich den erlernten Beruf ausüben zu können. Da es mich aus dem Badischen ins Schwäbische verschlug, war meine wichtigste Frage allerdings: ‚Verstehe ich das, was die Schüler sagen, überhaupt?‘ Die Sorgen waren unbegründet – die Schüler waren sehr froh, eine ‚junge‘ Lehrerin zu haben. Und verstanden habe ich die Schüler auch ...“ Edda Langecker / VBE Baden-Württemberg

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Dieses Argument wurde lange Zeit mit angeführt für die besseren Lernerfolge finnischer Schüler in den internationalen Vergleichsstudien. Ihre Lehrer waren zufriedener, weil sozial besser anerkannt. Wurden sie dadurch „echter“? Authentizität ist für Jugendliche die derzeit wichtigste Eigenschaft, die jemand besitzen muss, auf den sie sich einlassen. Nun ist Authentizität immer gefühlt, sie beschreibt eine Rezeption – das zeigt gerade die Jugendkultur. Daher ist dort Authentizität professionell inszeniert.

Das COACTIV-Forschungsprogramm (Kunert/Bauert u. a. 2011) empfiehlt zu­nächst ein realistisches Bild vom Lehrberuf: Lehrkräfte benötigen ein fundiertes Professionswissen, das aus Fachwissen, fachdidaktischem Wissen und pädagogisch-psychologischem Wissen besteht. Wichtig ist dabei, dass fachdidaktisches Wissen nicht ohne Fachwissen existieren kann. Und auch pädagogisches Wissen allein macht noch keinen guten Lehrer. Die Hattie-Studie hat jedoch deutlich gemacht, dass die „Tiefenstruktur“-Merkmale (vgl. Köller/Meyer 2013) noch viel wichtiger sind. Dazu gehört zu allererst die Glaubwürdigkeit der Lehrenden für die Schüler/ -innen. Neben Feedback und dem Einsatz metakognitiver Strategien ist Glaubwürdigkeit deutlich wichtiger als die Aspekte, die unserer politischen Diskussionen bestimmen – wie etwa Klassengröße oder individualisierter Unterricht.

Aber wie wird man zum glaubwürdigen Lehrer? Was kann das Studium dazu beitragen? Ein glaubwürdiger Lehrer hat es verdient, dass man ihm glaubt. Nicht, weil er so nett ist oder so viel weiß. Wichtiger ist, dass er seinen Beruf und seine Schüler ernst nimmt. Früher waren Lehrkräfte Dorf honoratioren – Menschen, denen besondere Autorität eingeräumt wurde und besonderer Respekt entgegengebracht. In Finnland verdienen Lehrkräfte im Verhältnis weniger als in Deutschland – sie genießen aber ein höheres Sozialprestige. Daraus resultierte eine höhere Selbstzufriedenheit.

Könnte es sein, dass auch die Glaubwürdigkeit in der Hattie-Studie durchaus etwas von dieser Authentizität besitzt? Von einem Selbstverständnis, das von einer großen Kenntnis der Zielgruppe geprägt ist, für die man tätig ist – von ihren Befindlichkeiten, Moden, ihren sozialen Bedingungen – und die gleichzeitig die grundsätzlich positive Haltung ausdrückt, dass man diesen Jugendlichen – wie verschieden sie auch von einem selbst sein mögen – etwas beibringen kann und will, das wichtig ist. Und weil man viel Fachwissen hat und sich im institutionellen Rahmen beweglich hält, ihn nicht als Korsett, sondern als variables Modell versteht, dessen Bedingungen man immer auch selbst mit ändern und anpassen kann, sieht man diesen Beruf als eigenes lebenslanges Lernen an und erreicht damit eine intrinsische Zufriedenheit. Solche Lehrer/-innen wollen an die Voraussetzungen der Schüler individuell anknüpfen, keinen zurücklassen. Sie suchen sich immer wieder neue Wege, modifizieren Didaktik, probieren Neues aus, reflektieren ihr Handeln – und lassen sich nicht von Systemen zu wie auch immer gearteten Erfüllungsgehilfen machen, sondern wechseln bei erwiesener Nicht-Passung mit dem Schulklima auch an eine andere Schule.


„Meinen ersten Schultag hatte ich als Lehrerin einer 7. Klasse an einer Hauptschule. Ich hatte ganz viel vorbereitet und war sehr aufgeregt. Welchen Jugendlichen begegne ich? Werden sie mich akzeptieren? Werden wir alles schaffen, was im Lehrplan steht oder ist das gar nicht wichtig? Heute weiß ich: Meine Bedenken von damals waren wichtig...“ Simone Fleischmann / BLLV

Gutes Professionswissen in allen Bereichen – nicht nur in der Fachwissenschaft, sondern auch in Didaktik und Pädagogik und im schulisch-institutionellen Bereich – sind ein solides Fundament (vgl. Kunter/Baumert/Blum et.al. 2011). Ohne die Bereitschaft und die Haltung, im Lehrberuf vor allem den Schüler in den Blick zu nehmen, ihn immer auch als Mensch zu sehen und zu fördern, kann niemand diese Glaubwürdigkeit erlangen. Warum sollten die Facetten des Kompetenzbegriffs – Wissen, Fertigkeiten und Haltungen – nur bei den Schülern gelten und nicht auch bei den Lehrkräften? Wir brauchen also Kandidat(inn)en mit einer positiven Haltung zum Schüler. Sie müssen gelernt haben und bereit sein, die Position des anderen einzunehmen und die eigene zu reflektieren – als Resultat individueller Moral und als habitualisierte kognitive Fähigkeit. Dies bestätigt auch eine aktuelle Untersuchung zu den Basiskompetenzen von Lehramtsstudierenden (vgl. Nolle 2013). Also müssen Hochschullehrende den Studierenden – neben dem Fachwissen, der Didaktik und dem pädagogischen Theoriewissen – dieses Einlassen und in den Blick nehmen der Schülerinnen und Schüler – vermitteln. Wir müssen ihnen zeigen, dass vor der Planung einer Unterrichtseinheit, dem Blick ins Buch auf das, was andere vorgespurt haben, erst einmal die Frage stehen muss: Wen habe ich da vor mir? Wo muss ich meine Schüler/-innen überhaupt abholen? Lehramt scheint vielen vielleicht deshalb so leicht, weil man aus eigener Erfahrung doch zu wissen glaubt, wo man steht als Schüler, gerade als Gymnasiast, der man vielleicht bleibt – auch im Studium.

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Weil man dieses Bewusstsein nie in Zweifel gezogen hat als das Maß aller Dinge. Fachdidaktisch und pädagogisch haben Gymnasiallehrer die niedrigsten Anteile im Studium – und sie machen auch die geringsten Lernfortschritte im Bereich Didaktik und Pädagogische Psychologie (vgl. Blömeke u. a. 2008, S. 310–312) – fatalerweise! Denn sie wissen aus eigener Erfahrung am wenigsten, was es heißt, sich auf andere einstellen zu müssen. Für Sonderpädagogen und Grundschullehrende, für Haupt- und Berufsschullehrende ist das viel selbstverständlicher.

Sie sind deutlich anders als die Gruppen, die sie unterrichten. Sie haben von vornherein dieses Bewusstsein, anders zu sein und sich einstellen zu müssen. Gymnasiale Junglehrer aber sind lediglich nicht mehr so jung wie damals als Schüler. Der Rollenwechsel ist daher schwerer zu reflektieren als in anderen Schularten. So kommt manchmal erst spät die Erfahrung, dass die Schüler ja doch anders sind als man selbst – und die Berufswahl ein Fehler war. Hier früher entsprechende Perspektiven zu ermöglichen, ist Aufgabe und Chance der neuen praxisorientierteren Lehrerausbildung, wie sie etwa mit dem neuen LABG in NRW 2009 angelaufen ist. Diese Verzahnung von Theorie und Praxis ist noch nicht in allen Bundesländern und nicht auf gleichem Professionsniveau gelungen. Aber sie würde die Chance bieten, neben allen prüf baren Kompetenzen auch noch zu vermitteln, wie man professionell glaubwürdig bleibt. Denn das scheint es zu sein, was die Studierenden wollen, wenn sie mit hoher intrinsischer Motivation ihr Lehramtsstudium aufnehmen.

