f79 – Das Schülermagazin für Freiburg und Region

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Gendern // wie wichtig ist das? Umwelt // E-Scooter – kein nachhaltiger trend Test // welcher impftyp bist du? interview // schüler will lego-rekord aufstellen jobstarter // duale ausbildung // karriere beim zoll // jugendforum


Wir sagen

DANKE!

Das Bildungsprojekt f79 ist seit 2009

Rheinfelden bis Waldshut, Breisgau-Hoch­

Nur mit Hilfe von Förderern der

am Start. Mittlerweile beteiligen sich mehr

schwarzwald, von Emmendingen bis in die

öffentlichen Hand und der Privatwirtschaft,

als 480 Schulen und 2600 Jugend­

Ortenau, vom Schwarzwald-Baar-Kreis bis

Stiftungen, dem Land Baden-Württemberg

einrichtungen aus ganz Südbaden an

Bodensee. Somit sind alle Schulen aller

und der EU kann diese Projektarbeit

verschiedenen Bildungs-, Berufs- und

Schularten und ein Großteil der Jugend-

umgesetzt werden. Dafür möchten wir uns

Medienangeboten beim f79 Schüler-

einrichtungen in Südbaden an das

auch im Namen aller Schülerinnen und

magazin: Von Freiburg bis Weil a.R., von

Projekt angebunden.

Schüler bedanken.

Wir suchen weitere Kooperationspartner. Interessiert? Infos unter bildungssponsoring@f79.de

DIGITALES LERNEN // PANNEN UND POTENZIALE

HAUPTFACH // KÄLTE IM KLASSENZIMMER

HAUPTFACH // SCHULE IN DER KRISE

HAUPTFACH // FREIBURGER FORDERN MEHR RADWEGE

SOZIALKUNDE // TÄNZER KÄMPFT FÜR KULTUR TEST // WELCHER LIEBES-TYP BIST DU? WIRTSCHAFT // TEURER SPASS: FASZINATION LUXUSUHREN

COMPUTER-AG // CLASH DER KONSOLEN TEST // WELCHER WINTER-TYP BIST DU? SOZIALKUNDE // DIE ONLINE-SEELSORGER

COMPUTER-AG // GAMES FÜR ZWISCHENDURCH TEST // WELCHER PANDEMIE-TYP BIST DU? WIRTSCHAFT // NEUER SECOND-HAND-LADEN

TECHNIK // 5G – STREIT UM SCHNELLEN MOBILFUNK BIO // FRIDAYS-FOR-FUTURE-SPRECHERIN ZUM KLIMAPAKET WIRTSCHAFT // SECONDHAND GEGEN TREND-PIECES

JOBSTARTER: SPEED-DATING // DUAL STUDIEREN // BÜROBERUFE IM WANDEL

INTERVIEW: EHC-GOALIE BEN MEISNER ÜBER SEINE SCHULZEIT // JOBSTARTER

INTERVIEW ZUR FREIBURGER NETFLIX-SERIE „BIOHACKERS“ // JOBSTARTER

VINCENZO GRIFO IM INTERVIEW // GEWINNSPIELE // F79-KALENDER // JOBSTARTER

www.f79.de


Erste Stunde

Sternchen oder nicht Impressum f79 // Das Schülermagazin für Freiburg und Region Redaktionsbüro // Paul-Ehrlich-Straße 13 // 79106 Freiburg fon // Redaktion 0761-76 99 83-85 fon // Anzeigen 0761-76 99 83-0 Website www.chilli-freiburg.de/chilli/f79/ Herausgeber // chilli Freiburg GmbH

Geschäftsführerin (V.i.S.d.P.) & Projektleitung // Michaela Moser // moser@f79.de Redaktionsleitung // Till Neumann // redaktion@f79.de Redaktion // Liliane Herzberg, Philip Thomas Koordination Schulen // Erika Weisser // weisser@f79.de Pressearbeit // Maria Schuchardt

Foto // freepik.com

Trägerverein // Kinderstadt Freiburg e. V.

