Abstürzende Neubauten
Kapitaler
Abstürzende Neubauten
Kapitaler
Auf die kapitalen Baupreissteigerungen hat die Europäische Zentralbank noch eine – in diesem Tempo nie dagewesene – Leitzinserhöhung draufgesattelt. Von 0 auf 4,25 in 371 Tagen. So hoch wie
Es wäre indes billig, wenn die toxische Gemengelage als Ausrede dafür herhalten müsste, dass die wohnungspolitischen Wünsche von Freiburgs Bürgermeisterbank und Gemeinderat bei den Neubaugebieten Kleineschholz und Dietenbach noch auf eine Verlobung mit der Realität warten. Denn die war schon vorher unwahrscheinlich. Und es ist nicht einmal übertrieben polemisch, wenn die FDP-Fraktion im städtischen Amtsblatt schreibt, dass die Politik schon in vielen Bereichen bewiesen habe, dass sie sich „mit ihrem schier unersättlichen Verlangen nach Satzungen zur Bauverhinderung, zu detaillierten Bebauungsplänen und Konzeptvergaben oft selbst bremst“.
Lasst die Leute doch einmal ganz normale Hütten bauen, ist immer häufiger zu hören. Aber es fängt schon damit an, dass Bauherren städtische Grundstücke nur noch geliehen bekommen – und sie damit selbst nicht mehr beleihen können. Es geht damit weiter, dass bei der Bebauung des CrashAreals oder gleich ganz Kleineschholz mit mindestens 500 Wohnungen nur sogenannte gemeinwohlorientierte Akteure bauen sollen. Was genau auch immer das heißen soll. Das Siedlungswerk etwa hat 2900 geförderte Mietwohnungen im Bestand. In mehr als 4200 Wohnungen zahlen die Mieter beim kirchlich geprägten Unternehmen weniger
zuletzt 2008. Die Folgen vor allem für den Wohnungsbau sind dramatisch: Die Herstellungspreise passen aktuell weder zum Geldbeutel der Käufer noch zur Haushaltskasse von Mietern.
als neun Euro auf den Quadratmeter. Stört es das politische Gemüt, dass das Siedlungswerk im vergangenen Jahr 40 Millionen Euro Gewinn ausgewiesen hat? Oder anders: Die Wohnbau Baden AG hat gerade 100 öffentlich geförderte Wohnungen gebaut und en bloc verkauft. Aber es ist ein gewinnorientiertes Unternehmen. Soll es im Stühlinger bauen dürfen?
Das Rathaus steht immer mehr unter Druck, im Herbst ein marktfähiges – und rechtlich sauberes – Vermarktungskonzept vorzulegen. Beim Bau von Eigentumswohnungen ist es selbstverständlich, dass die Käufer jeden Sonderwunsch extra bezahlen. Die Liste der Sonderwünsche der Freiburger Politik ist lang. Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder die Neubaugebiete müssen mit noch viel mehr Millionen subventioniert werden. Oder die Politik lässt die Leute auch mal ganz normale Hütten bauen.
Wir wünschen anregende Lektüre.
Herzlichst
Ihr Lars Bargmann ChefredakteurAbstürzende Neubauten: Der kapitale Einbruch im Wohnungsbau zwingt die Politik zum Handeln –auch die in Freiburg 6-9
Stadtentwicklung
Auf dem Ganter-Areal ist der gordische Knoten geplatzt: 350 neue Wohnungen können geplant werden 10-11
Was lange währt: Crash-Areal wird vermarktet 18
Warum auch beim zweiten Rathaus im Stühlinger die Kosten explodieren 24-25
Kommunen
Die Wohnungsbauoffensive der Freiburger Stadtbau gewinnt massiv an Bedeutung 12
Innovationen
Seeigel meets Kiefernzapfen: An der technische Fakultät steht jetzt ein futuristischer Pavillon 14
Der Freiburger Solar-Radweg an der Messe hat den ersten Nachahmer gefunden 36
Projektentwickler
Unmüßig baut mehr als 1000 Mietwohnungen und kritisiert Schubladendenken 16
Handwerk
HWK-Konjunkturbericht: Baufirmen blicken pessimistisch nach vorn 35 Wie der Freiburger Glaser Markus Gentner seinen Alltag digitalisiert 19
Baurecht
Das Bundesverwaltungsgericht kippt den Paragrafen 13b aus dem Gesetz. Freiburg muss den Bebauungsplan Rossbächle völlig neu aufstellen 20
Der BGH erklärt einen VOBParagrafen für unwirksam – mit weitreichenden Folgen 22
Generalunternehmer
Von einer Krise am Bau spürt die Dürrschnabel Industriebau nichts 26
Bauträger
Das Siedlungswerk feiert sein 75-jähriges Bestehen 28
Die WOBAG beweist Kompetenz beim geförderten Wohnungsbau 30
Einrichten
Modern cooking: Das sind die Küchentrends 2023 32-33
Makler
Trotz Einbruch im Neubau: Die S-Immo hat 2023 schon für 29 Millionen Euro Immobilien vermarktet 34
IMPRESSUM Bauen & Wohnen
Themenheft 09-2023
Das Bauen & Wohnen-Themenheft erscheint im Freiburger Stadtmagazin chilli
Herausgeber:
chilli Freiburg GmbH
Paul-Ehrlich-Straße 13 | 79106 Freiburg
fon: 0761-76 99 83-0 | fax: 0761-76 99 83-99
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Redaktion: Till Neumann, Pascal Lienhard
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Kapitaler Einbruch im Wohnungsbau: Kritik an Politik
In Deutschland bricht der Wohnungsbau immer mehr zusammen. Statt der von der Bundesregierung propagierten 400.000 Wohnungen pro Jahr wurden im vergangenen nur 295.000 gebaut. Fürs laufende Jahr rechnen Experten noch mit 223.000. Das ist noch nicht der Tiefpunkt des Fahrstuhlschachts: Nach einer Untersuchung des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) werden es 2024 nur noch 177.000 sein. Zum Vergleich: 1973 waren es 714.200. In Freiburg, wo 1000 neue Wohnungen das Ziel sind, wurden im vergangenen Jahr nur 298 fertiggestellt. Die Vollbremsung hat massive Auswir
kungen. Es ist fraglich, ob das Neubaugebiet Kleineschholz die etwas abfedern kann.
Vierhunderttausend. Diese Zahl hatte Bundesbauministerin Klara Geywitz zu Beginn der Legislaturperiode an die Wand gemalt. 100.000 neue Sozialwohnungen sollten darunter sein. Doch anders als in der Kneipe wird in Berlin zwar bestellt, aber nicht bezahlt. Die Förderprogramme von Bund, Ländern und Kommunen reichen derzeit vielleicht für den Fugenmörtel, aber nicht für die Steine drumherum. Es gibt kaum einen aus der Baubranche, der keine attraktivere Förderkulisse fordert. Vor allem für neue Sozialwohnungen.
Aber nicht nur. Da wird mittlerweile auch mal emotional vorgetragen. Das Statistische Bundesamt gehört traditionell zu den emotionsarmen Marktbegleitern. Im Mai, so teilte die Behörde mit, ist die Zahl der Wohnungsbaugenehmigungen gegenüber dem Vorjahresmonat um 25,9 Prozent auf 23.500 geschrumpft. Es geht noch drastischer: Im April war die Zahl um 31,9 Prozent gesunken. Der heftigste Einbruch seit 17 Jahren.
Kein Problem in Deutschland allein. Das geht aus aktuellen Berechnungen der Forschergruppe Euroconstruct hervor, die das Münchner Ifo-Institut unlängst veröffentlichte. 19 Länder hatten die Forscher untersucht. Besonders betroffen in den Jahren 2023 bis
Um den Einbruch zumindest etwas abzufedern, plädiert das zur HansBöckler-Stiftung gehörende IMK für eine „spürbare Aufstockung der öffentlichen Ausgaben für den sozialen Wohnungsbau“. Damit könne nicht nur ein Absturz der Baubranche „verhindert“, sondern auch der Anteil günstigerer und energieeffizienterer Wohnungen gesteigert werden. Die zuletzt von privaten Bauträgern „angesichts zu hoher Bau- und Finanzierungskosten zu selten gebaut wurden“. Der Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) warnte schon vor einem Jahr „vor dem Stillstand und dem Absturz“ beim Wohnungsbau. „Die bisherige Politik der Bundesregierung hat den Absturz aber nicht bremsen können. Sowohl die Beschäftigten am Bau als auch diejenigen, die eine Wohnung suchen, spüren dieses Scheitern am eigenen Leib“, kritisiert BFW-Präsident Dirk Salewski. Die gesamte Wertschöpfungskette am Bau sei betroffen.
Der Ukrainekrieg hatte nur wenig Auswirkungen. Genickbruch für den Wohnungsbau sind die Zinsen. Aber es ist ja auch ein Witz, wenn das Förderprogramm für den sozialen Wohnungsbau 2023 bereits Mitte Mai ausgeschöpft ist.
Stefan Schäfer, Geschäftsführer der Dürrschnabel Industriebau GmbH in Emmendingen (Generalunternehmer)
2025 sind demnach Schweden (minus 39 Prozent zu 2022), Dänemark (-33), Ungarn (-29) und Deutschland (-32).
Positive Entwicklungen prognostizieren die Forscher für Irland (+17 Prozent), Portugal (+15), Spanien (+12) und die Slowakei (+ 11 Prozent). Unterm Strich fehlten 2025 knapp 1,6 Millionen Einheiten. Und allein in diesem und im nächsten Jahr 37 Milliarden Euro an Bau-Investitionen.
Ein Dominoeffekt: „Zuerst merkt es der Baggerfahrer, zuletzt der Maler. Weshalb nicht entschlossen und geschlossen dagegen angegangen wird von Bund, Ländern und Kommunen, bleibt ein Rätsel“, so der BFW-Präsident. Erwerbsnebenkosten, vor allem die Grunderwerbssteuer, müssten runter, es brauche klare Finanzierungsund Förderbedingungen, realistische Baustandards, steuerliche Anreize, einen Turbo für Planungs- und Genehmigungsverfahren.
Als Baubürgermeister Martin Haag erfuhr, dass im vergangenen Jahr in Freiburg nur 298 Wohnungen fertiggestellt wurden, glaubte er zunächst an einen „statistischen Ausreißer“. Es war aber keiner. Genehmigt wurden immerhin 973. Das war auf Augenhöhe mit der vergangenen Dekade, in der im Schnitt jedes Jahr 999 Wohnungen genehmigt wurden. Darunter findet sich allerdings auch das ein oder andere Studierendenwohnheim mit gleich mehreren hundert Apartments. Und:
Der Abriss von Gebäuden, die Platz für neue machen, wird bei der Stadt nicht erfasst. Mithin liegt der reale Zuwachs zuverlässig unter der offiziellen Zahl der Fertigstellungen. Das gilt übrigens auch bundesweit: 400.000 sind nie 400.000 mehr als vorher.
Dank unserer Wohnbauoffensive und einer starken Gesellschafterin können wir antizyklisch handeln – das hilft aktuell vielen Unternehmen, nicht zuletzt unseren Handwerkern.
