LEINWAND FILM ALS SPIEGEL DER MACHOGESELLSCHAFT
MUSIK DAS AUS DER JUGEND GEWINNT DIE RAMPE
LITERATUR WELTPREMIERE AM THEATER FREIBURG
For free: Die Bundesregierung hat allen 18-Jährigen im vergangenen Jahr 200 Euro Kulturguthaben bereitgestellt.
LEINWAND FILM ALS SPIEGEL DER MACHOGESELLSCHAFT
MUSIK DAS AUS DER JUGEND GEWINNT DIE RAMPE
LITERATUR WELTPREMIERE AM THEATER FREIBURG
For free: Die Bundesregierung hat allen 18-Jährigen im vergangenen Jahr 200 Euro Kulturguthaben bereitgestellt.
Die Bundesregierung hat allen 18-Jährigen in Deutschland 2023 ein spektakuläres Angebot gemacht: 200 Euro gab es geschenkt für Kulturangebote. Seit März geht der „Kulturpass“ in die zweite Runde – wird aber auf 100 Euro gekürzt. Wie gut hat das bisher geklappt? Zwei junge Menschen aus Südbaden berichten. Auch Veranstalter sind angetan –aber mit mäßigem Erfolg. Profitiert hat vor allem eine Branche.
200 Euro für Kulturangebote?
„Ich finde, das ist eine sehr, sehr gute Sache“, sagt Luca Nowag. Der Freiburger macht selbst Musik und hat sein Budget genutzt. „Ich habe Platten gekauft und war bei Konzerten“, erzählt er. Erfahren vom Kulturpass hat er über Social Media, die Info hat in seinem Freundeskreis die Runde gemacht: „In meinem Umfeld haben das relativ viele genutzt“, sagt Luca. Andere hätten jedoch zu spät davon erfahren – und dann Pech gehabt. „Das
finde ich schade“, sagt Luca. Ginge es nach ihm, müsste man die Info „ein bisschen größer an die Glocke hängen“, damit alle davon profitieren. Schließlich nütze das zwei Seiten: jungen Menschen und der Kulturbranche.
„Zu wenig Angebote, die mich ansprechen“
Genau mit der Idee hat die Staatsministerin für Kultur und Medien, Claudia Roth, das Angebot im vergangenen Jahr gestartet. Und zwar inspiriert vom französischen „Pass Culture“. Nach der Corona-Krise sollte der Kulturpass zwei Dinge schaffen: junge Menschen für Kultur vor Ort begeistern. Und die Kulturbranche unterstützen. Das Budget ist seit dem 14. Juni 2023 digital einlösbar über die Kulturpass-Plattform und verwertbar für beispielsweise Eintrittskarten, Bücher, CDs oder Musikinstrumente.
Auch Annalena Kipf findet den Pass toll. Die 18-Jährige aus Munzingen bei Freiburg hat aber noch keinen Euro davon genutzt: „Die
von Till NeumannIdee ist gut, aber es gibt zu wenig Angebote, die mich ansprechen.“ Über eine App kann sie sich anschauen, was verfügbar ist. „Es gibt viel aus dem Bereich Theater, Museum oder Führungen – hier aber leider nur zu Themen, die mich nicht interessieren oder mir nichts sagen“, erklärt sie. Zudem könne man oft nur einen bestimmten Betrag nutzen, beispielsweise 10 Euro. Wenn etwas teurer ist, muss sie drauflegen.
Die Kulturpass-Zahlen des ersten Jahres zeigen Interesse, aber auch Luft nach oben: Von rund 750.000 möglichen Personen haben sich bis Ende 2023 rund 285.000 für den Kulturpass registriert. Damit hat etwas mehr als ein Drittel der Zielgruppe den Kulturpass genutzt. Von rund 1,14 Millionen Käufen über den Kulturpass bis zum 30. Januar berichtet das Kulturpass-Team um Claudia Roth. 23 Millionen Euro seien so ausgegeben worden. Etwa 80 Euro pro Person.
Wer sich vergangenes Jahr für den Kulturpass registriert hat, kann seine 200 Euro noch bis Ende 2024 einlösen. Damit könnte das auch für
Annalena noch klappen. Sie hat Angebote vom Cinemaxx-Kino, von Holiday on Ice oder Konzerte von Künstlern wie Mark Forster in der App entdeckt und in ihrem Konto gespeichert.
Auch Luca findet das Angebot ausbaufähig: „Das steckt noch in den Kinderschuhen.“ Er wünscht sich eine größere Vielfalt. Da sein Budget nicht aufgebraucht ist, wartet er auf die passenden Events. Vielleicht könnte er beim Jazzhaus Freiburg fündig werden. Die Kulturlocation hat die Plattform genutzt, bisher aber nur mit überschaubarem Erfolg: „Wir haben nicht allzu viele junge Menschen erreichen können“, sagt Nico Schrader aus dem JazzhausTeam. Bis Ende Januar hat er 27 Bestellungen verbucht – mit einem Wert von insgesamt 730 Euro. Dennoch sagt Schrader: „Ich glaube, alle sind sich einig, dass die Sache an sich mega cool ist.“
„Wir haben alle Livemusik-Veranstaltungen eingestellt“, berichtet Schrader. Gebucht wurden „nur ein paar hippe Konzerte, die auch genau die Zielgruppe 18 Jahre ansprechen“: Madeline Juno, Zimmer90 und Blond. Schrader interpretiert das folgendermaßen: Es wurden keine neuen Bands entdeckt, sondern Konzerte finanziert, die wohl so oder so auf der Liste standen.
Die Abwicklung über ein zentrales System findet er kompliziert. „Das liegt eigentlich nur daran, dass ein Marketplace-System genutzt wurde, das nicht extra für Tickets konzipiert
Überzeugt: Die Staatsministerin für Kultur und Medien Claudia Roth hat den Kulturpass eingefädelt.
wurde.“ Mit ein bisschen Einarbeiten sei das aber kein Problem gewesen.
Auch das Theater Freiburg hat wenig profitiert: „Bis Ende Januar haben 33 junge Menschen Gutscheine im Wert von 760 Euro gekauft“, berichtet Sprecherin Shirin Saber. Für welche Events, das sei wegen des Gutschein-Systems schwer zu sagen. „Wir glauben nicht, dass wir allein durch den Kulturpass mehr junge Menschen erreicht haben“, erklärt Saber. Der Eindruck sei eher, dass über den Kulturpass junge Menschen kommen, die ohnehin schon ein Interesse an Theater haben. Das Theater werde zwar wahrgenommen, profitiere aber weniger als beispielsweise die Buchbranche.
