Bankbosse
Des Kanzlers klare Kante
10 Jahre business im Breisgau
Der Kanzler war da. Olaf Scholz kam eigens mit dem Helikopter zum Spatenstich für Freiburgs neuen Stadtteil Dietenbach. Der Sozialdemokrat brauchte dabei kein Manuskript. Nicht einmal einen Stichwortzettel. Es sei ein „bedeutendes Ereignis“, ein „Mut machender Moment“, ein „guter Tag für Deutschland“. Das hörte Freiburgs Bürgermeisterriege gerne.
Draußen machten sich während seiner Rede die Landwirte bemerkbar: „Wir ham die Schnauze voll.“ Drinnen im Festzelt saßen auch Kritiker, die ihren Frieden mit Dietenbach noch nicht gemacht haben, die der Wohnungsnot mit Innenentwicklung, Aufstocken von Dachgeschossen und anderen Ideen beikommen wollen. Deutschland müsse 20 neue Stadtteile an Orten bauen, wo wirklich Nachfrage da ist, sagte der Kanzler. Im Übrigen wünsche er „viel Spaß dabei, zu erläutern, dass jemand jetzt aus seiner 60-Quadratmeter-Wohnung ausziehen soll, weil 40 Quadratmeter doch reichen, oder was weiß ich, wie man sich diese Diskussion vorstellt“. Scholz zeigte klare Kante.
Klare Worte fanden in unseren Interviews auch die Vorstände der beiden großen Publikumsbanken Sparkasse und Volksbank, Daniel Zeiler und Uwe Barth, oder auch IHK-Geschäftsführer Dieter Salomon. Man könne das Kürzel AfD durchaus mit „Armut für Deutschland“ ausbuchstabieren. Ohne Zuwanderung geht es in Deutschland nicht weiter. Und wer von Remigration spricht, der habe nicht nur wirtschaftlich nichts verstanden. Das regionale Wirtschaftsmagazin business im Breisgau feiert in diesem Jahr übrigens sein zehnjähriges Bestehen. Wir danken unseren Leserinnen und Lesern. Wir danken besonders auch unseren Anzeigenkunden. Und der Verlag dankt vor allem auch seinem Team. Wir wünschen anregende Lektüre. Bleiben Sie zuversichtlich. Und stehen Sie im Wahljahr 2024 vor Ort und in Europa für die liberale Demokratie ein. Sie zählt weltweit zu den bedrohten Arten.
Herzlichst
Ihr Lars Bargmann | Chefredakteur
Titel
Bundeskanzler Olaf Scholz kam zum Spatenstich Dietenbach. Der Bürgerentscheid habe gezeigt, dass „unsere Demokratie nicht nur von denjenigen getragen wird, die immer auf ihre eigenen Interessen schauen.“ Die Kritiker bleiben unbeirrt am Ball.
Bilanzen
Die beiden Bankbosse Uwe Barth und Daniel Zeiler im großen bib-Interview über die EZB, den Standort Deutschland und die AfD 10-12
Volksbank Freiburg: Über die massive Stärkung des Eigenkapitals 14
Sparkasse Freiburg: Wie der Zinsertrag den Gewinn nach oben katapultiert 15
Tourismus
Freiburg schwimmt wieder auf der Rekordwelle. Die Bettenauslastung aber nicht 16-17
Kommunale Unternehmen
Die FWTM sucht – spät – einen Nachfolger für Messechef Daniel Strowitzki 17
Luftverkehr
Am EuroAirport Basel-Mulhouse-Freiburg herrscht weiter Aufwind bei den
18
IMPRESSUM business im Breisgau
Themenheft 03.2024
Das business im Breisgau-Themenheft erscheint im Freiburger Stadtmagazin chilli
Herausgeber:
chilli Freiburg GmbH
Paul-Ehrlich-Straße 13 79106 Freiburg
fon: 0761-76 99 83-0
fax: 0761-76 99 83-99 bargmann@chilli-freiburg.de www.business-im-breisgau.de
Geschäftsführung: Michaela Moser (V.i.S.d.P.)
6-8
Zahlungsverkehr
Pay by Ring: Bei der Volksbank gibt es ein neues schmuckes Zahlungsmittel 19
Energiewende
Der Bundesrechnungshof kritisiert die Regierung für das schleppende Tempo, das gravierende Risiken für die energiepolitischen Ziele berge. Auch in Südbaden muss es schneller vorangehen 20-21
Bürokratismus
Was IHK-Chef Dieter Salomon als Vorsitzender des Normenkontrollrats erreichen will 22-23
Karrieren
Nach zwölf Jahren hört Bärbel Schäfer als Regierungspräsidentin auf. Eine Bilanz 24-25
Gewerkschaften
Warum die IG BAU eine Asbest-Charta fordert 26-27
Chefredaktion: Lars Bargmann
Redaktion: Philip Thomas, Pascal Lienhard, Jennifer Patrias
Autoren: Mathias Hecht, Werner Krieger
Titelcollage: Sven Weis, © freepik
Fotos: iStock.com, Pixabay, freepik.com
Grafik: Sven Weis, Julia Neininger
Lektorat: Beate Vogt
Anzeigen: Marion Jaeger-Butt, Nathalie Braun, Martin Beiermeister
Druck: Hofmann Druck, Emmendingen
Unternehmen in der Region
Jubiläum: Die Zimmerei Grünspecht feiert 40-jähriges Bestehen – und ist nicht zufällig Co-Veranstalter des Deutschen Strohbautags in Freiburg 28-29
Finanzwelt
Expertenbeitrag I: Was der Wirtschaftsprüfer Mathias Hecht vom gestutzten Wachstumschancengesetz hält 30
Einbruch und Aufbruch: Die Beteiligungsgesellschaft der Freiburger Sparkasse verzeichnet sinkende Erträge, aber ein steigendes Neugeschäft 31
Expertenbeitrag II: Analyst Werner Krieger über den Standort Deutschland und Aktien zum Schnäppchenpreis 32
Arbeitsmarkt
Noch trotzt der Arbeitsmarkt der Konjunkturflaute. In Südbaden mehr als bundesweit 34
Messewesen
5. Auflage der VDI regio career: Kontakte knüpfen für Ingenieure 36
Fakten bitte
Die Welt, die Wirtschaft in Zahlen 38
Ein Unternehmen der
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Des Kanzlers klare Kante
Spatenstich für Dietenbach „ein guter Tag für Deutschland“
Visuell schon mal gebaut: Der erste Bauabschnitt im Dietenbach geht 2025 in die Vermarktung. Es wird spannend, wie groß das Interesse der Bauherren dann ist.
Ein Sandhaufen, fünf Schaufeln mit Namensschildchen und ein Riesenbanner im Hintergrund: Am 27. Februar feierte Freiburg den Spatenstich für eines der größten Wohnungsbauprojekte in der Republik, für den neuen Stadtteil Dietenbach. Bundeskanzler Olaf Scholz war dabei. Und sagte: „Wir brauchen noch viel mehr Dietenbachs in Deutschland.“
„Abwarten ist keine Alternative“, hatte Martin Horn in seiner Rede erklärt. Dietenbach werde ein ökologisches Vorbild, modern, sozial und bezahlbar. Freiburgs Oberbürgermeister nutzte die Anwesenheit des Kanzlers und der baden-württembergischen Ministerin für Landesentwicklung und Wohnen Nicole Razavi, um kräftige Unterstützung aus Berlin
und Stuttgart einzufordern: „Wir brauchen 200 Millionen Euro Förderung.“ Ohne Förderung, da gibt es keine zwei Meinungen, wird der Stadtteil nicht bezahlbar. Ob er es mit Förderung werden kann, ist unklar. Horn prägte auch den Slogan des Tages: „Weniger meckern, mehr machen.“
Razavi sieht ein „echtes Quartier der Zukunft“ voraus, einen „Ort der Pluralität“, der in die ganze Region ausstrahlt. Aber: „Um die Lust am Bauen wieder zu entfachen, braucht es verlässliche Förderprogramme und Energiestandards, die Sinn machen.“
Scholz verschonte die 400 Festgäste mit Polit-Phrasen. Deutschland brauche 20 Dietenbachs. Mit den Argumenten von Neubaukritikern wie Innenverdichtung, Aufstockungen oder Umsiedlungen von Menschen aus großen in kleine-
re Wohnungen („Da wünsche ich allen sehr viel Spaß“) sollte man sich gar nicht weiter auseinandersetzen, weil es nur von der Aufgabe abhalte, neue Wohnungen zu bauen.
Der Kanzler kritisierte detailliert die „unglaublich vielen Vorschriften, die man ändern und abschaffen kann“. Ist es vernünftig, bei Gebäudeaufstockungen neue Garagen oder Fahrstühle zu fordern? „Ich sage Nein.“ Mit vielen dieser bürokratischen Regelungen in Bund und Ländern müsse man „Schluss machen“, damit mehr gebaut, einfacher gebaut und auch billiger gebaut werden kann.
Das Besondere an Dietenbach sei, dass im Bürgerentscheid eine Mehrheit für den neuen Stadtteil votiert hat: „Das zeigt, dass unsere Demokratie nicht nur von denjenigen getragen wird, die immer auf ihre eigenen Interessen schauen, sondern von einem Gemeinschaftsverständnis, von einem Verständnis für künftige Generationen.“
Darum sei der 27. Februar ein guter Tag für Deutschland: „Nicht meckern, sondern machen.“
Auch wenn es in Freiburg nach wie vor juristische Auseinandersetzungen um einen Teil des Langmattenwäldchens, um die optimale Trasse für das Verlegen
einer Erdgashochdruckleitung gibt: Der erste Bauabschnitt – er hört auf den Namen Am Frohnholz – mit rund 1600 Wohnungen wird Fakten schaffen. „Dass heute sogar der Bundeskanzler dabei war, zeigt, dass wir bundesweit eine Vorreiterrolle einnehmen. Es ist kein Stadtteil wie jeder andere und strahlt über Freiburg hinaus. Wir wollen soziale und ökologische Themen unter einen Hut bringen und zeigen, wie die Stadt der Zukunft aussehen kann“, so Baubürgermeister Martin Haag.
Zeigen, wie die Stadt der Zukunft aussehen kann
Nicht vor die zahllosen Mikrofone und TV-Kameras trat einer, der die meiste Arbeit mit dem neuen Stadtteil hat: Projektleiter Rüdiger Engel. Als er den Job Anfang 2018 antrat, hätte er sich nicht vorstellen können, dass er mal dem Bundeskanzler zum Spatenstich die Hand schüttelt.
Ganz am Anfang hatte Engel unserer Redaktion mal gesagt, dass er vielleicht
2024 die ersten Bewohner per Handschlag begrüßen könnte. Daraus wird nichts. „Dietenbach sieht den dort wohnenden Menschen als Maßstab und nimmt Rücksicht auf seine Umwelt. Unser Dietenbach ist sozial, ökologisch, lebenswert“, sagt Engel, der Ende des Jahres in den Ruhestand gehen wird. Wie Engel ist auch sein Nachfolger Mario Pfau, der am 1. April zur Projektgruppe stoßen wird, geübt im juristischen Tauziehen. Das muss er auch sein, denn die aktuellen Verfahren werden nicht die letzten sein.
Der badenwürttembergische Verwaltungsgerichtshof in Mannheim (VGH) hatte am 6. Februar die Klage des Freiburger Umweltverbands Plan B gegen den Gewässerausbau des namensgebenden Dietenbachs zurückgewiesen und weitere Rechtsmittel nicht zugelassen. Kurz nach dem Spatenstich hatte der VGH dann die aufschiebende Wirkung einer Klage des NABU bestätigt, wonach ein Teilstück des Langmattenwäldchens noch nicht gerodet werden darf.
Der NABU hatte eine alternative Trasse für die Erdgasleitung unter dem geplanten Sportplatz gefordert, weil dafür keine Bäume gefällt werden müssten. Das Rathaus will die Leitung neben
Beim Synchronspateln noch nicht olympisch (v. l.): Martin Haag, Martin Horn, Olaf Scholz, Nicole Razavi und
der Tramtrasse unter den Rad- und Fußwegen verbuddeln. Ausgang offen.
Der Verein Ecotrinova stellt dagegen die gesamte Tramtrasse durchs Wäldchen in Frage, da das faktisch Vogelschutzgebiet sei. Auch das RegioBündnis pro Landwirtschaft, Natur & ökosoziales Wohnen trommelt weiter gegen den neuen Stadtteil und hatte Scholz schriftlich sogar gebeten, den Spatenstich abzusagen.
Dietenbach habe mit „null Wohnungen bis 2028“ die wichtigste Vorgabe der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme verfehlt, damit sei das Vorhaben nach dem Baugesetzbuch „rechtlich hinfällig“. Das Bündnis bat den Kanzler, die Stadtverwaltung und die Ratsmehrheit „von den Dietenbach-Illusionen zu befreien“. Scholz kam und zeigte klare Kante: „Nicht meckern, sondern machen.“
im Gemeinderat: Sie alle ordnen die Attribute sozial – mit 3500 öffentlich geförderten Wohnungen, in denen die Miete ein Drittel unter dem Mietspiegel liegt –, ökologisch vorbildlich, klimaneutral, architektonisch hochwertig, inklusiv und bezahlbar wie Brüder und Schwestern in eine Familie ein. Bezahlbar aber steht auf der anderen Seite der Anforderungen, bezahlbar wird Dietenbach nur, wenn die anderen Familienmitglieder kräftige Zugeständnisse machen.