Matthias Müller,Geschäftsführer der Freiburger Stadtbau GmbH (Wohnungsbau)
„Wir haben unser Ziel, 1000 neue Wohnungen im Jahr, im langjährigen Mittel immer geschafft. Aber das war im vergangenen, wird in diesem und auch im nächsten Jahr sicher nicht zu schaffen sein“, sagt Haag. Im laufenden Jahr habe sein Dezernat bis einschließlich Juni 381 neue Wohnungen genehmigt. Genehmigte Wohnungen aber sind nur Papier. Ob und vor allem wann sie auch in Gebäude gegossen werden, entscheidet eine Excel-Tabelle. Und in der drücken die Spalten „Finanzierungskosten“ und „Baukosten“ aktuell so stark auf die Rentabilität, dass viele Bauträger und Projektentwickler lieber abwarten. Wenn sie es sich leisten können. Auf der anderen Seite sind die „Häuslebauer“ in der Zange zwischen –im Vergleich zu den vergangenen zehn Jahren – exorbitanten Finanzierungskosten und der Inf lation. Die Anfragen nach Baufinanzierungen sind dramatisch eingebrochen. Um etwa die Hälfte bei der Freiburger Sparkasse. Die Immo-
biliennachfrage gab erdrutschartig um 70 bis 80 Prozent nach, sagt Oliver Kamenisch, Geschäftsführer der Sparkassen-Immobiliengesellschaft. Die Flaute wirkt sich mittlerweile auch deutlich aufs Handwerk aus. Nach einer Ifo-Konjunkturumfrage im Juni hat sich der Auftragsmangel im Wohnungsbau weiter verschärft. 34,5 Prozent der befragten Firmen berichten von zu wenig Aufträgen. Der höchste Wert seit April 2010. Mit 19,2 Prozent wurde auch bei den Stornierungen schon bestehender Aufträge ein neuer Rekordwert erreicht. „Insbesondere im Wohnungsbau ist eine deutliche Abkühlung bei den Betrieben angekommen“, sagte der Freiburger Handwerks-
Am Zinsmarkt ist eine gewisse Normalität eingetreten. Beim Grundstückskauf kann man nicht mehr jeden Preis akzeptieren. Die Politik ist gefordert. Beim Ersterwerb von Immobilien könnte sie auf die Grunderwerbssteuer verzichten. Und steuerliche Abschreibungen attraktiver machen. Wenn Fördermittel 2023 bereits im Mai ausgeschöpft sind, hilft das sicher nicht, den Wohnungsbau zu beschleunigen. Klaus Ruppenthal, Vorstand der Wohnbau Baden AG (Bauträger)
Vereinfachungen, seit Jahren überschwemmen immer wieder neue die Branche. Etwa trockene Steigleitungen für die Feuerwehren in allen Treppenhäusern in Mehrfamilienhäusern. Und es ist sicher auch kein Turbo, wenn die Ampelregierung quasi über Nacht Förderprogramme streicht oder sich auf offener Bühne einen monatelangen Heizungszoff liefert. Die Diskussionen hätten Kunden und Betriebe sehr verunsichert, sagt Ullrich: „Wir sind froh, dass im letzten Gesetzesentwurf endlich zentrale Forderungen des Handwerks aufgegriffen wurden.“ Die Bundesregierung müsse das Gesetz aber nun „endlich langfristig tragbar und realistisch aufsetzen.“
Die Vollbremsung befeuert nicht nur in Ballungsgebieten zudem die Mieten. „Der Kaufmarkt hat auf den Pausenknopf gedrückt, die Mieten sind aber in der Tendenz gestiegen“, so Marco Wölfle, wissenschaftlicher Leiter am Center for Real Estate Studies in Freiburg. Auch im Umland.
Unsere Auftragslage ist weiter sehr gut. Es gibt zwar weniger Neubau, dafür mehr Sanierungen im Altbau und neue Heiztechnik. Wir haben in den letzten zwei, drei Jahren schon 150 Wärmepumpen eingebaut, Tendenz steigend. Allerdings nur im Neubau. Die Eigentümer von Bestandsimmobilien warten ab, wie sich die in Berlin irgendwann mal so einigen, dass man verlässlich entscheiden kann.
Volker Sexauer, Geschäftsführer der Sexauer GmbH in Bötzingen (Haustechnik/Handwerk)
kammer-Präsident Johannes Ullrich bei der Bekanntgabe des jüngsten Konjunkturberichts Mitte Juli. Seit 2000 hätten sich die Baukosten pro Quadratmeter Wohnfläche im frei finanzierten Wohnungsbau verdoppelt: „Damit
wird der Wohnungsbau aktuell enorm ausgebremst.“
Die Baukosten sind der eine Treiber des Abschwungs. Ein zweiter ist die historische Zinswende mit neun Leitzinserhöhungen, mit denen die EZB zwischen dem 21. Juli 2022 und dem 27. Juli 2023 den Zins auf 4,25 Prozent katapultiert hat. In der Schweiz liegt er bei 1,75 Prozent. Banker gehen aktuell eher von noch weiteren Steigerungen aus, Finanzmarktanalysten prognostizieren eher eine Seit- oder leichte Abwärtsbewegung. „Auf einem guten Boden kann man einen guten Bau aufführen, und der beste Boden und Baugrund auf Erden ist das Geld“, schrieb einst der spanische Schriftsteller Miguel de Cervantes Saavedra („Don Quijote“). Das Geld ist aktuell so teuer wie zuletzt 2008 während der weltweiten Finanzkrise.
Teuer und mit steigender Tendenz sind auch die Bauvorschriften. Seit Jahren plädiert die Bauwirtschaft für
Angesichts des Einbruchs im Wohnungsbau gibt es immer weiter steigende Mieten. Das ist zutiefst asozial. Der Staat muss schauen, dass er die Mieten runterbringt. Sonst führt das zu gesellschaftlichen Verwerfungen. Auch das Schubladendenken bei der Grundstücksvergabe in Freiburg muss beendet werden. Ohne private Bauwirtschaft wird nicht nur Kleineschholz und Dietenbach nicht gelingen.
Peter Unmüßig, Geschäftsführer der Unmuessig-Gruppe
Von einer Krise am Bau ist bei uns gar nichts zu merken. Wir haben fast 50 Prozent unserer Aufträge von der öffentlichen Hand, Schulbauten, Kultur und Bürgerhäuser, Sanierungen, oft auch denkmalgeschützte Gebäude, aber fast keinen privaten Wohnungsbau.
Martin Mohnke, Geschäftsführer Mohnke/Höss Bauingenieure GbR (Tragwerksplaner)Je weniger gebaut wird, umso barrierefreier wird die Toleranzschwelle der Menschen bei der Miete.
Dass die Freiburger Stadtbau – mit städtischer Rückendeckung – bis 2030 rund 750 Millionen Euro in 2500 neue Wohnungen investieren kann – „die größte Wohnbauoffensive in der Geschichte der Stadt“, so Oberbürgermeister Martin Horn –, ist angesichts der „toxischen Rahmenbedingungen“ (Bauvereinsvorstand Marc Ullrich) aktuell mehr als nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Für eine Wende beim Wohnungsbau braucht es aber auch in Freiburg die Politik: Man darf sehr gespannt sein, wie etwa das Vermarktungskonzept fürs Neubaugebiet Kleineschholz mit 500 Wohnungen aussehen wird, was die Verwaltung im Herbst präsentieren will. Das will „preisgünstiges Wohnen sowie innovative soziale, ökologische, inklusive und kulturelle Konzepte klimafreundlich ermöglichen“, wie es in einer Vorlage für den Gemeinderat heißt. Zudem soll es ausschließlich mit gemeinwohlorientierten Akteuren –
Die Regierung hat in der Niedrigzinsphase eine große Chance verpasst, mit günstigen Zinsen massiv den Wohnungsbau zu fördern. Jetzt wird das deutlich schwerer.
OliverKamenisch, Geschäftsführer der SparkassenImmobiliengesellschaft (Makler)
was auch immer das heißt – entwickelt und die Bauflächen nur im Erbbaurecht vergeben werden. Im Wohnungsbau bezahlen normalerweise diejenigen die Sonderwünsche, die sie äußern.
Lars BargmanAuf dem Ganter-Areal können 350 Wohnungen geplant werden
Lange haben sie am Seil gezogen, jetzt ist der gordische Knoten am GanterAreal geplatzt: Die Schweizer Artemis Gruppe kann mit der Planung für die Bebauung loslegen. Das Freiburger Rathaus hatte dabei das längere Ende des Seils auf seiner Seite: Der Investor muss Bauland für 60 öffentlich geförderte Wohnungen an die Stadt abgeben – kostenlos. Insgesamt sollen 350 Mietwohnungen entstehen, zudem Gewerbe und Grünflächen. Ein Wettbewerb soll die beste Lösung aufzeigen.
Es ist schon zwölf Jahre her, dass der städtische Bauausschuss die Weichen für die Bebauung der nun rund drei Fußballfelder großen Entwicklungsfläche gestellt hatte. Es passierte aber nichts. Im Herbst 2021 hatte die Ganter Grundstücksgesellschaft (GGG) dann
endlich mit der Artemis Immobilien GmbH & Co. KG (AIG) den zahlungskräftigsten Partner gefunden. Nicht nur ein – durchaus auch zahlungskräftiger – Freiburger Bauträger war aus dem Bieter-Wettbewerb letztlich ausgestiegen. Nun also Pröschteli statt Prost auf dem altehrwürdigen Brauereigelände.
Es war nicht nur eine Verhandlungsrunde, in denen sich die Repräsentanten von Stadt und Investor bei der Deutungshoheit über die Frage gestritten haben, was denn nun an Mehrwert durch einen neuen Bebauungsplan überhaupt entsteht – und inwiefern also das Rathaus an diesem partizipieren kann.
Artemis hatte ein Gutachten vorgelegt, wonach auch ohne neuen B-Plan 22.000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche neues Wohnen möglich wären. Auf insgesamt 42.000 Quadratmeter
Geschossfläche wird die mögliche Bebauung aktuell taxiert. Blieben 20.000 Quadratmeter Differenz. Das Rathaus legte seine Sicht der Dinge dar, wonach ohne neues Baurecht allenfalls 4000 Quadratmeter Wohnen möglich wären. Bleiben 38.000. Unterm Strich blieb fast der doppelte Planungsgewinn für die Stadt.
Da davon 8000 für gewerbliche Nutzungen reserviert sind, kann das Rathaus 20 Prozent der 30.000 Wohnquadratmeter, mithin 6000, für sich beanspruchen. Ohne dafür auch nur ein Fränkli zu bezahlen. Der Investor habe sich „erheblich auf die Position der Stadt zubewegt“, heißt es in der Drucksache G-23/150 für den Gemeinderat. „Wir wollen gemeinsam mit der Stadt möglichst viel Tempo in die Entwicklung bekommen und haben uns konstruktiv geeinigt“, sagt die Freiburger Immobilienunternehmerin
Silvia Didier Löliger, die die Geschäfte der AIG führt. Die gehört dem Schweizer Milliardär Michael Pieper, den die Freiburgerin auch privat kennt. „Unser Interesse war, möglichst schnell loszulegen, und bei der 50-Prozent-Quote wären noch viele Rechtsfragen zu klären gewesen“, formuliert Markus Lißke von der Agentur komm.passion GmbH, die für Artemis die Kommunikation macht.