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„Mein erster Schultag war ein strahlender Mittwoch im September 1976. Ich bekam eine 3. Klasse zugeteilt, auf die ich mich schon sehr freute – und auch die Schüler begrüßten mich mit einem fröhlichen Lachen. Zunächst wurden die Dienste für Blumen, Tafel und Reinigung eingeteilt, auch der Stundenplan wurde an die Tafel geschrieben. Das Lehrersein bereitete mir von Anfang an Freude, und diese Freude hält bis heute an.“ Rita Kiriasis-Kluxen / VBE Sachsen

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Wir müssen in unseren Studienordnungen die Vermittlung und Anwendung des Wissens beim Schüler in ganzer Breite von Anfang an mitfordern und fördern und den Lehrberuf auch in seinen Gratifikationen mit den Studierenden in den Blick nehmen. Es ist nicht nur ein familienfreundlicher Halbtagsjob, ein Beamtengehalt, ein berufsqualifizierender Abschluss – es ist auch die Garantie zum eigenen lebenslangen Lernen – was man mögen sollte. Es ist die Chance, neue Wege zu suchen und ausprobieren zu können. Es ist die Freude, jungen Menschen den Zugang zu Welt und Wissen, zu Bildung zu ermöglichen. Lehrer wird man nicht mit entbehrungsreicher Leistungsaskese, sondern mit dem Wunsch und Vermögen, auch in kleinen Entwicklungen Erfolge zu sehen und zu suchen. Die Studieninhalte allein können so etwas nicht garantieren. Aber gute Studienordnungen können viel dazu beitragen. Und nicht zuletzt gehört zur Zufriedenheit mit den Studienbedingungen in besonderem Maß auch das „wahrgenommene Engagement der Dozen­ten“ (Schiefele/Jacob-Ebbinghaus 2006, S. 206).

Dies bestätigt auch die Hattie-Studie. Doch es scheint nicht einfach, „Haltungen“ zu erfassen – denn es geht nicht nur um Einstellungen gegenüber Inhalten und der Arbeit an sich, sondern auch gegenüber sich selbst und den Menschen, für die man als Lehrer verantwortlich ist. Dass man sich als Lehrer/-in auf Menschen einlassen muss und wie das geht – dazu sollte man Strategiewissen erhalten und sollte es irgendwo mal vorgelebt bekommen haben und für sich selbst ausprobieren und reflektieren können. Das muss nicht allein im Studium geschehen – aber hier müssten wir verbindlich diese Möglichkeit anbieten und einfordern. Mir scheint das viel mehr zu sein als das, was in nüchterner Forschungsprosa so klingt: „Betrachtet man nun (...) den Einfluss der angeeigneten fach- und fachdidaktischen Kompetenzen (...) oder motivationaler Lehrermerkmale (intrinsische Motivation, Enthusiasmus beim Unterrichten) (...) auf die Unterrichtsqualität bzw. die Lernentwicklung der Schüler, zeigen sich wiederum positive Zusammenhänge“ (Neugebauer 2014, S. 22). Prof. Dr. Gudrun Marci-Boehncke, TU Dortmund gmarci@aol.com

„Mein erster Schultag war 1989 an einer Klasse 5 an einer kleinen polytechnischen Oberschule in der Nähe von Aschersleben – für mich nur per Bus oder Zug erreichbar. Auf dem Weg dorthin hatte ich großes Lampenfieber, wie vor einem ersten Auftritt. Je näher die Schule kam, umso aufgeregter wurde ich: War auch alles vorbereitet? Waren das Klassenbuch mit den Namen und der Stundenplan für die Klasse da? Was sage ich als Erstes? Alles, was ich bisher in meinem Studium gelernt und erfahren hatte, galt an diesem Tag nichts mehr.“ Torsten Wahl / VBE Sachsen-Anhalt


„Am 5. August 1974 fing alles an. Endlich Verantwortung übernehmen für eine 5. Klasse mit 34 Schülern. Ich habe mich in einem tollen Lehrer-Team gut aufgehoben gefühlt. Wir haben Neues ausprobiert und überlegt, wie wir unsere Schüler begeistern können. 14.250 Tage später war Schluss. Ich habe als Mathe-, Physik- und Klassenlehrer keinen Tag bereut. Die Schule war mein Leben!“ Herbert Möser / SLLV 2014 B&E 2|

Literaturliste Bildung in Deutschland 2012. „Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zur kulturellen Bildung im Lebenslauf“ 
 Herausgeber: Autorengruppe Bildungsberichterstattung 
 W. Bertelsmann Verlag, Bielefeld www.bildungsbericht.de/zeigen.html?seite=10203 Bilich-Knapp, Melanie/Künsting, Joseph/Lipowsky, Frank (2012): Profile der Studienwahlmotivation bei Grundschullehramtsstudierenden. In: Z.f.Päd. 58. Jg. 2012, H. 5, S. 696–719 Blömeke, Sigrid/Müller, Christiane/Felbrich, Anja & Kaiser, Gabriele (2008): Entwicklung des erziehungswissenschaftlichen Wissens und der professionellen Überzeugungen in der Lehramtsausbildung. In: Blömeke, Sigrid/Kaiser, Gabriele/Lerhmann, Rainer (Hrsg.): Professionelle Kompetenz angehender Lehrerinnen und Lehrer. Waxmann: Münster/New York/München/Berlin S. 303–326. Denzler, Stefan/Wolter, Stefan C. (2008): Selbstselektion bei der Wahl eines Lehramtsstudiums – zum Zusammenspiel individueller und institutioneller Faktoren. Beiträge zur Hochschulforschung H. 4, 30. Jg. , S. 112–141. www.bzh.bayern.de/uploads/media/4-2008-denzler-wolter.pdf Hattie, John, Beywl, Wolfgang & Zierer, Klaus (2013): Lernen sichtbar machen. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren. Klusmann Uta / Trautwein Ulrich / Lüdtke Oliver/Kunter, Mareike & Baumert, Jürgen (2009): Eingangsvoraussetzungen beim Studienbeginn Werden die Lehramtskandidaten unterschätzt? Zeitschrift für Pädagogische Psychologie 23 (3–4), S. 265–278

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Künsting, Joseph / Billich, Melanie / Lipowsky, Frank: STUVE – Zur Studienmotivation und -Situation männlicher Lehramtsstudierender an der Universität Kassel: „Super, studieren mit so vielen Frauen – Aspekte der Studienwahlmotivation männlicher und weiblicher Lehramtsstudierender“ http://www.epb.uni-hamburg.de/erzwiss/faulstich-wieland/Kuensting.pdf Künsting, Joseph/Lipowsky, Frank (2011): Studienwahlmotivation und Persönlichkeitseigenschaften als Prädikatoren für Zufriedenheit und Strategiennutzung im Lehramtsstudium. In: Zeitschrift für Pädagogische Psychologie, 25 (2), 2011, 105–114. Kunter, M., Baumert, J., Blum, W., Klusmann, U., Krauss, S. & Neubrand, M. (Hrsg.). (2011).: Professionelle Kompetenz von Lehrkräften – Ergebnisse des Forschungsprogramms COACTIV. Münster: Waxmann Köller, Ofag, Meyer, Hilbert: Was ist eine gute Lehrerin / ein guter Lehrer? Sommer-Uni 2013: Cornelsen Stiftung Lehren und Lernen www.cornelsen-stiftung-sommeruni.de/fm/1272/ Hand_out_Gute_Lehrer_Cornelsen_Sommeruni_Juli_2013.pdf Neugebauer, Martin (2013): Wer entscheidet sich für ein Lehramtsstudium – und warum? Eine empirische Überprüfung der These von der Negativselektion in den Lehrerberuf. Zeitschrift für Erziehungswissenschaften online (2013) 16: S. 157–184 Nolle, Tim (2013): Psychosoziale Basiskompetenzen und Lernorientierung bei Lehramts­s tudierenden in der Eingangsphase des Lehramtsstudiums. Verlag Julius Klinkhardt: Bad Heilbrunn. Schiefele, Ulrich/Jacob-Ebbinghaus, Luzia (2006): Lernermerkmale und Lehrqualität als Bedingungen der Studien­z ufriedenheit. In: Zeitschrift für Pädagogische Psychologie, 20(3), S: 199–212