Am Wäldchen wird sich Wohl und Wehe nicht entscheiden
Das Aktionsbündnis „Hände weg vom Dietenbach“ hatte am Tag des Spatenstichs eine Demonstration veranstaltet. Und mit einer roten Linie am Langmattenwäldchen darauf hingewiesen, dass der Wald nicht gerodet werden darf. Eine entsprechende Petition hatten bis zum Redaktionsschluss 4685 Menschen unterzeichnet. 3252 aus Freiburg. Am Wäldchen indes wird sich Wohl und Wehe des neuen Stadtteils in Freiburg nicht entscheiden. Sondern am Wirtschaftlichen. Egal ob Horn, Haag, Engel oder die Mehrheit
Zumal die Grundstücke alles andere als günstig sind. Die Nachfrage nach diesen Grundstücken am Frohnholz wird im kommenden Jahr weisen, an wie vielen Stellschrauben noch zu drehen ist.
Dass es im Gemeinderat immer noch Stimmen gibt, die den kompletten Stadtteil nur im Erbbaurecht vergeben wollen, ist dabei als Ausgangslage gelinde formuliert bedenklich. Geliehene Grundstücke können Häuslebauer nicht beleihen. Dabei geht es gar zuvorderst nicht um die Frage, um wie viel die Finanzierung schwerer wird, sondern um die, ob sie überhaupt klappen kann.
Der Erbbauwunsch ist politisch verständlich, aber auf dem Bauplatz ein zusätzliches Hindernis auf dem Weg zum bezahlbaren Wohnen. Beim Neubaugebiet Kleineschholz hat das Rathaus den Wunsch bereits an die Wirklichkeit angepasst. Und Kleineschholz wird oft als Blaupause für Dietenbach gesehen.
Lars BargmannKonkurrenten und Kollegen: Uwe Barth (l.) und Daniel Zeiler (r.) sprachen im Stellwerk der Lokhalle mit Lars Bargmann über ihre Bilanzen.
Wohlstandsverluste am Horizont
Die Bankbosse Uwe Barth und Daniel Zeiler im Interview
Mehr als 23 Milliarden Euro. So viel Geld betreuen die Volksbank und die Sparkasse in Freiburg für ihre Kundschaft. Die Zinswende lässt die eigenen Erträge in den Bilanzen (siehe Seiten 14 u. 15) wieder steigen. Im Gespräch mit Chefredakteur Lars Bargmann reden die Vorstandsvorsitzenden Uwe Barth (Volksbank) und Daniel Zeiler (Sparkasse) über Schuldenbremse und Inflation, Bauwirtschaft und Remigration. Beide bekräftigen, dass das Kürzel AfD auch für „Armut für Deutschland“ stehen könnte.
bib: Viele Experten, nicht zuletzt der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, for-
dern eine reformierte Schuldenbremse. Finanzminister Christian Lindner verteidigt sie unbeirrt. Wie schätzen Sie das ein? Barth: Der Bundeshaushalt 2024 hat ein Volumen von knapp 480 Milliarden Euro. Die viertgrößte Ausgabenposition sind mit knapp 40 Milliarden die Bundesschulden. Und da die Zinsen zuletzt niedrig waren, wird sich der Posten sehr schnell noch erhöhen. Dann haben wir noch die impliziten Schulden, die nirgends stehen, beispielsweise die Renten und andere Verpflichtungen. Das sind alles Belastungen, und je größer die sind, umso weniger wettbewerbsfähig und handlungsfähig wird ein Staat für Investitionen. Die Schuldenbremse hat ihre Berechtigung und es ist gut, dass die im Grundgesetz verankert ist. Es ist aber auch sinn-
voll, über eine Reform nachzudenken, etwa um zukunftsgerichtete Investitionen für künftige Generationen nicht zu stark zu blockieren.
bib: Herr Zeiler, teilen Sie die Einschätzung?
Zeiler: Absolut. Auch Sie würden ja nicht hergehen, Schulden machen und sagen, meine Kinder bezahlen das irgendwann. Letztlich muss man sich Schulden leisten können. Wenn ich über eine Schuldenbremse diskutiere, muss ich auch über das Ausgabeverhalten diskutieren. Also wo kann ich was einsparen, wofür möchte ich Geld ausgeben? Wenn ich eine neue Brücke baue, dann wird die 50 Jahre halten, da haben auch die Kinder etwas davon. Aber etwa für Transferleistungen Schulden aufzunehmen, ist nicht generationengerecht.
bib: Die deutsche Schuldenquote liegt ungefähr bei 65 Prozent. Griechenland (165), Italien (140), Frankreich (111), Spanien (110), Belgien (108), Portugal (107) liegen alle über 100. Wie sinnvoll sind so „niedrige“ Schulden im internationalen Wettbewerb?
Barth: Das hat man an der Pandemie gesehen. Der deutsche Staat konnte sehr viel ausgeben, weil er sich das leisten konnte.
Zeiler: Die Wettbewerbsfähigkeit würde ich nicht nur an der Quote festmachen. Man kann nicht sagen, ob 50, 80 oder 130 Prozent gut sind. Nehmen wir doch Griechenland. Die Schuldenquote ist hoch, aber das Land hat sich in Europa beim Wirtschaftswachstum fast zu einem Musterschüler entwickelt.
bib: Die Inflation ist im Januar auf 2,9 Prozent zurückgegangen. Der niedrigste Wert seit Juni 2021. In der Spitze lag sie bei 8,8 Prozent. Ist es Zeit, den Leitzins wieder etwas zurückzudrehen?
Barth: Wir hatten letztes Jahr eine milde Rezession und für 2024 sind die Wachstumsraten noch mal nach unten korrigiert worden. Auf der anderen Seite haben wir immer noch eine Geldentwertung über dem Stabilitätsziel von 2,0 Prozent. Die Geldwertstabilität ist sehr hoch zu gewichten. Jetzt schon eine Zinsreduktion zu fordern, ist zu früh. Ich sehe eher eine Seitwärtsbewegung, auch mit Blick auf die Tarifabschlüsse und die Preissteigerungsraten.
Zeiler: Die Kerninflation (ohne Lebensmittel und Energie, d. Red.) liegt deutlich über 2,9 Prozent. Ich wäre jetzt auch vorsichtig mit Signalen zur Leitzinssenkung. Wenn die Inflation dann wieder nach oben ginge, weil man zu früh gesenkt hat, dann verspielt
die Zentralbank auch ein bisschen ihren Ruf als diejenige, die die Inflation bekämpfen kann. Ich glaube nicht, dass vor dem Herbst viel passiert.
bib: Die Tarifabschlüsse lagen zuletzt oft über zehn Prozent. Früher galt die Formel, dass moderate Lohnsteigerungen ein Garant für den Wohlstand sind. Droht eine weitere Lohn-Preis-Spirale?
Barth: Diese Tarifabschlüsse und Lohnsteigerungen sind schon wichtig in Anbetracht der Inflation. Die Frage nach dem berühmten Augenmaß ist schwer zu beantworten. Was ist zu viel? Was ist zu wenig?
bib: Ist zweistellig zu viel?
Barth: Ich würde sagen, das ist zu viel. Wenn ein Mittelständler plötzlich zweistellige Lohnsteigerungen hat, ist das schon heftig. Das gilt übrigens auch für den Staat.
Zeiler: Das Thema wird mittel- bis langfristig extrem spannend, weil wir den demografischen Wandel haben. Es gibt immer weniger Arbeitskräfte, das verbessert natürlich die Verhandlungsoptionen auf Arbeitnehmerseite. Noch sehe ich aber keine extreme LohnPreis-Spirale.
bib: Die Vorsitzende der Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer, hatte beim Freiburger IHK-Neujahrsempfang gesagt, dass das Arbeitsvolumen hierzulande in den nächsten Jahren negativ zum Wirtschaftswachstum beiträgt. Deutschland brauche jährlich 1,5 Millionen Menschen, die zuwandern, nur um den Status quo zu erhalten. Andere reden über Remigration …
Barth: Die Leute, die über Remigration sprechen, haben wirtschaftliche Zusammenhänge nicht verstanden. Und viele andere Themen auch nicht. Wir brauchen dringend Fachkräfte. Das ist das wichtigste Zukunftsthema, wenn wir über Wirtschaftswachstum, über unseren Wohlstand sprechen. Was wir brauchen, ist eine intelligente Arbeitsmigration, die es schafft, die Menschen in qualifizierte Arbeit zu führen. Zeiler: Wir werden den demografischen Wandel nicht ohne Zuwanderung auffangen. Das liegt auf der Hand.
bib: Wäre die Abkürzung AfD in diesem Sinne mit „Armut für Deutschland“ auszubuchstabieren?
Barth: Ja.
Zeiler: Ja, das ist so. In das Thema Arbeitsvolumen spielen aber auch andere Tendenzen wie eine Viertagewo -
Zeiler: Sie spiegeln eine resiliente Unternehmenslandschaft in einer ausgewogenen, differenzierten Wirtschaftsstruktur. Wir haben hier keinen einseitigen Schwerpunkt oder Cluster. Aber wir haben vielleicht sogar noch größere Zukunftschancen als andere
che mit rein. Wer solche Diskussionen führt, muss auch sagen, was wir uns in Zukunft alles nicht mehr erlauben können. Haben die Geschäfte noch sechs Tage auf? Unsere Filialen? Die Schwimmbäder?
bib: Firmen nutzen die Viertagewoche als Recruiting-Instrument …
Zeiler: Aber das bringt uns ja gesamtwirtschaftlich nicht weiter. Weniger Arbeit führt zu Wohlstandsverlusten.
Barth: Und die Straßenbahn fährt dann auch nicht mehr jeden Tag und das Krankenhaus hat am Sonntag zu. Wenn die Menschen weniger arbeiten, brauche ich mehr Menschen für die gleiche Arbeit. Ohne Zuwanderung geht’s nicht.
bib: Ihre Bilanzen sind ein Spiegel der Wirtschaft in Südbaden. Was spiegeln sie für 2023? Höhere Wertberichtigungen?
Regionen, weil wir ein sehr gutes Forschungsumfeld haben, eine erfolgreiche Uni, eine gute Uniklinik, renommierte Fraunhofer-Institute. Wir sehen insgesamt einen leicht steigenden Wertberichtigungsbedarf, teilweise getrieben von Einzelfällen, sind aber immer noch auf sehr niedrigem Niveau. Barth: Ich begleite seit 31 Jahren mittelständische Unternehmen. Es wurde nicht nur einmal von Krise gesprochen, und ich habe in all diesen Jahren noch nie eine Krise oder ein Unternehmenssterben auf breiter Front erlebt. Freiburg ist ein Dienstleistungsstandort, der nicht von einzelnen Branchen abhängig ist. Deswegen geht es in Boomzeiten nicht stark nach oben, aber in Krisenzeiten sind wir stabiler. Wir hatten letztes Jahr relativ geringe Wertberichtigungen in unserem Kreditgeschäft. Obwohl wir am Anfang der
Pandemie fest damit gerechnet haben, dass wir deutlich höhere Wertberichtigungen haben würden.
bib: In den Konjunkturumfragen der Verbände, ob nun HWK, IHK oder WVIB, trägt der Himmel seit zwei Jahren immer viele dunkle Wolken … Zeiler: Das widerspricht sich nicht. Viele Firmen befinden sich in einem sehr herausfordernden Umfeld. Haben Probleme mit Fachkräften, spüren Auftragsrückgänge, die schwächelnde Wirtschaft. Aber da geht es nicht ums Existenzielle. Die meisten Firmen kommen aus sehr guten Jahren, haben ihr Eigenkapital aufgestockt.
bib: Das trifft auch auf die meisten Bauträger zu. Aber die sehen tatsächlich dunkle Wolken. Und die Häuslebauer auch. Hohe Zinsen, hohe Baukosten und geringere Haushaltseinkommen sind eine toxische Mischung … Barth: Ob die aktuellen Zinsen da eine Hauptrolle spielen, darüber könnten wir einen Tag lang diskutieren. Der niedrige Zins hat in den letzten Jahren viel kaschiert. Viele konnten sich deswegen Eigentum leisten. Jetzt ist es schwieriger und der Käuferkreis ist derzeit deutlich kleiner. Aber wir haben seit Jahresbeginn schon wieder eine höhere Nachfrage im Baufinanzierungsbereich. Zeiler: Das Zinsniveau mit drei oder vier Prozent ist im langfristigen Vergleich nicht hoch. Wir haben viele Kunden, die haben mit acht oder neun Prozent finanziert. Es ist einfach das Bauen selber, das in Deutschland viel zu teuer geworden ist. Man muss diskutieren, ob man immer alle Vorschriften anwenden muss. Barth: Und wir brauchen eine stabile und verlässliche Förderlandschaft. Die Unsicherheit ist groß, das muss die Politik in den Griff kriegen.
Zeiler: Absolut, und wir brauchen dringend mehr Angebot. Solange die Nachfrage das Angebot deutlich übersteigt, werden die Preise hoch bleiben.
Barth: Und deswegen braucht man auch nicht von einer Immobilienkrise zu sprechen.
bib: Herr Barth, Herr Zeiler, vielen Dank für dieses Gespräch.
Gute Erträge, wenig Risiken
Die Freiburger Volksbank stärkt massiv ihr Eigenkapital
Es ist seine letzte Bilanz, die Uwe Barth, der Vorstandsvorsitzende der Freiburger Volksbank, unlängst vor Journalisten präsentierte. Der 60Jährige geht Ende 2024 in Ruhestand. Das vergangene Jahr indes war von viel Unruhe geprägt. Unterm Strich stand ein operativer Gewinn von 37,6 Millionen Euro. Und eine Rekordzuführung in die Reserven. 11,6 Millionen zahlt die Volksbank an Steuern. Mit fünf Millionen Euro profitieren die Kommunen im Geschäftsgebiet über die Gewerbesteuer.
„Geld hat wieder einen Preis, das Geschäftsmodell unserer Volksbank ist stabil“, sagte Barth. Die Erlöse der Genossen speisen sich aus zwei Quellen: dem Zinsergebnis, das um 6 auf 66,6 Millionen Euro zulegte, und dem Provisionsergeb-
Bilanz: Volksbank Freiburg
2023 Veränderung
Bilanzsumme 3,96 Mrd. + 120 Mio.