Der Investor hätte im „3sam quartier“ auch selber 50 Prozent der Wohnungen öffentlich gefördert bauen und dann für – um die 10 Euro – subventioniert vermieten können. Denn so sieht es eigentlich ein Beschluss des Freiburger Gemeinderats aus dem Jahr 2015 vor. Das wollte die Artemis, die noch nie geförderte Wohnungen gebaut hat, nicht. Wie nahezu alle anderen Bauträger auch, die notgedrungen lieber Bauland verschenken, statt sich mit dem wirtschaftlich riskanten sozialen Mietwohnungsbau herumzuschlagen. Das Rathaus spielte mit. Es gab auch schon Bauvorhaben, wo das nicht so war, wo die 50-Prozent-Quote in Stein gemeißelt war. Im Gemeinderat gab es deswegen auch Kritik – er gab aber mit großer Mehrheit dennoch grünes Licht.
geblättert werden. Auch für den Abriss der bestehenden, nicht denkmalgeschützten Bebauung ist Artemis zuständig. Allein der Rückbau des Flaschenkellers – für dessen Umnutzung es in der Vergangenheit nicht nur eine Baugenehmigung und nicht nur einen Mietvertrag gab – wird dabei einen Millionenbetrag verschlingen.
600 Quadratmeter entlang der Schwarzwaldstraße wird Artemis noch an die Autobahn GmbH verkaufen, weil die Tochter des Bundes diese für den Vollanschluss des Stadttunnels bei Ganter benötigt. Auf der anderen Seite, zur Dreisam hin, wird auch die Stadt noch Flächen kaufen, um den Dreisam-Uferweg zu verbreitern.
Auf den ersten Blick kann sich die Freiburger Politik über das kostenlose Grundstück freuen. Das vom Investor zuerst teuer gekaufte und dann verschenkte Bauland wird sich aber in den Preisen für die anderen Wohnungen deutlich abbilden müssen. „Durch die Größe der Entwicklung und als langfristiger Bestandhalter können wir das Engagement anders betrachten, die Mieten werden passen“, so Didier Löliger.
„Auch bei der 50-Prozent-Quote hätten die frei finanzierten die geförderten mittragen müssen“, entgegnet Haag. Und in der attraktiven Lage nun selber ins Eigentum zu kommen, sei ein „sehr gutes“ Verhandlungsergebnis. Dass dauerhaft geförderte Wohnungen entstehen, die „nicht aus der Bindung fallen“, freut Oberbürgermeister Martin Horn besonders. Was die AIG fürs rund 20.000 Quadratmeter große Grundstück gezahlt hat, darüber sei Stillschweigen vereinbart worden, so Lißke. Es dürfte rund um 30 Millionen Euro gekostet haben. Für 42.000 Quadratmeter Geschossfläche, Planungskosten und Außenanlagen dürften zudem mindestens 140 Millionen Euro auf den Verhandlungstisch
In einem zweistufigen Realisierungs-Wettbewerb soll nun zunächst städtebaulich das gesamte Areal mit angrenzenden Flächen (Ganter-Biergarten, Tankstelle, Ballhaus) geordnet und danach der Hochbau gekürt werden. Die Ergebnisse münden in einen neuen B-Plan und dann im Bauantrag. Das wird mindestens zwei Jahre dauern. Für diesen Prozess arbeitet Didier Löliger mit der ebenfalls in der Schweiz beheimateten Halter AG zusammen. Sorgen wegen der hohen Bauzinsen und der noch höheren Baupreise mache sich die Artemis nicht. „Die Artemis ist sehr gut aufgestellt“, so Lißke. Im Klartext: Sie müsste sich, wenn die Bank-Konditionen schlecht sind, gar kein Geld leihen.
Neben den Wohnungen wird Artemis auch zwei Kitas bauen, plant trotz des bestehenden Angebots mit Ganter-Hausbiergarten, Restaurants und Kneipen auch Gastronomie sowie Co-working-Spaces, Büroräume und Kleingewerbeflächen. „Es ist unser Ziel, langfristig Wert zu schaffen und zu erhalten, auch bei diesem Projekt, bei dem wir als Bestandshalter nach Freiburg kommen, um hier zu bleiben“, sagt Martin Wyser, Geschäftsführer der Artemis Real Estate Group und Mitglied der Leitung des Konzerns, der im vergangenen Jahr mit rund 11.000 Beschäftigten 3,6 Milliarden Euro Umsatz erwirtschaftet hat. „Es ist doch wunderbar, dass Freiburg mit Artemis einen Investor bekommt, der rund 300 Mietwohnungen im Bestand halten wird“, sagt Didier Löliger.
Die Stadtverwaltung hat auf dem Papier nun 60 Sozialwohnungen gewonnen. Die Frage ist, ob sie die dann auch beherzt baut. Beim Ebneter Neubaugebiet Hornbühl-Ost hatte das Rathaus auch 20 Prozent der Flächen, komplett erschlossen, geschenkt bekommen, um mindestens 25 geförderte Einheiten herzustellen. Dort tut sich seit fünf Jahren: nichts. Noch länger liegt übrigens ein städtisches Grundstück im Neubaugebiet Innere Elben brach. Es wird mittlerweile als Lagerplatz für Glasfaserkabel genutzt. Statt fürs Wohnen.
Lars Bargmannum zu bleibenIdyllisch gelegen: Viele der neuen Wohnungen werden entlang der Dreisam gebaut.
Die Freiburger Stadtbau (FSB) will bis 2030 insgesamt 750 Millionen Euro in den Wohnungsbau investieren. Und anders als bei den meisten privaten Bauträgern, die auf dem Markt gerade die Segel reffen, läuft der Motor auf dem Schiff um die geschäftsführenden Kapitäne Magdalena Szablewska und Matthias Müller mit hoher Drehzahl weiter.
67 Wohnungen – 40 gefördert, 27 für neue Eigentümer – hat die Stadttochter an der Ecke Elsässer Straße und Obere Lachen unlängst übergeben. 76 sind am Güterbahnhof sowie die ersten 130 von 259 im Uffhauser Karrée im Bau. Es ist noch nicht lange her, da wurden zudem die Sieger von Wettbewerben in Haslach mit 100 und in Weingarten mit 80 Einheiten gekürt. Von einer Flaute ist bei der FSB keine Rede. Insgesamt stehen 2500 neue Wohnungen auf der FSB-Agenda 2030. Wobei dafür auch Hunderte alte abgerissen werden. Der aktuelle Bestand umfasst rund 9500 Einheiten, um 1000 soll er wachsen. Die FSB muss sich bei der Offensive an den Kurs halten, 75 Prozent Mietwohnungen und nur 25 Prozent Eigentumswohnungen zu bauen. Und massiv geförderten Wohnungsbau zu betreiben. „Der soziale Mietwohnungsbau ist generell defizitär. Wir gehen mit den Mieten um ein Drittel unter den Mietspiegel. Deswegen brauchen wir Förderung und auch unser Bauträgergeschäft“, sagt Szablewska.
Die Förderung sei beim Kurshalten das Elementare. „Der soziale Mietwohnungsbau ist auf Förderungen angewiesen. Wenn Bund und Land ambitionierte Ziele ausgeben, müssen diese auch mit ambitionierten Förderungen hinterlegt werden“, sagt Müller. Im Moment könne man da „nicht zufrieden“ sein.
So sehen Sieger aus: Das Wiener Büro Froetscher Lichtenwagner hat den 100 neue Wohnungen fassenden Wettbewerb für die Bebauung des Stadtbau-Projekts „Drei-Ähren-Straße Wohnen am Park“ in Haslach gewonnen.
Ohne die Mutter aber würde die Tochter mindestens einen Gang rausnehmen müssen. „Wir sind sehr dankbar, dass die Stadt als Gesellschafter uns Grundstücke überträgt und Kapitaleinlagen leistet. Das unterstützt uns vor allem in der jetzigen Situation sehr“, so Szablewska. Das Rathaus überträgt bis 2030 Grundstücke im Wert von rund 100 Millionen Euro an die FSB. So war es auch am Güterbahnhof, wo im Neubau an der Ingeborg-Krummer-Schroth-Straße ausschließlich 76 Sozialwohnungen erstellt werden. Etwa zwei Drittel der gut 22 Millionen Euro schweren Investition fördert die L-Bank mit verbilligten Darlehen. „Eine gute Förderung beeinflusst auch die Mietpreisentwicklung“, betont Müller.
Und ein kostenloses Grundstück auch. Das Rathaus unter Oberbürgermeister Martin Horn lässt sich die Stadtbau Riesensummen kosten. Das ist längst nicht unumstritten. Bringt aber viel frischen Wind bei sozial verträglichen Mieten. Auf dem Güterbahnhof gibt es noch ein weiteres Grundstück, wo rund 100 geförderte Wohnungen gebaut werden könnten.
„Wir sind gerade in Gesprächen mit der Stadt“, bestätigt Szablewska.
Die Baukostensteigerungen hätten bisher keine Turbulenzen an Bord verursacht. „Wir haben diese antizipiert und können die geplanten Budgets einhalten“, sagt Szablewska. 4500 Euro pro Quadratmeter Wohnraum stehen bei der FSB im Plan. Am Uffhauser Karrée ist der erste Bauabschnitt mit 130 Wohnungen mit 31 Millionen Euro durchfinanziert und vergeben. Mit den hohen Investitionen sollen die CO2-Emissionen um 70 Prozent nach unten gehen. „Wir leisten einen großen Beitrag zur Klimaneutralität, brechen hoch emittierende Gebäude ab und bauen hoch effiziente mit mehr Wohnfläche neu“, so Szablewska. Überall, wo es Fernwärmenetze gibt, sollen alte und neue Gebäude angeschlossen werden. Zudem soll kräftig in den Ausbau der Solaranlagen investiert und in energetische Sanierungen – mit dem Förderprogramm Soziale Stadt – investiert werden.
„Das Förderprogramm Soziale Stadt bringt nicht nur Zuschüsse“, so Szablewska, „sondern auch moderate Mieten.“ Die Rolle der Stadtbau war in einem schlingernden Wohnungsmarkt immer schon wichtig, aber selten so wichtig wie jetzt.
Lars BargmannAngeregt von der Natur hat ein Team aus Freiburger und Stuttgarter Wissenschaftlern einen innovativen Pavillon am Computer geplant und mit Hilfe von Robotern fertigen lassen. Seine Heimat hat er jetzt auf dem Campus der Technischen Fakultät in Freiburg gefunden. Dort wird interdisziplinär zum nachhaltigen Bauen mit lebensähnlichen Materialsystemen geforscht.
Energieneutral, ressourcenschonend, autonom und von Robotern gefertigt: Der Pavillon, der seit Mitte Juli den Campus schmückt, kommt futuristisch daher. Das Bauwerk wirkt im Freiburger Westen wie ein Fremdkörper aus einer anderen Galaxie. Dominiert wird es von Holz. In Zeiten von Klimawandel und Ressourcenknappheit gewinnt der Stoff als Baumaterial zunehmend an Bedeutung.
Der natürliche Rohstoff steht im Mittelpunkt eines Projekts zweier Exzellenzcluster. Die Freiburger Wissenschaftler
von „Living, Adaptive and Energy-autonomous Materials System“ (livMatS) entwickeln von der Natur inspirierte Materialsysteme. Die Stuttgarter Kollegen von „Integrative Computational Design and Construction for Architecture“ (IntCDC) nutzen digitale Technologien, um die Bauwirtschaft neu zu denken. Thomas Speck erklärt, was das in der Praxis bedeutet. Der Direktor des Botanischen Gartens ist Mitglied vom livMatS-Sprecherteam. Als einer von vier federführenden Professoren berichtet er über den Bau des neuartigen Pavillons in Holzleichtbauweise. „Er ist unglaublich schön geworden“, freut sich der Forscher.