„Gebucht wurden nur ein paar hippe Konzerte“
Das belegen auch die bundesweiten Zahlen: Bis zum 19. Februar sind knapp 24 Millionen Euro über den Kulturpass ausgegeben worden. Rund die Hälfte (12 Millionen) gingen für Bücher drauf. Am gefragtesten war „Icebreaker” von Hannah Grace (LYX). Das Buch wurde fast 2400 Mal bestellt und generierte einen Umsatz von 30.333 Euro. Den Hang zur Lektüre zeigt auch das Beispiel Frankreich: Dort machten Mangas im Jahr 2021 75 Prozent der Bestellungen aus. Mittlerweile ist die Zahl auf etwa 40 Prozent gesunken.
Staatsministerin Claudia Roth wertet den Kulturpass-Start als Erfolg. Sie hat sich für eine Fortsetzung starkgemacht. Seit dem 1. März kann nun auch der Jahrgang 2006 das Budget nutzen. Allerdings halbiert: Statt 200 Euro gibt es jetzt 100 Euro – einlösbar bis Ende des Jahres.
Wer sich registrieren lassen möchte, muss ein Online-Ausweis-Verfahren machen. Bei Annalena Kipf hat das nicht auf Anhieb geklappt. Ein Code fehlte, den musste sie im Rathaus anfragen. „Das war alles bisschen schlecht erklärt“, sagt Annalena. Mittlerweile hat sie aber den Zugang – und kann die 200 Euro einlösen.
Der Freiburger Gemeinderat hat Ende Februar ein Strategiepapier mit sieben Grundsätzen für eine nachhaltige Kulturförderung beschlossen. Unter dem Titel „Kunst- und Kulturförderung zukunftswirksam gestalten“ steht etwa geschrieben, dass die Stadt die freie Entfaltung der Künste, wertschätzende Arbeitsbedingungen, klimafreundliches und ressourcenschonendes Arbeiten im Kunst- und Kultursektor, kulturelle Teilhabe, Vielfältigkeit, Kollaborationen und das Demokratieverständnis stärken will. Die Verabschiedung der Grundsätze sei ein „erster Meilenstein“ im Beteiligungsprozess Kulturlabor Freiburg. In der nächsten Phase sollen aus den Grundsätzen konkrete Maßnahmen entwickelt werden.
Bereits zum 20. Mal wird am 24. März die Emmendinger Nadel vergeben. Um den Kleinkunstpreis bewerben sich heuer Die Worthopäden (Improtheater, Reutlingen), das Circustheater Fiesta (Taranto, Italien), der Clown Klikusch (Metzingen), Triabolo (Diabolos, Freiburg), Patrick Johansson (Jongleur, Bretten), Heiko der Zauberer (Bochum), Mine en Mineur (Pantomime, Paris) und – außer Konkurrenz – Amüs Görls (Freiburg). Die Auftritte steigen am Samstag und Sonntag jeweils ab 14.20 Uhr im Schlosskeller.
Die Sanierung des Bühnenturms am Theater Freiburg soll statt bisher veranschlagt 275.000 Euro mehr als eine Million kosten. Ein Grund sind massive Schäden am Gurtgesims. Zudem gab es in der Vergangenheit, wie es in der Beschlussvorlage der Stadt heißt, bautechnisch minderwertige Reparaturen. bar
ZKiana Taiari ist in Offenburg aufgewachsen und für ein Duales Marketingstudium nach Freiburg gezogen. Seit sie 13 Jahre alt ist, begeistert sie sich für die Zauberkunst. Heute spielt sie auf Bühnen Baden-Württembergs wie dem Theater Freiburg oder dem Europa-Park. Im Jahr 2019 belegte sie den zweiten Platz bei den Deutschen Jugendmeisterschaften für Zauberei im Bereich Kartenkunst. Sie gibt Workshops für alle, die selbst zum Magier werden wollen.
www.kiana-taiari.de
auberinnen gibt es nur wenige. Doch in Freiburg-Betzenhausen lebt eine, die sogar überaus erfolgreich ist: 2019 wurde Kiana Taiari Deutsche Vizejugendmeisterin der Kartenkunst und gilt seither als die beste Nachwuchszauberkünstlerin des Landes.
Im chilli-Interview mit Nils Bentlage spricht die 21-Jährige über ihre Show mit Chat GPT, das Klischee des Zauberers mit Bart und Hut sowie Tricks, die man für viel Geld im Internet kauft.
chilli: Kiana, dürfen Zauberer ihre Tricks verraten?
Taiari: Eigentlich nicht. Zauberer verraten nie ihre Tricks. Unter bestimmten Umständen kann man da aber ein Auge zudrücken. Vor allem, um neue Leute für die Zauberkunst zu gewinnen.
chilli: Erinnerst du dich noch an den ersten Trick, den du erlernt hast?
Taiari: Ich habe als Kind super gerne den „Magier mit der Maske“ im Fernsehen angeschaut. In der Show hat er den Zuschauern seine Tricks enthüllt. So habe ich gelernt, ein Streichholz verschwinden zu lassen.
chilli: Wie ging es weiter?
Taiari: Die Zauberei ist natürlich kein Ausbildungsberuf. Ich habe mir das alles selbst beigebracht. Man lernt fast alles aus Büchern und entwickelt irgendwann eigene Tricks.
chilli: Und wie erfindet man so einen eigenen Trick?
Taiari: Bei den Deutschen Jugendmeisterschaften hatte ich eine Nummer entworfen, bei der es ums Spicken in der Schule ging. Vor mir lagen viele leere Zettel auf dem Tisch. War der Lehrer weg, habe ich mit den Fingern geschnipst und auf dem Papier sind die Formeln für die Klassenarbeit aufgetaucht. Kam er zurück, habe ich wieder geschnipst und die Formeln verschwanden oder die Zettel landeten unter dem Taschenrechner.
chilli: Auf Instagram beschreibst du deine Show als „moderne Magie“.
Taiari: Die Show ist sehr Gen Z. Das heißt, ich trete da jetzt nicht, wie man sich typische Zauberer vorstellt, mit Anzug und Hut vor das Publikum und zersäge irgendwelche
Jungfrauen oder lasse Hasen aus meinem Hut erscheinen. Ich trage Baggy-Jeans und Pulli auf der Bühne und versuche mich nicht zu verstellen. Ich spreche einfach so, wie sonst auch.
chilli: Du sagst, die Show sei im Stil der „Gen Z“, zu der junge Menschen gezählt werden, die wie du zwischen 1997 und 2012 geboren wurden. Wie sieht man das in der Show?