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Meinung

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Unterstützung der Schulen JA – Testeritis NEIN! Seit zehn Jahren müssen Grundschulen die flächendeckenden Vergleichsarbeiten VERA verkraften. Allein Organisation und Durchführung der Tests verlangen von den Grundschulkolleginnen und -kollegen einen erheblichen zusätzlichen Zeitaufwand. VERA bindet also kostbare Zeit und verschwendet Ressourcen, die der Unterrichts- und Schulentwicklung entzogen werden. Das ist paradox, denn das von der KMK gepriesene Ziel lautet, mit VERA Rückschlüsse über die Qualität des Unterrichts zu ziehen und daraus Impulse für künftiges Unterrichten zu geben. Kein VERA-Test hat bisher zu verbesserter Personalausstattung an der Schule, zu mehr Möglichkeiten individueller Förderung der Schüler, zu gezielten Fortbildungsangeboten für die Kolleginnen und Kollegen geführt. Die Rückmeldungen an die Schulen taugen kaum als Diagnose und lassen vor allem die Therapie außen vor. VERA ist ein Segeln unter falscher Flagge. Das punktuelle Messen in zwei Fächern, in Deutsch und Mathematik, engt in Wirklichkeit den Bildungs- und Erziehungsauftrag unzulässig ein. Das Messen von „Messbarem“ taugt nicht im Geringsten, um ernsthafte Aussagen über die Schulentwicklung zu treffen. Es führt zudem zu einem sinnlosen Wettbewerb, wenn Kolleginnen und Kollegen die Testergebnisse ihrer Klasse mit denen der Nachbarklassen oder Nachbarschulen formal vergleichen sollen, weil die schulischen Bedingungen vor Ort keine Rolle spielen. Die verpflichtenden Tests können aber bewirken, in den heterogenen Lerngruppen, in Klassen mit behinderten und nichtbehinderten Kindern zu demotivieren oder sogar auszugrenzen. Schulleistungstests wie VERA konterkarieren den pädagogischen Ansatz, jedes Kind individuell zu fördern und zu fordern. Die Tests sind inklusionsfeindlich. Der VBE ist nicht grundsätzlich gegen Leistungstests, aber diese müssen an Schulen mittels Stichproben und zu unterschiedlichen Zeitpunkten eingesetzt werden, um Schulrankings unmöglich zu machen. Tests sollen ausschließlich der individuellen Förderung der Lernenden dienen. Unsere Warnungen in der „Zürcher Erklärung zu Schulleistungstests“ gemeinsam mit unseren Kollegen in Österreich und der Schweiz versucht die Kultusbürokratie zu relativieren, aber es gibt keine ernsthafte Untersuchung, inwiefern per Testeritis Schulen besser werden können. Jetzt liegt auf dem Tisch der KMK-Präsidentin das Manifest von VBE, GEW und Grundschulverband „10 Jahre VERA – das Ziel ist verfehlt. Schulen brauchen Unterstützung statt Testeritis“. Für eine öffentliche Übergabe des Manifests fand man bei der KMK keine Zeit. Das ist auch eine Botschaft, die wir allerdings nicht hinnehmen. Wir dringen auf die Evaluation aller Maßnahmen der Bundesländer zur Qualitätssicherung durch unabhängige Forscher. Wir fordern die Umstellung auf Stichproben und eine Entzerrung auf einen drei- bis fünfjährigen Zyklus. Wir fordern alltagstaugliche, förderdiagnostische Instrumente, Aufgabenpools als Angebot und Super­ visionsangebote, die allen Schulen zur Verfügung stehen müssen. Wir fordern praxisnahe Fortbildungen in Schul- und Unterrichtsevaluationsinstrumenten, Lernbeobachtung und differenzierter Förderung. Und wir dringen auf Zeit und Mittel, damit Schulen Konsequenzen aus den Evaluationsergebnissen ziehen können. Die KMK ist am Zug. Udo Beckmann VBE-Bundesvorsitzender u.beckmann@vbe.de

Udo Beckmann, Bundesvorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE)


Bildungspraxis

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Leitbild für Berufseinsteiger: gesunde Leistungsfähigkeit und leistungsfähige Gesundheit

Bernhard Sieland, Dirk Lehr

Schulpersonal zwischen Belastung und Resilienz

Denn Lehrpersonen sind keine Maschinen, die sich bei fehlerhafter Eingabe automatisch abbremsen, um die Selbst- und Fremdgefährdung zu verhindern. Pädagog(inn)en wirken vielmehr mit ihrer Psyche auf die Die Belastung des Schulpersonals ist nicht nur ein der Schüler/-innen ein. Und hier gilt: Ein depressiver gefühltes Problem überempfindlicher Lehrpersonen. Pastor kann keine frohe Botschaft verkünden! Die neueste Studie der Bundesanstalt für ArbeitsPädagog(inn)en brauchen daher eine ansteckende schutz und Arbeitsmedizin (Lohmann-Haislah, 2012) Gesundheit für eine erfolgversprechende Erziehungszeigt das an einer repräsentativen Stichprobe von 20.036 Berufstätigen im Vergleich zu 692 Lehrkräften. und Bildungsarbeit. Zudem lassen sich auch die Schäden überlasteter PädagogInnen nicht exakt beziffern, für sich selbst vielleicht noch in den nachfolgenden Allgemeine Müdigkeit, Mattigkeit Behandlungs- und Pensionskosten, nicht aber für das Nervosität oder Reizbarkeit eigene Leid sowie das der Angehörigen. Aber wer wagt es, den Schaden erschöpfter Lehrkräfte an den Emotionale Erschöpfung Schüler/-innen durch Entmutigung, biografische Nächtliche Schlafstörungen Behinderungen usw. zu beziffern? Gleichwohl ist das Thema Lehrergesundheit in der Ausbildung nicht Kopfschmerzen substanziell berücksichtigt. Schmerzen im unteren Rücken (Kreuzschmerzen) Das Schulpersonal und besonders die Berufsein­ steiger/-innen benötigen daher ein großes Maß an Schmerzen in den Beinen, Füßen Resilienz, jene Widerstandsressource, die bei grenzSchmerzen in den Knien wertigen Dauerbelastungen, Niederlagen und Krisen besonders beansprucht wird. Personen mit guter Husten Resilienz bewältigen Krisen gut und gehen nicht sel0 10 20 30 40 50 60 ten gestärkt daraus hervor. Lehr, Schmitz und Hillert Lehrer Gesamt (2008) konnten zeigen (vgl. Abb. 2), dass sich die bevorzugten Bewältigungsmuster von gesunden und Beschwerden, in denen sich Lehrer (N=692) und der Durchschnitt der kranken Lehrkräften systematisch unterscheiden. Erwerbstätigen (N = 20.036) um mehr als 5 Prozentpunkte unterscheiden (vgl. Lehr, D. im Druck).

Die Gesamtbelastung für alle Berufstätigen ist schon beeindruckend, die für die Lehrpersonen in besonderer Weise. Mit Blick auf die jährlichen Zusatzbelastungen durch neue Reformen der Kultusministerien sind Lehrkräfte und die von ihnen betreuten Schüler -innen besonders gefährdet.

Ausprägung der Bewältigungsstrategien in den drei Bewältigungsmustern: Cluster I = flexibel-kompensierendes Muster; Cluster II = inkonsistent-kompensierendes Muster; Cluster III = ruminativ-selbstisolierendes Muster. 5

4 Abb. 2: Bewältigungsmuster und psychische Gesundheit im Lehrerberuf 3 (vgl. Lehr, Schmitz u. Hillert (2008) 2

I II

III

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Resignation

soziale Entspannung Aufsuchen Abkapselung positiver Erlebnisinhalte

Situationskontrolle

Reaktionskontrolle


Bildungspraxis

Ansteckende Gesundheit... 2014 B & E 2|

Nach Abb. 2 zeigen seelisch gesunde Lehrkräfte wenig Resignation, geringe soziale Abkapselung, hohe Werte an Entspannung und stimmungsstabilisierende Aktivitäten. Sie versuchen stärker die Probleme zu lösen und etwas weniger die eigene Betroffenheit darüber zu regulieren. Die Kontraste zu Lehrpersonen, die mit Erschöpfungsdiagnosen in Kliniken behandeln werden sind beeindruckend! Angesichts der wachsenden Beanspruchung durch die Einführung der Ganztagsschule, der Inklusion und weiterer Reformen haben die Kultusministerien, Schulbehörden, Schulleitungen und das gesamte pädagogische Personal eine besondere Diagnose- und Handlungsverantwortung. Diese ist im ArSchG vom 07.08.1996 geregelt. Danach hat der Dienstherr unter Strafandrohung (!) die Verantwortung und die vollen Kosten für die Diagnose von Gefährdungen, für Maßnahmen zu deren Beseitigung und für die Erfolgskontrolle zu tragen.

Der Berufseinstieg als besondere Herausforderung an gesunde Leistungsfähigkeit Der Berufseinstieg gilt als besondere Herausforderung für junge Lehrkräfte. Viele Bundesländer tragen dem durch besondere Maßnahmen für Berufseinsteiger Rechnung. Die Programme der verschiedenen Bundesländer laufen unter dem Kürzel BEP für Berufseinstiegsphase. Viel sinnvoller wäre es, für das Thema leistungsfähige Gesundheit schon in der ersten Phase Trainings anzubieten. Diese sind online in hoher Qualität verfügbar (s.u.). Jetzt brauchen die Einsteiger/-innen in besonderer Weise eine gute Stimmung und eine Dankbarkeit für das Mögliche, die die Betroffenheit über das Unmögliche ausgleicht. Nach der schon anstrengenden 2. Phase steigt die Unterrichtsbelastung nun von ca. 12 auf bis zu 29 Stunden. Man muss sich an ein neues Kollegium gewöhnen. Es gilt die Bindungen an die neuen Schüler/-innen und Eltern zu gestalten und ein professionelles Beziehungs- und Stützsystem aufzubauen. Hilfreiche Links dazu finden Sie am Schluss in einem Kasten. Im Folgenden beschreiben wir sieben Diagnosekriterien seelischer Gesundheit mit zugeordneten Handlungsvorschlägen, die gerade auch Berufseinsteiger/ -innen auf sich anwenden sollten.