Gebaut mit hölzernen Hohlkassetten sank der Materialverbrauch im Vergleich zum konventionellen Holzbau um mehr als 50 Prozent. Verwendet wurden Lerche und Fichte. Die äußere Struktur des Pavillons ist mit zahlreichen Platten dem Skelett eines Seeigels nachempfunden. „Die Module wurden voll computergesteuert entworfen und gefräst“, berichtet Speck. Dafür kam
eine transportable Roboterplattform zum Einsatz, auf der Freiburger Baustelle hatten automatisierte Spinnenkräne ihr Debüt. Der Pavillon kann jederzeit zerlegt werden, seine Bestandteile sind sortenrein trennbar. Das Gebäude soll energieneutral betrieben werden. „Wir konnten bereits beim Bau rund die Hälfte an CO2 einsparen“, berichtet Speck. Auf dem Boden ist eine thermisch aktivierte Bodenplatte aus Recyclingbeton angebracht. „Völlig neu ist unser Konzept zur wetterresponsiven Verschattung“, erklärt Speck. Bei Hitze schließt sich die Verschattung in einem Fenster an der Spitze des Baus autonom, ansonsten scheint die Sonne hinein. Die Forscher haben sich von Kiefernzapfen inspirieren lassen: Auch sie öffnen und schließen sich feuchtigkeitsbedingt. In Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme soll der Pavillon mit einer Photovoltaikanlage ergänzt werden. Um den Bau herum entsteht ein Lehrpfad zum Thema Bionik. Seine Heimat hat das Schmuckstück gefunden – fertig ist es noch lange nicht. Schließlich soll der Pavillon nicht nur Demonstrator für ressourcenschonendes Bauen sein. „Wir wollen noch mehr Systeme einbauen und auf ihre Verlässlichkeit testen“, sagt Speck. Zudem soll das Gebäude zum Think Tank für interdisziplinäre Forschungsgruppen werden. Das werden nicht nur Naturwissenschaftler sein, sondern auch Psychologen, Philosophen und Architekten. „Sie werden sich unter anderem mit Akzeptanzforschung beschäftigen“, sagt Speck. Schließlich müsse evaluiert werden, ob Neuerungen überhaupt ankommen. Er erwartet Großes vom Pavillon: „Wir hoffen, dass die Gedanken in dieser inspirierenden Umgebung noch freier fliegen.“
Pascal LienhardDer Wohnungsbau steckt in einer tiefen Krise. Neue Eigentumswohnungen werden aktuell so gut wie gar nicht mehr gebaut. Auch bei Mietwohnungen haben viele Akteure den Fuß auf der Bremse. Die UnmuessigGruppe aus Freiburg ist eine Ausnahme. Aktuell im Bau sind über 1000 Mietwohnungen. Und in Freiburg sind 400 weitere in der Planung. „Wir sind keine Bauträger, wir arbeiten für institutionelle Anleger, und für die sind Immobilien mit Wohnungen nach wie vor sehr interessant“, sagt der Projektentwickler Peter Unmüßig.
Der Anlagebedarf von Pensionskassen, Versicherungen oder auch kirchlichen Einrichtungen sei nach wie vor „enorm“. Dem komme man nach. So werden in Heidelberg auf dem Poststraßen-Areal mit dem einzigen Hochhaus in der Innenstadt rund 500 Wohnungen entstehen, in Weinheim im Projekt „unsr Quartier“ 260 – zudem 34 Reihenhäuser für neue Eigentümer –, im Zentrum Landwasser, wo unlängst das Richtfest gefeiert wurde, sind es 220, in Emmendingen im Löwentor 30.
„Wir werden auch weiter viel Wohnungsbau vor allem für Mieter machen, das ist auch eine gesellschaftliche Verpflichtung. Wenn nicht gebaut wird, steigen die Mieten weiter, das ist zu-
tiefst asozial“, sagt Unmüßig. Das gilt auch in Freiburg. Wo es aber langwierige Prozesse gebe. Auf dem Gelände des ehemaligen Obi-Marktes in St. Georgen plant die Gruppe – schon seit Jahren –über gewerblichen Nutzungen im Erdgeschoss 270 Mietwohnungen. „Der Prozess fürs Baurecht läuft sehr ineffizient, da paralysiert jeder jeden“, sagt der Projektentwickler. „Eigentlich“ müsste er längst resignieren.
Unmüßig möchte auch auf dem alten Gelände des Autohauses Kannenberg – was der Sparkassen- und FWTMTochter Freiburger Wirtschaftsimmobilien gehört – auf einer Etage mit vorwiegend sozialen Nutzungen 120 Mietwohnungen bauen: 40 frei finanzierte, 40 öffentlich geförderte, 40 als Werkswohnungen für die Freiburger Sparkasse. Unlängst war das Vorhaben im Freiburger Gestaltungsbeirat. Der die vorgelegte Planung deutlich kritisierte. Was Unmüßig durchaus nachvollziehen konnte: „Das war mein Fehler, ich hätte unseren Architekten beauftragen müssen, für dieses exponierte Grundstück gleich mehrere Varianten zu zeigen, das holen wir jetzt nach.“
Mit den Rahmenbedingungen für den öffentlich geförderten Wohnungsbau hat er keine Probleme: „Wir können bei einem Projekt jederzeit 50 Prozent geförderte und 50 Prozent frei finanzierte
Wohnungen bauen, dafür brauchen wir aber Grundstücke mit vertretbaren Preisen.“ Stattdessen hatten etwa 30 Eigentümer im geplanten Neubaugebiet Im Zinklern, die Unmüssig-Gruppe und die Treubau haben dort die größten Flächen, der Stadt knapp 17 Prozent der Flächen abgetreten, damit diese dort selber geförderten Wohnungsbau machen kann. Laut Unmüßig müsste die Stadt diese Flächen nach dem flächenordnenden Umwidmungsverfahren den ursprünglichen Eigentümern aber wieder zum Kauf anbieten. Beim Neubaugebiet ZähringenNord hat das Rathaus sein Vorkaufsrecht gezogen und der Gruppe zwei Grundstücke für 1,1 Millionen Euro abgeluchst. Das juristische Argument: Die Stadt könne das baureife Land schneller entwickeln und leichter geförderten Wohnraum leichter umsetzen. Vor allem der Schnelligkeit ist das Rathaus zuletzt oft hinterhergelaufen. Dass beim Neubaugebiet Kleineschholz nur „gemeinwohlorientierte“ Akteure zum Zug kommen sollen, kritisiert Unmüßig deutlich: „Das Schubladendenken muss beendet werden. Wir brauchen Wohnungen. Und ohne die privatwirtschaftlichen Unternehmen, die Gewinne machen müssen, werden wir die, wenn überhaupt, nicht schnell genug bekommen.“
Nun kommt Musik in die Zukunftsplanung auf dem CrashAreal an der Bahnhofsachse. Der Freiburger Gemeinderat hat beschlossen, die beiden Flurstücke öffentlich auszuschreiben. Bewerben sollen sich nur „gemeinwohlorientierte“ Akteure. Die private Bauwirtschaft bleibt nicht zum ersten Mal außen vor. Die FDP kritisierte „sozialistische Züge“.
Seit Jahren wird in Freiburg um die Zukunft des 1700 Quadratmeter großen Areals debattiert. Im Februar 2020 hatten sieben der neun Fraktionen und Gruppierungen im Gemeinderat (darunter auch die FDP) an OB Martin Horn geschrieben. Die Stadt solle ein Vermarktungskonzept auf den Weg bringen, der Musikkeller muss dabei gesetzt (wie jetzt im Keller oder in einem Neubau), Wohnraum und Räume für Gewerbe sollen geschaffen werden. Das ist auch weiter der Plan von Flurstück 277, einer Initiative aus Anwohnern, Bürgern und den Betreibern. Doch auch sie muss sich im Wettbewerb beweisen – zweieinhalb Jahre nach dem interfraktionellen Vorstoß und sieben Jahre, nachdem ein solches Konzept mit dem Auslaufen der Mietverträge schon einmal auf dem Tapet war. Der Verein Flurstück 277 hatte im vergangenen Januar seine aktuellen Bebauungspläne vorgelegt und eine „schnelle Zusage“ gefordert. So kann eine Kommune nicht handeln. Sie muss ausschreiben. Das Grundstück wird nur im Erbbaurecht vergeben. Basis der Zinsberechnung ist ein Grundstückwert von 2,53 Millionen Euro.
Der Erbbauzins wird – je nach Nutzungsanteilen –zwischen 80.000 und 100.000 Euro liegen. Mindestens ein Drittel der Geschossfläche soll fürs Wohnen sein, davon die Hälfte für den geförderten Wohnungsbau. Die Vergabekriterien sind: komplex. FDP-Stadtrat Christoph Glück kritisierte „sozialistische Züge“. In eine knappe Formel gefasst: Je schwerer die Finanzierung des Konzepts, umso leichter ist der Wettbewerb zu gewinnen.
Lars BargmannHandwerksmeister Markus Gentner war genervt. Im Büro musste er sich durch Mails quälen, Termine koordinieren, Rechnungen schreiben – und darum kämpfen, den Überblick zu behalten. Bis er mal zum Werkeln kam, dauerte es. Um effizienter arbeiten zu können, hat er sich mit einem ITEntwickler das Tool Flixworker ausgedacht. Gentner glaubt, dass auch andere Betriebe davon profitieren können.
Der Weg war vorgezeichnet: Markus Gentner ist Schreinermeister in vierter Generation. Vor rund 30 Jahren machte er sich selbstständig, heute führt er seine Freiburger Glaserei mit fünf Beschäftigten. Doch lange Zeit nervte ihn die komplexe Büroarbeit, er rang um Übersicht.
„Ich war völlig gestresst“, sagt der 54-Jährige. Die Frage, die ihn umtreibt: Wie kann er seinen Betrieb digital besser organisieren, alles an einem Ort haben und Zeit sparen?
Mehrere Lösungsansätze verlaufen im Sand. Gentners Glück: Sein Mieter Tobias Weber ist IT-Entwickler. Sieben Jahre nach den ersten Überlegungen präsentieren sie nun –im Verbund mit Projektleiter Niklas Czeranski – das Organisationstool Flixworker. Bei der Glaserei Gentner arbeitet die Anwendung seit drei Jahren erfolgreich: Nach eigenen Angaben verzeichnet der Betrieb damit eine Produktivitätssteigerung von rund 30 Prozent. Einen Pluspunkt sieht Czeranski in der einfachen Nutzung: „Man kann schon nach ein, zwei Tagen einen Mehrwert generieren.“ Bei einer Pop-up-Innovation-Veranstaltung von Freiburg Wirtschaft
Das Handwerk ditigalisieren: Niklas Czeranski, Markus Gentner und Tobias Weber von Flixworker
Touristik und Messe GmbH & Co. KG und Handwerkskammer präsentierte Gentner unlängst das Tool. Über Flixworker kommunizieren Geschäftsführer und Mitarbeiter untereinander sowie mit Kunden. Mails werden automatisch in die Anwendung gespielt, die auf Flixworker formulierten Antworten gehen als Mail an den Kunden. Angelegte Vorgänge enthalten Informationen zum Projekt, auch per Mail mitgeschickte Dateien werden übernommen. Selbst Terminabsprachen laufen über das Tool. „Wir haben damit eine Organisationshilfe, die uns die Arbeit extrem erleichtert“, freut sich Gentner. Auch Entwickler Weber ist vom Projekt überzeugt. „Jetzt wollen wir, dass die Leute davon erfahren“, sagt er. Einige Kunden testen Flixworker bereits. Aktuell ist das Team auf der Suche nach weiteren Testbetrieben. Mit deren Rückmeldungen soll das Tool weiter verbessert werden.