Taiari: Ich spiele zum Beispiel humorvoll auf Bindungsprobleme meiner Generation an. Laut Studien ist ein typisches Merkmal der Gen Z, dass sie sich nicht festlegen will und immer darauf hofft, es könnte noch etwas Besseres kommen. Auch Chat GPT ist ein großes Thema. Viele haben Angst, sie könnten ihren Beruf in der Zukunft an Künstliche Intelligenz verlieren. Ich übertrage das auf die Zauberei: In der Show soll mir der Chatbot einen Trick beibringen, aber er macht zu viele Fehler und versteht mich manchmal falsch. Ich soll etwa eine Banane in der Mitte falten, weil er denkt, es handle sich um ein Bandana in meiner Hand.
chilli: Ist dir schon einmal etwas schiefgegangen?
Taiari: Ja, auf einem Kindergeburtstag bei einem Trick mit einem Luftballon: Ich habe die Schnur des Luftballons in kleine Stücke zerrissen, zusammengerollt, wieder angeheftet und geschnipst. Die Schnur sollte in dem Moment wieder ganz am Ballon hängen, aber der Knoten ging nicht auf. Die Musik war schon dabei, ihren Höhepunkt zu erreichen. Da habe ich den Luftballon einfach einem Kind in der ersten Reihe gegeben. Als es ihn in der Hand hielt, hat sich die Schnur doch aufgerollt. Das Kind hat laut gerufen: „Ich kann zaubern!“
chilli: Du hast sicher auch mit anderen Zauberern zu tun. Was sind das so für Menschen?
Taiari: Nerds auf jeden Fall. Man stelle sich einfach mal einen Kartenzauberer vor, der bei sich zu Hause sitzt und zwölf Stunden seine Kartentricks übt. Obwohl die Community auch sehr männerdominiert ist, fühle
ich mich als Frau sehr willkommen und supportet.
chilli: Hast du eine Idee, warum es so viele männliche Zauberer gibt?
Taiari: Früher hatte man eben ein klares Bild vom Zauberer: ein Mann mit Bart und Zylinder. Vielleicht liegt es daran oder weil früher die Frau in der Zauberkunst immer in der Rolle der Bühnenassistentin auftrat. Bei den Jugendmeisterschaften waren wir nur fünf Frauen von ungefähr 100 Teilnehmern. Ich war die Einzige, die einen Preis gewonnen hat.
chilli: Hast du ein Vorbild in der Zauberwelt?
Taiari: Shin Lim zaubert wirklich gut. Er hat zweimal bei „America’s Got Talent” gewonnen. Sein Bühnencharakter ist sehr mysteriös. Es läuft nur Musik, er spricht kein Wort. Seine Kartentricks sind wie ein Film aufgebaut. Das muss man sich echt anschauen.
chilli: Zaubern ist bisher nicht dein fes ter Beruf. Du studierst noch. Kannst du von deiner Kunst schon leben?
Taiari: Bisher habe ich alle Einnahmen, die ich durch die Zauberei gemacht habe, wieder in meine Kunst investiert. Zum Beispiel, um neue Tricks zu kaufen.
chilli: Wie bitte? Man kann Tricks kaufen?
Taiari: Man kann im Internet auf Zaubershops fertige Tricks kaufen. Die sind tatsächlich sehr teuer, weil dazu nicht nur das Material, sondern auch das Geheimnis gehört. Das kann bis in den vierstelligen Bereich gehen.
chilli: Als junge Zauberin hast du schon viel erreicht. Was strebst du in Zukunft an?
Taiari: Ich will bei den Deutschen Meisterschaften mitmachen und in ferner Zukunft auch bei den Weltmeisterschaften. Eine Tour in Deutschland zu machen, wäre toll. Bisher habe ich nur in Baden-Württemberg gespielt.
Italien 2023
Regie: Paola Cortellesi
Mit: Paola Cortellesi, Valerio Mastandrea, Romana Maggiora Vergano, Vinicio Marchioni u.a.
Verleih: Tobis
Laufzeit: 114 Minuten
Start: 4. April 2024
Italien, im Sommer 1946: Das Land erholt sich allmählich von Mussolinis viel zu lange währendem Schreckensregime, von den Folgen der deutschen Besatzung und dem Krieg, von denen die US-Army die Menschen schließlich befreite. Doch während trotz allgemeiner Armut und allenthalben patrouillierender GIs ein gesellschaftlicher Aufbruch zu spüren ist, bleibt die nicht zuletzt auch von der faschistischen Ideologie geförderte Machoherrschaft beinahe uneingeschränkt bestehen: Italien ist noch nicht Republik, und Frauen haben keine eigenen politischen Rechte.
Unter dieser Rechtlosigkeit leidet auch Delia. Sie ist noch keine 40 und lebt mit ihrer fast erwachsenen Tochter Marcella, zwei jüngeren Söhnen, ihrem Ehemann Ivano und dessen Vater Ottorino in einer ärmlichen Kellerwohnung in Rom. Sie versorgt den Haushalt und die Kinder – und pflegt nebenbei auch noch den ans Bett gefesselten unausstehlichen Schwiegervater, der, wenn sie sich ihm zwangsläufig nähert, seine Hände nicht bei sich behalten kann. Und der sie ansonsten streng überwacht.
Natürlich muss Delia auch dem unberechenbaren Ivano stets ungefragt zu Diensten sein. In der Küche, am Tisch und im Bett. Zwar geht er tagsüber einer Arbeit nach, doch darf sie nur mit seiner Erlaubnis die Wohnung verlassen und muss genaue Rechenschaft ablegen über alles, was sie während seiner Abwesenheit getan hat. Und sie muss das Geld, das sie in verschiedenen hoffnungslos unterbezahlten Nebenjobs mühsam erarbeitet, vollständig bei ihm abliefern, darf nichts davon für sich selbst verwenden – oder für Marcella,
von Erika Weisserder sie gerne die weiterführende Schule bezahlen würde. Die darf sie im Gegensatz zu ihren Brüdern nämlich nicht besuchen – auf Verfügung des Vaters.
Zwar findet Delia immer wieder kleine Fluchten aus der allgegenwärtigen Bedrohung und Enge – sie tauscht sich mit ihrer ziemlich emanzipierten Freundin Marisa aus, mit der sie gelegentlich heimlich eine Zigarette raucht, sie sucht Begegnungen mit ihrer Jugendliebe Nino und sie freundet sich aus Zufall mit dem afroamerikanischen Soldaten William an. Doch erntet sie dafür noch mehr Gewalt: Als sie ihren Kindern die von William geschenkte Schokolade anbietet, wird sie von Ivano so heftig verprügelt wie nie zuvor. Aus Liebe, wie er sagt – einer Liebe, die er „trotz allem“ immer noch für sie habe.