Sieben Diagnosekriterien für gesunde Leistungsfähigkeit Seelische Gesundheit bezieht sich auf alle Ressourcen, die Sie zur Bewältigung Ihrer beruflichen und privaten Lebensaufgaben einsetzen können. Die Abbildung 3 macht deutlich, dass man diese Ressourcen laufend pflegen muss. Wer täglich Ressourcen nutzt, muss auch für Nachschub sorgen!

Rollen bewältigen Beziehung Stützsystem

Besinnen, Probleme lösen

Selbstwirksamkeit Gefühle zielführend regulieren

Eigene Wünsche verwirklichen Selbstwertschätzung

Abb. 3: 7 Merkmale seelischer Gesundheit und Resilienz beachten und pflegen

Erholen

Geben Sie bitte auf jeder folgenden Skala drei Bewertungen ab: X = so sehe ich meine gelebte Praxis, O = so beurteilt mich vermutlich ein kritischer Freund, W = so wichtig ist für mich ein Fortschritt auf diesem Gebiet.

Effektive Rollenbewältigung

Seelisch gesunde Personen bewältigen im Alltag die berechtigten Anforderungen aus den relevanten Rollenbezügen. Wer mehr Aufgaben übernimmt oder zugewiesen bekommt als er Ressourcen hat, schädigt auf Dauer seine Gesundheit. Umgekehrt: Wer angenehme wie unangenehme Rollenaufgaben bewältigt, trainiert seine „Muskeln“ für Gesundheit und Leistungsfähigkeit.

Wie gut bewältigen Sie Ihre wichtigsten Rollen? Was können Sie Gutes bzw. Schlechtes aus Ihren Rollen machen? Was machen die Rollen aus Ihnen? Wo müssen Sie Ihr Rollenleitbild verändern und wo brauchen Sie eine Kurskorrektur? Wie können Sie dies Ihren Schüler(inne)n vermitteln? Rollenaufgaben verwirklichen

Gar nicht

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Sehr gut

Handlungsimpuls: Sollten Sie eine „Rolle des Monats“ auswählen, in der Sie sich mal wieder intensiver engagieren und gleichzeitig eine weitere Rolle bestimmen, bei der Sie Überengagement reduzieren?

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Bildungspraxis

...gesunde Leistungsfähigkeit 14

Effektive Selbstverwirklichung

Seelisch gesunde Personen verwirklichen im Alltag auch eigene Wünsche angemessen. Damit ist mehr gemeint als ausreichende Zeit zur Ernährung zum Toilettengang und zum Schlafen. Man denke an die Mahnung: Manche Schäfer interessieren sich mehr für die Wolle, andere für das Fleisch ihrer Schafe. Wer interessiert sich eigentlich für das Schaf ?

Haben Sie ein persönliches Lebensleitbild? Was soll man von Ihnen sagen können? Wie genau kennen Sie Ihre Lebensziele? Wie ernst nehmen Sie die eigenen Wünsche? Sagen Sie häufiger „Nein“ zu eigenen Wünschen oder zu den Erwartungen anderer? Wie können Sie dies Ihren Schüler(inne)n vermitteln? Effektive Selbstverwirklichung

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Gar nicht

Sehr gut

Impuls: Wie gut war Ihre heutige Balance zwischen Rollenbewältigung und Selbstverwirklichung, wie können Sie morgen gegensteuern?

Selbstwertschätzung

Seelische gesunde Personen haben abruf bereite Gedanken zur Selbstwertschätzung, die sie in Krisen stabilisieren.

Jeder kennt eigene Schwächen. Kennen Sie auch Ihre Stärken? Wie gut gelingt Ihnen eine überzeugende Lobrede über sich selbst, ohne besondere Vorbereitung? Was mögen Sie an sich selbst besonders? Warum ist es gut, dass es Sie gibt? Wie können Sie Ihren Schüler(inne)n Selbstwertschätzung vermitteln? Selbstwertschätzung

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Gar nicht

Sehr gut

Impuls: Beantworten Sie folgende Fragen: Welche Erfolge hatten Sie bisher und durch welche eigenen Fähigkeiten haben Sie diese erreicht? Welche Belastungen haben Sie bisher ausgehalten und woher hatten Sie die Kraft dazu? Was schätzen Sie und andere jenseits Ihrer Leistungen an Ihrer Person? Üben Sie mit Ihren Schüler(inne)n immer wieder neue positive Selbstaussagen zu folgenden Satzanfängen: Ich habe…, Ich bin, … Ich kann… Ich werde,…

Effektive Erholung im Alltag

Seelisch gesund sind Personen, die im Alltag abschalten und sich qualitätvoll erholen können.

Wie gut können Sie ab- bzw. umschalten? Welche kreativen, physischen oder sozialen Anstrengungen nutzen Sie als tägliche Erholung? Welche Ideen haben Sie, dies Ihren Schüler(inne)n beizubringen? Effektive Erholung

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Gar nicht

Sehr gut

Impulse: Erholen besteht nicht nur aus anstrengungsarmen Aktivitäten wie Fernsehen, Lesen oder Entspannung, sondern auch aus sozialen, körperlichen und kreativen Tätigkeiten, die zum Umschalten zwingen wie z. B. einen Tanzkurs besuchen, Sport treiben, Gärtnern, Malen, Musizieren … Sollten Sie die Dauer und das Profil Ihrer täglichen Erholungsaktivitäten ausweiten?

Gefühle zielführend regulieren

Seelisch gesund sind Personen, die ihren Gefühlen nicht ausgeliefert sind, sondern diese aktiv mitgestalten.

Wie gut kümmern Sie sich im Alltag um Ihre emotionale Stabilisierung? Wie gut können Sie Frust aushalten und bewältigen? Können Sie sich für unangenehme Tätigkeiten motivieren oder leiden Sie an „Aufschieberitis“? Welche Ideen haben Sie, dies Ihren Schüler(inne)n beizubringen? Gefühle zielführend regulieren

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Gar nicht

Sehr gut

Impuls: Machen Sie sich täglich aktiv Freuden und entlasten sich durch Gespräche über Last und Leid (= Seelenklo).

Effektives Besinnen und Probleme lösen Seelisch gesunde Personen können sich im Alltag effektiv besinnen und Probleme proaktiv lösen bzw. unlösbare Anteile aushalten. Solche Personen ertrinken nicht in gefühlsüberwältigenden Grübeleien. Sie denken regelmäßig über ihren Tagesverlauf nach, um gegebenenfalls frühzeitig nachzusteuern.

Wie regelmäßig reflektieren Sie Ihren Tagesablauf und setzen Sie Erkenntnisse von heute in den kommenden Tagen um? Besinnen und Probleme lösen

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Gar nicht

Sehr gut


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Impuls: Sollten Sie täglich 10 Minuten klären: Was war das Wichtigste, was ich heute getan und unterlassen habe? Was möchte ich morgen bewusst ändern? Welche Probleme kommen auf mich zu, was davon kann ich lösen, was muss ich aushalten? Nutzen Sie auch www.lehrerforum.de

Seelisch gesunde Personen investieren Zeit, Kraft und Phantasie in die Pflege ihrer sozialen Beziehungen. Sie erleben und vermitteln darin Selbst- und Fremdwertschätzung, öffnen sich für eigene und fremde Probleme und Sichtweisen und bieten bzw. erhalten emotionale und problembezogene Unterstützung.

Wie gut und überzeugend empfangen und geben Sie Wertschätzung, teilen Sie Freude und Leid und unterstützen sich gegenseitig bei Schwierigkeiten. Wie schnell finden bzw. bieten Sie ein offenes Ohr, wenn es drauf ankommt? Beziehungen gestalten 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Gar nicht

Sehr gut

Impuls: Verbessern Sie mit einer Person Ihrer Umgebung den ausgewogenen Dialog über relevante Erfahrungen und Sorgen, teilen Sie bewusster Freude und Leid und ermutigen Sie sich gegenseitig. Diese sieben Diagnose- und Handlungskriterien für gesunde Leistungsfähigkeit sollten Lehrpersonen im Blick behalten. Hier geht es nicht um unerreichbare Ideale, sondern um tägliches Bemühen und Antworten auf folgende Fragen. Wer bin ich? Was will ich? Was kann ich? Was ist möglich? Zum Schutz vor Selbstüberforderung sollte man darüber mit kritischen Freunden reden. Wer darüber hinaus seine leistungsfähige Gesundheit trainieren möchte, findet wirksame Diagnosen, Trainings, Beratung und Schriften im folgenden Link-Kasten. Prof. Dr. Bernhard Sieland Dr. Dirk Lehr www.lehrergesundheit-leuphana.de

www.cct-germany.de Laufbahnberatung und Potenzialanalyse für (angehende) Lehrkräfte. www.zeittagebuch-vbe.de Ein Tätigkeits-Stimmungstagebuch zur Kontrolle Ihres Zeitaufwandes für berufliche und private Aufgaben.

