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Wortbilder einer Dichterin

Ingeborg Gleichaufs Neues Buch Ist Eine Engagierte Einf Hlung In Das Werk Der Lyrikerin Gertrud Kolmar

Ingeborg Gleichauf ist eine fleißige und produktive Autorin. In den 28 Jahren ihres freien Schriftstellerinnendaseins hat die fast 70-Jährige 15 Bücher veröffentlicht. Und sich dabei bis auf wenige Ausnahmen nicht gerade mit einfachen Themen beschäftigt. Im Gegenteil: In ihren kenntnisreichen Biografien und Porträts vorwiegend weiblicher Menschen hat sich die promovierte Germanistin und Philosophin, die aus Neustadt stammt und seit 50 Jahren in Freiburg lebt, stets mit schwierigen oder schwierig einzuordnenden Persönlichkeiten beschäftigt.

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Simone de Beauvoir gehörte dazu, Ingeborg Bachmann, Hannah Arendt, aber auch umstrittene Frauen wie Gudrun Ensslin. Und nun eben auch Gertrud Kolmar, die wenig bekannte „Dichterin mit den starken Wortbildern“. Wie bei den anderen mehr oder weniger namhaften Dichterinnen, Philosophinnen und Aktivistinnen hat Gleichauf auch in ihrem jüngsten Buch das Leben und Handeln ihrer Protagonistin weniger interpretiert als sorgfältig recherchiert und säuberlich, aber dennoch empathisch, analysiert.

Kolmar, zu spüren. Dadurch, dass Gleichauf viele ausführliche Beispiele aus dem lyrischen Werk dieser fast vergessenen Autorin einflicht und so Dichtung und Leben miteinander verwebt, wird das Buch dennoch zu einem sehr fundierten und genauen Porträt dieser Frau. Die nicht einmal 50 Jahre alt war, als sie 1943, nach zwei Jahre währender Zwangsarbeit in einem Berliner Rüstungsbetrieb als Jüdin nach Auschwitz deportiert und ermordet wurde.

Alles ist seltsam in der Welt

Gertrud Kolmar. Ein Porträt

Von Ingeborg Gleichauf

Verlag: Aviva, 2023

206 Seiten, gebunden

Die komplexen Hintergründe und Beziehungen, die sie prägten. Aber auch und vor allem „von innen heraus“ anhand der schriftlichen Spuren, die sie hinterließen: Lyrik, Prosa, Manifeste, Artikel, Tagebücher, Briefe. Über diese „Zeugnisse des intimsten Empfindens“, sagt sie, nähere sie sich jenen an, die sie zwar erforsche, jedoch nie als Forschungsobjekte sehe. Sondern als besondere Menschen.

Diese Herangehensweise erlaube ihr, schon im Prozess der Recherche eine Nähe zu der jeweiligen Person aufzubauen, aus der sich beim Schreiben ein „tiefes Verstehen“ entwickle. Diese ganz besondere –aber keineswegs distanzlose – Einfühlung ist auch in „Alles ist seltsam in der Welt“, dem biografischen Essay über Gertrud

Ihre Motivation, dieses Buch zu schreiben, sagt Gleichauf, sei es gewesen, die zwar sehr persönliche, aber universelle und nicht an Zeitläufte gebundene Lyrik von Gertrud Kolmar heutigen Leserinnen und Lesern nahe zu bringen. Und dabei auch der Gefahr entgegenzutreten, „alles vor dem Horizont ihres frühen und gewaltsamen Todes zu lesen“. Denn bevor sie zum Opfer wurde, habe sie gelebt. Und wurde, „indem sie die Dichterin ihres Lebens ist, zur Dichterin des Lebens überhaupt“.

Info: Am 31. August gibt es bei den Herdermer Sommerlesungen auf dem Kirchplatz die Gelegenheit, mit Ingeborg Gleichauf in eben dieses Leben der Gertrud Kolmar einzutauchen.

Beginn: 19.30 Uhr, bei Regen im Jugendforum bei der Weiherhofschule.

Frau Des Himmels Und Der St Rme

von Wilfried N’Sondé Übersetzung:

Brigitte Große

Verlag:

Kopf & Kragen, 2023

256 Seiten, Taschenbuch

Preis: 24 Euro

Schwarze Frau im Eis

(ewei). Num wohnt auf der dünn besiedelten westsibirischen Halbinsel Jamal im Nordpolarkreis. Er gehört zu der dort seit Urzeiten ansässigen Volksgruppe der Nenzen, die als vollnomadische Rentierzüchter leben. Num verbrachte viele Jahre zwangsweise in Moskau; seit er nach Jamal zurückkehrte, ist er Schamane und widmet sich der mit der Natur im Einklang stehenden Kultur und Lebensweise seiner Leute – und setzt sich für deren Erhalt ein.