Betr. Kundenvolumen 8,30 Mrd. + 350 Mio.
– in Krediten 2,98 Mrd. + 120 Mio.
– in Einlagen/Wertpapieren 4,375 Mrd. + 150 Mio.
Ertrag 94,4 Mio. + 6,0 Mio.
– aus Zinsen 66,6 Mio. + 6,0 Mio.
** So viel Cent gibt die Bank für 1 Euro Ertrag aus
– aus Provisionen 27,8 Mio. unverändert
Personal- & Sachkosten 56,8 Mio. + 4,8 Mio.
Operatives Ergebnis 37,6 Mio. + 1,2 Mio.
Ergebnis vor Steuern* 31,2 Mio. + 14,9 Mio.
Steuern 11,6 Mio. + 5,8 Mio.
Überschuss 3,5 Mio. + 0,4 Mio.
CIR** 59 - 0,05 %-Punkte
Eigenkapital 401,1 Mio. + 16,1 Mio.
Geschäftsstellen 26, davon 9 SB unverändert
Mitarbeitende 405 + 4
nis, das unverändert bei 27,8 Millionen Euro lag. Auf der anderen Seite stiegen Personal- und Sachkosten um 4,8 auf 56,8 Millionen Euro.
Vom operativen Ergebnis steckten das Vorstandstrio um Barth, Volker Spietenborg und Stephan Heinisch 16,1 Millionen ins Eigenkapital, das nun erstmals mehr als 400 Millionen Euro beträgt (siehe Bilanzbox). Mit einer Quote von 17,5 Prozent, gefordert sind 12, sei die Bank „überdurchschnittlich kapitalisiert“ und habe ausreichend Mittel, um die Kundschaft mit Krediten zu versorgen. Das Volumen dieser Kredite gab 2023 Jahr deutlich nach: Statt 770 waren es noch 490 Millionen Euro. Weil das Bauträgergeschäft und die Baufinanzierungen starke Rückgänge verzeichnen. „Das ist schon eine Besonderheit der Bilanz“, hob Barth hervor. Der Markt für neue Immobilien sei derzeit „mausetot“, sagte Heinisch. Bemerkenswert: Die gewerblichen Kredite ohne die Bauwirtschaft legten um sieben Prozent zu.
Bei den Provisionen gab es ebenfalls weniger durch die Immobilienvermittler, das Delta glichen aber Bausparverträge wieder aus, die „sehr stark“ zulegten, wie Spietenborg berichtete. Insgesamt hat die Volksbank 2,98 Milliarden Euro an Krediten und 2,99 Milliarden an Kundeneinlagen – eine Bilanz in Balance. Das betreute Kundenvolumen ist um 4,4 Prozent auf 8,3 Milliarden Euro angestiegen, die Bilanzsumme um 120 Millionen auf 3,96 Milliarden.
Die Bewertungseffekte (vor allem Wertberichtigungen für Kredite) fielen für 2023 deutlich geringer aus als 2022. „Unsere Risikolage ist überschaubar und stabil“, betonte Barth. Das insgesamt anziehende Insolvenzgeschehen in Deutschland und die veränderte Marktlage im Immobilienbereich zeige sich aber noch nicht in den Büchern.
Fürs laufende Jahr rechnet der Vorstand mit einem etwas schwächeren Ergebnis. Das werden dann Heinisch und Spietenborg präsentieren. Nach Barths Ausscheiden werden die beiden 57-Jährigen die Volksbank als Doppelspitze weiterführen. Barth, gebürtiger Freiburger, kam vor 31 Jahren zur Volksbank. Seit 2007 ist er im Vorstand, seit 2009 dessen Sprecher. Zwei Dinge seien in dieser Zeit besonders prägend gewesen: die weltweite Finanzkrise und die lange Niedrigzinsphase. Die erste habe die Bankenlandschaft grundlegend verändert, die zweite habe den Kern des Geschäftsmodells einer Volksbank angegriffen. „Dass eine Volksbank mal Strafzinsen verlangen musste“, schüttelt Barth den Kopf, „das hätte ich mir nicht vorstellen können.“ Lars Bargmann
Wenn die Zinswende zwei Mal klingelt
Sparkasse steigert Ertrag und erlebt Einbruch bei neuen Krediten
Die Sparkasse FreiburgNördlicher Breisgau hat ihr operatives Ergebnis im vergangenen Jahr um 46 auf 123 Millionen Euro gesteigert. Weil der Zinsüberschuss wegen der historischen Leitzinserhöhung um 52 Millionen auf 170 Millionen Euro zulegte.
Die Bilanzsumme stieg um 110 Millionen auf 8,3 Milliarden Euro, das betreute Kundenvolumen kletterte – dank eines starken Wertpapiergeschäfts – erstmals auf mehr als 15 Milliarden Euro (siehe Bilanzbox). Das Volumen neuer Kredite sackte indes um fast eine halbe Milliarde auf 975 Millionen Euro ab.
Die Zinswende hat damit zwei Mal in der Bilanz geklingelt. Aber auch die höhere Inflation, konjunkturelle Sorgen und die Herausforderungen in der Bau- und Immobilienwirtschaft bremsten die Nachfrage. Hatte die Sparkasse 2022 noch für 492 Millionen Euro Kredite für Kauf, Bau oder Modernisierung von Wohnungen bewilligt, waren es im vergangenen Jahr nur noch 282 Millionen.
Gegen den Trend entwickelten sich indes die vermittelten Förderkredite: 210 Millionen Euro bedeuten hier einen Zuwachs um 18 Prozent oder 32 Millionen Euro und zugleich das beste Ergebnis überhaupt – außerhalb der Corona-Jahre 2020 und 2021. Mehr als zwei Drittel der Förderkredite flossen an gewerbliche Kunden und stärkten damit die regionale Wirtschaft, die sich trotz geo- und innenpolitischer Unsicherheiten robust zeigt. „Es gibt derzeit keine Anzeichen für eine auffällige Insolvenzwelle“, sagte der Vorstandsvorsitzende Daniel Zeiler. Auch nicht bei den Bauträgern, so Vizevorstand Bernd Rigl.
Sehr wohl auffällig war dagegen das Wertpapiergeschäft: Der Gesamtbestand stieg um 17,4 Prozent oder 446 Millionen Euro und überschritt damit erstmals die Drei-Milliarden-Grenze. Erwartbar hingegen war der steigende Zinsertrag, wenngleich das Plus von 52 auf 170 Millionen Euro überraschend hoch ist. „Die Zinsen sind zurück und damit auch unser bewährtes Geschäftsmodell. Wir sammeln Geld in der Region ein und geben es als Kredite wieder raus“, so Zeiler.
Die zweite Erlösquelle, das Provisionsergebnis, blieb mit 56 Millionen Euro auf Vorjahresniveau. Zwar sind auch Personalkosten (um 5 auf 65 Mio.) und Sachaufwendungen (um 2 auf 39 Mio.) gestiegen, dem kräftigen Plus im operativen Ergebnis fügten sie aber nur kleine Kratzer zu. Durchaus bemerkenswert ist die Cost-Income-Ratio: Die
Bank gab nur noch 45 Cent aus, um einen Euro zu verdienen (Vorjahr: 54,9 Cent).
27 Millionen verdiente Euros wird das Kreditinstitut an Steuern bezahlen (2022: 10 Mio.). 13 Millionen davon allein als Gewerbesteuer, die den Kommunen im Geschäftsbereich zugutekommen. „Wir wirtschaften zum Wohle der Region“, betonte Zeiler. Die Sparkasse stärkt aus dem Ergebnis ihr Eigenkapital, in dem nun 772 Millionen Euro zu finden sind. „Wir können Reserven bilden und damit unseren Auftrag erfüllen, den Mittelstand mit Krediten zu versorgen“, so Zeiler. Einen Erfolg verbuchte die Sparkasse auch beim eigenen Nachwuchs: In sehr schwierigen Zeiten konnte die Zahl der Azubis um 14 auf 86 gesteigert werden. Keine Randnotiz. Lars Bargmann
Bilanz: Sparkasse Freiburg
2023 Veränderung
Bilanzsumme 8,236 Mrd. + 110 Mio.
Betr. Kundenvolumen 15,08 Mrd. + 366 Mio.
– in Krediten 5,931 Mrd. - 79 Mio.
– in Einlagen/ Wertpapieren 9,147 Mrd. + 446 Mio.
Ertrag 226 Mio. + 52 Mio.
– aus Zinsen 170 Mio. + 52 Mio.
– aus Provisionen 56 Mio. unverändert
Personal- & Sachkosten 104 Mio. + 7 Mio.
Operatives Ergebnis 123 Mio. + 46 Mio.
Ergebnis vor Steuern* 35 Mio. + 20 Mio.
Steuern 27 Mio. + 17 Mio.
Überschuss 8 Mio. + 3 Mio.
CIR** 45,0 - 9,9 %-Punkte
Eigenkapital/Risikorücklage 772 Mio. + 51 Mio.
Geschäftsstellen 28 unverändert
Mitarbeiter 964 + 8
Über Freiburg lacht die Sonne: Die Tourismusförderer wünschen sich aber auch in der kalten Jahreszeit mehr Gäste.
Europa übertrumpft Arabien und Russland
Freiburg meldet neuen Übernachtungsrekord
Freiburg zieht: 2,12 Millionen Übernachtungen zählte die Freiburg Wirtschaft Touristik und Messe GmbH (FWTM) im vergangenen Jahr. So viele wie noch nie. 1,5 Millionen waren es in Hotels mit mindestens zehn Betten. Der Rest verteilt sich auf Gasthöfe, Pensionen, Campingplätze und Jugendherbergen.
7886 Betten gibt es in den 62 Freiburger Hotels. Die Auslastung lag bei 52,6 Prozent. Fünf Prozentpunkte unter dem Wert aus 2019. Damals gab es aber auch 1470 Betten weniger.
Franziska Pankow, FWTMAbteilungsleiterin Tourismus, zeigte bei der Bekanntgabe des Rekords auf, dass Freiburg in den Sommermonaten wieder eine sehr stark frequentierte Destination war, aber im ersten Quartal und auch im November müssen die Hotels weiter um jeden Gast kämpfen: „Wir haben eine sehr hohe Saisonalität, daran müssen wir weiter arbeiten.“ Zentraler Baustein dabei ist das – durchaus ehrgeizige – Tourismuskonzept. Im April soll die nächste Evolutionsstufe präsentiert werden.
Spitzenreiter bei den ausländischen Übernachtungsgästen sind erneut die Schweizer (145.000), erstmals auf Platz zwei landeten die Franzosen (52.000). Für den stärksten Anstieg sind die Niederlande (plus 20,9 Prozent) verantwortlich. Stark eingebrochen indes ist der – zahlungskräftige – Medizintourismus aus den Arabischen Golfstaaten und Russland. Die europäischen Gäste gleichen das aber mehr als nur aus.
„Wir freuen uns über die Rekordzahlen und das Engagement der FWTM, Sorgen bereiten uns aber die extremen Foto:
Kostensteigerungen, die erhöhte Mehrwertsteuer, und die Betriebe können auch die Übernachtungssteuer nicht eins zu eins auf die Preise draufschlagen“, so Wiltrud Rösler, die Vizevorsitzende im Branchenverband Dehoga Freiburg-Stadt.
Wanted:
Konus-Karte
Das Freiburger Rathaus nahm im vergangenen Jahr rund 4,6 Millionen Euro mit der Bettensteuer ein. Eine Million bekommt die FWTM, um den Tourismus weiter anzukurbeln. Was Freiburg fehlt: Eine Konus-Karte, die den Gästen eine kostenlose ÖPNVNutzung erlauben würde. Was das kosten würde, soll bis zum November erhoben werden, wie FWTM-Geschäftsführerin Hanna Böhme erzählte. Dann ist der Gemeinderat dran. Wer Chancengleichheit mit dem Umland schaffen möchte, wo es für die Gäste nicht nur kostenlosen Nahverkehr, sondern mit der Gäste-Karte auch viele Vergünstigungen gibt, muss die Hand für die Konus-Karte heben.
Andrea Duarte, stellvertretende Direktorin im Gesundheitsresort Freiburg mit dem Dorint Thermenhotel, wies besonders auf den Fachkräfte- und Wohnungsmangel hin. Sie zweckentfremdet schon Hotelzimmer für Mitarbeitende, „obwohl wir den Umsatz aus den Zimmern dringend bräuchten“. Und kritisierte die bürokratischen Hürden auf dem Weg zu Arbeitserlaubnissen für ausländische Beschäftigte.
Kooperation mit Messe Basel?
Die Freiburger Hotellerie spürt auch den Wegfall internationaler Messen wie der Interbrush oder der Basel World. Derzeit sprechen die Messeverantwortlichen in Freiburg und in Basel darüber, ob und wie sie ihre Kapazitäten bündeln können, um hochkarätige Tagungen und Kongresse zu akquirieren, die sie alleine nicht stemmen können.
2,12 Millionen Freiburger Übernachtungen bedeuten ein Plus von 4,1 Prozent zum Vorjahr (landesweit waren es plus 10,1 Prozent) und 16,5 Prozent im Vergleich zu 2019. Lars Bargmann
Die Freiburg Wirtschaft Touristik und Messe GmbH (FWTM) wird die Stelle des im Februar 2023 zu einem Aufhebungsvertrag gedrängten Geschäftsführers Daniel Strowitzki neu besetzen. „Der Aufsichtsrat hat dem Stellenbesetzungsverfahren für die 2. Geschäftsführung zugestimmt“, bestätigte Rathaus-Sprecherin Martina Schickle die Informationen der Redaktion.