Trotz allem? Delia tut nichts anderes als brav und folgsam zu funktionieren, nimmt die Gewalt, die Misshandlungen hin und versucht, alles zu vermeiden, was seinen Jähzorn schüren könnte. Dann erhält sie unverhofft einen Brief, dessen Inhalt sich erst am Ende des Films offenbart, der aber ziemlich viel auf den Kopf stellt und schließlich für eine überraschende Wendung sorgt.
Großartiges feministisches Kino, sehr italienisch und neorealistisch.
Frankreich 2023
Regie: Catherine Corsini
Mit: Aïssatou Diallo Sagna, Suzy Bemba u.a.
Verleih: Grandfilm
Laufzeit: 106 Minuten
Start: 14. März 2024
(ewei). Familiengeschichte, Sozialdrama, Studie über Rassismus und Sexismus, Identitätsfindung und Selbstakzeptanz, Liebeserklärung an eine Landschaft, nicht zuletzt auch Sommerromanze: Catherine Corsini bearbeitet in ihrem Film eine Vielzahl an Themen.
Im Mittelpunkt stehen Khédidja und ihre fast erwachsenen Töchter Jessica und Farah. Die drei ursprünglich aus Afrika stammenden Frauen begleiten die reiche Pariser Familie, bei der Khédidja als Kindermädchen arbeitet, in den Urlaub nach Korsika. Und während diese Reise für die Mutter zu einer Begegnung mit ihrer nicht bewältigten Vergangenheit und ihrer unverarbeiteten, 15 Jahre zurückliegenden Beziehungsgeschichte wird, machen die bis dahin gut behüteten Töchter ihre ersten selbstständigen Erfahrungen. Und die sind aufgrund ihrer Klassenzugehörigkeit und Hautfarbe nicht nur romantisch. Doch die drei eigenwilligen Frauen sind unbeirrbar. Kraftvolles, mit großer Natürlichkeit gespieltes Arthaus-Kino.
Österreich/Deutschland 2023
Regie: Judith Kaufmann & Georg Maas
Mit: Henriette Confurius, Sabin Tambrea u.a.
Verleih: Majestic
Laufzeit: 99 Minuten
Start: 14. März 2024
(ewei). „Ich glaube, dass die Herrlichkeit des Lebens immer in ihrer ganzen Fülle bereit liegt. Aber verhängt, in der Tiefe unsichtbar. Ruft man sie beim richtigen Namen, dann kommt sie.“ Franz Kafka, von dem dieser Tagebucheintrag stammt, hat am Ende seines wenig mehr als 40-jährigen Lebenswegs offenbar den richtigen Namen gerufen: Dora Diamant.
Denn als sich die beiden im Sommer 1923 im Ostseebad Müritz zufällig begegnen, fühlen sie sich sofort voneinander angezogen, haben sie bald nur noch füreinander Augen und Sinne. Für beide ist es die große Liebe. Und beide lassen diese Liebe zu. Obwohl sie wissen, dass ihnen nicht viel Zeit bleiben wird: Er verheimlicht ihr nicht, dass er an einer unheilbaren Lungentuberkulose leidet; deshalb ist er überhaupt zu dem Luftkurort gereist, in dem sie eine Kinderferienfreizeit des Berliner Jüdischen Volksheims betreut, in dem sie arbeitet. Sie haben gerade noch ein Jahr – voll von Lebensfreude und Glück, aber auch Schmerz.
Österreich 2024
Regie: Josef Hader
Mit: Birgit Minichmayr, Josef Hader u.a.
Verleih: Majestic
Laufzeit: 93 Minuten
Start: 4. April 2024
(ewei). Polizistin Andrea hat die niederösterreichische Provinz satt. Und ihren Mann. Und während die künftige St. Pöltener Kriminalinspektorin auf ihrem Heimatrevier sowohl Abschied als auch ihre kurz bevorstehende Scheidung feiert, sucht ihr baldiger Ex-Gatte Andi einsamen Trost im Schnaps. Kurz darauf läuft er ihr noch einmal über den Weg: Völlig betrunken torkelt er vor ihr nicht mehr zu bremsendes Auto und ist sofort tot. In ihrem Schreck begeht Andrea Fahrerflucht, besinnt sich jedoch alsbald und kehrt zum Ort des Geschehens zurück. Dort hadert indessen ein Unbekannter mit dem Schicksal, einen Menschen überfahren zu haben: Völlig untröstlich hockt der Religionslehrer und trockene Alkoholiker Franz an der Unfallstelle und ist von seiner schweren Schuld überzeugt. Schließlich greift er wieder zur Flasche. Und während er zielsicher seinem Untergang entgegentaumelt, bemüht sich Andrea, ihre Spuren zu verwischen. Höchst schrulliges Kino von Josef Hader.
Fotos: © Grandfilm Fotos: © MajesticSie hatten den besten Slot des Abends. Und haben ihn souverän genutzt: Die Freiburger Band „Das Aus der Jugend“ hat im Februar den Band-Contest „Rampe“ gewonnen. Kleine Brötchen backen die drei Musiker weiterhin. Doch Lob gibt es von vielen Seiten. Auch vom Mann, ohne den es die Band gar nicht geben würde.
Fünf Bands sind am 16. Februar im Jazzhaus Freiburg am Start. So auch „Das Aus der Jugend“. Max Keefer (Sänger/Gitarrist), Lion Günther (Bassist) und Hendrik Schwörer (Drummer/Sänger) laufen ohne Ambitionen auf den ersten Rampe-Platz auf. Aber sie liefern mit dem letzten Auftritt des Abends ein Feuerwerk an Energie und provokant-witzigen Texten.
„Das Jazzhaus hat gebrannt“, betont Jurorin Nicole Lapp. Die Jury sei sich einig gewesen: „Das war durchaus professionell, aber rotzig, so wie Punk sein muss.“ Auch beim Publikumsvoting lagen sie klar vorne. Die drei seien super Musiker, hätten eine überzeugende Bühnenpräsenz und finden „absolut wahre Worte“, so Lapp. Zum Beispiel im Song „Porsche fahr’n mit Christian“. Zu einer kreischenden Gitarre heißt es da über Finanzminister Christian Lindner: „Porsche fahr’n mit Christian, gemeinsam hoch hinaus / Porsche fahr’n mit Christian, ohne Tempolimit – ohne Verstand“.
von Till NeumannSchwörer (25). Das Lampenfieber sei groß gewesen, aber das Konzert trotzdem super gelaufen. Auf Wolke sieben schweben sie aber nicht mehr.