Pascal LienhardDas Bundesverwaltungsgericht in Leipzig (BVG) hat das Baurecht nach Paragraf 13b des deutschen Baugesetzbuches einkassiert. Weil es gegen EURecht verstößt. Geklagt hatte der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Der 13b, schon seit sechs Jahren im Gesetz, erlaubt Kommunen, auch im Außenbereich auf Flächen bis 10.000 Quadratmeter im sogenannten beschleunigten Verfahren
Baurecht zu schaffen. Umweltschützer klatschen Beifall, hunderte Kommunen und die Bauwirtschaft reagieren kopfschüttelnd bis entsetzt.
Die Leipziger Richter sorgen damit landauf landab für eine Entschleunigung. Auch das Freiburger Baudezernat muss das Verfahren fürs geplante Baugebiet „Rossbächle“ am Ortsrand von Munzingen jetzt völlig neu aufrollen.
Gegen den 13b hatte es in der Vergangenheit bundesweit immer wieder klagenden Widerstand gegeben. Ins Gesetz geschrieben hatte der Bundestag den Paragrafen im Mai 2017 ursprünglich, um Städten und Gemeinden schnellere Baurechte für Flüchtlingswohnungen zu ermöglichen, ohne eine bei einem normalen Bebauungsplan obligatorische intensive Umweltprüfung. Ohne Ausgleichsflächen. Und ohne dafür den Flächennutzungsplan ändern zu müssen.
Bislang hatten mehrere Oberlandesgerichte und auch der baden-württembergische Verwaltungsgerichtshof (VGH) die Klagen stets abgewiesen. Nicht nur Freiburgs Baubürgermeister Martin Haag ist vom finalen Urteil in der Sache –eine Revision ist nicht zugelassen – kalt erwischt worden. „Das war extrem überraschend, da bin ich fast sprachlos“, kommentiert er im Gespräch mit der Redaktion. Die Kommunen hätten sich darauf verlassen, dass das, was im Baugesetz steht, auch gilt. Nur eine Woche nach dem Urteil hätte der Gemeinderat die Satzung für „Rossbächle“ beschließen sollen. Die Beschlussvorlage G-23/128 für das 8000 Quad-
ratmeter große Grundstück umfasst 322 Seiten. Mindestens ein Jahr, so Haag, verzögert sich das nun: „Sehr ärgerlich, weil sich damit auch der Bau der dringend benötigten Wohnungen verzögert.“ Geplant waren 8 Reihenhäuser für Eigentümer, 21 geförderte – auch für Geflüchtete –und 12 frei finanzierte Mietwohnungen, die die Freiburger Stadtbau herstellen soll.
WolfDieter Winkler, Stadtrat von Freiburg-Lebenswert und Kritiker des Baugebiets „Rossbächle“, hatte im vergangenen April Freiburgs Oberbürgermeister Martin Horn angeschrieben, weil nach seiner Kenntnis das Rathaus die Fristen für ein Verfahren nach 13b nicht eingehalten habe. Dem war nicht so. „Von der Regelung des § 13b BauGB wird im vorliegenden Verfahren rechtmäßig Gebrauch gemacht“, schrieb Haag zurück. Dem ist nun auch nicht mehr so. Allerdings nicht wegen der Fristen. Das aktuelle BVGUrteil galt einem Bebauungsplan in Gaiberg bei Heidelberg. Gegen den hatte der BUND geklagt und sich dabei auf EU-Recht berufen. Beschleunigte Verfahren seien nur dann möglich, wenn „erhebliche Umweltauswirkungen in jedem Fall von vornherein ausgeschlossen sind“. Davon ist – ohne Begutachtung – so gut wie nie auszugehen. Der 13 b habe dazu geführt, dass nicht nur in Gaiberg naturschutzfachlich wertvolle Gebiete zerstört wurden, kommentierte Sylvia Pilarsky-Grosch, die Vorsitzende des BUND Baden-Württemberg: „Diesem Naturfrevel ist nun ein Riegel vorgeschoben.“
Markus Böll, Verbandspräsident der baden-württembergischen Bauwirtschaft, kritisierte das Urteil: „So verschärft man die Wohnungsnot und erweist den Wohnungssuchenden einen Bärendienst.“ Es brauche nun dringend neue Möglichkeiten, damit die Kommunen auch in Zukunft schnell und flexibel kleinere Bebauungsgebiete ohne langwierige Genehmigungsverfahren ausweisen können.
Lars BargmannGeballtes Programm: Unter dem Thema „Architektur – Transformation“ organisieren das Europäische Architekturhaus und seine Projektträger bei den 23. Architekturtagen vom 22. September bis 31. Oktober 140 Veranstaltungen in 33 Städten am Oberrhein. Grenzüberschreitend im Dreiländereck. Auch im Raum Freiburg.
Im Centre Culturel Français Freiburg gibt es die Ausstellung „Archifoto“ (11. bis 29. September) zu sehen, am 26. Oktober referiert ebendort die Basler Landschaftsarchitektin Céline Baumann. Die Baslerin entwirft städtische Räume, ist auch als Künstlerin und Pädagogin tätig. Ihr Atelier erforscht etwa den kollektiven Wert der Natur und ihrer Wirkung auf den Menschen. Ziel des Schaffens: dynamische Freiräume, die die Ökologie von Mensch und Natur respektieren.
Am 29. September werden die Interessierten zu Akteuren: Auf einer geführten Radtour durchs Dreisamtal erleben sie sanierte und umgenutzte Gebäude und Höfe (Kunzenhof, Meierhof, Industriedenkmal Alte Säge in Zarten, das Bank’sche Haus und die Rainhofscheune in Kirchzarten).
Unter dem Fokus „Perspektive Europaviertel“ (22. bis 24. September) gibt es Konzerte, Performances, Ausstellungen, Führungen und Workshops an der Ecke Bismarckallee und Friedrichring. chilli
Info: www.mea.eu
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat einen uralten Paragrafen aus der Vergabe und Vertragsordnung für Bauleistungen
(VOB) gekippt. Das Urteil hat weitreichende Folgen. Und es ist „völlig richtig“, wie Nicolas Schill von der Staufener Baurechtskanzlei Steiger, Schill und Kollegen kommentiert. Im Kern bietet es Auftragnehmern mehr Schutz vor Vertragskündigungen.
Wenn es Zoff am Bau gibt, geht es meistens um Mängel. Der Paragraf 4, Nummer 7 war jahrzehntelang ein bewährter Griff in den Instrumentenkoffer der Vertragskündigungen. Beklagte der Bauherr einen Mangel vor Abnahme und wollte der Auftragnehmer diesen nicht einfach so zeitnah beheben, berief sich der Bauherr auf diesen Paragrafen und kündigte den Vertrag. Das kommt immer wieder vor, weiß Schill, es gehört in der Kanzlei zum Alltag. Nun bekam der BGH einen solchen Fall auf den Tisch, es ging um den Ausbau einer Straßenbahnlinie. „Die Kündigungsregelung (…) benachteiligt den Auftragnehmer unangemessen und ist daher unwirksam“, lautet der entscheidende Satz in dem siebenseitigen Urteil.
Der entscheidende Vorteil für die Auftragnehmer ist jetzt, dass Auftraggeber Verträge nicht wegen unwesentlicher Mängel kündigen können. Wenn also etwa eine Rohbauwand nur leicht schräg ist oder ein Boden nur leichte Unebenheiten aufweist. Bisher war es oft so, dass es dann Streit gab, der Bauherr der Firma eine Frist gesetzt hatte, diese die verstreichen ließ, der Vertrag dann gekündigt wurde – mit weitreichenden finanziellen Folgen. Im BGH-Fall ging es um Millionen. Zunächst einmal schuldet die ausführende Firma die Mängelfreiheit überhaupt erst bei der Abnahme, und dann ist vor einer rechtssicheren Kündigung erst genau zu klären, was für ein Mangel behauptet wird und ob die Voraussetzungen für eine Kündigung wirklich vorliegen, erzählt Schill. Er begrüßt das „in der Praxis sehr wichtige“ Urteil. Es wird auch die VOB-Verträge verändern. Wer falsch kündigt, der könne das sehr teuer bezahlen. „Wenn die ausgesprochene Kündigung nicht wirksam ist, zahlt der Auftraggeber dem Auftragnehmer noch entgangenen Gewinn, oft bis zu 20 Prozent der noch offenen Leistungen, zahlt also für nichts“, so der Baurechtsexperte. bar
Beim zweiten Rathaus im Stühlinger (RiS II) katapultieren sich die Kosten um 24 auf 111 Millionen Euro nach oben. Das ist das Ergebnis der europaweiten Ausschreibung und mehrerer Abspeckungsrunden mit dem Generalübernehmer. Der Gemeinderat stimmt Ende Juli mit großer Mehrheit zu. Heftige Kritik übte FreieWählerFraktionschef Johannes Gröger an der „unseriösen Informationspolitik“. Baubürgermeister Martin Haag: „Das weise ich zurück. Wir können Vergabeverfahren nicht öffentlich kommunizieren.“
Vor zwei Jahren hatte der Gemeinderat den zweiten Rathaus-Neubau mit einer Kostenberechnung von 87 Millionen Euro beschlossen. Jetzt sind es 111. Und es wären noch ein paar mehr Millionen geworden, wenn die Stadt
nach Vorlage eines Angebots, das sie nicht ablehnen konnte, das Projekt nicht noch abgespeckt hätte.
So soll es nun – anders als beim ersten Oval – kein Dach mehr über dem Innenhof geben. Damit wandert auch der Empfangs- und Wartebereich im Erdgeschoss in den Baukörper hinein.
Die Fassade wurde einfacher model-
Um Millionen abgespeckt
liert, in den Fluren wurden abgehängte Decken gestrichen, auch ein Aufzug fällt weg. „Wir haben Millionenbeträge rausgenommen“, sagt Haag.
Im vergangenen Oktober hatten die Freien Wähler angesichts von Baukosten- und Zinssteigerungen um eine aktualisierte Kostenschätzung gebeten.
Die Verwaltung hatte die Zinsen für die Kredite ursprünglich mit einem Prozent gerechnet. Und räumte ein, dass sie bei 20-jähriger Laufzeit mittlerweile bei 3,34 Prozent liegen: „In jedem Fall (Zins- oder/und Baukostensteigerung) muss die Mietberechnung neu erstellt werden“, heißt es in einem Schreiben an die Fraktion. Nun sind es 111 Millionen. Die sind indes nicht allein für den Generalübernehmer. Dessen Budget für das schlüsselfertige „Familienrathaus“ liegt bei 89,37 Millionen Euro. Die KfW bezuschusst das Bauvorhaben mit 3,8 Millionen Euro. Mehr als 20 Millionen müssen vor allem für die Finanzierung und die Inneneinrichtung aufgewendet werden. „Das ist auf jeden Fall gut angelegtes Geld“, sagt Haag. Langfristig werde sich das lohnen. Die Mieten in angemieteten Ge-
bäuden würden stetig steigen, die Sanierungsaufwände in eigenen auch.