Die sozialen Beziehungen pflegen

Diagnosen für Einzelpersonen und Gruppen www.geton-training.de/fragebogen.php Fragebogen mit automatischer Auswertung zur differenzierten Analyse von Stress im Beruf.

Beratung www.lehrerforum.de Multiprofessionelles Forum zur anonymen Beratung von Lehrpersonen.

Online-Trainings für Einzelpersonen und Gruppen www.geton-training.de Homepage für Internettrainings u. a. zur Stressregulation, zur alltäglichen Regeneration und erholsamem Schlaf, zur Förderung der Dankbarkeit, zur Überwindung von Depressionen, „Aufschieberitis“, Angst- und Panikstörungen usw. www.5-minuten.com Training zur Verbesserung der seelischen Gesundheit im Alltag durch Impulse, die täglich in 5 Minuten realisiert werden können.

Nachhaltige schulinterne Lehrerfortbildung www.lehrergesundheit-leuphana.de Angebote für schulinterne Lehrerbildung, mit anschließender 8-wöchiger Anwendungsförderung durch SMS-Coaching bzw. Anwendungstrainings in den beruflichen und privaten Alltag.

Projektberichte, Handbücher und Checklisten zum Herunterladen www.handbuch-lehrergesundheit.de. 2 Bücher zum Herunterladen: (1.) Handbuch Lehrergesundheit sowie (2.) Gelingensbedingungen für die Entwicklung guter gesunder Schulen. Beide mit Checklisten und Arbeitshilfen. www.schulen-entwickeln.de Projektberichte von Schulen, die sich zu guten gesunden Schulen entwickeln wollen.

Literatur Lehr, D. (im Druck). Belastung und Beanspruchung im Lehrerberuf: Gesundheitliche Situation und Evidenz für Risikofaktoren. E. Terhart, H. Bennewitz & M. Rothland (Hrsg.). Handbuch der Forschung zum Lehrerberuf; 2., vollständig über­ arbeitete und erweiterte Auflage. Münster: Waxmann. Lehr, D., Schmitz, E. & Hillert, A. (2008). Bewältigungsmuster und psychische Gesundheit: Eine clusteranalytische Untersuchung zu Bewältigungsmustern im Lehrerberuf. In Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie, Vol 52 (1), 2008, 3–16. Lohmann-Haislah, A. (2012). Der Stressreport Deutschland. Psychische Anforderung, Ressourcen und Befinden. www.baua.de/dok/3430796 Dortmund/Berlin/Dresden (2012) sowie www.baua.de/de/Informationen-fuer-die-Praxis/Statistiken/Arbeitsbedingungen/Erwerbstaetigenbefragung-2011-2012.html

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Blickpunkt

Lehrende Lernende + 16

Traumberuf oder Berufstraum? Kerstin Ruthenschröer Lehrer sein! – Was bedeutet das eigentlich? Nun, es kommt ganz darauf an, wo man sich gerade befindet. Im Studium, im Referendariat oder schon im Beruf­s­ einstieg. Seit ich denken kann, wollte ich Lehrerin werden. Zwischenzeitlich kamen auch andere Berufswünsche dazwischen, aber dieser Gedanke kam immer wieder. So startete ich zum Wintersemester 1997 mit meinem Lehramtsstudium und musste schnell feststellen, dass dies nun überhaupt nichts mit dem zu tun hatte, was ich eigentlich machen wollte. Klar, ich befand mich an einer Universität, da wird wissenschaftlich gearbeitet, und es gilt, sich fachwissenschaftliche Kenntnisse und Fähigkeiten anzueignen, aber wozu? Nur sehr selten wurde der Praxisbezug deutlich, und ich verlor immer mehr die Motivation für diesen Beruf. Ein Lichtblick waren immerhin die Praktika, die zu absolvieren waren. Sie brachten neue Motivation und bestärkten mich wie­der darin, mein Ziel, Lehrerin zu werden, nicht aus den Augen zu verlieren.

Nach dem Studium entschied ich mich bewusst gegen ein sofortiges Referendariat und trat stattdessen eine Vertretungsstelle in Niedersachsen an. Da war er, der berühmte „Sprung ins kalte Wasser“! Jetzt hieß es, sich über Wasser zu halten. Fremde Kinder in unterschiedlichsten Altersklassen, mit unterschiedlichen Wissensständen und Persönlichkeiten. Und all denen musste ich nun gerecht werden. Aber woher wusste ich, was ich ihnen zu welchem Zeitpunkt beizubringen habe und wie? Das wurde mir während des Studiums nicht beigebracht. Zwar kannte ich die unterschiedlichen Ansätze der Reformpädagogik und konnte Lesetexte sprachwissenschaftlich untersuchen, aber das half mir in dem Moment wenig, in dem bspw. ein Kind sich weigerte, sein Heft auszupacken. Zum Glück gab es hilfsbereite Kollegen, die mir mit Rat und Tat zur Seite standen, und so lernte ich nach und nach, worauf es wirklich in diesem Beruf ankommt und dass er wesentlich vielseitiger ist, als zuvor angenommen. Manch einer mag nun sagen, „Du hattest ja auch noch kein Referendariat gemacht“. Mag sein, aber sind wir nicht auch in dieser Ausbildungsphase auf Hilfe von Kolleginnen und Kollegen angewiesen? Gerade zu Anfang?


Lernende Lehrende 2014 B & E 2|

Seit mittlerweile zehn Jahren bin ich als Mentorin und Ausbildungsbeauftragte tätig und erfahre jedes Jahr aufs Neue, dass die Studenten und Studentinnen, die zu uns in die Schulen kommen, nicht auf das vorbereitet sind, was sie erwartet. Den Lehrplan haben sie im Studium zur Genüge kennengelernt, analysiert und wissenschaftlich bearbeitet. Die Kompetenzen, die die Schüler und Schülerinnen zu lernen haben, sind bekannt, aber wie werden diese vermittelt, mit welchen Themen, in welchen Jahrgängen? Da sind wir „alten Hasen“ mit unserer Erfahrung gefragt. Die Lehramtsanwärter sind auf unsere Hilfen angewiesen, um sich im Praxisalltag zu Beginn zurechtzufinden. Leider höre ich in meiner Funktion als AdJ-Sprecherin immer mal wieder, dass LAAs sich allein gelassen fühlen, da die Kolleginnen und Kollegen keine Unterstützung sind. Hier handelt es sich sicherlich um Ausnahmen und hängt meines Erachtens auch mit der heutigen Arbeitsbelastung zusammen. Auch die LAAs sehen die Situation so, erleben den Alltagsstress, trauen sich nicht, die Kollegen um Hilfe zu bitten, fühlen sich als zusätzliche Arbeitsbelastung. Dies führt gerade zu Anfang oft zu enormen Belastungen bis hin zu psychischen Überlastungen. Vielen Lehramtsanwärtern wird das wirkliche Berufsfeld „Lehrer“ erst mit dem Beginn des Referendariats bewusst. Wir sind nicht nur Lehrende, so wie wir es im Studium vermittelt bekommen, sondern wir sind auch ein Stück weit Psychologe, Krankenschwester, Motivator, Manager, Animateur, Seelentröster, Familientherapeut, Verwaltungsassistent, … Unser Beruf ist vielfältig, was ihn für mich persönlich sehr attraktiv macht. Doch für einige, erfüllen diese Bereiche nicht das, was sie sich zu Beginn des Studiums vorgestellt haben, das Unterrichten kommt vielen zu kurz bzw. wird durch außerunterrichtliche Pflichten behindert. Ein oft unterschätzter Bereich unserer Arbeit ist zudem die Elternarbeit. Auch auf diese wurde ich im Studium nicht vorbereitet. Natürlich ist dies auch schon einige Jahr her, und wir alle wissen, dass die Elternarbeit in den letzten Jahren zugenommen hat und zum Teil schwieriger geworden ist. Demnach müssten die Universitäten diese Problematik erkannt und aufgenommen haben. In Gesprächen mit derzeitigen Referendaren und Studenten des Bachleor- und Masterstudienganges erfuhr ich, dass die Elternarbeit teilweise thematisiert wurde bzw. wird. Doch kritisieren die Studenten und LAAs die Vorgehensweise.