„Das Jazzhaus war so was Unerreichbares“
Zwei Wochen später sitzen die drei in ihrem Proberaum im Freiburger Haus der Jugend. So ganz begreifen können sie ihren Sieg noch nicht: „Es ist wie im Traum, dass wir überhaupt da spielen durften“, schwärmt
„Uns geht’s wundervoll, aber bisschen von der Lohnarbeit erdrückt gerade“, sagt Keefer (25). Hier im Proberaum haben sie vor zwei Jahren losgelegt – ohne an Auftritte zu denken. „Als wir angefangen haben, hier so zu zocken, war im Jazzhaus zu spielen so was Unerreichbares“, erzählt Keefer. Damals war Schwörer in seine WG gezogen – die beiden suchten einen Ort zum Zocken. Sie klopften beim Haus der Jugend an. Es brauchte aber eine Band, um dort üben zu können – also fragte Schwörer seinen Arbeitskollegen Lion Günther (23). „Es ging da-
Geballte Energie: Max Keefer (vorne), Lion Günther (rechts) und Hendrik Schwörer (links) bei ihrem Contest-Gig im Jazzhaus.rum, dass man irgendwie in Übung bleibt“, so Schwörer. Dass daraus eine Band wird, sei nie der Plan gewesen.
Doch nach einigen Wochen meldete sich Tilo Fierravanti vom Haus der Jugend: Habt ihr nicht Lust, beim ZMF aufzutreten? Schwörers Antwort: „Ja gut, dann schreiben wir mal ein paar Songs.“ Mit Ach und Krach bekamen sie vier Tracks zustande. Ein kurzes Vergnügen sei das gewesen, aber der Push war da: „Das Feedback war so mega gut und wir hatten Spaß. Wir hatten irgendwie was zu erzählen“, erinnert sich Schwörer. Also schrieben sie weiter – und bekamen von Fierravanti neue Gigs angeboten.
Dafür sind sie dem Sozialarbeiter dankbar: „Tilo ist der einzige Grund, warum es uns gibt“, betont Keefer. Und Fierravanti gibt das Lob zurück: „Es hat unheimlich Spaß gemacht zu sehen, wie schnell sie sich als Band gefunden und richtig Gas gegeben haben.“ Ihr Programm sei beeindruckend gewachsen. Die Musik sieht er als Mischung aus Tiefgang und Witz: „Eben alles, nur kein 0815-Punk.“
„Wir hatten nie vor, Punk zu machen“
Als härteren Rock bezeichnen sie ihre Musik selbst. Doch die Punkeinflüsse sind prägend. Auch in ihrer jüngsten Single „Eat the Rich“. „Das Konsumvieh frisst, was es kriegt, ich esse heute rich“, dröhnt Keefer mit mächtiger Stimme. Und weiter: „Bei mir landet heute neben der Zucchini der RWE-Chef aufm Grill.“ Dazu lässt es die Band krachen. Das brachte im Jazzhaus die Menge zum Tanzen.
Als verschworene Einheit präsentierten sie sich da. Mit einer innigen Umarmung auf der Bühne vor ihrer Show. Die helfe auch gegen das Lampenfieber, erzählen sie. „Wir haben das als Band-Ritual eingeführt, damit wir halt echt gucken, so sehr bei uns zu sein“, erklärt Keefer. Er habe sich anfangs überhaupt nicht getraut zu singen. Genauso wenig wie Drummer Schwörer, der ebenfalls Texte schreibt und mittlerweile lautstark zum Besten gibt.
„Wir hatten nie vor, Punk zu machen“, sagen die drei heute. Sie ließen sich einfach von ihren Gefühlen leiten und das käme dabei raus. „Es gibt unglaublich viele Dinge auf dieser Welt, die unfassbar widerlich sind“, sagt Keefer. Dagegen möchten sie sich positionieren. Ohne zu ernst zu sein. „Wir sind halt persönlich nicht in der Position, dass wir da krass drunter leiden“, erklärt der Gitarrist. „Weil wir drei super privilegierte weiße Cis-Dudes sind.“
Frei von Größenwahnsinn sind sie nicht. Nach dem ersten Auftritt bewarben sie sich bei der Band „Team Scheiße“ per Instagram-Video als Voract im Jazzhaus. „Wir wollen nach den Sternen greifen“, sagt Keefer und lacht. Die Bremer Band habe ihnen sogar geantwortet, aber abgesagt.
Dann waren sie einfach als Zuschauer dabei.
Doch die Team-Scheiße-Verbindung bleibt: Nach dem Sieg bei der Rampe meinte die Moderatorin halb im Scherz: „Team Scheiße muss sich warm anziehen.“ Dabei backen Das Aus der Jugend lieber kleine Brötchen. Lion Günther sagt es so: „Unser Ziel ist nicht groß rauszukommen, aber einfach mal raus aus Freiburg.“
„Suche nach
Ein Androide, der programmiert ist, um Gott zu töten. Das ist die Idee hinter dem Multimedia-Musik-Projekt „Andreas473“. Dahinter steht das mehrfach viral gegangene Kollektiv Luksan Wunder aus Freiburg und Berlin.
Ein Science-Fiction-Experiment in schwierigen Zeiten. Das probiert das umtriebige Kollektiv Luksan Wunder um Sandro de Lorenzo. Mit „Andreas473“ möchte der Wahlberliner neue Wege gehen: Mit seinem Team hat der 44-Jährige ein Bilderbuch geschaffen, begleitet von HipHop-Songs und einem Hörspiel. Entstanden ist das in Freiburg und erschienen am 4. März.
Die Idee schwirrte de Lorenzo schon länger durch den Kopf: „Ein Androide, der programmiert wurde, Gott zu töten.“ Wie sollte er die Geschichte erzählen? Vor einem Jahr wurde ihm klar: Das muss ein Hörspiel werden. Eine Geschichte voller „Fragen nach der Natur von Religion, nach dem Wesen des Glaubens, nach dem, ob es Gott gibt oder nicht“.
Als Gegenentwurf zum „Kleinen Prinzen“ begleitet man dabei den Androiden zu sieben Planeten. Grundlage dafür ist das Bilderbuch zur Story, geschaffen vom Freiburger Marcus Österle. Es enthält QR-Codes, die zu den einzelnen Kapiteln des Hörspiels führen. Die gibt’s kostenlos auf der Projektseite andreas473.de. Flankierend dazu veröffentlicht de Lorenzo, auch bekannt als Rapper von „Manfred Groove“, Elektro-Rap-Songs.