Sprache? Wie wichtig ist gegenderte

Publizistischer Berater // Lars Bargmann Schülerredaktion dieser Ausgabe // Michail Awad, Maja Bruder, Jacqueline Honoré, Johanna Reich, Hendrik Sexauer, Emma Sophie Suchomel Titelbild // © iStock.com/Adene Sanchez Fotos // Schülerredakteure Bildagenturen // iStock, freepik, pixabay, pexels, fotolia, Stock.Adobe.com

Sollen wir gendern? Oder nicht? Auch beim

Seid ihr eigentlich schon geimpft? Als

f79 diskutieren wir darüber. Beim Lehrerpreis

junge Leserinnen und Leser wahrscheinlich

haben wir uns dafür entschieden. Da suchen

nicht. Damit seid ihr in der perfekten Phase für

wir: „Freiburgs Lehrer*in des Jahres“. Liest sich

unseren f79-Typen-Test zur Frage: Welcher

das umständlich? Oder ist es unfair zu sagen,

Impftyp bist du? Mit nur wenigen Antworten wisst ihr, was Sache ist: Verschwörungs-Ver­

Grafik & Layout // Miriam Hinze (Leitung), Julia Rumbach, Tatjana Kipf

dass wir nur den besten Lehrer suchen?

Lektorat // Beate Vogt

Thema mit Zündstoff. Es wird gezankt und

Anzeigenberatung // Christoph Winter (Leitung), Giuliano Siegel, Maria Schuchardt, Jennifer Patrias, Fredrik Frisch

gestritten über geschlechtergerechte Sprache.

sichten auf Normalität werden täglich besser.

Oft heißt es Leserlichkeit versus Gerechtigkeit.

Teil der Normalität ist für viele das Reisen.

Druckunterlagen // anzeigen@f79.de

Für unsere Autorin Johanna Reich ist die Sache

Einen Tipp dafür haben wir: die Lofoten-Inseln

Druck & Weiterverarbeitung // Freiburger Druck GmbH & Co. KG

klar: Gendern ist wichtig, findet die Studentin.

in Norwegen. f79-Autor Hendrik Sexauer war

Für sie ist das auch eine Frage des Respekts.

mit dem Rucksack da und ist begeistert. Wie

Auflage // 35.000 Exemplare

Nicht nur in Redaktionen ist das ein

Warum? Das erklärt sie in unserer

Auslagestellen // an 480 HS, RS, Gymnasien, berufl. Schulen in Südbaden: Von Freiburg bis Weil a.R., von Rheinfelden bis Waldshut, Breisgau-Hochschwarzwald, von Emmendingen bis in die Ortenau, vom SchwarzwaldBaar-Kreis bis Bodensee. Alle Agenturen für Arbeit in diesem Gebiet, alle BZ-Geschäftsstellen sowie über 2600 Jugendeinrichtungen in Südbaden (Jugendzentren, Vereine, Stadt- & Ortsverwaltungen, Büchereien, Fahrschulen, Haus- & Zahnärzte).

Titelgeschichte mit einem Kommentar. Außer­

Druckunterlagenschluss für Heft-Nr. 48 // 20. August 2021. Es gilt die Preisliste Nr. 12.

Ein Unternehmen der f79 wird gefördert // vom Land Baden-Württemberg und dem Europäischen Sozialfonds

f79 ist Preisträger des SPIEGELSchülerzeitungswettbewerbs 2012, 2014 und 2015 f79 ist Mitglied der

schwurbeler oder Allesnehmender Astra-Typ? Auch dank der Impfungen: Die Aus­

man einen versteckten Traumstrand finden kann, erzählt er auf den Seiten 14 und 15.

dem hat sie mit Sprachexpertinnen gespro­

Manch eine wird bei so einem Trip

chen. Interviewt hat sie unter anderem eine

vielleicht einen Geistesblitz haben, was sie

Vertreterin der Dudenredaktion. Dort weiß

später mal beruflich machen möchte. Wer mit

man um die Wucht der Debatte bestens

weniger Aufwand auf die Suche nach seinen

Bescheid: Als der Duden in seiner Online-

Karriereoptionen gehen möchte, kann auch

Fassung Berufsbezeichnungen genderte,

einfach den „Jobstarter“ im hinteren Teil des

gab es erboste Rückmeldungen.