Denn diese weltweit einmalige Lebensweise ist bedroht. Nicht nur durch die Erderwärmung, die den jahrtausendealten Permafrostboden zum Auftauen bringt. Sondern auch durch die Entdeckung riesiger Erdgasfelder. Deren Ausbeutung würde das ohnehin gefährdete ökologische Gleichgewicht in der arktischen Tundra vollends zerstören und den Indigenen ihre Existenzgrundlage nehmen.

Doch mit der russischen Gas-Mafia ist nicht zu spaßen: Mächtig, skrupellos und an nichts als der größtmöglichen Profitmaximierung interessiert, setzen sie Num und seine „ökologischen Spinner“ enorm unter Druck. Doch dann findet er nach einem Starkregen das prunkvolle, mehr als 10.000 Jahre alte Grab einer schwarzen Frau. Und hofft, die Gazprombarone mit diesem sensationellen Fund aufhalten zu können. Ein spannender Wettlauf beginnt.

von Andrej Blatnik Übersetzung:

Klaus Detlef Olof

Verlag:

Folio, 2023

253 Seiten, gebunden

Preis: 25 Euro

Punkrock in Samtschuhen

(ewei). Slowenien, das Gastland der Frankfurter Buchmesse 2023, ist derzeit eher wegen schwerer Unwetter in den Schlagzeilen denn wegen seiner Literatur. Dabei gibt es eine sehr lebendige, hier jedoch weitgehend unbekannte literarische Szene.

Zu den nicht ganz Unbekannten zählt Andrej Blatnik; immerhin wurden schon 4 seiner 17 Bücher ins Deutsche übersetzt. In seinem jüngsten liefert der Journalist, Kultursoziologe und ehemalige Punkrocker eine rasante Nahaufnahme von der Genese des heutigen Staats in den späten 1980ern. Er versteht es, die Leser direkt in das Geschehen hineinzuziehen, das auf dem titelgebenden Platz seinen Lauf nimmt. Dorthin strömen die Menschenmassen – „von links, von rechts, von überall. Unaufhaltsam. Hippies, Punks, Studenten, Stadtstreicher, Gewerbetreibende, Arbeiter, Professoren, Bauern. Alle.“

Nur ein namenloser Systemkonformist zögert. Vor Ort ist er bloß wegen der Band Pankrti, die die Revolution anheizt, von der er nichts wissen will – und von der viele noch nicht wissen, dass es eine ist. Als er im Gedränge auf die samtenen Wildlederschuhe einer entschlossenen Rebellin tappt, beginnt eine verrückte, verzwickte Liebesgeschichte, die in eine ähnliche Ratlosigkeit mündet wie die Unabhängigkeit des Landes.

Weisstannenh He

von Christoph Weiglein

Verlag:

Emons, 2023

288 Seiten, Broschur

Preis: 14 Euro

Geheime Netzwerke

(ewei). Es geschah vor 95 Jahren: Anfang Juni 1928 wurden in einem Wald auf der Weißtannenhöhe bei Breitnau zwei ermordete Frauen gefunden: die Cousinen Ida und Luise Gersbach, Lehrerinnen in Mannheim. Am 31. Mai waren sie zuletzt lebend gesehen worden, von einem Täter fehlte jede Spur. Der Fall wurde nie aufgeklärt, die rätselhafte Tat ließ viel Raum für Vermutungen, Mythen und Phantasiegeschichten. Bis heute.

Christoph Weiglein, Autor aus Villingen-Schwenningen, entwickelt aus dem Tatbestand eine sehr spannende und recht überzeugende Geschichte, die auch die politischen Verhältnisse jener Zeit thematisiert – samt dem zunehmenden Einfluss der NSDAP. So ist etwa Benedikt Falk, Anwärter bei der Kripo Freiburg, ein strammer Nazi. Von seinen republiktreuen Vorgesetzten Gerd Tanner und Hans Kaltenbach kann er zwar immer wieder ausgebremst, aber letztlich nicht wirklich gestoppt werden: Die geheimen rechten Netzwerke sind bereits zu dicht und zu wirksam. Zudem ist Staatsanwalt Tauenstein ein Opportunist und darauf bedacht, sich mit den künftigen Machthabern zu arrangieren.

Er verhindert, dass Tanner und Kaltenbach die Spur eines Auftragsmords verfolgen, in den höchste NS-Kreise verstrickt zu sein scheinen. Und nimmt dabei weitere Tote in Kauf.

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