Das Werk ist eine „Suche nach Sinn“, multimedial aufbereitet von einem Team, das mit seinen Videos Millionen Menschen erreicht. Luksan Wunder haben in den vergangenen Jahren mit schrägem Humor das Netz aufgemischt: Videos mit absurd falschen Life-Hacks, komplett verdrehter „korrekter Aussprache“ oder textliche Parodien zu Rap-Musikvideos sind viral gegangen. Das erfolgreichste Video hat laut de Lorenzo auf verschiedenen Plattformen eine halbe Milliarde Klicks gesammelt. Es nennt sich „The Most Unsatisfying Video in the World ever made“ und zeigt Alltagsfails wie eine schlecht geschnittene Tomate oder schwer zu mischende Spielkarten.
Mit Andreas473 geht die „Wunderfabrik“ nun neue Wege. Ob Gott am Ende sterben muss, verrät de Lorenzo nicht: Das Projekt wolle Fragen aufwerfen statt eine Botschaft zu vermitteln. „Andreas473 ist für Nerds“, sagt de Lorenzo. Skurrile Unterhaltung mit um die Ecke gedachtem Tiefsinn ist bei dem aufwendigen Projekt zahlreicher Kreativköpfe garantiert.
Till NeumannFantasievolle Welt voller Fragen: Bei Andreas473 soll ein Androide Gott töten. Zur Story gibt es ein Comic, ein Hörspiel und Songs.
Im Verbund mit Jazzhaus Education haben die Freiburger Entwickler von framelocker das „guiDo! Musiklernspiel“ für Kinder ab vier Jahren entwickelt. chilli-Volontär Pascal Lienhard hat mit Co-Founder Florian Denning über Hintergrund und Möglichkeiten des Spiels gesprochen.
Was ist das Ziel des Games?
Unser Wunsch war, die fantastische Welt der Kinderlieder auf innovative und doch altbewährte Art zu erkunden. Wir wollen Kinder spielerisch an Musik heranführen und ihr musikalisches Verständnis fördern. Dazu nutzen wir das Prinzip der Guidonischen Hand, ein bewährtes Mittel zur Orientierung im Tonsystem. Das ermöglicht den spielerischen und einfachen Zugang zur Musik. Das Ziel war ein Lernspiel, das nicht nur unterhält, sondern auch das musikalische Verständnis sowie die Früherziehung fördert.
Welche Möglichkeiten bietet „guiDo!“?
Sehr viele. Spieler lernen die Melodien bekannter Kinderlieder und die Grundlagen des Tonsystems. Zudem hören sie kreativ interpretierte Stücke wie „Alle meine Entchen“, die von Künstlern aus dem Jazzhaus aufgenommen wurden. Daneben kreieren sie eigene Melodien. Begleitet werden sie von den Figuren Jack und Jazzy.
Wie sind die Rückmeldungen?
Das Feedback ist hervorragend, die Anzahl der Spieler wächst stetig. Ab und an gibt es kleinere Schwierigkeiten, das Konzept zu verstehen. Die Guidonische Hand wird im deutschen Bildungssystem vernachlässigt und stattdessen kompliziertere Ansätze verwendet. In Ländern wie Frankreich oder den USA ist sie fest in der musikalischen Ausbildung verankert und wird erfolgreich angewendet.
(pl). Bei der Kölner Formation Setyøursails geht was. Mit ihrem Mix aus Stilen wie Metalcore, Post-Hardcore und Melodic Hardcore hat das Quartett viel Anerkennung erfahren und unter anderem auf dem Summer Breeze gerockt. Mit dabei ist seit 2022 auch Bassist Nicolai Hoch, der in der Region vor allem als Ex-Member der Breisgauer Band Von Welt bekannt ist. Mit Setyøursails geht er in eine deutlich härtere Richtung.
Die Single „Bad Blood“ ist der zweite Vorbote auf das gleichnamige Album, das Mitte April erscheinen soll. Die Nummer macht Druck, Frontfrau Jules Mitch geht in die Vollen. Musikalisch wechselt der Track zwischen heftigen Parts und einem melodischen Refrain. Textlich geht es mit Zeilen wie „Your hate changed me for the better“ um eine Abrechnung mit einer ungeliebten Person. Als Verstärkung haben sich die Kölner·innen Adrian Estrella ins Boot geholt, unter anderem Leadsänger der US-amerikanischen Band Zebrahead.
Die Nummer erreicht zwar nicht ganz die Klasse des Vorgängers „Best of me“. Doch auf jeden Fall macht der Track Bock auf den Nachfolger des gelobten Zweitwerks „Nightfall“ von 2022. Von Setyøursails dürften Genrefans in den kommenden Jahren noch einiges hören.
(pl). Ein Traditionalist ist Ralf Schmid nicht gerade. Seit einigen Jahren hat der Pianist und Professor an der Freiburger Hochschule für Musik mit Pyanook ein besonderes Projekt am Start. Futuristisch und beeindruckend ist sein Einsatz von Datenhandschuhen, mit denen er den Klang seines Flügels durch Handgesten beeinflusst.
Die ruhige Single „Rootopia“ versprüht Jazz-Vibes. Schmid erklärt, dass der Song von seiner Idee einer utopischen Welt handelt. „Manchmal meditiere ich in meinem Studio und nehme die Ruhe und Verwurzelung direkt mit in eine Aufnahme“, lässt der Musiker seine Insta-Follower·innen auf Englisch wissen. „Ich beginne Rootopia mit einem mantraartigen Bass und träume mich immer weiter in die Idee einer Welt voller liebevoller Güte, sei es in der Zukunft oder gerade in diesem Moment."
Eine geheimnisvolle Entspanntheit ist der Nummer anzuhören. Vom Easy-Listening ist der gelungene Track zwar weit entfernt. Aber wer will, kann sich wunderbar in den Song und aus der Realität wegträumen. Nach „Do not worry?“ ist „Rootopia“ die zweite Single seit November. Gerne mehr von Schmid, seinen Datenhandschuhen und dem innovativen Projekt.
(pl). Der neue Song der Freiburger Künstlerin Rike Bender klingt fast so, als seien Marty McFly und Doc Brown aus „Zurück in die Zukunft“ in ihre legendäre Zeitmaschine gesprungen – und Mitte der 1980erJahre wieder ausgestiegen. Wer auf leicht düsteren und nostalgischen Synthie-Pop steht, sollte in jedem Fall mal ein Ohr riskieren.
Rika Bender blickt gern in die Vergangenheit. Die Künstlerin, die ein Musikstudium und verschiedene Bandprojekte hinter sich hat, hat mit „Moongirl“ eine angenehm nostalgische Single veröffentlicht: Der Song lässt zum Teil an Acts wie die deutsche Band Alphaville oder die Briten von Ultravox denken. Die Stimmung schwankt irgendwo zwischen Euphorie und Melancholie. Im Musikvideo ist neben feiernden Personen auch eine nächtliche Autofahrt zu sehen – ein perfektes Setting für die Nummer.