Von ursprünglich 3,1 Millionen Euro, die das Rathaus dem Bauherren, ihrem Eigenbetrieb Neubau Verwaltungszentrum und Staudinger Gesamtschule (EVS), als jährliche Miete überweisen sollte, sind mittlerweile 5,6 Millionen geworden – wenn die Karlskaserne für geschätzt zehn Millionen Euro verkauft wird. Wie es beim ersten Beschluss noch geplant war. Was aber inzwischen wieder vom Tisch ist. Nicht zum ersten Mal wurde der Verkauf eines städtischen Gebäudes, der zur Finanzierung eines neuen beitragen sollte, im Nachhinein gestoppt. So war es beim Rotteckhaus. So war es auch beim ersten Rathaus im Stühlinger, wo der Verkauf dreier Liegenschaften in der Kalkulation stand. Verkauft wurde nur das alte Ordnungsamt an der Basler Straße. Das Forstamt und der Schlossbergring 1 bis heute
nicht. Stand heute will das Rathaus die Karlskaserne nur im Erbbaurecht vergeben. Offen, ob das klappt. Kommt kein Geld aus der Karlskaserne, erhöht sich die Miete auf eine stolze halbe Million – im Monat.
Das muss aus der Stadtkasse gezahlt werden. Durch Wegfall von jetzt genutzten Standorten sollen ab 2027 (nach dem Bezug des Neubaus) 3,6 Millionen an Mieten gespart werden. Allein für die Nutzung des runden Eckgebäudes am Fahnenbergplatz zahlt die Stadt rund eine Million. Durch geringere Energie- (700.000 Euro) und Personalkosten (320.000) gegenfinanziert sich eine weitere Million. So das Kalkül. Die CDU-Fraktion fordert, von der Verwaltung über Pflicht und Kür bei der Ausstattung des Neubaus zeitnah informiert zu werden.
Die Kostensteigerung beim zweiten Rathaus im Stühlinger sind für den Haushalt schmerzhaft, aber erklärbar. Und sie sind deutlich moderater als die bei der Sanierung des Augustinermuseums. Die sollte ganz am Anfang mal, vor knapp 20 Jahren, 23 Millionen kosten. Aktuell liegen die Kosten bei 91,4 Millionen.
Lars BargmannTeures Oval: Das zweite Rathaus (re.) wird wohl rund 6 Millionen Euro Miete kosten.
Bei der Dürrschnabel Industriebau zieht der Gewerbebau wieder an
Von einer Flaute in der Baubranche merkt die Dürrschnabel Industriebau aus Emmendingen so gut wie nichts. Der Generalunternehmer baut aktuell 200 Wohnungen und zudem für 29 Millionen Euro ein neues Verwaltungsgebäude für die Sick AG. Keine Langeweile also bei den Geschäftsführern Stefan Schäfer und Markus Keune.
„Unser Auftragsbuch ist noch bis Mitte 2024 voll“, erzählt Schäfer. 120 Wohnungen werden noch in diesem Jahr übergeben, 80 im kommenden. Aktuell ist das lange auf den Industrieund Gewerbebau fokussierte Unternehmen hauptsächlich im Wohnungsbau unterwegs. 120 Einheiten sind es beim Projekt IKS auf dem Güterbahnhof, 43 am Schnaitweg in Littenweiler, 23 in Haslach, 15 in St. Georgen. Damit dürfte die Dürrschnabel aktuell zu den aktivsten Unternehmen im Freiburger Wohnungsbau zählen.
Aber auch im gewerblichen Bereich, in dem es Ende 2022 und Anfang 2023 eher ruhig war, kommen wieder deutlich mehr Anfragen. Von einer Rezession sei bisher nichts zu spüren. „Der Mittelstand, unsere Kernklientel, will wieder investieren, ein gutes Zeichen“, kommentiert Schäfer. Das neue Betriebsgebäude für den Haustechniker Sexauer wird noch in diesem Jahr schlüsselfertig übergeben, bei einem Physiotherapiehaus in Merdingen mit einem Volumen von drei Millionen Euro will Keune im September loslegen. Er managt derzeit auch den Bau des x-ten Verwaltungsgebäudes auf dem Sick-Campus, das passenderweise im südlichen Bauteil auch ein Stahlbetongerüst in X-Form hat. 9300 Quadratmeter Nutzfläche für 500 Beschäftigte lässt der Weltmarktführer aus Wald-
kirch bis Anfang 2025 herstellen und investiert dafür 29 Millionen Euro.
„Mit diesem aussagekräftigen Symbol am Ortseingang haben Sie erneut ein mutiges und langfristiges Bekenntnis zum Standort Waldkirch abgegeben“, sagte Oberbürgermeister Roman Götzmann beim Spatenstich. Eines, in das neben durchaus spektakulären Fertigteilen allein im Rohbau rund 1000 Tonnen Stahl und knapp 5000 Kubikmeter Beton verbaut werden, wie Keune erzählt – der „voll im Zeitplan“ ist. Kniffliger wird es dann im Ausbau.
„Im Gewerbebau kannst du mit gleicher Mannstärke viel mehr bewegen als im oft sehr aufwändigen Wohnungsbau“, sagt Schäfer. Der hat derzeit nicht nur mit der Organisation der vielen parallelen Projekte (darunter auch eine Handvoll kleinere für Stammkunden)
zu tun, sondern auch mit einer veränderten Arbeitslandschaft: „Das ist schon etwas Neues, wenn bei einem Haustechnik-Planungsbüro der Projektleiter
am Freitag nicht arbeitet, der Architekt am Montag nicht und der Statiker mittwochnachmittags nicht.“
Neben der vielfach kritisierten Bürokratie, immer weniger entscheidungsstarken Beschäftigten bei genehmigenden Behörden, ellenlangen Genehmigungszeiten – bei einem Projekt gab es die Baugenehmigung nach intensivem Hü und Hott erst nach dreieinhalb Jahren –, wirke zudem das Thema Work-Life-Balance „nicht gerade beschleunigend“. Dabei setzt der Generalunternehmer mehr und mehr auch auf externe Architekten.
Bei den Baupreisen sieht Schäfer zumindest im Rohbau und beim Zimmermann die zarte Rückkehr zur Normalität aus der Vor-Corona-Zeit.
Bei den Ausbaugewerken indes, vor allem bei der Haustechnik, sind die Preise nach wie vor weit oben. Schäfer: „Wir können aber immerhin wieder etwas besser kalkulieren, was es am Ende kostet.“ bar
Es war der 19. Juni 1948, ein Samstag, als der Rottenburger Bischof Carl Joseph Leiprecht mit Mitstreitern das Siedlungswerk der Diözese Rottenburg in Stuttgart als GmbH gründete. Deutschland lag vielerorts noch in Schutt und Asche, zwei Tage später wurde die D Mark in den Besatzungszonen als Zahlungsmittel eingeführt. Bis heute, 75 Jahre später, hat das Siedlungswerk 32.500 Wohnungen gebaut. Mehr als 1000 davon seit 2006 im Raum Freiburg.
förderte Mietwohnungen. Im Bau sind in Opfingen aktuell eine Tagespflegeeinrichtung, 16 Eigentumswohnungen, 11 Mietwohnungen und 8 geförderte.
Ebenfalls Ende kommenden Jahres werden in Waltershofen 22 Kaufwohnungen, 30 geförderte, ein Nahversorger und eine Apotheke fertig. Gemischte Quartiersentwicklungen sind typisch für das Unternehmen. Untypisch läuft es indes auf den Baustellen: Die Fertigstellungstermine einzuhalten, sei aufgrund der Handwerkersituation „sehr nervenaufreibend, ein täglicher Kampf“, sagt Störck.
Durch die bisherigen Förderungen habe sich der soziale Wohnungsbau „noch einigermaßen gerechnet, und wir wollen den auch nicht durch teure, frei finanzierte Mietoder ebenfalls teure Eigentumswohnungen subventionieren.“ Derzeit aber machten Bund und Land dafür „deutlich zu wenig“. Es brauche „unbedingt“ eine bessere Förderkulisse. Und vertretbare Grundstückspreise.
Aktuell im Bau: In Waltershofen baut das Siedlungswerk aktuell 30 geförderte Miet-, 22 Eigentumswohnungen sowie Flächen für einen Nahversorger und eine Apotheke.
Der Bischof hatte mit seiner Formel „Wohnbau statt Dombau“ große Weitsicht bewiesen, das Bauprojekt einer neuen Kathedrale gestoppt und stattdessen 1950 die ersten 15 Familienhäuser in Sindelfingen eingeweiht. Nach Freiburg kam das Wohnungsbauunternehmen erst vor 17 Jahren. Heinz-Dieter Störck, damals wie heute Geschäftsstellenleiter, hatte ein kleines Büro in der Herrenstraße bezogen. Das erste große Projekt war „Freiburg Leben“ an der Kartäuserstraße. Es folgte neben vielen anderen etwa die Bebauung des VAG-Depots an der Komturstraße.
Insgesamt hat das Siedlungswerk im Raum Freiburg 9000 Quadratmeter für Büros, Gewerbeflächen und soziale Einrichtungen, vor allem aber rund 700 Eigentums- und 330 Mietwohnungen gebaut – und dafür 450 Millionen Euro investiert. Und acht Architektenwettbewerbe ausgelobt. Gerade übergeben wurden in Schliengen 34 Eigentumswohnungen und 35 im Preis reduzierte oder öffentlich ge-
Die kann Störck bei den in Freiburg anstehenden großen Entwicklungen Kleineschholz und Dietenbach, wo das Siedlungswerk nur allzu gern bauen würde, nicht erkennen. „Mit den derzeitigen Rahmenbedingungen funktioniert das für uns noch nicht.“ Und das, obwohl das kirchlich geprägte Siedlungswerk bei einer Baulandvergabe an „gemeinwohlorientierte“ Unternehmen sicher infrage käme. Mehr als 5300 Wohnungen hat es im Bestand, 2900 haben geförderte Mieten. In mehr als 4200 Wohnungen liegt der Mietzins nach eigenen Angaben unter neun Euro.
Das nächste Freiburger Projekt des elfköpfigen Teams liegt an der Ecke Merzhauser- und Wippertstraße. Hier sollen neben einer Kita je 15 geförderte Miet- und Eigentumswohnungen gebaut werden. Nachdem nicht nur die Rohbaupreise viel zu hoch waren, hat Störck die Arbeiten jetzt neu ausgeschrieben. Baubeginn ist daher erst im kommenden Jahr. Dem Jahr 76 also, nachdem Bischof Leiprecht seine kluge Idee hatte.
Lars BargmannDie Bilanzsumme kletterte im vergangenen Jahr um 89 auf 823 Millionen Euro. Im Jahr 2021 wurde ein Gewinn nach Steuern von knapp 40 Millionen Euro ausgewiesen. Ein knappes Drittel des Umsatzes steuert mittlerweile der Standort Freiburg bei. 8 Millionen Dividende werden an die Gesellschafter ausgeschüttet. 74,6 Prozent gehören dem Bistum Rottenburg-Stuttgart, 25 Prozent der L-Bank, 0,4 Prozent drei weiteren kirchlichen Einrichtungen. Ende 2022 arbeiteten 254 Menschen für das Siedlungswerk.
Die kommunale Wohnbau Lörrach hatte das Projekt aus wirtschaftlichen Gründen abgelehnt, die private Wohnbau Baden AG (WOBAG) hat gezeigt, dass es geht: Anfang Juli war Richtfest beim Wohnbauprojekt Sieben Linden im Neubauquartier Belist. 100 neue Wohnungen, jede einzelne öffentlich gefördert, wird die WOBAG bis zum Herbst 2024 an die Mieter übergeben. „Wir haben mehrfach gezeigt, dass wir den öffentlichen Wohnungsbau können, das würden wir gerne auch in Freiburg machen, wenn man uns ließe“, sagt Vorstand Klaus Ruppenthal.