Magazins lesen. Dort findet ihr jede Menge

Fast genauso umstritten sind E-Scoo­ ter. Die kleinen Elektroflitzer galten anfangs

Möglichkeiten für eure Zukunftsplanung. Unter anderem könnt ihr dort lesen, was

als der Renner. Dann kamen Diskussionen

das Freiburger Rathaus an Ausbildungs-

auf, ob sie nicht eher Städte verstopfen, als

wegen bietet. Oder wie ihr euren Weg ins

bei der Verkehrswende zu helfen. Wie

Handwerk ganz einfach per Smart­

nachhaltig sind die Dinger? Emma Sophie

phone finden könnt. Oder was ein

Suchomel hat mit dem Chef von Yoio gespro­

Studium beim Zoll alles kann.

chen. Die Firma hat die ersten E-Scooter nach Freiburg gebracht. Befragt hat die

Viel Spaß beim Lesen. Kommt

Schülerin auch eine Expertin des Umwelt­

gesund in den Sommer

bundesamtes. Die sieht E-Scooter durchaus

Till Neumann

kritisch.

& die f79-Crew

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f79 // 06.21


Klassenfoto

on i t k a d e R e i D abe g s u A r e s e i d

Philip Thomas

n Till Neum an m tagsgymnasiu Schule // Ganz Osterburken Alter // 37 ter ktion & Jobstar Beitr ag // Reda ist Silber, n de Re // ch Über mi ld. Schreiben ist Go

Emma Sophie Suchomel Schule // Freie Christliche Schule Freiburg Alter // 19 Beitrag // E-Scooter Über mich // „Jeder sieht, was du scheinst. Nur wenige fühlen, wie du bist.“ (Niccolò Machiavelli)

Schule // Wöhler Gymnasium (Frankfurt) Alter // 32 Beitrag // Redaktion & Jobstarter Über mich // Immer von Spiel zu Spiel denken.

Jacquelin e Honoré

xauer Hendrik Se Michail Awad

er M aja Brud um Staufen ust Gymnasi Schule // Fa Alter // 20 typ bist du? elcher Impf Beitrag // W cht zu viele ni // Ich habe Über mich cherregal. zu wenig Bü Bücher, nur

Schule // Freie Christliche Schule Freiburg Alter // 17 Beitrag // Wie weiter nach Klasse 12? Über mich // „Ich denke niemals an die Zukunft. Sie kommt früh genug.“ (Albert Einstein)

Schule // Freie Christliche Schule Freiburg Alter // 20 Beitr ag // Obdachlose in der Pand emie Über mich // Liebe ist stärker als Hass.

en asium Kenzing Schule // Gymn Alter // 23 zu den Lofoten Beitr ag // Reise überall, war noch nicht Über mich // Ich f meiner Liste. aber es steht au

Joha nna Reich Schule // Sozialwissensc haf tliches Gymnasium – BSZ Wa ldkirch Alter // 23 Beitrag // Gendern Über mich // Es gibt nur einen Weg Kritik zu vermeiden: nix tun, nix sagen, nix sein.

Tatjana Kipf

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f79 // 06.21

ach Ju lia Rumb rbeschule Lahr

Schule // Gewe Alter // 24 ng ut und Gestaltu Beitr ag // Layo en rd wu en um s Trä Über mich // Au chten. ma h fac ein r Dinge, die wi

Schule // Gertrud Luc kner Gewerbeschule Alter // 17 Beitrag // Layout und Gestaltung Über mich // Träum e von der Zukunf t, lebe im Hie r und Jetzt.