Seit Strowitzkis Weggang, seit diesem Januar Geschäftsführer der Stadthalle Erding GmbH, ist FWTM-Geschäftsführerin Hanna Böhme allein für die FWTM mit rund 60 Millionen Euro Umsatz zuständig. Bei der Stadttochter sollte der Aufsichtsrat bereits im vergangenen Juli die Stellenausschreibung absegnen. Dann hatte sich Oberbürgermeister Martin Horn dafür starkgemacht, erst einmal zu eruieren, ob es einen zweiten Geschäftsführer überhaupt braucht.
Ausländische Übernachtungsgäste in Freiburg: Herkunftsländer Januar bis Dezember 2023
„Bei der FWTM läuft seit einiger Zeit ein Restrukturierungsprozess. Dabei ist unter anderem vorgesehen, dass Abteilungsleitende mit mehr Verantwortung noch enger mit der Geschäftsführung zusammenarbeiten“, hatte das Freiburger Rathaus auf Anfrage mitgeteilt. Der Prozess sei eine „gute inhaltliche Basis für eine mögliche Aufteilung der Geschäftsbereiche“.
In der Praxis aber gibt es bei der FWTM seit einiger Zeit eine hohe Personalfluktuation. Auch Führungskräfte wie Messe-Abteilungsleiterin Victoria Vehse wanderten ab. Nun also – spät – die Entscheidung über eine zweite Geschäftsführung. Über die wichtige personelle Entscheidung muss dann nach der Kommunalwahl ein neu zusammengesetzter Aufsichtsrat entscheiden. Worüber nicht alle im Gremium begeistert sind.
So könnte es aussehen, das geplante neue Terminal am EuroAirport.
Weiter Auftrieb am EuroAirport
8,1 Millionen Passagiere, 80 Millionen Euro für neues Terminal
Nach dem Schock der weltweiten Pandemie und dramatischen Einbrüchen hat sich die Erholung im Passagierverkehr am EuroAirport BaselMulhouseFreiburg (EAP) im vergangenen Jahr fortgesetzt.
8,1 Millionen Fluggäste nutzten die Plattform. Das sind zwar noch 11 Prozent weniger als 2019, aber 15 Prozent mehr als im Vorjahr. Flughafendirektor Matthias Suhr blickt optimistisch in die Zukunft. Fürs laufende Jahr rechnet er mit 8,4 Millionen Passagieren.
Während die Passagierzahlen um 15 Prozent nach oben kletterten, legte die Zahl der Flugbewegungen um 5 Prozent auf 88.323 zu. Dabei haben Reisen aus familiären Gründen (vor allem Arbeitskräfte, die aus der Region zu ihren Familien nach Osteuropa fliegen) stark zugenommen, Geschäftsreisen sind indes zurückgegangen. Die Zahl der Ferienflieger ist aktuell stabil.
29 Fluggesellschaften – Easyjet behauptete seine führende Rolle mit einem Anteil
von 55 Prozent – bieten insgesamt 100 Destinationen an, in erster Linie nach Europa und in den Mittelmeerraum. Spitzenreiter war erneut Pristina, gefolgt von Istanbul und London. Neu im Angebot sind ab Sommer erstmals Oslo und Kopenhagen, ab August zudem Dubai. Rückläufig war die Fracht – um 6,6 Prozent auf 106.800 Tonnen. Die industriellen Firmen (Jet Aviation, AMAC Aerospace, Air Service Basel, Nomad Technics AG und Pilatus), die etwa ein Drittel der insgesamt 6400 Arbeitsplätze auf der Plattform verantworten, hätten sich robust gezeigt. Der EAP ist einer der größten Arbeitgeber in der Region. Bei der Flughafenbetreibergesellschaft selbst arbeiteten Ende vergangenen Jahres 394 Menschen.
Direktion und Verwaltungsrat arbeiten derweil weiter an einem kleineren CO2Fußabdruck (aktuell: 161.000 Tonnen jährlich, Ziel sind Netto-Null-Emissionen bis 2030), der Verbesserung der Servicequalität für die Fluggäste und der Reduktion des Nachtlärms.
Zwar werden schon seit Februar 2022 keine Starts nach 23 Uhr mehr geplant. Deren Zahl ist seither im Vergleich zu den Vorjahren (2017 bis 2019) aber nur um 48 Prozent gesunken. Grund: Viele Flüge werden knapp vor 23 Uhr angesetzt, können aber dann oft erst zwischen 23 und 23.15 Uhr abheben. Für von den Airlines verschuldete Starts in diesem Zeitraum hat die französische Aufsichtsbehörde ACNUSA Ordnungsgelder von mehr als 1,4 Millionen Euro ausgesprochen.
Seit Jahresbeginn ist es noch teurer geworden: Die Lärmgebühren sind bis auf das Sechsfache gestiegen. Damit sei der EAP in der Nacht der teuerste Flughafen in Frankreich und der Schweiz, sagte Verwaltungsratsvizepräsident Raymond Cron. Der Umsatz des Flughafens lag 2023 voraussichtlich bei etwa 160 Millionen Euro. Rund 80 Millionen will der Flughafen im östlichen Bereich bis 2030 in ein neues, 14.000 Quadratmeter oder zwei Fußballfelder großes Terminal investieren.
Lars BargmannPay by Pagopace
Warum die Volksbank Freiburg einen Bezahlring anbietet
Handy, Smartphone oder Karte: Rund 70 Prozent der Menschen in Deutschland zahlen inzwischen bargeldlos. Damit das noch schneller gehen kann, hat das Kölner Startup Pagopace einen Bezahlring entwickelt. Auch die Volksbank Freiburg nutzt diese Technologie.
Die Hände sind voll, Handy oder Bankkarte in den Untiefen des Rucksacks vergraben. Gar nicht so einfach, an das Zahlungsmittel zu kommen. Das hat sich auch das Kölner Start-up Pagopace gedacht und sich auf Technologien spezialisiert, die man am Kopf oder Körper trägt. Heraus kam ein Ring, der kontaktloses Bezahlen ohne zusätzlichen Stress ermöglicht.
© Volksbank Freiburg
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Ohne großen Aufwand: Der Bezahlring kann bequem ohne Karte eingesetzt werden.
„Um Mobile Payment kommt man eigentlich auch nicht mehr herum, egal ob mit dem Handy, der Karte, einer Smartwatch oder dem Bezahlring“, sagt Vertriebsmanagerin Maren Jaenicke. Im vergangenen Januar bewarb sich die Freiburger Filiale als Pilotbank für das Projekt – und bekam den Zuschlag. Seitdem können Kunden der Volksbank den Pagopace im hauseigenen Onlineshop ab 119 Euro erwerben und auf die Bezahlmethode zurückgreifen.
Genutzt wird der wasserdichte Ring, der sowohl in verschiedenen Keramikfarben, Holz und seit kurzer Zeit auch in Silber erhältlich ist, wie eine Kreditkarte. „Der Ring hat einen Chip im Inneren und funktioniert über die Nahfeldkommunikation“, erklärt Lukas Baral, Vertriebsmanager der Volksbank. Jaenicke ballt zum Beweis beim kurzen Kaffeeplausch im angrenzenden Fili Café einfach ihre Hand zur Faust und löst mit der Schnittkante des Rings den Bezahlmechanismus aus. Einzige Bedingung: keine weiteren Ringe am selben Finger. Auch die Sicherheitsvorkehrungen sind mit der Kartenbenutzung identisch. Der einzige Unterschied zur Karte ist, dass man den Ring sperren lassen kann, ohne dass die Karte davon beeinträchtigt ist. Auch beim Einkaufen erleichtert das Accessoire am Finger den einen oder anderen Handgriff. „Er ist einfach immer präsent“, sagt Jaenicke. Dass der Ring nicht alle bargeldlosen Zahlungen ablösen kann, wissen die beiden. Trotzdem sieht die Volksbank im Pagopace einen Teil der bargeldlosen Zukunft und setzt künftig auf die modische Bezahlfunktion.
Jennifer PatriasRangeleien am Rotorblatt
Zu wenig Tempo bei der Energiewende
Windräder auf dem Roßkopf: Die Vierergruppe soll gesprengt und durch zwei neue Anlagen ersetzt werden. Zudem will die Regiowind GmbH noch drei weitere Windräder im Umfeld bauen.
Der Bundesrechnungshof hat die Bundesregierung für das schleppende Tempo bei der Energiewende scharf kritisiert. Die bisherigen Maßnahmen seien „ungenügend“ und bergen „gravierende Risiken für die energiepolitischen Ziele“, sagte Rechnungshofpräsident Kay Scheller am 7. März. Auch das grünschwarz regierte BadenWürttemberg läuft seinen eigenen Zielen weiter hinterher. In Südbaden gibt es derweil an vielen Orten heftige Rangeleien am Rotorblatt.
Fotos: © badenova · iStock.com/Didierphoto
In einem neuen Sonderbericht des Rechnungshofs heißt es, dass der Bund reagieren muss, „andernfalls droht die Energiewende zu scheitern“. Die Rechnungshüter kritisieren zu hohe Stromkosten für Privathaushalte und Industrie und einen „schleppenden“ Netzausbau für Erneuerbare Energien. Demnach habe die Bundesnetzagentur im vergangenen Jahr nur die Hälfte der geplanten Leistung für neue Windenergieanlagen an Land über Ausschreibungen ins Rollen gebracht. Die fehlende Hälfte, 6,45 Gigawatt, entspräche vier bis sechs Braunkohle- oder Kernkraftwerken, heißt es im Bericht.
Das Ländle hinkt weiter hinterher
den Flächen-Bundesländern ist Niedersachsen mit 6169 vor Brandenburg mit 4039. Bayern (1150) und Baden-Württemberg (782) sind am südlichen Ende der Tabelle. Noch weniger Windräder gibt es nur im Saarland (218), das flächenmäßig aber 14 Mal ins Ländle passt. Von einer Aufholjagd der beiden südlichsten Bundesländer ist übrigens nichts zu sehen: Es sind ausgerechnet Bayern und Baden-Württemberg, die 2023 am wenigsten neu gebaut haben. Die Erneuerbaren haben im vergangenen Jahr mehr als die Hälfte (56 Prozent) des deutschen Stromhungers befriedigt. Die wichtigste Quelle war erstmals der Wind, der nach Angaben des Statistischen Bundesamts allein fast ein Drittel –knapp 140 Milliarden Kilowattstunden – eindrehte und damit die Kohleenergie als wichtigsten Erzeuger ablöste. In Südbaden gibt es eine lange Reihe von Windkraftplänen – aber auch viel Streitereien. Mitte Februar haben Gegner von neuen Windrädern auf Flächen der Gemeinde Schliengen am 1165 Meter hohen Blauen einen Bürgerentscheid gewonnen.
Die zentrale Rolle bei der Wende spielt die Windkraft. Aktuell gibt es 30.243 Windräder in Deutschland, darunter 1566 Offshore in der Nord- und Ostsee. Spitzenreiter bei
Für Bürgermeister Christian Renkert eine „vertane Chance“. Die Gemeinde will bis 2030 klimaneutral sein. Wie das ohne Windkraft geschafft werden soll, ist völlig offen.
In der Gemeinde Feldberg hat sich neulich Bürgermeister Johannes Albrecht für Windräder auf dem Feldberggipfel aus-
gesprochen. Auf dem mit 1493 Metern höchsten Berg Baden-Württembergs wäre der Energieertrag besonders hoch, zwei, drei Windräder könnten so viel grünen Strom bringen wie 15 in tieferen, schlechteren Lagen. Auf dem –waldlosen – Gipfel treffen aber auch die alten Rivalen wieder aufeinander:
Klimaschutz gegen Naturschutz. Der Feldberg ist Naturschutzgebiet, EUVogelschutzgebiet und Flora-FaunaHabitat. Rotmilan und Auerhuhn spielen bei der Windkraft zuverlässig Hauptrollen. Im Zuständigkeitsbereich des Freiburger Regierungspräsidiums gibt es bislang kein einziges Windrad in Naturschutzgebieten.
Windkraftgegner, häufig vom Tourismus abhängig, machen sich diese Festschreibungen zunutze, trommeln gegen neue Windräder, führen die Zerstörung des Landschaftsbildes ins Feld und –wenn nötig – ziehen sie auch vor die Verwaltungsgerichte.
Für die Regierungspräsidentin Bärbel Schäfer ist es „eine sehr privilegierte oder elitäre Diskussion, was das Landschaftsbild angeht“. Jahrzehntelang hätte der Südwesten die „Abraumhalden in der Lausitz nicht gesehen“, aber davon gelebt. „Und jetzt wären wir dran, einen kleinen Beitrag, was die Optik angeht, zu leisten. Wir müssen jetzt alles, alles machen. Das ist so wichtig wie nichts anderes“, sagte sie in einem Interview mit dem business im Breisgau.
1000 neue Windräder bis 2026. So steht es im Koalitionsvertrag. Übrigens nicht zum ersten Mal. Schon 2011, nachdem der Grüne Winfried Kretschmann die jahrzehntelange CDU-Regentschaft im Ländle (oder auch: The Länd) aufgebrochen hatte, war die Zahl genannt worden. „Wir können alles. Außer Windkraft“, titelte die Wochenzeitung KONTEXT im März 2015. Im März 2024 gibt es insgesamt keine 800. Heftige Kontroversen gibt es auch um einen angedachten Windpark zwischen Lenzkirch und Schluchsee. Der Energieversorger EnBW möchte dort sechs Windräder bauen, drei in einem Wasserschutzgebiet. Bei einer Infover-
anstaltung mit EnBW-Projektleitern überwog die Ablehnung. Entscheiden aber muss das Landratsamt BreisgauHochschwarzwald.