So berichtet eine LAA, dass ihr zwar verschiedene Kommunikationsmodelle für Elterngespräche vorgestellt, diese auch besprochen und analysiert wurden, doch fehlte stets der Praxisbezug. Im Referendariat musste sie dann feststellen, dass sie die Kommunikationsmodelle nicht einsetzen konnte, da sie dafür nicht geeignet waren. Ein weiteres Problem, welches sich durch Elterngespräche ergeben kann, ist die psychische Belastung, die dadurch entstehen können. Unsere Lehrerpersönlichkeit ist immer auch unsere ganz individuelle Persönlichkeit, und somit ist es unumgänglich, dass wir uns persönlich angegriffen fühlen, wenn unser Unterricht, unsere Methoden von Eltern kritisiert werden. Wir müssen lernen, gelassen zu reagieren, eine innerliche Distanz aufzubauen, ohne unnahbar oder gar arrogant zu wirken. Darauf werden wir als Lehrer während des Studiums nicht vorbereitet und uns ist zu Beginn unserer Ausbildung nicht bewusst, dass dies auf uns zukommt. Das ist ein fataler Fehler, da diese Unwissenheit und ungenügende Vorbereitung zu gesundheitlichen Problemen führen kann. Durch den Bachelor- und Masterstudiengang hatte ich die Hoffnung, dass die Praxis mehr Einzug in die Universitäten erhält. Leider scheint dies bis dato nicht der Fall zu sein. Hinzu kommt, dass das Referendariat in den meisten Bundesländern auf eineinhalb Jahre verkürzt wurde und so die wichtige Ausbildungsphase in der Schule zu kurz ist. Zwar soll das Praxissemester dies auffangen, doch dies bleibt abzuwarten. Es ist an der Zeit, dass der Praxis in der Ausbildung zur Lehrkraft mehr Bedeutung zukommt, denn wir haben es in Schulen nicht nur mit Papieren und Bürokratie zu tun, sondern vor allem mit lebendigen Individuen. Kerstin Ruthenschröer Bundessprecherin der AdJ im VBE k.ruthenschroeer@vbe-nrw.de

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Im Bund und über Grenzen

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4. Internationaler Kongress zum Lehrerberuf: Closing the Gap

Die deutsche Delegation auf dem Internationalen Kongress zum Lehrerberuf in Wellington zusammen mit Neuseelands Bildungsministerin Hekia Parata. Vorn v.l.n.r: Marlis Tepe (GEW), Udo Michallik (KMK), Ministerin Hekia Parata, Udo Beckmann (VBE). Dahinter Manfred Brinkmann (GEW) und Jürgen Fischer (VBE) als Observer

Ende März fand in Neuseelands Hauptstadt Wellington der 4. Internationale Kongress zum Lehrerberuf statt, zu dem die OECD, die Education International (EI) und Neuseelands Bildungsministerin Hekia Parata als Gastgeberin eingeladen hatten. Von deutscher Seite nahmen KMK-Generalsekretär Udo Michallik, VBE-Bundesvorsitzender Udo Beckmann und GEW-Vorsitzende Marlis Tepe sowie Jürgen Fischer (VBE) und Manfred Brinkmann (GEW) als Observer teil. Der Kongress, der jährlich stattfindet, versteht sich als internationaler Erfahrungsaustausch zwischen Regierungen und den großen Lehrerorganisationen. Im Mittelpunkt stehen die Stärkung der Lehrerprofession und die Qualität der Lehrerbildung. VBE-Bundesvorsitzender Udo Beckmann betonte in Wellington: „Das Bildungsmonitoring, die Einführung von Bildungsstandards, die Durchführung von Schulleistungsvergleichen sind nur Mittel der Diagnose. Wir brauchen aber nicht mehr Diagnoseinstrumente. Wir brauchen eine flächendeckende Therapie. Diese ist noch nicht ausreichend entwickelt. Das Unterrichten in inklusiven Klassen ist die Perspektive und dafür brauchen Lehrerinnen und Lehrer viel mehr Unterstützung.“

Die Lehreraus-, -fort- und -weiterbildung müsse auch in Deutschland deutlich stärker in den Fokus gerückt werden. „Lehrerinnen und Lehrer wollen mehr Qualifikationsprogramme, die auf das Unterrichten in inklusiven Klassen bezogen werden. Nötig sind mehr schulinterne Fortbildung verlinkt mit Best-PracticeBeispielen, mehr Training on the Job.“ Dies bedeute jedoch auch, so Beckmann, Lehrerinnen und Lehrern die Zeit dafür zu geben, dies zu tun, und den Schulen die notwendigen Ressourcen bereit zu stellen. Die Landesdelegationen verständigten sich auf drei Arbeitsschwerpunkte, die allen Anwesenden in der Abschlussrunde vorgestellt wurden. Konsens in der deutschen Delegation war es, das zur Erreichung des übergeordneten Ziels „Closing the Gap“ (die Lücke zwischen sozialer Herkunft und Bildungschancen schließen) notwendig sind: 1. F ür jedes Kind die notwendige Unterstützung bereitzustellen, um den höchstmöglichen Bildungsabschluss zu erreichen. 2. W issenschaftlich gestützte Lehreraus- und Fortbildung bereitzustellen, um die individuelle Unterstützung eines jeden Kindes zu erreichen und gleichzeitig Lehrerinnen und Lehrer dafür mit Wissen, Fähigkeiten und ausreichend Zeit zu versorgen. 3. Schulentwicklung durch bessere Zusammenarbeit von Regierungen und Bildungsgewerkschaften voranzutreiben. Für 2016 hat KMK-Präsidentin Sylvia Löhrmann den Internationalen Kongress zum Lehrerberuf nach Berlin eingeladen. Der VBE begrüßt diese Entscheidung. 2015 findet der Kongress in Kanada statt. Für 2017 und 2018 haben sich bereits Hongkong und Schottland vorangemeldet.

Schulleitermangel ernst nehmen Entscheidungen von Eltern schulpflichtiger Kinder hängen auch davon ab, ob eine Schulleiterstelle besetzt ist oder nicht. Das ergab eine repräsentative forsaUmfrage im Auftrag des VBE. Demnach gaben bundesweit 49 Prozent der Eltern schulpflichtiger Kinder an, wenn die Schulleiterstelle unbesetzt sei, würde sie dies wahrscheinlich davon abhalten, ihr Kind an diese Schule zu geben. Dieser Wert steigt jedoch signifikant mit dem Bildungsabschluss der Eltern an. 54 Prozent der Eltern mit Hochschulreife oder Hochschulabschluss sehen eine unbesetzte Schulleiterstelle als Hinderungsgrund, ihr Kind dort anzumelden.


VBE-Magazin 2014 B & E 2|

VBE-Bundesvorsitzender Udo Beckmann warf den Ländern vor, sie verweigerten der schulischen Führungsarbeit nach wie vor die nötige Wertschätzung. „Der Mangel an Schulleitern ist hausgemacht“, so Beckmann. „Der VBE fordert eine ausreichende Leitungszeit, weniger Unterrichtsverpflichtung, die Bereitstellung von Fortbildungsbudgets zur Personalentwicklung, eine berufsbegleitende Qualifizierung, das nötige Verwaltungspersonal, eine attraktive Bezahlung der Führungsverantwortung und die Anerkennung der Gleichwertigkeit von Schulleitung.“ Um die Arbeit der Schulleiter mehr in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken, veranstaltet der VBE gemeinsam mit Wolters Kluwer seit 2012 jährlich den Deutschen Schulleiterkongress. Der DSLK 2015 findet vom 12. bis 14. März 2015 im CCD Süd Düsseldorf statt. www.deutscher-schulleiterkongress.de

50 Jahre Domino Verlag 15 000 Dominosteine fielen am 17. Januar in der Internationalen Jugendbibliothek im Schloss Blutenburg in München auf der Geburtstagsveranstaltung des Domino Verlages, in dem vom VBE und seinen 16 Landesverbänden die Schul-Jugendzeitschriften floh und FLOHKISTE herausgegeben werden. Im Namen des VBE gratulierte Udo Beckmann Verleger Günther Brinek und dem Verlagsteam. Das Projekt Domino habe überzeugend bewiesen, dass Pädagogik eine ganz phantastische Angelegenheit sei, dass sie zu Phantasie verführe und staubtrockene Gelehrsamkeit gar nicht zulasse. „Staunen ist nicht nur eine pädagogische Tugend“, sagte Udo Beckmann, „es ist auch eine pädagogische Kunst, Staunen zu machen – bei jung und alt, bei groß und klein.“ Er wünschte „dem ganzen Domino-Team allzeit gute Phantasien“.

