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„90 Prozent ist Arbeit“

Langsam schickt sich Marie Lemor an, der FC Bayern des Freiburger Poetry Slams zu werden. Drei Mal in Folge hat die 31-Jährige die Stadtmeisterschaften gewonnen. Dabei scheut sich die junge Mutter nicht vor schwierigen Themen. 2024 steht ein außergewöhnliches Heimspiel an.

Slammer Sebastian 23 zu ihrem ersten Text. Als 19-Jährige trug sie den 2011 im Café Atlantik vor. „Die Präsentation war nicht so geil“, erinnert sich Lemor. Ein Tisch hätte sie für den Herzschmerz-Liebe-Text sogar ausgebuht.

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von Till Neumann

Bewegende Themen: Marie Lemor slamt zum Leben als junge Mutter, aber auch zu Sexismus oder Depression. Das kommt an.

„Ich hab keine Zeit übrig, deswegen fange ich jetzt an.“ So trocken hat Lemor im Juli ihre Performance bei den Stadtmeisterschaften im Poetry Slam begonnen. Was dann folgt, sorgt für viele Lacher: Sie erzählt von einer Tochter, die ausschließlich Nudeln mit Pesto mag –und das nur vom Teller mit den Eulen drauf. „Ich wurde viele Dinge genannt, aber Mama ist das Krasseste“, lautet ihr Schlusssatz. Und der sitzt.

Was ihr Erfolgsrezept ist? „Wahrscheinlich Authentizität“, sagt Lemor zwei Wochen später dem chilli. Sie schreibe nur über Sachen, die sie persönlich oder gesellschaftlich bewegen und berühren. Nur so werde es gut.

Inspiration zieht die angehende Psychotherapeutin aus dem Alltag. Ideen nimmt sie mit dem Handy als Sprachmemo auf. Konkret wird es, wenn Auftritte anstehen. „Das macht den nötigen Druck, um fertig zu schreiben“, sagt Lemor. „Inspiration sind vielleicht so 10 Prozent, 90 Prozent ist halt einfach Arbeit.“

Bühnenaffin war Lemor schon immer. Erst interessierte sie das Schauspiel, dann kam sie über einen Workshop mit dem

Heute performt sie souverän, eloquent und charmant-trocken. In ihren Texten geht es auch um sexualisierte Gewalt, Depressionen oder Mental Health. „Es ist eine Gratwanderung“, sagt Lemor. Poetry Slam sei zwar ein Unterhaltungsformat, aber Kleinkunst dürfe auch einen anderen Anspruch als Klamauk haben.

Laut dem Freiburger Slam-Moderator Ansgar Hufnagel gelingt ihr das hervorragend: „Sie schafft es, mit fast allen Texten am Zahn der Zeit zu sein.“ Drei Titel in Folge seien kein Zufall. Hufnagel schätzt ihre Kunst als „lustig, ernst und tiefgründig. Einfach wahnsinnig schöne Texte“.

Für Lemor ist die Kunst Leidenschaft und Nebenerwerb: „Ich kann und will nicht davon leben.“ Ambitioniert zu Werke geht sie trotzdem. Auch mit kleinen Texten auf ihrem Instagram-Kanal „plauderpoesie“. Bei den Deutschen Meisterschaften 2021 schaffte sie es auf den vierten Platz. 2024 tritt sie bei den Landesmeisterschaften an – für Freiburg, in Freiburg.

Dass sich Lemor über den Breisgau hinaus einen Namen macht, scheint keineswegs ausgeschlossen. „Ich nehme alles mit, was ich kriegen kann“, sagt die Künstlerin. Sebastian 23 hat den Breisgau ja auch längst verlassen.

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