PrRedaktion om Rubrik i-Ec ke

Inhaltsangabe

Inhalt f79//06.21 Seite 4 // Klassenfoto Wir sind f79! Die Blattmacher dieser Ausgabe

Seite 6 -9 // Hauptfach Gendern – braucht es das?

Seite 10-11 // Umwelt E-Scooter: Ein Problem für die Natur? Foto // privat

Seite 12-13 // Sozialkunde Große Sorgen: Obdachlose in der Pandemie

Seite 14-15 // Reise Ein Backpacking-Trip auf den Lofoten-Inseln

Seite 16-18 // Test Drängler oder Angsthase: Welcher Impftyp bist du?

Seite 19 // Jobstarter Alles auf neu: Ausbildungsplätze nach der Pandemie

Seite 21 // Engagement Ein Online-Forum für Freiburger Jugendliche

Seite 22 // Digitale Jobs

Mehr als 7500 Lego-Teile hat der Emmendinger Schüler Noah Erhardt in knapp 13 Stunden zusammengebaut. Sein Rekordversuch am 8. Mai mit dem XXL-Lego „Millenium Falcon“ soll ins Guiness-Buch der Rekorde. Im Interview mit f79-Redaktionsleiter Till Neumann erzählt der 14-Jährige, warum er seine eigene Zeit unterbieten könnte und warum der Rekord vielleicht nicht anerkannt wird. f79 // Noah, wie ist der Rekordversuch gelaufen? Noah // Relativ gut. Meine Webcam war am Anfang kaputt, aber das war nicht schlimm. Ich bin relativ zufrieden mit der Zeit. Hätte ich im Livestream nicht so viel mit den Leuten im Chat geredet, hätte ich es schneller geschafft.

Mit einer App den richtigen Beruf finden

f79 // Was braucht es für einen Guiness-Rekord?

Seite 23 // Gesundheit

Zeugen zusammenzubekommen. Bei mir waren es sechs, vor allem

Unverzichtbar: Medizinische Fachangestellte

Noah // Das Schwiergste war, genügend unabhängige Experten und Freunde und Lehrer. Es müssen immer zwei zuschauen und das höchstens für vier Stunden. Man kann auch Leute von Guiness

Seite 24-25 // Kreativität

mieten, das kostet dann aber 900 Dollar.

Mit Zukunft: Design-Berufe im Fokus f79 // Ist der Rekord schon amtlich?

Seite 26 // Vielfalt 30 verschiedene städtische Ausbildungsberufe im Angebot

Noah // Nein. Das wird noch geprüft und dauert zwölf Wochen. YouTube speichert maximal zwölf Stunden Livestream. Wir haben alles aber auch per Zoom aufgezeichnet. Da fehlen durch technische

Seite 27 // Azubi-ABC

Probleme jedoch fünf Minuten. Wenn es mit dem Rekord nicht klappt,

Routine trotz Homeoffice

wäre das schon schade. Aber eine coole Aktion war’s trotzdem.

Seite 28 // Dual studieren

f79 // Setzt du denn noch einen drauf?

„Ich denke nur noch Zoll“: Ausbildung gehobener Dienst

Noah // Nach dem zusammengebauten „Millenium Falcon“ brauche ich erst mal eine Pause. Das war doch ziemlich viel. Mit dem „Collos­

Seite 30-31 // Schulende

seum“ gibt es ein noch größeres Set mit mehr als

12. Klasse und dann? Vier Perspektiven.

9000 Teilen. In 13,5 Stunden wäre das machbar – wenn ich nicht so viel rede.

Dein Thema nicht dabei?

Das Video zum Rekordversuch ist auf dem

Werde selbst f79-Reporter! // Kontakt: redaktion@f79.de

YouTube-Kanal „Noggels‘ Lego Creations“.