Arbeitskreis Jugendliteratur tagte Während der Leipziger Buchmesse 2014 fand die Mitgliederversammlung des Arbeitskreises Jugendliteratur (AKJ) statt. Der AKJ ist die vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend finanzierte Interessenvertretung zur Förderung der Kinder- und Jugendliteratur in Deutschland. Er umfasst zurzeit 200 Einzelund 44 Verbandsmitglieder (darunter auch der VBE) sowie zwei Ehrenmitglieder. Der VBE wurde durch Johannes Müller vertreten. Die Interessenvertretung befasste sich u.a. mit der Debatte zur Political Correctness in der Kinder- und Jugendliteratur. Der AKJ vertritt die Ansicht, dass man auch Kinder mit kritischen Begriffen konfrontieren könne. Eine Möglichkeit wäre es, die Originalworte mit Fußnoten zu versehen. Anstoß der öffentlichen Diskussion war die sprachliche Anpassung mehrerer Bücher von Otfried Preußler. Berichtet wurde auch über den Runden Tisch Autorenförderung. Mit dieser Veranstaltung wollte der AKJ ein Zeichen auf die Kritik einer „Initiative deutschsprachiger Kinder- und Jugendbuchautoren und Illustratoren“ setzen, die sich gegen die internationale Ausrichtung des Deutschen Jugendliteraturpreises ausgesprochen und eine Benachteiligung deutschsprachiger Autor/-innen ausgemacht haben. Die eingeladenen Vertreter/-innen der Initiative sowie der Verband Deutscher Schriftsteller hatten ihre Teilnahme an der Tagung abgesagt, u.a. mit der Begründung, es gäbe zu wenig Redezeit. Das Bundesministerium wird bei den bisherigen Vergaberichtlinien bleiben, eine Benachteiligung oder Bevorzugung sei nicht zu erkennen. Auf der Leipziger Buchmesse wurden die Nominierungen für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2014, der im Herbst auf der Frankfurter Buchmesse verliehen wird, bekannt gegeben. www.djlp.jugendliteratur.org/ nominierungen_bilderbuch-9.html

Gitta Franke-Zöllmer, stellvertretende VBE-Bundesvorsitzende für Internationales und Landesvorsitzende des VBE Niedersachsen, wurde am Vorabend des Internationalen Frauentages für ihr langjähriges Engagement auf nationaler und internationaler Ebene für die Gleichstellung der Frauen im Bildungs- und Erziehungsbereich mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt. Gitta Franke-Zöllmer ist auch Vorstandsmitglied im Europäischen Gewerkschaftskomitee für Bildung und Wissenschaft. V.l.n.r. Laudator Erster Kreisrat Stefan Muhle, Gitta Franke-Zöllmer, Ansgar Pohlmann, Bürgermeister Stadt Georgsmarienhütte

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VBE in den Ländern

Neues aus den 20

„Der BLLV hat bereits vor zehn Jahren das ‚Institut für Gesundheit in Pädagogischen Berufen‘ (IGP) gegründet, um so ein Angebot für Lehrerinnen und Lehrer zu schaffen, die vor einem Burn-out stehen oder – noch besser – die ihn vermeiden wollen.“ Die wissenschaftliche Lei„Bildungsgerechtigkeit muss in der Grundschule anfantung des Instituts liegt in den Händen des Freiburger gen“, sagt der Vorsitzende des VBE Baden-Württemberg, Neurobiologen Prof. Joachim Bauer. Gerhard Brand. Dazu gehöre auch ein Ethikunterricht www.bllv.de für alle Schüler, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen. Alle Kinder sollten möglichst früh eine optiHessen male Bildung und Erziehung genießen dürfen. Bis heute warten die Grundschulen vergeblich auf den in der Koalitionsvereinbarung festgeschriebenen Ethikunterricht. Baden-Württemberg

VBE mahnt Ethikunterricht für Grundschüler an

Soziale Netzwerke dürfen weder verteufelt noch glorifiziert werden

Grundschüler, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen, bleiben nicht nur ohne alternative Bildungsange„Gut und richtig“, nannte Stefan Wesselmann, Landesbote, sie sind für die Schulen auch eine echte Herausforvorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung derung, was die Beaufsichtigung betrifft. Denn auf der (VBE) Hessen die Diskussion um Handreichungen für einen Seite hat man die verlässliche Grundschule, die Lehrkräfte für den Umgang mit Facebook und anderen verhindert, dass man Schüler in Randstunden vorzeitig sozialen Netzwerken. „Das Internet sowie soziale Netznach Hause schicken darf, andererseits stehen den werke dürfen weder verteufelt noch glorifiziert werden“, Schulen für „Nicht-Unterricht“ auch keine Lehrerstunso der Bildungsgewerkschafter weiter. Die Wahrheit den zur Verfügung. läge – wie so häufig – in der Mitte. www.vbe-bw.de Bayern

BLLV warnt: Belastung im Lehrerberuf nimmt zu Der Präsident des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV), Klaus Wenzel, hat davor gewarnt, pädagogisches Personal an Schulen zu verschleißen. „Die Belastungen im Lehrerberuf haben deutlich zugenommen. Zu viele Lehrkräfte sind ausgepowert, werden physisch oder psychisch krank.“ Wenzel macht dafür die personelle Unterversorgung an den Schulen und die steigende Aufgabenfülle verantwortlich. Hinzu komme, dass Erziehungsaufgaben immer mehr auf die Schule abgewälzt würden – „Aufgaben, die in der Summe komplexer und schwieriger geworden sind und weit über den Unterricht hinausgehen, zum Beispiel, wenn es darum geht, einem Scheidungskind optimal zu helfen.“ Wenzel begrüßte ausdrücklich den Vorstoß der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw), die sich bei einem Kongress mit dem Thema „Burn-out im Bildungssystem“ beschäftigt hat.

Vor allem soziale Netzwerke könnten zwar als „Freizeitmedien“ betrachtet werden, jedoch müssten die Gefahren durch die Nutzung des Internets und sozialer Netzwerke dringend Teil des schulischen Bildungs- und Erziehungsauftrages sein. Jedoch gelte es nicht nur die Schülerinnen und Schüler, sondern auch die Lehrerinnen und Lehrer zu schützen. „Kontakte zwischen Schülern und Lehrern in sozialen Netzwerken müssen zwar nicht zwangsläufig so genannte ‚Shitstorms‘ mit sich bringen, dennoch kann eine unbedachte Äußerung im Netz eine weitreichendere Dynamik entwickeln, als das gesprochene Wort im Klassenraum.“ www.he.de Niedersachsen

Land und Kommunen in gemeinsamer Verantwortung „Es ist schon peinlich genug, dass der Landesrechnungshof jahrelange Versäumnisse einer mittel- und langfris­ tigen Schulentwicklungspolitik früherer und jetziger Regierungsmehrheiten wiederholt öffentlich kritisiert und zum verantwortungsvollen Handeln auffordert.


Landesverbänden 2014 B & E 21|

Nicht entschuldbar ist dies aber angesichts des draRheinland-Pfalz matischen Rückgangs der Schülerzahlen, der natürlich zunächst vor allem in ländlichen Regionen ein qualitativ gesichertes Grundschulangebot fraglich macht. Mit diesen Worten bewertet VBE-Landesvorsitzende Gitta „Die Inklusion ist eine der größten Herausforderungen Franke-Zöllmer den Prüfbericht zur Auslastung (sehr) für unser Schulwesen in Deutschland und in Rheinlandkleiner Grundschulen. Pfalz – darin sind wir uns mit der Landesregierung völlig einig. Um so wichtiger ist aber auch eine solide „Jetzt rächt sich, dass acht Jahre seit dem Enquetebericht personelle und sachliche Ausstattung – und die ist aus zur „Demografischen Entwicklung Niedersachsens“ Sicht des VBE Rheinland-Pfalz leider nicht gegeben.“ (2008) im Niedersächsischen Landtag ungenutzt blieben, Mit dieser Stellungnahme äußerte sich der Landesvorum mit den kommunalen Gebietskörperschaften eine sitzende des VBE Rheinland-Pfalz, Gerhard Bold, zur zukunftstaugliche Schullandschaft zu entwickeln, die geplanten Änderung des Schulgesetzes, mit dem die mindestens für die nächsten zehn Jahre gleiche BildungsInklusion an den rheinland-pfälzischen Schulen umgeangebote und vergleichbare Lebensverhältnisse in allen setzt werden soll. Regionen des Landes sicherstellt.“

Inklusion bleibt in RheinlandPfalz unterfinanziert

www.vbe-nds.de Nordrhein-Westfalen

Jetziges G8 bedeutet Überforderung und mangelnde Durchlässigkeit

Zwar sehe der VBE Rheinland-Pfalz in der Änderung des Schulgesetzes wichtige und richtige Ansätze, um der Umsetzung der Inklusion eine gesetzliche Grundlage zu geben. Wenn allerdings die Landesregierung die Inklusion mit 200 zusätzlichen Vollzeitlehrerstellen angehen will, sei das letztlich nicht mehr als der sprichwörtliche Tropfen auf dem heißen Stein. „Wir sind den Kindern und Jugendlichen mit Beeinträchtigungen eine hochwertige pädagogische Förderung schuldig, wo immer sie unterrichtet werden. Deshalb hat Inklusion ihren Preis!“ www.vbe-rp.de