Bis zu 14 neue Windmühlen sind rund um Münstertal, Ehrenkirchen und Bad Krozingen im Gespräch. 7 auf den Höhenzügen zwischen Münstertal und Ehrenkirchen. Die Firma Iterra aus Niebüll hat den Zuschlag für die Planung bekommen. Auch dort war die EnBW schon mal an der Planung, hatte das Projekt aber mangels Wind höffigkeit fallengelassen. Iterra plant zudem einen Windpark Breisgau mit bis zu sieben weiteren Windkraftanla gen auf landwirtschaftlichen Flächen zwischen Bad Krozingen, Ehrenkir chen und Staufen.
dagegen. Wegen mutmaßlicher Einbußen im Tourismusgeschäft.
Gezänk gibt es auch bei einem Projekt mit zwei Windrädern auf dem Illenberg bei Au. Der Arbeitskreis Klimaschutz Au ist dafür, die Bürgerinitiative „Gegen Windkraftanlagen auf dem Illenberg“ ist – nicht zuletzt wegen des WellnessRessorts Luisenhöhe – dagegen. Der Kampf um mehr Klimaschutz und mehr Naturschutz geht auch in den Behörden weiter. „Bürokratie-Irrsinn
Rotmilan im Anflug: Wo sie brüten, sind neue Windräder ausgeschlossen.
Auch auf Münstertaler Gemarkung steht aktuell das Haldenköpfle am Schauinsland im Fokus. Hier gibt es mittlerweile grünes Licht für ein Gemeinschaftsprojekt der Bürgerenergie Münstertal mit der Freiburger Ökostrom-Gruppe. Pro und Contra gibt es auch zu zwei Windrädern auf dem Brombeerkopf zwischen Stegen und Glottertal. Der Stegener Gemeinderat hat sich gegen die Pläne ausgesprochen, der Glottertäler stimmte mehrheitlich dafür. Auch hier ist das Landratsamt die entscheidende Instanz. Beim Windkraftprojekt Am Flissert auf den Gemarkungen von Glottertal, Heuweiler und Denzlingen ist die Glottertäler Politik indes
dern und Rotmilanen. Mehrere Ornithologen und Experten stellten fest, dass Rotmilane die Gefahr von Windkraftanlagen erkennen und Bogen fliegen. Ein Gesetz aus dem Bundesumweltministerium verbietet aber unbeirrt neue Windräder dort, wo Rotmilane brüten. Ein anderes Vogelproblem ist das Auerhuhn, das auch im Schwarzwald zu Hause ist. Auerhühner können zwar gar nicht so hoch fliegen, dass sie von einem Rotorblatt erschlagen werden, doch, so heißt es in einer Studie im Auftrag des Landes Baden-Württemberg, sie könnten ja gegen den Mast fliegen: „Möglicherweise passiert dies bei Witterungsbedingungen mit schlechter Sicht (z. B. Nebel).“ Lars Bargmann
Foto: © Michael Bode, IHK Südlicher
»Noch nie so viel Druck«
bib-Interview mit IHK-Geschäftsführer Dieter Salomon
Vom Oberbürgermeister zum Oberkämpfer gegen den Bürokratismus: Dieter Salomon war von 2002 bis 2018 der Chef im Freiburger Rathaus. Seit knapp fünf Jahren ist er Geschäftsführer der Industrie und Handelskammer Südlicher Oberrhein und seit vergangenem Oktober Vorsitzender des Normenkontrollrats in BadenWürttemberg. Im Gespräch mit Chefredakteur Lars Bargmann spricht der 63Jährige über Werte und Wahnsinn, den Bürger und den Staat.
bib: Herr Salomon, Demokratie bedeutet die Herrschaft des Volkes. Bürokratie bedeutet die Herrschaft der Verwaltung. Die eine ist positiv konnotiert, die andere immer negativer, zu Recht?
Salomon: Bürokratie im Sinne von Max Weber, dem großen Soziologen und Ökonomen, bedeutet eine funktionierende Verwaltung, was ein zivilisatorischer Fortschritt ist, weil er im Gegensatz zur Willkürherrschaft im Feudalismus Rechtsstaatlichkeit und Gleichbehandlung ermöglicht. Wenn wir heute von Bürokratie reden, geht es um die übertriebene, übersteigerte Bürokratie, den Bürokratismus. Den beklagen die Leute zu Recht. Mittlerweile kann jeder seinen Alltag mehr oder weniger vom Handy aus organisieren. Aber wenn die dann mit dem Staat in Kontakt kommen, wird es schwierig.
bib: Die Digitalisierung wu rde 20 Jahre verschlafen …
Salomon: Nicht ganz. Wenn ich vor 20 Jahren meinen Ausweis verlängern wollte, musste ich einen halben Tag Urlaub nehmen, eine Nu mmer ziehen, warten, und wenn ich Pech hatte, kam ich an dem Tag nicht mehr dran. Aber es stimmt schon, wir müssten viel weiter sein.
bib: Ob Handwerker oder Handelsbetrieb, Landwirt oder Logistiker: Alle nennen neben dem Arbeitskräftemangel die Bürokratie als größtes Hemmnis auf dem Weg in die Zukunft. Nach dem Motto: Für jeden, der arbeitet, brauche ich noch einen im Büro, der das Arbeiten dokumentiert.
Salomon: Die Welt wird immer komplizierter. Angefangen bei der EU. Wenn wir d ie ohnehin schon komplizierten
EU-Gesetze dann in nationales Recht umsetzen, haben wir die deutsche Eigenschaft, dass wir noch fünf Standards draufsetzen. Nehmen wir die Datenschutzgrundverordnung, nicht einmal die gründlichen Skandinavier setzen die so kompliziert und kompromisslos um wie wir Deutschen. Manche Sachen treiben die Leute einfach zum Wahnsinn.
bib: Woher kommt die deutsche Gründlichkeit?
Salomon: Wir neigen aus unserem Gerechtigkeitsgefühl heraus dazu, dass wir jedem Einzelfall gerecht werden wollen. Das beschäftigt dann auch landauf landab die Verwaltungsgerichte. Am Ende wird das so kompliziert, dass keiner mehr durchblickt. Wussten Sie, dass 70 Prozent der auf der Welt erschienenen Steuerliteratur auf Deutsch erschienen ist?
bib: Nein, überrascht bin ich aber nicht …
Salomon: … das ist eine absurde Zahl und davon haben Steuerberater jahrzehntelang gut gelebt. Aber selbst die sagen mittlerweile, dass sie nicht mehr durchblicken. Das System frisst sich irgendwann selber auf. Auch die ganzen Meldedokumentations- und Berichtspflichten, die man erfüllen muss, wenn man irgendwelche Dinge beantragt beim Staat, die sind hypertroph geworden, es funktioniert einfach nicht mehr.
bib: Regierungschef Winfried Kretschmann hat bei Ihrer Vorstellung gesagt, man müsse dieses Mal mit dem Bürokratie abbau erfolgreich sein, weil man schlicht gar keine Leute mehr hat, die das alles kotrollieren und ahnden sollen. Schon allein deswegen funktioniert es nicht mehr …
Salomon: Recht hat er. Wir können aber nur erfolgreich sein, wenn wir einen guten Draht zur Politik haben und den haben wir jetzt in dieser Konstellation. Das Momentum, etwas spürbar zu ändern, ist im Moment so gut wie noch nie, weil die Politik noch nie so viel Druck hatte. Der Wirtschaft geht es schlecht, das Verhältnis Staat zu Bürger ist sehr angespannt.
bib: Wie kann man sich die konkrete Arbeit im Kontrollrat vorstellen?
Salomon: Ein Beispiel: Wir versuchen, die Schwellen für öffentliche Vergaben von Land und Kommunen auf die von
der EU vorgegebenen Schwellenwerte, jährlich 221.000 Euro fürs Land und jede Kommune, hochzusetzen. Das hieße, dass fast zwei Drittel aller Vergabeverfahren entfallen. Da sprechen wir von Tausenden von Verfahren. Selbst die Handwerker, die die öffentlichen Vergaben eigentlich gut finden, sind nicht mehr bereit, bei Kleinaufträgen dieses komplizierte Verfahren mitzumachen. Die verzichten lieber auf den Auftrag.
bib: Bundesweite Schlagzeilen gemacht hat Ende 2023 Michael Hoff, der seinen Familienhandwerksbetrieb mit fast 100-jähriger Straßenbau-Tradition dichtgemacht hat: wegen überbordender Bürokratie. Auf seiner Homepage hat er eine ellenlange Liste aller Dinge veröffentlicht, die einen 15Mann-Betrieb belasten. Verstehen Sie den Mann?
»Mich hat Bürokratie auch als OB oft genervt«
Salomon: Natürlich. Und das ist leider kein Einzelfal l.
bib: Als ehemaliger Oberbürgermeister, der mehr im Gestalten zu Hause war: Was ist Ihre Motivation, einen Normenkontrollrat anzuführen?
Salomon: Mich hat die oft unverständliche Bürokratie auch als OB oft genug genervt. Man wollte etwas umsetzen und dann hieß es, geht nicht, weil irgendeine Vorschrift dagegenspricht. Ich hatte aber ein gutes Rechtsamt und habe dann gefragt, wie hoch ist das Klagerisiko? Wenn es 80 Prozent waren, haben wir es gelassen. Wenn es 20 waren, haben wir es drauf ankommen lassen. Dann haben wir immerhin für das Richtige gekämpft. Jetzt als IHK-Geschäftsführer habe ich zudem die Brille der Wirtschaft auf und weiß, dass der Bürokratismus den Standort kaputtmacht. Das geht so nicht weiter.
bib: Das Bundesjustizministerium von Marco Buschmann arbeitet aktuell am Bürokratieentlastungsgesetz IV (BEG). Da klingt es nach Satire, dass sein Ressort parallel gerade einen 120 Seiten (!) starken Gesetzesentwurf vorgelegt hat, der eine Versicherungspflicht für Aufsitzrasenmäher und Gabelstapler einführen soll …
Salomon: Das war mir neu, aber so richtig wundert mich das nicht. Und wenn eine Errungenschaft im BEG sein soll, dass Betriebe ihre handelsund steuerrechtlichen Buchungsbelege nur noch acht statt zehn Jahre aufheben müssen, dann sind das aus meiner Sicht Petitessen. Hier geht es um den Wirtschaftsstandort Deutschland. Und der hat nach einer neuen Studie des IFO-Instituts in den vergangenen zehn Jahren deutlich an Attraktivität verloren. Und wird, wenn sich nichts ändert, in den nächsten zehn Jahren weiter verlieren …
bib: Muss die Politik den Bürgern mehr vertrauen?
Salomon: Ja, wir müssen das Verhältnis Staat – Bürger auf neue Füße stellen. Der Staat müsste den Bürgern mehr vertrauen und erst mal unterstellen, dass sie den Staat nicht betrügen wollen. Wenn sie ihn aber doch betrügen, was immer wieder vorkommt, dann muss man das sehr hart sanktionieren. bib: So wie e s in den USA läuft. Salomon: Ja, dort gibt es einen Vertrauensvorschuss.
bib: Obwohl nicht zuletzt die EU für sehr viel Bürokratie sorgt, stand der IHK-Neujahrsempfang ganz im Zeichen Europas. Warum?
Salomon: Wir haben uns klar für unser Gesellschaftsmodell, für die soziale Marktwirtschaft und gegen Abschottung entschieden. Wirtschaft lebt vom Handel und vom Austausch. Wir haben innerhalb der EU Freizügigkeit, das ist ein riesiger zivilisatorischer Fortschritt. Und auch dank der EU haben wir seit 1945 Frieden. Die europäische Integration ist das größte Friedensprojekt aller Zeiten.
bib: Aktuell sind in vielen Ländern die
Europa kritiker auf dem Vormarsch … Salomon: Es gibt auch positive Wendungen. Dass Donald Tusk die Wahl in Polen gewonnen hat, ist für Europa ein Riesenfortschritt. Aber es stimmt, Ungarn, Italien und dass die Niederländer so wählen, hätten wir auch nicht gedacht. Auch die eigentlich sehr liberalen, toleranten und eher sozialdemokratisch orientierten Skandinavier haben rechte Tendenzen. Aber aus Sicht der Wirtschaft ist es völlig klar: Wir brauchen Europa, offene Grenzen, Internationalität. Davon leben wir.
»Völlig abstrus und menschenfeindlich«
bib: Andere reden von Remigration … Salomon: Das ist völlig abstrus und menschenfeindlich. Mit der Idee eines ethnisch homogenen Volkes hat Deutschland viel Unglück über die Welt gebracht. Im Grundgesetz steht, dass die Würde des Menschen unantastbar ist. Die IHK macht keine Parteipolitik, ist aber nicht unpolitisch, deswegen waren wir auch Mitveranstalter bei Demonstrationen.
bib: Die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer hat beim Neujahrsempfang gesagt, Deutschland brauche jedes Jahr 1,5 Millionen Menschen, die einwandern, weil 1,1 Millionen auswandern. 400.000 müssen die starke Verrentungsquote ausgleichen.
Salomon: Wir brauchen Migration, um das, was alle wollen, unseren Wohlstand, zu sichern.
bib: Also könnte man das Akronym AfD mit „Armut für Deutschland“ ausbuchstabieren?
Salomon: Eindeutig. Wer die AfD wählt, wählt den wirtschaftlichen Abstieg. Was den Wohlstand angeht, wäre das die Wahl für die totale Katastrophe und nicht die Rettung Deutschlands.
Foto: © Britt Schilling · Ignacio Linares Free2rec
Der Ton ist rauer geworden
Nach zwölf Jahren: Regierungspräsidentin Bärbel Schäfer tritt ab
Geht in die Politik: Freiburgs scheidende Regierungspräsidentin Bärbel Schäfer tritt für die Grünen bei der Kommunalwahl 2024 an.
Seit 2012 ist Bärbel Schäfer für 295 Gemeinden, neun Landkreise und den Stadtkreis Freiburg als Regierungspräsidentin verantwortlich. Zum Ende ihrer Amtszeit bemerkt die Behördenchefin ein neues Tempo bei Genehmigungen, aber auch Misstrauen gegenüber ihrer Behörde.