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HAUPTFACH

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HAUPTFACH

Kommentar: Warum f79-Autorin Johanna Reich gendern wichtig findet Manche finden es unnötig, umständlich oder

auch mit dem Gefühl zu tun, als Frau respek­

gar schwachsinnig. Andere bestehen darauf,

tiert zu werden. Das generische Maskulinum

dass eine Veränderung der Sprache essentiell

führt dazu, dass ich mich nicht ernst genom­

für die Gleichberechtigung aller Geschlechter

men und nicht mit einbezogen fühle.

ist. So sieht das auch f79-Autorin Johanna

Schon in den 90er-Jahren wurde in diversen

Reich (23). Die Studentin findet: Gendern ist

Studien gezeigt, wie wir gedanklich bei der

auch eine Frage des Respekts.

männlichen Form Frauen ausschließen. Doch nicht nur Frauen – auch Personen, die sich nicht

Zunächst möchte ich eine kleine Geschichte

einem der beiden biologischen Geschlechter

aus der psychologischen Forschung erzählen:

zuordnen, werden kategorisch ausgeschlossen.

Ein Vater fährt mit seinem Sohn in einem Auto

Sind unsichtbar. Um zu verstehen, wie sehr

nach Hause. Kurz bevor sie ankommen, haben

die Sprache unser Denken beeinflusst, müs­

sie einen schweren Autounfall. Der Vater überlebt

sen wir erst mal verstehen, WIE wir denken.

diesen nicht und stirbt noch an der Unfall­

Unsere Welt ist hochkomplex. Zum Glück

stelle – der Sohn ist schwer verletzt und wird

haben wir hierfür unser Gehirn, das von klein

direkt in das nächste Krankenhaus gebracht.

auf viele Schemata und Konstrukte bildet.

Dort arbeitet ein Chefchirurg, der Spezialist für

Ein perfektes Beispiel ist die Erdbeere: „Eine

Kopfverletzungen ist. Schnell wird alles vorberei­

Erdbeere zähle ich zu Obst – sie ist klein und

tet für die OP – nur der Chefchirurg fehlt noch.

rot – wenn ich reinbeiße, schmeckt es süß.“

Als dieser endlich reinkommt, wird er plötzlich

Das ist ein Konstrukt, das wir als Kind lernen.

ganz blass und sagt: „Das ist mein Sohn.“

Genauso machen wir das auch mit Beru­

Nun – etwas verwirrt? Na, bei dem

fen: „Ein Arzt ist ein erwachsener Mann mit

Chirurgen handelt es sich um die Mutter des

einem weißen Kittel – zu ihm gehe ich, wenn

Kindes. In der deutschen Sprache gilt, dass

ich krank bin.“ So kommt es jedoch, dass ich durch das Bild eines Mannes diesen Beruf als junges Mädchen erst einmal ausschließe. Wieso sollte ich mich als junges Mädchen auch mit dem Bild eines erwachsenen Mannes identifizieren, der den Beruf des Arztes ausübt?

die männliche Form, die wir generisches Maskulinum nennen, sowohl Frauen wie auch Männer mit einbezieht. Dieses Beispiel zeigt, wie sehr Sprache unser Denken beeinflusst und wir bei dem Wort „Chefchirurg“ einen Mann vor unserem geistigen Auge haben. Wir lassen uns also unterbewusst von der Sprache beeinflussen, ob wir wollen oder nicht. Logischerweise grenzt das auch unser Den­ ken ein – wir sehen die Möglichkeit, dass der Chefchirurg die Mutter ist, erst gar nicht. Sprache ist mächtig – sie bringt uns dazu, in Katego­ rien einzuteilen. In Stereotypen zu denken. Sie beeinflusst unbewusst deine Entscheidungen. Mir selbst wurde klar, wie falsch sich das generische Maskulinum anhört, als mir vor Kurzem gesagt wurde: „Du bist doch Freiburger.“ Text // Johanna Reich  Fotos // pixabay.com/Chickenonline;  privat