Fünf Häuser auf einer großen Tiefgarage und rund um eine attraktive Grünanlage hat die WOBAG in die Höhe gezogen. Nachdem sie nicht zum ersten Mal einen ausgelobten Wettbewerb gewonnen hatte. 20 Prozent der Wohnfläche – die ortsübliche Vergleichsmiete liegt bei 12,80 Euro – werden für 7,50 Euro vermietet, 80 Prozent für 10 Euro. 30 Jahre lang. Gefordert im Wettbewerb waren 15. Erworben hat die Wohnanlage die Industria Wohnen GmbH aus Frankfurt, die es in einen Immobilienfonds
einbringt und schon mehr als 1900 Sozialwohnungen im Portfolio hat. Es ist nicht das erste Mal, dass die WOBAG Projekte auch dann angeht, wenn anteilig der – vielfach als defizitär bezeichnete – soziale Mietwohnungsbau als Bedingung aufgerufen wird: Bei einem Projekt in Teningen stellten die Freiburger 16 von 32 als Sozialwohnungen her, aktuell bauen sie – auch nach einem Sieg im Wettbewerb – in Sexau 12 der 30 Wohnungen mit öffentlichen Mitteln und somit günstigen Mieten. Auch dieses Projekt ist bereits verkauft, an einen Privaten.
„Wir suchen aktuell weitere Grundstücke, um sozialen Wohnungsbau machen zu können“, sagt Ruppenthal. Die Förderprogramme des Landes seien, richtig gelesen, „nicht so schlecht“ und würden den Nachteil der subventionierten Mieten durchaus ausgleichen. Aber: Die Grundstücke dürfen nicht teuer und die baurechtlichen oder kommunalen Vorgaben müssten etwa bei den Stellplätzen in teuren Tiefgaragen verkraftbar sein.
Aber die WOBAG ist auch auf dem frei finanzierten Markt aktiv: In Königschaffhausen gibt es noch vier bereits
fertige Reihenhäuser (ab 485.000 Euro), in Bad Bellingen baut die WOBAG zwei Doppelhäuser und ein Mehrfamilienhaus mit zehn Zwei- und Dreizimmerwohnungen, in Ihringen verhandelt Ruppenthal derzeit das Baurecht für ein 3000 Quadratmeter großes Grundstück in der Ortsmitte. In Heuweiler sind elf Eigentumswohnungen in zwei Häusern im Werden. Hier kostet der Quadratmeter im Schnitt 6500 Euro. Auch jenseits von Bauplätzen ist Ruppenthals achtköpfiges Team aktiv: Gemeinsam mit dem Baugeld-Spezialisten Christian Rönicke hat es die WOBAG Immobilien GmbH gegründet. Die wird am 27. September einen Tag der offenen Tür in ihren neuen Räumen veranstalten. Im Herzen von Bad Krozingen. Dort, wo Ruppenthal aufgewachsen ist und schon zwei Dutzend Projekte gemacht hat. In dem Gebäudeensemble Basler Straße 33–35, das die WOBAG selber gebaut hat. In der Kurstadt haben die Freiburger zudem noch drei neue Projekte in der Pipeline. Eines hat Ferienwohnungen im Kurgarten im Fokus. Das wäre wieder ein neues Betätigungsfeld für die 2010 gegründete WOBAG. bar
Kräftige Farben, multifunktionale Gerätschaften und Küchen wie aus Schreinerhand: die neuesten Küchentrends setzen auf edles Design und eine einfache Handhabung.
Nachdem sich in den vergangenen Jahren vor allem die skandinavische Lebensweise mit ihrer gemütlichen Atmosphäre in den Küchen widergespiegelt hat, verbindet sie sich nun mit asiatischen Elementen zum JapandiStil: schlichte, aufgeräumte Gradlinigkeit in Verbindung mit gedeckten, aber kräftigen Farben hält Einzug in die Küchen, die bevorzugten Materialien sind Holz und Stein. Eyecatcher des neuen Stils sind die Fronten, die durch aufgesetzte Verstrebungen auffallen und original japanischen Möbeln nachempfunden sind.
Eine Küche mit ungleichen Küchenschränken? Was vor ein paar Jahren noch undenkbar war, ist Stück für Stück in die Küchenlandschaft eingezogen. Der Wechsel von Hoch und Tief gibt der Küche optisch mehr Beweglichkeit. So lassen sich nicht nur besondere Effekte kreieren, sondern auch gezielt einzelne Bereiche hervorheben. Besonders beliebt sind Kü-
cheninseln in verschiedenen Höhen und Arbeitsflächen, die von den Schränken eingerahmt sind. Praktisch dabei: der zusätzliche Stauraum. Ebenfalls im Trend ist die Verbauung von Küchenzeilen direkt in die Wand.
Da werden die Rigipswände nach dem Küchenaufbau einfach um die Zeile herum gebaut. Lange Zeit dominierten dunkle Farben den Küchenbereich. Diese Jahr setzen Hersteller jedoch auf Blaugrün und Rostrot. Beide Farben orientieren sich an der Pflanzenwelt, erinnern an Beeren, Herbstlaub, Kräuter, Moos und Wälder. Kombinierbar sind sie mit natürlichen Materialien und neutralen Tönen. Und wer es gerne noch ein wenig bunter haben möchte, kann mit Farbakzenten arbeiten. Besonders gut zu Rostrot passen Möbel in Schwarz und Eiche. In einer blaugrünen Küche kommen vor allem Creme und Grau gut zur Geltung. Der Wasserhahn ist schon lange nicht mehr nur Wasserspender. Allein in den vergangenen drei Jahren hat der Hahn jede Menge Zusatzfunktionen erhalten. So kann man
Moderne Küchen sind echte Raumwunder
nicht nur heißes Wasser direkt aus der Leitung zapfen, sondern auch Kohlensäure zusetzen. Auch die Steuerung der Armaturen per Smartphone oder Touchdisplay wird immer wichtiger. Der letzte Hahnenschrei auf dem Markt der Innovationen kommt vom niederländischen Unternehmen „Unito“: Statt Leitungswasser sprudelt da Limonade in verschiedenen Geschmacksrichtungen.
Rillenprofile gibt es schon länger, doch erst jetzt werden sie von mehreren Herstellern angeboten. Meistens strukturieren sie vertikale Holzfronten, selbst Armaturen gibt es nun mit Profil. Da wäre zum Beispiel die Kollektion „Venti20 Küche“, die auf Rillen, aber auch auf Retro setzt. Die Designs sind mit unterschiedlich breiten Stäbchen möglich, meistens verwenden die Hersteller Eichen- oder Nussbaumholz. Eine weitere Neuheit ist der Trend zu extra geschaffenen Theken. Wo man früher noch gemütlich an der Kücheninsel saß, setzen Küchenprofis jetzt auf gemütliche Ecken und hohen Komfort. Die Sitzplätze sind genauso hoch wie Barhocker, doch die Gestaltungsmöglichkeiten sind vielfältig.
Wo der Wein früher auch gerne mal aus dem Tetrapak kam, setzen Lifestyler heutzutage vor allem auf Nachhaltigkeit und bestellen am liebsten beim Bio-Weingut um die Ecke. Für die perfekte Temperierung sorgen Weinkühlschränke, die in den letzten Jahren enorm an Beliebtheit gewonnen haben. Die Kühlschränke gibt es in allen möglichen Größen, in unterschiedlichen Farben, und sie können sowohl in die Küche verbaut als auch einzeln aufgestellt werden.
Neu in 2023 ist das Solitaire – The Waterbase. Es ist weniger eine Spüle, vielmehr eine komplett neue Gerätekategorie. Das Becken ist perfekt für eine offene Küche, da es sich stilvoll und diskret in jedem Wohnbereich einfügt. Das Infinity-Cover macht das Becken unsichtbar und sorgt für eine geschlossene Oberfläche und einheitliche Ästhetik. Trotzdem geht die Funktionalität der Spüle nicht verloren. Die Wasserentnahme ist auch bei geschlossenem Spülbecken möglich. Überschüssiges Wasser fließt über eine schmale Rille ab. Highlight: Per Fingertipp laufen auf Wunsch sechs verschiedene Wasserarten aus der Armatur.
Egal ob Materialien, Verbrauch, Produktion oder Transport: Die Nachhaltigkeit steht im Mittelpunkt. Auch bei Backöfen, Kochfeldern, Dampfgarern, Spülmaschinen und Kühlschränken steht das Thema in diesem Jahr an erster Stelle. Farblich wird der Edelstahllock durch mattes Schwarz abgelöst. Im Dekorationsbereich legen Küchenliebhaber Wert auf elegante Pendelleuchten, beleuchtete Regalsysteme, Nischen- und Unterbodenleuchten sowie LED-Streifen.
Jennifer PatriasWeinkühlschränke und nachhaltige Materialien sind im Kommen
Die Immobiliengesellschaft der Freiburger Sparkasse (SImmo) spürt die dramatische Wende bei den Baufinanzierungszinsen deutlich. Seit Anfang 2022 sei die Nachfrage nach Immobilien um 70 bis 80 Prozent eingebrochen, sagt Geschäftsführer Oliver Kamenisch. Kurios: Mit Ende Juli schon 63 protokolierten Kaufverträgen mit einem Volumen von rund 29 Millionen Euro liegt die SImmo im Vergleich zum Vorjahreszeitraum dennoch auf Augenhöhe.
„Wir können sehr zufrieden sein. Im vergangenen Jahr hatten wir noch die erste Verkaufswelle bei unserem Projekt Sonnhalde in Waldkirch, das haben wir jetzt nicht und liegen trotzdem wieder auf dem Niveau“, erzählt Kamenisch. Offenbar sind die 20 bis 30 Prozent, die als Nachfragende geblieben sind, ausreichend für den Umsatz. „Das sind die, die aus wohlhabenden Familien kommen, schon geerbt oder schon Geld übertragen bekommen haben“, weiß der Geschäftsführer. Ihn beschäftigen dabei auch die sozialen Auswirkungen: „Da ist dann einer, der genauso hart arbeitet wie der andere,
aber eben noch kein Vermögen aufbauen konnte. Der eine kann weiterhin kaufen. Der andere, der kaufen wollte, drängt nun in den engen Mietmarkt.“ Oft, weil der Nachwuchs eine größere Wohnung erfordert. Und es seien ausgerechnet die mittleren Einkommensschichten, die sich die eigenen vier Wände zusehends nicht mehr leisten können.