Als Bärbel Schäfer ihr Amt als Regierungspräsidentin im Jahr 2012 antrat, zählte ihr Haus knapp 1800 Mitarbeiter. Eigentlich sollten es weniger werden. Die damalige Landesregierung hatte den vier Präsidien im Land ein Sparprogramm verordnet. „Dagegen haben wir uns erfolgreich gewehrt, indem wir uns in der neuen Landesregierung eine hohe Akzeptanz erarbeitet haben“, erzählt die 66-Jährige.
sätzliche Personal können wir Projekte schneller umsetzen“, erklärt Schäfer. „Zudem sind wir in der Lage, jedes Jahr mehr als eine Million Euro an Fördermitteln in unserer Region zu verteilen und die Kommunen dabei entsprechend zu beraten und zu begleiten.“
»Haben uns erfolgreich gewehrt«
Auch heute zählt das Freiburger Regierungspräsidium (RP) rund 1800 Mitarbeiter – obwohl Polizei und Autobahnverwaltung ausgegliedert wurden. „Durch das zu-
Knapp 3800 Projekte mit einem Volumen von 295 Millionen Euro förderte Schäfers Präsidium im ländlichen Raum. Mehr als 4000 Arbeitsplätze und 3700 Wohnungen entstanden. In 300 städtische Sanierungsgebiete flossen seit 2012 rund 485 Millionen Euro. „Mittlerweile herrscht Konsens, dass das RP ein Dienstleister für die Region ist. Aber natürlich kein Selbstbedienungsladen“, sagt Schäfer. Seit 2012 wurden im Regierungsbezirk jährlich rund 100 Kilometer Straßen saniert und rund 25 Bauwerke erneuert. 120 Kilometer an Bundes- und Landstraßen kamen hinzu. Vergangenes Jahr gingen Fördermittel in Höhe von 37 Millionen für die Verkehrsinfrastruktur an die Kommu-
nen im Bezirk. Davon waren 30 Millionen Euro festgeschrieben für ÖPNV und Radverkehr.
Die damit einhergehende Bürokratie entstand nicht ausschließlich in Amtsstuben. „Es reicht nicht, wenn Behörden pragmatisch sind, das Umfeld muss es auch sein“, sagt Schäfer. Um bei größeren Verkehrsvorhaben wie dem Ausbau der Rheintalbahn oder Ortsumfahrungen Akzeptanz zu schaffen, gingen zahlreiche Projekte mit Bürgerbeteiligung über die Bühne. Als Regierungspräsidentin brachte Schäfer langjährige Projekte zum Abschluss: Die Anerkennung des Biosphärengebiets Schwarzwald durch die UNESCO im Jahr 2017 sowie die Unterzeichnung des Aachener Vertrags zur deutsch-französischen Freundschaft im Januar 2019 bezeichnet sie als Höhepunkte ihrer Amtszeit. Nicht immer entstand Großes: „Gescheitert sind wir leider mit dem sogenannten Zukunftsprozess Fessenheim.“ Geplant war dort bis zum Herbst 2022 ein grenzüberschreitender Gewerbepark für erneuerbare Energien. „Stattdessen wird nun das Technocentre zum Recycling schwach radioaktiver AKW-Teile kommen, das wir ablehnen“, sagt sie. Die Energiewende brachte neue Themen auf Schäfers Schreibtisch: „Von der tiefen Geothermie hat 2012 noch niemand gesprochen.“ Aktuell hat die Landesbergdirektion für 13 Felder zwischen Karlsruhe und Basel die Erlaubnis zur Aufsuchung von Erdwärme erteilt. „Da ist eine enorme Dynamik drin.“
Der Ausbau von Windkraft und Photovoltaik habe in den vergangenen Jahren ebenfalls an Fahrt aufgenommen. Aktuell drehen sich im Regierungsbezirk 140 Windkraftanlagen mit einer Leistung von insgesamt 312 Megawatt. Bis zum Jahr 2030 soll diese Zahl vervierfacht werden. Schäfer ist zuversichtlich, dieses Ziel zu erreichen: „Bund und Land haben die Voraussetzungen für schnellere Genehmigungsverfahren geschaffen.“
Der Krieg in der Ukraine habe das Bewusstsein für alternative Energiequellen zusätzlich geschärft.
Im Zuge des Klimawandels rechnet Schäfer außerdem mit deutlich steigenden Flüchtlingszahlen. „Darauf müssen wir uns vorbereiten“, sagt sie. Die Landesregierung hat das Ziel ausgegeben, 9000 zusätzliche Plätze in der Erstaufnahme zu schaffen. Das RP ist aktuell auf der Suche nach Immobilien. In Waldkirch laufen Gespräche zur Nutzung einer ehemaligen Herz-Kreislauf-Klinik.
Trotz solcher Maßnahmen: Der Ton wurde rauer. Seit den Flüchtlingsbewegungen im Jahr 2015 und 2016 gehörte es für Schäfer zum Tagesgeschäft, auf öffentlichen Veranstaltungen verbal angegriffen und beschimpft zu werden. Die Corona-Krise habe weiterhin Verschwörungstheoretiker beflügelt: „Die sozialen Medien machen es vielen Leuten leicht, in der Anonymität des Internets ketzerische Hassparolen zu
Mehr Platz: Die Landeserstaufnahmestelle an der Lörracher Straße in Freiburg soll ausgebaut werden.
Außerdem soll die Landeserstaufnahmestelle in Freiburg ausgebaut werden. Aktuell sind 400 von 700 Plätzen an der Lörracher Straße belegt. Im Herbst waren auch die zusätzlichen 500 Notplätze weitestgehend vergeben. Im ehemaligen Obi-Baumarkt in Freiburg-St. Georgen sind aktuell noch 80 Flüchtlinge aus der Ukraine untergebracht. Unklar ist, ob der Betrieb über Juni hinaus verlängert wird. „Im Moment sind wir noch ganz gut aufgestellt“, resümiert Schäfer. Die im Oktober eingeführten stationären Grenzkontrollen hält sie für sinnvoll: „Sie sind ein wichtiger Baustein.“ Auch der 2018 eingerichtete Regionale Sonderstab für gefährliche Ausländer habe sich bewährt. 75 Straftäter wurden seitdem abgeschoben, sieben reisten freiwillig aus.
verbreiten, die unsere Gesellschaft zu spalten drohen.“
Schäfer bemerkt ein neues Misstrauen gegenüber Politik sowie Verwaltung. „Aufgrund der zahlreichen Krisen in der Welt, von denen wir auch hier in Deutschland betroffen sind, sind viele Menschen verunsichert, sie haben Sorge, dass sie ihren Lebensstandard nicht mehr halten können. Einfache Lösungen werden gesucht – aber die gibt es leider nicht.“ Eine Nachfolge für die 66-Jährige hat Ministerpräsident Winfried Kretschmann zum Redaktionsschluss noch nicht bestimmt. Schäfers letzter Arbeitstag an der Freiburger Bissierstraße ist der 31. März.
Philip Thomas
Tonnenweise Asbest
Gewerkschaft warnt vor Gefahr in Freiburger Wohnungen
Jahrzehntelang wurde in Deutschland munter mit Asbest gebaut.
Laut der Industriegewerkschaft BauenAgrarUmwelt (IG BAU) Südbaden steckt die krebserregende Mineralfaser in rund 63.000 Freiburger Wohnungen. Der stellvertretende Bezirksvorsitzende für Südbaden fordert ein Umdenken. Vorbild könnte Frankreich sein.
Knapp 44 Millionen Tonnen asbestbelastetes Baumaterial stecken bundesweit im Gebäudebestand. Die vom Hannoveraner Pestel-Institut erhobene Zahl beunruhigt Ilse Bruttel. Die Bezirksvorsitzende der IG BAU Südbaden erklärte Mitte November in einer Mitteilung der Gewerkschaft: „Asbest ist eine unsichtbare Gefahr.“ Zu finden ist die Faser etwa in Putz, Spachtelmassen, Fliesenklebern und Zement.
Auch in Freiburgs Gebäuden lauert das krankheitserregende Asbest. Zwischen 1950 und 1989 war es auf dem Bau Standard. „In dieser Zeit wurden in Freiburg 13.800 Wohnhäuser mit 62.800 Wohnungen gebaut“, erklärt Michael Jäger, stellvertretender Bezirksvorsitzender der IG BAU Südbaden. Das seien 52 Prozent aller Wohngebäude. Verboten wurde Asbest 1993.
Hohe Dunkelziffer
Doch die Zahl könnte laut dem pensionierten Hochbaupolier noch höher sein. Schon ab 1930 wurde Asbest vereinzelt genutzt. Und auch bei Umbauten sowie Modernisierungen seien kontaminierte Materialien zum Einsatz gekommen, ebenso in Garagen,
Gewerbegebäuden, Ställen und Scheunen. Je nach Verarbeitung werden Asbestprodukte in fest- und schwachgebundene Stoffe unterschieden. „Von den schwachgebundenen Stoffen geht das größte Risiko aus, an Asbestose zu erkranken“, erklärt Jäger. Tückisch ist, dass sich Gesundheitsschäden zum Teil erst Jahrzehnte nach der Arbeit mit Asbest bemerkbar machen. Im November meldete die IG BAU, dass in den vergangenen zehn Jahren bundesweit 3376 Versicherte der Berufgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU) an den Folgen einer asbestbedingten Berufserkrankung verstorben seien. Die Dunkelziffer dürfte wesentlich höher liegen. „Früher haben wir auf der Baustelle viel mit Asbest gearbeitet, die Gefahren waren kaum bekannt“, blickt Jäger zurück. Schutzanzüge hielten erst Ende der 1980er- beziehungsweise Anfang der 1990er-Jahre Einzug. Ein positives Beispiel für Jäger ist Frankreich. Dort gibt es seit 1997 für Gebäude einen Sicherheitspass, in dem potentielle Gefahrenstoffe aufgelistet sind. „Das empfehle ich auch für Deutschland“, sagt Jäger. Problematisch sei, dass sich große Wohngesellschaften aus Angst vor Sanierungskosten oftmals gegen solche Pläne sträubten. Bruttel betont in ihrer Mitteilung, dass in den nächsten Jahren auch in Freiburg ein Großteil der Altbauten angefasst würde, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Dabei werde es in den meisten Fällen nicht bei der reinen Energiespar-Sanierung bleiben. Auf dem Bau drohe mit der Sanierungsauch eine Asbest-Welle.
Die Freiburger Stadtbau GmbH (FSB) ist sich des Themas bewusst. „Bei Sanierungen wird der Schadstoff fachgerecht ausgebaut und entsorgt“, berichtet Petra Zinthäfner, Referentin für Presseund Öffentlichkeitsarbeit. Bei Objekten
der FSB, die keiner Sanierung unterzogen werden und bei denen Belastungen zu erwarten seien, kümmern sich Experten vorsorglich um Werkstoffuntersuchungen und Analysen im Vorfeld. Anhand der Ergebnisse werden weitere Maßnahmen und Vorkehrungen je nach Erfordernis geplant und umgesetzt.
Ähnliches berichtet Martin Weiner, Geschäftsführer der Wohnungsbaugenossenschaft Heimbau. An Gebäuden, die vor 1993 gebaut wurden, werden grundsätzlich vor Sanierungen Untersuchungen beauftragt, um Schadstoffe zu identifizieren. Wenn die Berichte Asbest diagnostizieren, werde vor der Sanierung eine zugelassene Fachfirma mit Ausbau und Entsorgung des kontaminierten Materials beauftragt. Bei größeren Außensanierungen werden zudem grundsätzlich jeweils ein Büro für Sicherheits- und Gesundheitskoordination beauftragt.
Gewerkschaft legt
Asbest-Charta vor
Doch nicht jeder, in dessen Wohnung mit Asbest gebaut wurde, muss sich Sorgen machen. „Gefährlich wird es erst bei der Sanierung“, berichtet Jäger. Arbeiten mit Asbest müssen laut Jäger nach den Vorgaben der BG BAU ausgeführt werden. Dazu müssten etwa Schutzanzug und geeignete Masken her, zudem brauche es einen speziellen Staubsauger mit Zubehör. In den Räumen müsse beim Arbeiten ein Unterdruck erzeugt werden, damit die Fasern nicht in andere Räume gelangen können. Das Asbest werde dann separat entfernt und in der Regel in Big-Packs vergraben. Allerdings nehmen nicht alle Deponien das Material an.
„Oftmals umgehen Firmen die Sicherheitsvorgaben“, sagt Jäger. Das sei gefährlich für Handwerker, Bewohner und Nachbarn, da das Asbest über Lüftungen in andere Wohnungen eindringen könne. Jäger hat den laschen Umgang selbst erlebt. Vor einigen Jahren wohnte er in einem Gebäude in Landwasser, in dem Asbest verbaut worden war. In der Wohnung unter ihm wurde ohne Schutzmaßnahmen saniert, das Fenster stand weit offen. „Ich habe direkt die Gewerbeaufsicht angerufen“, blickt Jäger zurück. Der Fachmann ist der Meinung, dass Asbest mehr Aufmerksamkeit benötige. Darum hat die IG BAU unlängst eine bundesweite „Asbest-Charta“ mit Forderungen vorgelegt. Darin geht es um bessere Informationen, die Förderung von Asbest-Sanierungen und um konsequenten Arbeitsschutz.
Nomen est omen? Der Siegerentwurf (und die Visualisierung) stammt aus dem Büro AllesWirdGut Architektur ZT GmbH aus Wien.