Nein, ich bin Freiburgerin. Ich bin Studentin. Und später vielleicht einmal Autorin, Trainerin, Managerin … was auch immer. Für mich hat es

Ist für gendergerechte Sprache: Johanna Reich

»


HAUPTFACH

»  Ich höre als Kind, wie meine Eltern, Erzieher·innen,

Lehrer·innen und Freund·innen über den Arzt, den Elek­ triker den Ingenieur reden. Als Mädchen müsste ich da jedes Mal den Gedankensprung schaffen: Ja, die reden zwar von einer männlichen Person, aber da bin ich mit­ gemeint. Nur funktioniert so unser Gehirn in jungen Jah­ ren nicht. Diese Denkleistung bringen wir nicht auf. Wie auch eine Studie 2015 zeigte, identifizieren sich junge Frauen nicht mit Berufen, die in der männlichen Form dargestellt werden. Wenn jedoch ein Beruf sowohl in der weiblichen als auch in der männlichen Form dargestellt wird (Ingenieur und Ingenieurinnen) –, denkt das Mädchen plötzlich daran, dass es diesen Beruf ja später mal wählen könnte. Genauso ist es auch umgekehrt: Jungen trauen sich den Beruf des Kosmetikers dann zu, wenn er auch in der männlichen Form genannt wird. Diese Studie zeigt, wie viele weitere, dass die Spra­ che uns dazu bringt, in Rollenbildern zu denken. Sie grenzt die Möglichkeiten ein, die wir als Gesellschaft haben. Ich weiß nicht, inwieweit unsere maskuline Sprache bisher mein Leben beeinflusst hat – jedoch liegt es an UNS, für die fol­ genden Generationen dieses Kastendenken auszuhebeln. Veränderungen sind immer schwer. Jedoch hilft es, in sich zu hören und darüber nachzudenken, wie sehr ich mich mein Leben lang schon unterbewusst von einer einseitigen, ungerechten und ausgrenzenden Sprache beeinflussen lasse. Es geht darum, offener zu werden und diese Verän­ derung für die nächsten Generationen voranzutreiben. Außerdem: So schwer ist es gar nicht. Es gibt viele Möglichkeiten, gendergerechte Sprache in den Alltag

,

zu integrieren. Der erste Schritt ist jedoch: Die Wich­ tigkeit der gendergerechten Sprache zu sehen!

Unterstrich: Leser_innen Sternchen: Leser*innen Auch eine Meinung zum Thema? Schreibt uns gerne an redaktion@f79.de. Die Redaktion sucht regelmäßig junge Autor·innen, die selbst mal einen Artikel schreiben möchten.

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Doppelpunkt: Leser:innen Punkt: Leser·innen

Durch das Sternchen, den Unterstrich, den Doppelpunkt oder den Punkt werden auch Personen mit einbezogen, welche sich nicht den typischen Geschlechtern männlich oder weiblich zuordnen können.


HAUPTFACH

Wie der Diskurs um geschlechtergerechte Sprache immer extremer wird Sprache ist im ständigen Wandel. Vor allem

Auch Laura Neuhaus, Mitarbeiterin der Duden-

gen­dergerechte Sprache wird derzeit hitzig dis-

Redaktion, hat tagtäglich mit dem Diskurs zu tun.

kutiert. Eine aktuelle Studie zeigt: Zwei Drittel

Dem f79 erzählt sie, wie auch die Redaktion heftiger

der Deutschen sind dagegen. Die Dudenredakti-

Kritik ausgesetzt ist. Seit vergangenem Jahr befinden

on hat dennoch erste Schritte zum Gendern ge-

sich im Rechtschreibduden zusätzlich drei Seiten

macht – und dafür Hassnachrichten bekommen.

zum geschlechtergerechten Sprachgebrauch.