Wem der Song gefällt, kann entweder den älteren Tracks der Musikerin lauschen – oder noch eine kurze Weile auf neuen Content warten. Denn schon bald soll es weitergehen: Gegenüber dem chilli erzählt die Künstlerin, dass bereits zwei weitere Singles und eine EP geplant sind. Der nächste Track erscheint bereits am 29. März und wird auf den vielversprechenden Namen „Rocket Ralle“ hören.
(tln). In Freiburg dürfte das Deutschrap-Duo Durch&Durch wenigen bekannt sein. Dabei machen die beiden seit sechs Jahren gemeinsame Sache hier in der Stadt. Jetzt steht „Durch&Durch – Premium Music“ in den Startlöchern. Das ist am 1. März erschienen. Vorab gab es zwei Singles: „Knietief“ und „Premium“.
An Selbstbewusstsein scheint’s nicht zu fehlen: „Prime Time, beste Qualität“ sind die ersten Worte in „Premium“. Schnell wird klar: Hier werden wenig Blätter vor den Mund genommen. Es geht um Gras, Luxusflüge und eine Lebensversicherung für die Kollegen. Dazu gibt’s elektronische Beats, die vor allem durch eins rausstechen: Bass.
Sich in der Hook als Amazon-Premium-Kunde zu äußern, ist in konsumkritischen Zeiten fast schon gewagt. Aber das HipHop-Game tanzt hier ja gerne aus der Reihe. Der Rap kommt stabil durch die Boxen. Der Flow erinnert in manchen Momenten an Marsimoto. Und keine Frage: Der Beat macht Druck und damit Laune.
„Etwas zwischen tanzbar, tiefsinnig und durchgeknallt“ nennen sich die beiden. Dass sie dazu nach vorne gehen können, unterstreicht auch „Knietief“. Hier ist ein energiegeladener Sound gelungen, der neugierig macht. Man darf gespannt sein, wie das live klingt.
Die Freiburger Geschmackspolizei ermittelt schon seit 20 Jahren gegen Geschmacksverbrechen –nicht nur, aber vor allem in der Musik. Für die cultur.zeit verhaftet Ralf Welteroth fragwürdige Werke von Künstlern, die das geschmackliche Sicherheitsgefühl der Bevölkerung empfindlich beeinträchtigen.
Hanf, auch als Cannabis bekannt und momentan durch die anstehende Legalisierung in aller Munde, kann man mögen und konsumieren oder eben nicht. Für Alkohol, ein hochwirksames Nervengift, gilt im Prinzip das Gleiche, nur dass hier eben doch zuweilen mit zweierlei Maß (!) gemessen wird. Aber das ist nicht unsere Baustelle, auch wenn uns deshalb regelmäßig der Kamm unter der Polizeimütze schwillt.
Musicals hingegen beschäftigen die Geschmackspolizei über die letzten Jahrzehnte immer wieder und stellen neben Fußpilz, Dieter Bohlen und den Amigos mit die größte Herausforderung für uns dar – organisierte Kriminalität, Andrew Lloyd Webber als der Pate. Musicals gibt es zu Katzen, Löwen, Udo Jürgens, Michael Jackson, Tarzan, Heidi, Jack the Ripper – und demnächst vermutlich auch über Helmut Kohl oder Angela Merkel. Just dieser Tage wurde zeitgeistig an den Uckermärkischen (!) Bühnen in Schwedt die Premiere des Musicals „Hanf. Ein berauschender Abend“ gefeiert. Ein gewisser Chris Paffke scheint der kiffende Protagonist zu sein. Über die Musik ist uns bis dato wenig bekannt, wir sind aber dran. Oliver Hanf, Sänger und Songschreiber mit zweifelhaftem Oeuvre („Hanfarbeit“) hat hier wohl seine Finger nicht im Spiel, aber vielleicht hat er auch inkognito einen Auftritt als singender Joint. Wir halten Sie auf dem Laufenden, großes Kiffer-Ehrenwort.
Leicht angeschickert grüßt Ihre Geschmacksamspilozei
Schon viele haben sich aufgemacht, das Wesen der russischen Macht zu entlarven: Autoren, Politiker, Künstler, Aktivisten. Zwar ist ihnen dies weitgehend gelungen, doch trotz aller Analysen, aller Anklagen, aller Beweise, allen Missbrauchs hält sich seit Jahrzehnten ein einziger Mann an dieser Macht. Einer, den der seit dem Überfall auf die Ukraine im Exil lebende Schriftsteller Viktor Jerofejew als „Großen Gopnik“ bezeichnet, als „eine Art Hinterhofimperialisten“. Jerofejew ist mit dem Freiburger Intendanten Peter Carp befreundet. Deshalb gibt es am Theater bald eine Welt-Uraufführung.
In seinem gleichnamigen Roman zeichnet der 1947 in Moskau geborene Autor den aufhaltsamen Aufstieg dieses Mannes nach, dessen zweifelhafte Karriere in den Hinterhöfen Leningrads begann, wie St. Petersburg zur Zeit des halbstarken Gopnik hieß. Und wo der Sohn linientreuer Stalinisten als hinterhältiger Straßenrowdy, Schläger und Ga-
Der große Gopnik von Viktor Jerofejew Übersetzung:
Beate Rausch
Verlag: Matthes & Seitz, 2023
614 Seiten, gebunden
Preis: 28 Euro
nove sein Unwesen trieb. Allerdings eher zur sinnstiftenden Freizeitgestaltung denn zur Bereicherung: Da er schon früh Luxusgegenstände wie eine Armbanduhr (und später gar ein eigenes Auto) besitzt, geht es eher um Autoritätswahrung. Darum, sowohl seinen Opfern als auch seiner Peergroup Angst einzujagen, sie zu erniedrigen und seine stets gewaltbereite Macht zu demonstrieren.
von Erika WeisserWas passiert heute in Russland? Viktor Jerofejew enthüllt in seinem Theaterstück Machtmechanismen: rasant, ironisch und abgründig.