150 Sozialwohnungen am Güterbahnhof
Die Freiburger Stadtbau GmbH wird auf dem Güterbahnhof bei ihrem dritten Projekt rund 150 öffentlich geförderte Wohnungen bauen. Den Architektenwettbewerb hat am 8. März das Wiener Büro AllesWirdGut gewonnen. Das fünf- bis siebengeschossige Gebäudeensemble mit fünf aneinandergeketteten Punkthäusern wird da gebaut, wo jetzt noch die Vergölst-Niederlassung steht. Unter den 9900 Quadratmetern Wohnraum soll es in den Erdgeschossen kaufbare Gewerbeflächen geben. „Neben den städtebaulichen Qualitäten überzeugt die Konzeption mit einzelnen Stadthäusern durch ihr Potenzial für gute Nachbarschaften und mit einer Freiraumgestaltung, die durch geschickte Positionierung und Auffaltung der Fassade zum Innenhof vollkommen natürlich von öffentlich bis privat gegliedert ist“, kommentierten die FSB-Geschäftsführer Magdalena Szablewska und Matthias Müller. Das Grundstück hat die FSB vom Freiburger Rathaus kostenlos bekommen. Das Rathaus wiederum hat es von der Aurelis erhalten, weil die Aurelis keinen öffentlich geförderten Wohnraum – 50 Prozent sind Bedingung bei neuen Bebauungsplänen – bauen wollte. bar
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„Die Gesundheit von Bauarbeitern und Heimwerkern muss geschützt werden“, erklärt Jäger. Zudem plädiert die Gewerkschaft für eine staatliche Sanierungsprämie. Hierfür müsse der Bund ein KfW-Förderprogramm „Asbest-Sanierung“ schaffen.
PascalLienhard
Innovativ: Die Zimmerei Grünspecht arbeitet mittlerweile auch über die Tore Freiburgs hinaus.
Auf dem Vormarsch
Zimmerei Grünspecht feiert 40-jähriges Jubiläum
Rund 150 Aufträge bearbeitet die Zimmerei Grünspecht jährlich. Die Genossenschaft bietet nicht nur Zimmermannsarbeiten, sondern auch ein großes Portfolio an Handwerkskunst. Dass das Konzept funktioniert, zeigt die Zeit: Dieses Jahr feiern die Grünspechte ihr 40jähriges Bestehen.
Fotos: © Zimmerei Grünspecht, Jennifer Patrias
Schon von Weitem kann man ihn sehen, den Grünspecht, der vor den Toren der Zimmerei in Freiburg-Hochdorf hängt. Spätestens beim Eintreten in die Büroräume wird klar – mit einer klassischen Zimmerei hat der Betrieb wenig zu tun. Stattdessen begrüßt ein graumelierter Kater Mitarbeiter und Besucher und fordert ganz ungeniert seine Streicheleinheiten ein. „Joschi lebt erst seit Kurzem hier, aber schon jetzt stärkt er den Teamzusammenhalt“, sagt Kommunikationsleiterin Elisabetta Borghetto.
Nachhaltig & naturverbunden
Seit 1984 gibt es die Zimmerei, am 2. April feiert sie ihren 40. Geburtstag. Ein glücklicher Zufall, denn Firmengründer Hermann Hallenberger hatte eigentlich ganz andere Pläne. Als studierter Germanist strebte er in den 80erJahren eine Karriere im hessischen Schulsektor an. Aufgrund falscher politischer Gesinnung – Hallenberger dachte kommunistisch und hatte den Kapitalismus infrage gestellt – griff jedoch das damalige Berufsverbot. Aus der Not heraus orientierte er sich um und lernte den Zimmermannsberuf.
„Ihm war es von Anfang an wichtig, keinen klassischen Betrieb zu führen, sondern einen, der sich selbst verwaltet und in dem alle Mitarbeiter gleichberechtigt
sind“, sagt Zimmermeister und Vorstandsmitglied Markus Wolf über den Gründer. Daher suchte Hallenberger nach der Meisterprüfung im Hessischen nach Geschäftspartnern – vergeblich. Erst als er Freunde im damals linksorientierten Freiburg besuchte und spaßeshalber erneut eine Annonce schaltete, hatte er Glück. Gemeinsam mit Wilfried Pauer und zwei weiteren Partnern gründete er die Zimmerei Grünspecht GbR. Sechs Jahre lang arbeiteten sie in ihrer kleinen Halle in Freiburg-Kappel, im siebten Jahr gründeten sie die Genossenschaft und zogen nach Hochdorf.
Acht bis zehn Projekte bearbeitet das Grünspecht-Team in der Woche und übernimmt Aufträge vom Gartentor bis zum schlüsselfertigen Haus. „Wir möchten ein guter Ansprechpartner sein und schaffen das dank unserem breiten Portfolio“, sagt Borghetto. Egal ob sich die Kundenwünsche um Terrassen,
Balkone, Modernisierungen, Fensterbau, Photovoltaikanlagen, Stroh- und Lehmbau oder das vorelementierte Bauen drehen – die Grünspecht-Familie kann helfen. Auch einfache Blecharbeiten können die Mitarbeiter mittlerweile durchführen. „Das ist aus der Not heraus entstanden, in einer Phase, in der es schweirig war, zeitnah bei Bedarf einen Partner zur Ausführung dieser Arbeiten zu finden“, sagt Wolf, der bereits seit 1998 ein Teil der Genossenschaft ist. Acht Jahre lang beschäftigte er sich mit der Bauleitung von Neubauten, 2008 spezialisierte er sich nach einer privaten Haussanierung auf die Modernisierung von Altbauten. „2018 kam ich dann in Kontakt mit einer beeindruckenden Baugruppe, die sich vorgenommen hatte, all ihre acht Wohneinheiten in Strohballenbau zu realisieren. Die Projektgröße erzeugte einerseits Respekt, um etwas völlig Neues zu versuchen. Andererseits rechtfertigte sie aber auch eine aufwendige Entwicklungsarbeit und ein Befassen mit der Bauweise“, sagt der Wahlfreiburger. So ergab sich mit dem Strohbau eine neue und erfolgreiche Nische. Da lag es für Wolf nahe, eine Weiterbildung zur Fachkraft im Lehmbau zu absolvieren. Gleichzeitig koordiniert er die Vorstandsarbeit, die er sich mit zwei weiteren Kollegen teilt. „Ich konnte sozusagen in der Firma weiterwachsen, ohne zu kündigen.“ Zudem schaut das Unternehmen darauf, dass es kein chemisches Material verwendet, das Mensch und Umwelt belastet. Schon in den 80ern war den beiden Gründern wichtig, mit dem nachwachsenden Zellulose-Dämmstoff „isofloc“ zu arbeiten, der aus zerkleinerten Zellulosefasern besteht, die durch ein Recycling-Verfahren aus sortenreinen Tageszeitungen hergestellt werden. Diese Denkweise ist bis heute fest in den Köpfen der Grünspecht-Familie verankert.
45 Mitarbeiter·innen sind es inzwischen, drei Viertel von ihnen sind Genossen. Auch Wolf ist einer davon. „Wer bei uns als Genosse einsteigen möchte, muss fünf Anteile zu je 500 Euro erwerben“, erklärt er das Konzept. Im Falle eines Gewinns gibt es am Jahresende eine Rendite von 3 bis 5 Prozent, nachdem Rücklagen und Investitionen rausgerechnet wurden. „Das war aber nicht immer so. Wir hatten viele Jahre, in denen kein Gewinn zu verzeichnen war“, erinnert sich Wolf zurück. Statt Auszahlungen zu tätigen, konnte sich die Genossenschaft gerade einmal kostendeckend über Wasser halten. Das hat sich in den vergangenen Jahre geändert –dank steigender Auftragslage, optimierter Arbeitsabläufe und des Teamzusammenhalts.
Zum 40jährigen Bestehen hat sich die Zimmerei etwas Besonders ausgedacht. Gefeiert wird im Juli mit Mitarbeitern, deren Familien, Kunden und Gewerkspartnern. „Kinder können ein Vogelhaus zimmern, wir bauen gemeinsam ein Holzspielhaus für die Kita ‚United Kids‘, und abends spielen zwei Bands“, erzählt Borghetto.
Auch für die Zukunft haben sich die Grünspechte einiges vorgenommen: Der Strohbau und das serielle Sanieren, mithin die energetische Sanierung von bestehenden Gebäuden unter Verwendung abseits der Baustelle vorgefertigter Fassa-
den- oder Dachelemente sowie deren Montage am Gebäude, spielen eine große Rolle. Passend zum Jubiläum kommt der Deutsche Strohbautag in diesem Jahr nach Freiburg. Die Zimmerei ist Ende April Co-Gastgeber. Und in der Halle am Firmensitz können Interessierte dann anhand von Praxisbeispielen lernen, wie der Strohbau funktioniert. „Bei uns wird’s halt niemals langweilig“, sagt Borghetto und lacht.
Jennifer PatriasKonzentriert bei der Arbeit: Durch den Strohbau haben sich neue Wege ergeben. Anzeige
Kein Wumms für die Wirtschaft
Mathias Hecht über das Wachstumschancengesetz
Kann ein abgespecktes Wachstumschancengesetz noch echte Impulse für die Wirtschaft setzen? Bereits im November 2023 hatte der Bundestag dem Gesetz zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovationen sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness zugestimmt. Die Bedenken des Bundesrates wurden dabei nur bedingt berücksichtigt, daher stimmte der Bundesrat dem Gesetzentwurf nicht zu und rief den Vermittlungsausschuss an.
Das Gremium tagte am 21. Februar und hat in seiner Beschlussempfehlung diverse Änderungen als Vermittlungsergebnis vorgeschlagen. Der Bundestag hat über diese Änderungen zwei Tage später abgestimmt und mit den Stimmen der Ampel-Fraktionen (!) die Änderungen gebilligt – die Opposition blockiert bislang. Jetzt soll der Bundesrat am 22. März entscheiden. Da im Vermittlungsausschuss andere Mehrheitsverhältnisse herrschen als im Bundesrat, bleibt es abzuwarten, ob das Gesetz auch tatsächlich verabschiedet wird.
Der unechte Kompromiss hat die entlastenden Wirkungen des Wachstumschancengesetzes deutlich von jährlich etwa sieben auf rund drei Milliarden zurückgefahren. Dabei wurden diverse angedachte investitionsfördernde Maßnahmen zurückgenommen:
Die Klimaschutz-Investitionsprämie soll ersatzlos entfallen.
Die Anhebung der GWG-Grenze auf 1000 Euro und die Verbesserung der Pool-Abschreibung (bisher geplante Grenze von 5000 Euro für drei Jahre) sollen ersatzlos entfallen.
• Die degressive AfA für bewegliche Wirtschaftsgüter soll nun nur noch das Zweifache (maximal 20 Prozent der linearen AfA) betragen für von April bis Dezember 2024 angeschaffte Wirtschaftsgüter. Die Abschreibung nach §7g, Abs. 5 EstG soll nur noch 40 statt 50 Prozent betragen.
• Die degressive Gebäude-AfA soll von bisher geplanten 6 auf 5 Prozent gesenkt werden.
• Die Erhöhung der Verpflegungsmehraufwendungen soll ersatzlos entfallen. Gleiches gilt für die Erhöhung der Freigrenze von 110 auf 150 Euro bei Betriebsveranstaltungen.
• Die Grenze beim Verlustvortrag nach §10 d, Abs. 2 EStG soll 70 statt geplant 75 Prozent betragen für vier Jahre.
• Der geplante Verlustrücktrag für drei Jahre (statt bisher zwei Jahre) soll vollkommen entfallen.
Ob dieser abgespeckte Kompromiss echte Wachstumsimpulse für die Deutsche Wirtschaft generieren kann, ist fraglich. Dennoch ist es aus meiner Sicht ein – wenn auch kleiner – Schritt in die richtige Richtung, um zumindest punktuelle Wachstumsimpulse zu geben, insbesondere im Mietwohnungsbau. Ein Wumms für die Wirtschaft ist das nicht.
Einbruch und Aufbruch
SBG mit schwächerem Gewinn und stärkerem Neugeschäft
Die Beteiligungsgesellschaft der Sparkasse Freiburg (SBG) hat im vergangenen Jahr deutlich weniger Gewinn gemacht als im Vorjahr. Während die Geschäftsführer Nicolai Gerig und Markus Hildmann 2022 noch einen Rekord mit 1,3 Millionen Euro nach Steuern und Zinsen feierten, sackte der Ertrag nun auf 420.000 Euro ab. Auf der anderen Seite hat die SBG für drei Millionen Euro sieben neue Beteiligungen unterzeichnet.
Die Ertragslage der Sparkassentochter spiegelt die Performance der Beteiligungsunternehmen unmittelbar wider. Und dass viele Unternehmen gerade sehr herausfordernde Zeiten durchleben, macht sich auch in ihren Bilanzen
fest. Und die waren unterm Strich deutlich schwächer als in den Vorjahren. „Uns war klar, dass 2023 ein schwieriges Jahr werden wird, obwohl wir es etwas besser erwartet hätten“, sagt Gerig im Gespräch mit der Redaktion. Ende 2023 hielt die SBG mit einem Volumen von 43 Millionen Euro 47 Beteiligungen an 34 Unternehmensgruppen mit rund 3300 Beschäftigten. Die SBG ist mit ihrem Risikokapital stets der stille Mitgesellschafter, der, wenn es am Ende des Jahres etwas zu verteilen gibt, seinen Anteil bekommt.