Und anders als die Kaufpreise steigen die Mieten weiter. Das passt dann so gar nicht zu höheren Nebenkosten und der Inflation. Und wenn die nicht „nachhaltig nach unten geht, werden die Zinsen noch weiter steigen“, so Ka-
menisch. Er geht davon aus, dass es erst von 2023 bis Ende 2024 keine weiteren Erhöhungen mehr geben wird. Erhöht ist aktuell die Zahl der Verkaufsaufträge. Allerdings gibt es zwischen den Erwartungen der Käufer und dem Machbaren an einem völlig veränderten Markt oft große Differenzen. „Wir führen deutlich mehr Gespräche über die Preisvorstellungen.“ Die Makler bringen den verkaufswilligen Eigentümern schon aktuelle Finanzierungsbeispiele mit und zeigen schwarz auf weiß, welche Finanzierungskosten für die Käufer vor anderthalb Jahren bei einem Kredit etwa über 500.000 Euro zu stemmen gewesen wären – und was heute zu stemmen ist. „Das ist dann oft ein Aha-Effekt.“ Monatlich bekommt Kamenisch von seinen Mitarbeitern eine Übersicht, wie es um den Vertrieb bestellt ist. Bei etwa der Hälfte der Angebote, aktuell sind es 54, gebe es wenig Resonanz. Dann stünden Preisgespräche an. Dabei kann es durchaus um 10 bis 15 Prozent Abschlag gehen. Kapitalanleger, die bis vor 18 Monaten noch knapp die Hälfte der Käufer ausmachten, sind nahezu komplett in andere Anlagen verschwunden. „Da passen die erwartbaren Mieten und die Kaufpreise nicht mehr zusammen.“ Für Kamenisch ist klar, dass die Politik mehr tun muss: „Die Regierung hätte die Jahre mit niedrigen Zinsen nutzen müssen, um massiv den Wohnungsbau zu fördern. Da wurde eine große Chance verpasst.“ Jetzt gehe es in Richtung soziale Ungerechtigkeiten. Und das aufzuhalten, werde teuer und „ganz, ganz schwierig“. Über einige aktuelle Förderprogramme würden die Baufinanzierer von der Sparkasse allenfalls schmunzeln. bar
Das Bauhauptgewerbe hat seinen Platz als KonjunkturZugpferd verloren. Nach dem jüngsten Konjunkturbericht der Handwerkskammer Freiburg (HWK) haben vor allem Baubetriebe im Wohnungsbau „absolut pessimistische Erwartungen“, sagt HWKPräsident Johannes Ullrich. Seit 2000 hätten sich die Baukosten pro Quadratmeter Wohnfläche im frei finanzierten Wohnungsbau verdoppelt: „Damit wird der Wohnungsbau enorm ausgebremst.“
Und es sehe nicht nach schneller Besserung aus: Der Gesamtverband der Wohnungswirtschaft geht derzeit von nur rund 200.000 neuen Wohnungen
jährlich aus. „Also nur halb so viel, wie sich die Bundesregierung auf die Fahnen geschrieben hat“, betont Ullrich. Das lasse sich allein durch energetische Sanierungen nicht ausgleichen. Die Diskussion um das Heizungsgesetz habe Kunden und Betriebe sehr verunsichert. Der Kammerpräsident fordert staatliche Hilfsprogramme, um den Neubau zu stützen. Zwar würden Heizungsbaufirmen mit Aufträgen überhäuft – sie verzeichneten zuletzt einen um elf Prozent höheren Umsatz als im Vorjahr. Weil es aber eklatante Lieferengpässe gebe, würden Betriebe zeitweise sogar auf Kurzarbeit umstellen. „Die Umsatzerwartungen liegen unter den Werten des Vorjahres, hier macht sich die Unsicherheit der
Betriebe bemerkbar“, so Handirk von Ungern-Sternberg, Mitglied der HWKGeschäftsleitung. Nur jeder vierte erwarte steigende Umsätze, fast 15 Prozent gehen von Rückgängen aus.
Auch der Arbeitskräftemangel bleibt im Handwerk allgegenwärtig. Das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz habe seine guten Aspekte, aber auch schlechte. „Die beschlossenen Reformen ermöglichen mehr Flexibilität und mehr Zugangsmöglichkeiten auf den deutschen Arbeitsmarkt.“ Aber, so UngernSternberg, „die zuständigen Behörden bleiben die Flaschenhälse.“ Schnellere Verfahren seien so nicht möglich und die benötigte Fachkräftezuwanderung könne so kaum erreicht werden.
300 Meter: Mit Photovoltaik auf dem Dach betritt Freiburg hier Neuland bei Radwegen.
Was aussieht wie ein ziemlich gewöhnlicher Radweg mit Dach, hat es in sich: An der Freiburger Messe verläuft seit Mai eine 300 Meter lange regensichere Velostrecke – sie gilt als „erster Solarradweg Europas“. Andere Städte eifern jetzt Freiburg nach.
Ist das ein Regendach? Nein: Die Konstruktion über dem Radweg an der Messe trägt 912 lichtdurchlässige Solarmodule, die pro Jahr etwa 280 Megawattstunden Strom erzeugen sollen: der Jahresbedarf von rund 60 Einfamilienhäusern.
Der Solarradweg soll als innovatives Pilotprojekt zeigen, wie kostbare Flächen zur Energiewende genutzt werden können. „Wir müssen alles rauskitzeln aus der Stadt“, betont Umweltamtschef
Klaus von Zahn: „Wir müssen bis 2036 in Freiburg sechs Mal so viel
Photovoltaik bauen wie bisher, und an Dächer kommen wir oft nicht ran.“
Also betritt er Neuland. Doch der Weg dahin war steinig: „Das sieht super easy aus, aber es war der Wahnsinn“, verrät er im Gespräch mit den grünen Bundestagsabgeordneten
Chantal Kopf und Matthias Gastel.
Von Zahn war vor sechs Jahren Ideengeber des Leuchtturmprojekts. Damals hatte er sich in Freiburgs südkoreanischer Partnerstadt Suwon einen Solar-
radweg angeschaut. Der war „ziemlich wuchtig“. Dem Amtsleiter schwebte eine schlankere Variante vor. Seine Idee: Der Bau sollte „multiplizierbar sein“, um industriell gefertigt werden zu können. Schon jetzt kosteten die 300 Meter rund eine Million Euro. „Drei Jahre Planung, drei Jahre Bauphase“, berichtet von Zahn. So viele Details seien zu klären gewesen wie selten. Vorwissen gab es kaum. Der erzeugte Strom geht an die Labore des nahen Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme (ISE). „Wirtschaftlich ist das nicht, da brauchen wir uns nichts vormachen“, sagt Klaus Preiser. Der technische Geschäftsführer der Badenova-Tochter Wärmeplus ist dennoch überzeugt: „Das ist ein symbolisches Pilotprojekt.“ Die Reaktionen bestätigen das: „Wir erhalten unglaublich viele Rückmeldungen, bundesweit, europaweit.“
Wer ihn um einen Rat bittet, bekommt diese Antwort: „Plant es richtig.“ Sonst könne es kompliziert werden. „Es war richtig zäh, wir haben viel gelernt“, sagt Preiser. Knifflig war etwa die Verkehrssicherheit des Tragesystems oder wer für die Schneeräumung der Strecke zuständig ist.
Auch die richtige Beleuchtung war eine Herausforderung. „Das sind alles neue Themen“, erklärt Preiser. Für die Zukunft wisse man besser Bescheid.
Interessenten für ähnliche Bauten seien auf dem Plan. In Oberried ist ein vier Kilometer langer Solarradweg nach Kirchzarten auf der Agenda, bestätigt Kirchzartens Bürgermeister Andreas Hall. Der Radweg entlang der L 126 nach Kirchzarten soll auf drei Meter verbreitert werden. Zudem die Radweg-Lücke zwischen Abzweig Sportanlagen und Dietenbach geschlossen werden. In dem Zuge gebe es die Idee des ISE, den Radweg teilweise mit PV zu überdachen. „Die Idee stieß bei uns Gemeinden auf offene Ohren, wir stünden dem grundsätzlich positiv gegenüber“, so Hall. Allerdings gebe es Herausforderungen hinsichtlich des Abstands zur L 126, des Anprallschutzes und der Überdachung.
Zwar hat sich eine Anfrage aus dem Gewerbepark Breisgau wieder zerschlagen, aus Hamburg dagegen gibt es eine positive Rückmeldung: „Es gibt einen grundsätzlichen Beschluss der Hamburgischen Bürgerschaft, einen mit Solaranlagen überdachten Radweg einzurichten“, berichtet Rathaus-Sprecherin Rika Bootz. Konkreter konnte sie noch nicht werden. Vielleicht gibt es auch in Freiburg noch einen Nachfolger: Von Zahn würde „nicht ausschließen, dass wir die zweiten 300 Meter noch machen“.
Till Neumann»Es war der Wahnsinn«
Lieferzeiten, Baupreise, Inflation und Finanzierungskosten im Steilflug – Bauanträge und Baufertigstellungen auf Absturzkurs: Die deutsche Wohnungswirtschaft ächzt unter toxischen Rahmenbedingungen – seien es Bauträger oder Projektentwickler, Häuslebauer oder Mieter. Einer wird bei der giftigen Liste des Grauens oft vergessen: der Staat. Denn der ist für 37 Prozent der Wohnungskaufpreise selbst verantwortlich. Sagt eine aktuelle Untersuchung des Spitzenverbands der Immobilienwirtschaft ZIA.
„Konzertierte Aktion Wohnen: Was es jetzt braucht, um den Wohnungsbau endlich wieder anzukurbeln“, ist das aktuelle Positionspapier des Zentralen Immobilien Ausschusses überschrieben. Zu der Staatsquote von 37 Prozent zählen altbekannte Faktoren wie – zwischen Wohnungs- und Gewerbebau saldiert – 11 Prozent Umsatzsteuern für Bauleistungen, 8 Prozent für Grunderwerbssteuern und Notare, 5 Prozent für technische Baubestimmungen, DIN-Vorgaben und Qualitätsstandards.
Aber auch hinzugekommene wie immer höhere energetische Anforderungen (5 Prozent), das Einfordern von immer mehr Gutachten (3 Prozent) oder Vorgaben für den sozialen Wohnungsbau und sozialgerechte Bodennutzungen (5 Prozent). Die nahezu inflationär geforderten Architektenwettbewerbe nicht mal eingerechnet. Und bevor es losgeht, muss auch die Baugenehmigung bezahlt werden. Aber es geht ja viel zu wenig los. „Explodierende Grunderwerbsteuern, Gebühren, Gewinnabschöpfungsmodelle sowie Vorgaben und Restriktionen verursachen weit mehr als ein Drittel der
Kosten. Genau hier sind die Hebel, wenn eine Wende am deutschen Wohnungsmarkt realistisch sein soll“, sagte ZIA-Präsident Andreas Mattner unlängst dem Handelsblatt.
Ein kleines bisschen am Hebel spielt Bundesbauministerin Klara Geywitz. Bei einem Gipfel der Wohnungswirtschaft in Hamburg erklärte sie neulich, dass der Bund die Deutschen
Industrienormen „mit einem Preisschild versehen“ wird, damit klar ist, welche Normen welche Kosten verursachen. Die Frage darf erlaubt sein, was daraus folgt.
Es gibt aktuell mehr als 500 DINNormen allein fürs Bauen und insge-
samt 20.000 Bauvorschriften. Und es ist bekanntlich deutlich schwerer, eine Norm zu verabschieden als zwei neue auszuhecken. Wirkungsvoller dürften steuerliche Anreize sein wie zusätzliche degressive Abschreibungsmöglichkeiten. Und mehr Zuschüsse. Der Bund hat im vergangenen Jahr den sozialen Wohnungsbau mit 750 Millionen Euro gefördert. Für Batterieautos gab es 2,1 Milliarden.
Im Ländle hatte Bauministerin Nicole Razavi fürs laufende Jahr den Fördertopf für den sozialen Wohnungsbau um rund 40 auf 463 Millionen Euro erhöht. Mitte Mai war der Topf: leer. Wer will, dass wieder mehr geht, muss entweder auf einen Teil seiner 37 Prozent verzichten – oder einen Wumms für den Wohnungsbau beschließen. Und dann auch liefern.
Lars Bargmann