Das Abitur nach acht Jahren, wie es im Moment an den Gymnasienin NRW angeboten wird, müsse dringend reformiert werden, sagt Udo Beckmann, Vorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) NRW, dies zeige auch die kürzlich in Düsseldorf vorgestellte ForsaUmfrage. „Die jetzige Form führt zur Überforderung der Saarland Gymnasiasten und verhindert gleichzeitig, dass begabte Schüler anderer Schulformen ohne zeitliche Verluste an die gymnasiale Oberstufe wechseln können.“

Bessere Ausstattung des Kooperationsjahres

Die Gymnasiasten seien durch das G8-Abitur während ihrer Schulzeit größeren Belastungen ausgesetzt als früher, so Beckmann: „Die Sekundarstufe I im Gymnasium geht über fünf Jahre – allerdings finden sich in ihr komprimiert Lehrinhalte von sechs Jahren wieder. Der Unterricht muss deswegen massiv auf den Nachmittag ausgeweitet werden, auch wenn die Schule als solche nicht explizit als Ganztagsschule ausgelegt ist.“ Der VBE bleibe bei seinem Vorschlag, die Sekundarstufe I auf sechs Jahre zu verlängern und somit zu entzerren. Im Gegenzug könnte die Oberstufe an den NRW-Gymnasien auf zwei Jahre verkürzt werden. Damit käme man auch den Schulformwechslern entgegen. www.vbe-nrw.de

Der Saarländische Lehrerinnen- und Lehrerverband (SLLV) begrüßt grundsätzlich die Umsetzung des Kooperationsjahres, stellt es doch einen wichtigen Schritt der Vernetzung von Elementar- und Primarstufe dar, der den Kindern den Übergang in die Grundschule erleichtert. Die Ausweitung der Standorte wird allerdings mit gleichzeitiger Reduzierung der zur Verfügung gestellten Lehrerstunden gegenfinanziert. Unter den neuen Bedingungen zweifelt der SLLV eine effektive, fruchtbare Umsetzung des Projektes an. Der SLLV sieht in dieser Entwicklung eine kostenneutrale Lösung, bei der die Qualität hinter der Quantität zurückstehen muss.

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Die Reduzierung auf nur zwei Wochenstunden lässt den Erfolg dieses wichtigen Projektes anzweifeln. In diesem Zusammenhang fordert der SLLV auch, die unabdingbaren Beratungsstunden zwischen Lehrern und Erziehern wieder einzuführen! Wenn die Landesregierung eine flächendeckende Ausdehnung anstrebt, sind auch die erforderlichen Mittel zur Verfügung zu stellen, so die Landesvor­sitzende Lisa Brausch. www.vbe-sllv.de

Das Prinzip „Fordern und Fördern“ muss ein gesamtgesellschaftliches Anliegen individueller Betreuung auf der Grundlage guter Lehr- und Lernbedingungen sein, heißt es im ersten Abschnitt. Die großen Erfolge sächsischer Schulpolitik haben aus unserer Sicht zwei Hauptgründe: Ein stabiles Schulsystem aufgrund einer stabilen Bildungspolitik in den vergangenen 20 Jahren und hervorragend arbeitendes und mit vielen Erfahrungen ausgestattetes Lehrpersonal.

Sachsen

Aber genau da liegt auch das Problem. Das Durchschnittsalter sächsischer Lehrerinnen und Lehrer wird immer höher, junge Lehrerinnen und Lehrer werden nicht im erforderlichen Maße eingestellt, und zunehmend entstehen deutliche Lücken in der Unterrichtsversorgung. Eine Weitergabe des Erfahrungsschatzes an jüngere Lehrkräfte ist deshalb nur bedingt möglich. Die immer älter werdende Lehrerschaft wird zunehmend immer mehr belastet. Abordnungen und Versetzungen sind geplanter Alltag, Vertretungen kaum noch zu leis­ ten und individuelle Förderung bleibt auf der Strecke. Deshalb fordern wir endlich ein schlüssiges Personalkonzept für die Schulen. www.vbe-slv-online.de

Für starke Schulen mit individueller Förderung Ende März haben die Lehrerverbände im Sächsischen Beamtenbund in Dresden ein Positionspapier mit dem Namen „Konzept 2o2o“ zur Ausgestaltung von Schulen im Freistaat Sachsen vorgelegt. Neu dabei sind Positionen zur Kindertages- und Kindergartenbetreuung sowie ein Papier zur Arbeit der Schulleitungen in Sachsen. Neu ist aber auch die Reaktion auf aktuelle Entwicklungen im Kultusbereich.

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KLASSE 5 – 6 Einen Gruß zum Valentinstag im Laufdiktat erfassen

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2014 B & E 21|

Thüringen

Inklusion: Lehrer und Eltern ziehen kritische Bilanz Drei Jahre nach der Entwicklung ihres Eckpunktepapiers zu den essenziellen Fragen einer gelingenden Inklusion an Thüringens Schulen nahmen der tlv thüringer lehrerverband und die Landeselternvertretung Thüringen gemeinsam Stellung zur aktuellen Situation – und mussten feststellen, dass ausnahmslos alle der sechs Forderungen nach wie vor hoch aktuell sind: die Einbeziehung der frühkindlichen Erziehung in den Gesamtverlauf, eine Verlangsamung des Inklusionsprozesses an den Schulen (da die Gelingensbedingungen noch nicht gegeben sind), die Bewahrung der Förderzentren als funktionale Beschulungsorte, ein wirkliches und faires Wahlrecht für die Eltern, die Festlegung und Durchsetzung qualitativer Standards für den gemeinsamen Unterricht sowie eine eindeutige Klärung der finanziellen Auswirkungen und Verantwortlichkeiten. Zwar ist es dem tlv und den Elternvertretern inzwischen gelungen, die Thüringer Landesregierung von einer offiziellen Temporücknahme zu überzeugen, aber die Realität gestaltet sich oftmals ganz anders. „Der gemeinsame Unterricht wird den Eltern als Königsweg präsentiert, während die Förderzentren als angeblich nicht UN-konform in Verruf gebracht werden“, kritisiert Stefan Nüßle, Landeselternsprecher für die Förderschulen des Freistaates, die unbefriedigende Situation. Denn den Pädagogen, die diesen gemeinsamen Unterricht zu tragen haben, mangelt es aufgrund der personellen und materiellen Unterversorgung am Notwendigsten, um jedem förderungsbedürftigen Kind eine angemessene Betreuung angedeihen zu lassen. www.tlv.de

B&E Bildungspolitisches Magazin des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) Redaktion: Hjalmar Brandt (br), verantwortlich Mira Futász (fu) Matthias Kürten (kue) Dorota Wilke (wi) Redaktionsanschrift: Verband Bildung und Erziehung (VBE), Redaktion B & E Behrenstraße 23/24, 10117 Berlin T. 030-726 19 66 0, F. 030-726 19 66 19 www.vbe.de, be@vbe.de B & E wird herausgegeben vom Verband Bildung und Erziehung (VBE), Behrenstraße 23/24, 10117 Berlin Bundesvorsitzender: Udo Beckmann Titelfoto: Jan Roeder Fotos: Jan Roeder; VBE-Archiv (17) Manfred Brinkmann (18), Uwe Franke (19) Karikatur: BECK (24) Fotokonzept: Typoly & Jan Roeder Gestaltung & Bildbearbeitung: www.typoly.de (Inken Greisner, Claudia Söchting & Theres Weishappel) Anzeigenverwaltung und Herstellung: Gebrüder Wilke GmbH, Oberallener Weg 1, 59069 Hamm, Telefon 0 23 85 / 4 62 90-0 B & E erscheint dreimal im Jahr. Mitglieder des VBE erhalten die Zeitschrift als Verbandsorgan, der Bezugspreis ist im Mitgliedsbeitrag enthalten. Mitglieder richten Bestellungen an die Redaktion. Bestellungen für Nichtmitglieder an: VBE-Bundesgeschäftsstelle, Behrenstraße 23/24, 10117 Berlin. Die offizielle Meinung des VBE geben nur gekennzeichnete Verlautbarungen der satzungsgemäßen Organe des VBE wieder. Für unverlangte Manuskripte wird keine Gewähr übernommen. Rücksendung unverlangt zugesandter Bücher und deren Besprechung bleibt vorbehalten. Nachdrucke nur mit schriftlicher Genehmigung der Redaktion. Die Artikel werden nach bestem Wissen veröffentlicht und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die Redaktion behält sich Kürzungen vor. Rechtsansprüche können aus der Information nicht hergeleitet werden. ISSN 1869-2788

Redaktionsschluss für Heft 3/2014: 2. Oktober 2014

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Die Kehrseite

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Erziehung

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