Gerig und Hildmann finanzieren Frühphasen von Unternehmen, Wachstum oder auch Unternehmensnachfolgen, wo das Fremdkapital allein keine solide Basis darstellt. Viele Gespräche kommen auch über die Muttergesellschaft Sparkasse zustande, die der Tochter das Eigenkapital unlängst auf fünf Millionen Euro verdoppelt hat. Ein Zeichen dafür, wie der Bankvorstand die Zukunftschancen der Tochter einschätzt. „Wir sind strukturell und strategisch gut aufgestellt“, sagt Gerig. Hildmann beobachtet eine stärkere Internationalisierung der Beteiligungsunternehmen: „Aus vielen Gründen am Wirtschaftsstandort Deutschland expandieren die Unternehmen stärker im Ausland, bauen auch mal eine Halle in Polen oder
woanders.“ Zudem wachse das Feld der Unternehmensnachfolge stark. Die erste Erbengeneration nach dem Zweiten Weltkrieg soll nun die aufgebauten Firmen in die Zukunft führen. Zu den neuen Beteiligungen zählen etwa bundesweit agierende Handwerksbetriebe, Software-Schmieden, Firmen, die in der Gesundheitsbranche reüssieren oder auch in der E-Mobilität. Die SBG ist auch Partner im neuen Landeskreditbank-Programm InnoGrowth BW (wir berichteten). Noch im ersten Halbjahr würden dort die ersten Verträge unterzeichnet, so Hildmann. InnoGrowth versetzt die SBG in die Lage, stärker mit Wagniskapital Start-ups mitzufinanzieren. Das Programm ist bis 2026 mit 75 Millionen Euro ausgestattet.
Lars Bargmann
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Fotos: SBG Markus Hildmann: „Firmen agieren internationaler.“Expertenbeitrag
Deutsche Aktien zum Schnäppchenpreis
Werner Krieger über Deutschland und lohnende Investments
Das renommierte LeibnizZentrum für Europäische Wirtschafsforschung analysiert seit 2006 alle zwei Jahre die Attraktivität des deutschen Standortes und der wichtigsten Wettbewerbsländer im Hinblick auf große Familienunternehmen. Zuletzt wurde diese Studie für 2022 erstellt – und das Ergebnis ist desaströs.
Während Deutschland vor 10 bis 15 Jahren noch im Mittelfeld platziert war, sind wir nun abgestürzt: auf Platz 18 von 21 untersuchten Standorten weltweit. Lediglich Ungarn, Spanien und Italien liegen hinter uns. Die Probleme sind schon lange bekannt: viel zu hohe Unternehmenssteuern, eine falsche Energiepolitik, Überregulierung und der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften.
Leider werden durch die immer offensichtlicheren Probleme unserer Wirtschaft alle deutschen Unternehmen oft über einen Kamm geschert. Aus Analystensicht gibt es aber viele, die mit der Situation gut zurechtkommen und deren Aktien inzwischen zum Schnäppchenpreis zu haben sind. Bei genauerer Analyse bilden sich fünf Gruppen heraus:
1. Deutsche Gesellschaften mit geringen EXITBarrieren Pharmaunternehmen oder Gesundheitsdienstleister wie Merck, Fresenius, Qiagen oder auch Morphosys erledigen im Schnitt nicht einmal zehn Prozent ihres Geschäfts in Deutschland und sind somit mehr von der weltweiten Konjunktur abhängig. Ähnliches gilt für SAP im IT-Bereich. Sehr viel schwerer tun sich da schon Automobilhersteller: Sie hängen stark von eingespielten Lieferketten und damit vom Standort Deutschland ab. Generell aber sollten Investoren wissen,
dass der Absatz der 40 DAX-Unternehmen in Deutschland nur noch etwa 15 Prozent ausmacht und auch nur noch zu 29 Prozent hierzulande produziert wird. Für Investoren eine gute Nachricht.
2. International ausgerichtete große Konzerne
Weltweit tätige Konzerne wie die Deutsche Telekom, Continental oder auch Siemens produzieren nur zu 10 bis 20 Prozent in Deutschland und sind international bei ihren Kunden vor Ort tätig.
3. Spezialanbieter mit Alleinstellungsmerkmal
Manche Unternehmen haben zwar eine hohe Produktionsquote in Deutschland, sind aber durch ihre Spezialisierung von den hiesigen Problemen weniger betroffen und zudem recht günstig bewertet. Das trifft etwa auf Adesso zu, einen Anbieter von Softwarelösungen im Versicherungsbereich, oder Eckert & Ziegler, einen Hersteller radioaktiver Komponenten für die Strahlen- und Medizintechnik, oder auch auf Elmos, der Halbleiter für die Automobilsicherheit produziert. Gerade diese Unternehmen kann man aktuell als Value-Titel günstig erwerben.
4. Weltweit tätige kleine Spezialisten Befesa, Symrise oder Pfeiffer Vacuum
sind zwar relativ kleine Unternehmen, aber hoch spezialisiert und weltweit aufgestellt. Egal, was wir schmecken oder riechen: Symrise hat als Hersteller von Duft- und Geschmacksstoffen wahrscheinlich seine Aktien mit drin. Der Vakuumpumpenhersteller Pfeiffer Vacuum dürfte bekannter sein; Befesa, ein auf die Beseitigung gefährlicher Abfälle spezialisiertes Unternehmen, eher weniger. Auch sie werden wenig von deutschen Standortproblemen tangiert.
5. Unterbewertete Titel
Durch die Standort-Deutschland-Problematik sind inzwischen einige deutsche Aktiengesellschaften zu Unrecht über Gebühr abgewertet worden. Rein analytisch betrachtet zählen dazu Titel wie Fuchs Petrolub, Dt. Rohstoff AG, Mutares oder auch die erwähnten Titel Adesso und Eckert & Ziegler. Sollte man nun die genannten Aktien einfach kaufen? Nein. Ein Aktiendepot muss gut strukturiert und richtig diversifiziert werden. Zudem ist es wichtig, Aktien aufgrund verschiedener Kennzahlen erfolgreicher Strategien diszipliniert auszuwählen. Außerdem müssen die Aktien im Depot immer wieder durchleuchtet werden, um keine Nieten mitzuschleppen. Auch Crashs sollten abgefedert werden –und zwar ohne Renditechancen zu verpassen. Es ist bekanntlich keine gute Idee, immer voll investiert zu bleiben.
Info
GFA-Analyst Werner Krieger hält am Donnerstag, 14. März, ab 19 Uhr im Ettenheimer Rathaus den Vortrag „Erfolgreich in Aktien investieren“. Für ihre Aktienstrategie wurde die GFA unlängst vom Wirtschaftsmagazin Capital ausgezeichnet. Anmeldung unter vhs-ettenheim@lahr.de oder direkt an der Abendkasse.
Auf der Suche nach Fachkräften
Arbeitslosenquote trotz Flaute stabil
Anders als im Bund steigt die Arbeitskräftenachfrage in Südbaden leicht an.
Trotz der Konjunkturflaute zeigt sich der Arbeitsmarkt in Südbaden stabil. Ende Februar waren im Bezirk der Freiburger Arbeitsagentur 15.376 Männer und Frauen ohne Arbeit. Exakt 20 weniger als einen Monat zuvor. Die Arbeitslosenquote liegt damit konstant bei 4,0 Prozent. Bundesweit liegt sie bei 6,1 Prozent.
„Der Frühjahrsaufschwung hat zwar noch nicht eingesetzt, jedoch kam die milde Witterung dem Arbeitsmarkt entgegen. Wir registrieren daher sogar etwas weniger Arbeitslose“, kommentiert der Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Freiburg, Alexander Merk: „Die Unternehmen sorgen sich um Engpässe bei Arbeitskräften. Diese Sorge wiegt schwerer
als die Risiken, die von Personaleinstellungen in einem unsicheren wirtschaftlichen Umfeld ausgehen.“
Die Arbeitskräftenachfrage stieg, anders als bundesweit, saisonbedingt leicht an. 1131 offene Stellen meldeten die Unternehmen. Das sind zwar 31,8 Prozent mehr als im Januar, aber 27 Prozent weniger als noch vor einem Jahr. Die größten Bedarfe meldeten die Öffentliche Verwaltung (176), das Gesundheitsund Sozialwesen (170), der Handel (147), das Verarbeitende Gewerbe (139) und wirtschaftliche Dienstleistungen (139). Insgesamt lagen der Agentur für Arbeit Freiburg Mitte Februar 5071 Aufträge zur Stellenbesetzung vor. Um dem zunehmenden Fachkräftemangel gut begegnen zu können, lohne es sich, vielfältige Wege zu gehen. Neben der Integration von Geflüchteten gehe es etwa um die
frühzeitige Information junger Erwachsener, von Schülerinnen und Schülern über noch unbekannte Berufsbilder und Ausbildungsmöglichkeiten. Bundesweit gab es Ende Februar 2,814 Millionen Arbeitslose. Rund 8000 mehr als Ende Januar, aber 194.000 mehr als Ende 2023. „Das schwache konjunkturelle Umfeld dämpft den insgesamt robusten Arbeitsmarkt. Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung nehmen im Februar zu und die Nachfrage der Unternehmen nach neuen Arbeitskräften gibt nach“, sagte die Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit (BA), Andrea Nahles, bei der Bekanntgabe der Zahlen. Die Opposition wirft der Bundesregierung vor, mit der Erhöhung des Bürgergelds nicht genug Anreize zur Jobsuche zu setzen.
bib/bar
HWK kürt Unternehmen des Jahres 2024
Die Handwerkskammer Freiburg zeichnet jedes Jahr vorbildliche Unternehmen aus dem Kammerbezirk als „Handwerksunternehmen des Jahres“ aus. Die Sieger 2024: Bernd’s Frisuren Team & MAX-IMUM-HAIR (Waldkirch), die Landmetzgerei Senn GmbH (Eimeldingen), Rebeccas Schuhmacherei (Staufen), die Frammelsberger R. Ingenieur-Holzbau GmbH (Oberkirch), Elektro Ullmann (Freiburg). Der Sonderpreis „Frauen in Führung“ geht an die Fleig Versorgungstechnik GmbH in Hausach.
Inxmail als Top-Company ausgezeichnet
Die Arbeitgeber-Bewertungsplattform kununu hat den Freiburger IT-Spezialisten Inxmail als Top Company 2024 ausgezeichnet. Grundlage der Auszeichnung bilden die unabhängigen Bewertungen der Mitarbeiter·innen auf der Plattform. Inxmail gehört damit zu den Unternehmen mit dem besten Arbeitsumfeld in Deutschland. Inxmail feiert in diesem Jahr das 25-jährige Bestehen, beschäftigt aktuell 150 Menschen und erhielt das Siegel bereits zum dritten Mal in Folge.
JobRad ist Branchensieger
Der Freiburger Dienstrad-Anbieter JobRad wurde von der Fahrradfachzeitschrift SAZbike als Branchensieger ausgezeichnet. SAZbike hatte mehr als 4000 Fachhändler in ganz Deutschland gebeten, Services und Leistungen mehrerer Dienstradleasinganbieter zu bewerten. Die Freiburger haben die Goldmedaille bereits zum vierten Mal in Folge gewonnen.
Acht Jahre Haft für Schwarzarbeit
Das Hauptzollamt Lörrach hat im vergangenen Jahr in einem Bereich von der Schweizer Grenze bis an den Nordrand des Ortenaukreises im Kampf gegen Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung 1650 Strafverfahren und rund 1100 Bußgeldverfahren eingeleitet. Dabei wurden Gesamtfreiheitsstrafen von acht Jahren und Geldstrafen in Höhe von 400.000 Euro verhängt. Ebenfalls auf 400.000 Euro belaufen sich festgesetzte Bußgelder. Die ermittelte Schadenssumme betrug 4,6 Millionen Euro. bib
Die Zukunft in die Hand nehmen
5. VDI regio career
Zur fünften Auflage der Messe VDI regio career, der einzigen grenzüberschreitenden Karrieremesse im Ingenieurswesen, erwartet der Veranstalter am 13. April im Freiburger Konzerthaus 30 Unternehmen und rund 1500 Berufseinsteiger, Young Professionals sowie wechselwillige Fachund Führungskräfte.
Das Recruiting von Fachkräften im Ingenieurbereich ist trotz der schwachen Konjunktur für viele Unternehmen zentrale Aufgabe. Allein in BadenWürttemberg sind derzeit knapp 21.000 Stellen unbesetzt. Im Vorjahresvergleich ist der Bedarf an den Ingenieurberufen Technische Forschung und Produktionssteuerung sowie Maschinen- und Fahrzeugtechnik gestiegen. Das bestätigt auch Patrick Schmoll, Niederlassungsleiter des Co-Veranstalters Ferchau GmbH in Freiburg: „Gesucht werden vor allem Bewerberinnen und Bewerber aus den Studiengängen der Informations- und der Elektrotechnik sowie Techniker und Facharbeiter aus dem Bereich Elektro- und Automatisierungstechnik.“ Es gebe aktuell keine Entspannung auf dem Arbeitsmarkt:
Reges Messe-Interesse: viele Informationen und viele Kontakte
„Im Gegenteil, wir gehen von einer besseren Auftragslage im dritten Quartal 2024 aus, die dann zu einem Engpass an Mitarbeitenden aus allen Fachbereichen führen wird.“
Trotz Fachkräftemangel positiv: Frank Gerlach
Durch Demografie, Digitalisierung und Klimaschutz werde der Bedarf an Beschäftigten in Ingenieur- und Informatikerberufen deutlich zunehmen. Auf der anderen Seite sinkt aber die Zahl der Studierenden – von 2016 bis 2022 im ersten Hochschulsemester in Ingenieurwissenschaften und Informatik um 12,5 Prozent. Frank Gerlach, Vorsitzender des VDI Bezirksvereins Schwarzwald, blickt dennoch positiv in die Zukunft: „Themen wie Digitalisierung, Künstliche Intelligenz, Klimawandel, Umweltschutz und Mobilität stoßen bei jungen Menschen auf großes Interesse. Sie möchten ihre Zukunft selbst in die Hand nehmen und mitgestalten. Das können sie aktiv als Ingenieurin oder Informatiker tun.“ bib
Infos zu Standbuchungen an Intercongress, Christian Steiger, Telefon: +49 (0)179 6104927, www.vdi-regio-career.de
Die Welt, die Wirtschaft in Zahlen
*Laut Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung
Quellen: Statistisches Bundesamt, Statistisches Landesamt BW, ZEIT Geschichte, Deloitte
Lars Bargmann / Idee: brandeins