Der Gopnik erscheint als eigentlich unglücklicher Junge, dem wegen seiner Affinität zur Gewalt zunächst die Aufnahme in den örtlichen Jugendverband verwehrt wird. Womit sein unbändiges, lebenslang anhaltendes Verlangen nach Rache geweckt wird, das er bald stillen kann: im Geheimdienst, in dem er schnell aufsteigt. Und zudem „das heilige Gehege findet, das ihn vor der Ahndung eines jeglichen Vergehens schützte“. Wie aus dem Roman hervorgeht, wolle nämlich auch der mittlerweile große Gopnik „nichts anderes als sich beschützt fühlen“. Deshalb umgebe er sich bis heute so gern mit Bunkerwänden und plane an langen Tischen die Rückeroberung der alten Größe, Macht und Herrlichkeit Russlands und dessen angeblich behütender Stabilität.
Jerofejew, Sohn des persönlichen Dolmetschers Stalins, stellt aber auch sein Leben – und das vieler seiner Landsleute – in den Zusammenhang mit dem offensichtlichen Paradox des
Vorstoßes eines Kleinkriminellen in eine der Machtzentralen des Weltgeschehens. Seine im Roman immer wieder durchscheinende These: Die mit Geschichtsvergessenheit gepaarte Unfähigkeit der Russen, sich der eigenen Gewaltgeschichte zu stellen und sich stattdessen an archaisches Denken und mythologisches Schwelgen zu klammern, habe der Bereitschaft zur Verdummung den Boden bereitet. Und somit der Karriere eines Verdummungs-Profis.
Der rasante, oft ironische und noch öfter abgründige Roman entstand während des Kriegs in der Ukraine, seine Übersetzung erschien im Herbst 2023. Seine persönliche Freundschaft mit Peter Carp, dem Intendanten des Theaters Freiburg, führte dazu, dass er exklusiv für eben dieses Theater eine Bühnenfassung des „Gopnik“ schrieb. Die Welt-Uraufführung ist – in Anwesenheit des Autors – am 13. April in Freiburg.
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von Gaea Schoeters aus dem Niederländischen von Lisa Mensing
Verlag: Zsolnay, 2024
255 Seiten, Hardcover
Preis: 24 Euro
(ewei). Hunter White, ein ziemlich steinreicher und überaus selbstherrlicher US-Amerikaner, ist begeisterter Großwildjäger. Seit Jahren reist er nach Afrika, um seltene oder vom Aussterben bedrohte Tiere zu erlegen und mit deren präparierten Überresten sein New Yorker Trophäenzimmer zu schmücken.
Da mit dem Geld für seine teure Jagdlizenz auf eigentlich streng behütete Spezies aber deren Schutzprogramme finanziert werden, versteht er sich zugleich als Arten- und Umweltschützer.
Den Widerspruch will er nicht sehen. Für den erfolgsgewohnten Alpha-Mann ist die Erde ohnehin nur ein Ort, dessen Landschaften, Menschen und Ressourcen seinen Interessen zu dienen haben. Nicht nur in Afrika, dem Kontinent, den er „nur wegen seiner Flora und Fauna akzeptiert“, dessen Bewohner ihm aber völlig egal sind.
Dies wird sehr drastisch deutlich, als die Erfüllung seines langgehegten Wunsches greifbar nahe scheint: Endlich bietet ihm sein undurchsichtiger ortsansässiger Jagdfreund Van Heeren ein Nashorn zum Abschuss an. Doch das Projekt wird von jungen Afrikanern durchkreuzt. Hunter sinnt auf Rache.
Die niederländischsprachige belgische Autorin Gaea Schoeters thematisiert in ihrem packenden, tiefenscharfen und radikalen Roman die Ungleichmachung der Macht.
von Ulrich Herbert u.a. (Hrsg.)
Verlag: Hörverlag, 2023
4 MP3-CDs, ca. 40 Std.
Preis: ca. 50 Euro
(ewei). Am 21. März wird der Buchpreis der Leipziger Buchmesse vergeben. Und heuer haben die Juroren bei der Nominierung überraschende Entscheidungen getroffen. Zum ersten Mal ist im Bereich der Belletristik ein Comic in der engeren Auswahl – und beim Sachbuch ein Hörbuch.
„Jahrhundertstimmen 1945–2000 – Deutsche Geschichte in 400 Originalaufnahmen“ lautet der Titel dieses Hörbuchs, an dem der Freiburger Historiker Ulrich Herbert mitgearbeitet hat. Er gehört zu den Herausgebern, die im Deutschen Rundfunkarchiv und anderswo monatelang mit viel Aufwand recherchiert haben. Und er ist in den einführenden und begleitenden Gesprächen zu hören, die der Schriftsteller Hans Sarkowicz zu den Hintergründen der historischen Tonaufnahmen führt.
In dieser klug ausgewählten Zusammenstellung von Originaltönen aus Politik, Kultur und Gesellschaft werden Visionen einiger Aufbrüche wiederbelebt. Außer der Phase des Wiederaufbaus, der Erneuerung staatlicher und wirtschaftlicher Strukturen wird auch die Vertiefung ideologischer Gräben sowie die politische und gesellschaftliche Entwicklung der beiden deutschen Staaten im Kalten Krieg nacherlebbar – bis hin zur Vereinigung und deren Folgen. Quasi ein auditiver Leitfaden zum Verständnis einiger heutiger Phänomene.
von Doris Feil
Verlag:
KJM, 2024
144 Seiten, Hardcover
Preis: 22 Euro
(ewei). Vor dem Haus am Berghang steht ein sprudelnder Brunnen. Doch der vom Aufstieg erschöpfte Gast verweigert das belebende Wasser, das der Gastgeber ihm aus dieser einzigen Quelle anbietet, über die die am Waldsaum hoch über dem Dorf gelegene Hütte verfügt: Auf der Brunnensäule prangt ein Stern.
Es ist der Sommer 1967. Der Gast ist Paul Celan. Wenige Tage zuvor hat der Dichter der „Todesfuge“ und Holocaustüberlebende das Audimax der Universität Freiburg bis auf den letzten Platz gefüllt. Dort lud ihn der ehemalige, 1933 ernannte Rektor eben dieser Universität zum Ausflug nach Todtnauberg ein: Martin Heidegger, der sich mit seiner Seins-Philosophie einen Namen gemacht, sich sodann aber auf ihre unheilvolle Verwirrung und Verknüpfung mit einer auch für Celans Eltern tödlichen Ideologie eingelassen und sein Denken in eine nie widerrufene Nazigefolgschaft hineinsteuert hatte.
Bei ihren schweigsamen Fahrten durch den Hochschwarzwald, die Doris Feil nun mit ihren Lesern nachvollzieht, führen die beiden Männer so manches Gespräch. Doch Celans „im Herzen getragene Hoffnung“ auf ein aus dem Mund „eines Denkenden“ kommendes Wort der persönlichen Reue erfüllt sich nicht. Heidegger schweigt. Und verspielt die letzte Chance zur Heilung.