Eine Sprachwissenschaftlerin der Uni Freiburg

Daraufhin bekam die Redaktion Hassnachrichten

findet die Entwicklung in Deutschland kritisch.

und Fotos zugesendet, die den Rechtschreib­ duden im Mülleimer zeigen. Jedoch lasse sich

Text // Johanna Reich Grafik (links) // Johanna Reich Illustration (links) // freepik.com Fotos // Duden; privat

die Redaktion hierdurch nicht beeinflussen: „Das alles hält uns aber nicht von unserm Auftrag ab, dass wir ohne eine politische-, sondern mit einer sprachwissenschaftlichen Agenda beschreiben, wie

Erst vor kurzem hat der Bildungsminister in Frankreich ein Verbot des Genderns an Schulen ausgesprochen. Das könnte auch in Deutschland

Sprache sich entwickelt“, betont Laura Neuhaus. Es gehe vor allem darum, Orientierung zu geben. Bislang gibt es viele Arten zu gendern: das

passieren: Der Hamburger CDU-Chef Christoph Ploß

Gendersternchen, der Unterstrich oder das

spricht sich für ein Verbot der geschlechtsneutralen

Binnen-I. Auch neue Wörter sollen das gene­

Sprache an staatlichen Stellen aus: „Von Beamten,

rische Maskulinum umgehen. So sprechen viele

Lehrkräften und Dozenten erwarte ich, dass sie im

schon länger nicht mehr von „den Studenten“,

Dienst gültige Regeln und Normen nicht einfach

sondern „den Studierenden“ – nicht mehr von

willkürlich verändern.“ Die Gendersprache sei

„dem Lehrer“, sondern „der Lehrkraft“. Nach Laura

„grammatikalisch falsch, künstlich und ideologisch“.

Neuhaus sollte eine gendergerechte Sprache

Dennoch veröffentlichen immer mehr Städte

nicht als komplexer angesehen werden – sondern

und Kommunen Leitfäden für den Gebrauch

als Möglichkeit, sich klarer auszudrücken. Sie ist

einer genderneutralen Sprache. So auch die

überzeugt: Eine differenziertere Sprache kann

Stadt Freiburg: „Seit dem 1.1.2018 gilt innerhalb

Orientierung, Klarheit und Eindeutigkeit bringen.

Kennen die Probleme: Laura Neuhaus vom Duden   und Helga Kotthoff von der Uni Freiburg (unten)

der Stadtverwaltung Freiburg die Organisati­ onsverfügung zur verbindlichen Anwendung der geschlechtergerechten Sprache und der Nutzung des Gender-Gaps (Unterstrich).“ Die einen verpflichten zur geschlechtsneu­ tralen Sprache – die anderen plädieren für ein

Doch was ist nun die Lösung? Laut Kotthoff

Verbot. Helga Kotthoff, Professorin für germa­

sind wir in einer historischen Ausprobierphase.

nistische Linguistik an der Universität Freiburg,

Ihr Ratschlag: „Wir sollten nicht mit einem lau­

sieht diese Entwicklung als kritisch an. Sie selbst

fenden generischen Maskulin schreiben, aber

gendere seit 35 Jahren – jedoch situativ und

auch nicht wahllos alles durchgendern.“

nicht „nach dem Salzstreuer-Prinzip“. Sie er­

Auch Neuhaus ist sicher, dass sich vieles

klärt: „Auch wenn ich mich um eine Sichtbarkeit

erst ergeben wird. So sei das Gendersternchen

nicht männlicher Menschen bemühe, muss klar

nicht in Stein gemeißelt. Gerade die nächsten

bleiben, dass das nicht an jeder Stelle passieren

Generationen könnten hier weitere Möglichkeiten

muss.“ So mache es als Negativ-Beispiel auch

aufbringen. „Ich könnte mir auch gut vorstellen,

der Deutschlandfunk. Dieser „gendert mehr

dass von jungen Leuten, die an eine gerechte,

oder weniger durchgängig – aber die gendern

gleichberechtigte Zukunft denken, da auch noch

dann mit einer irren Penetranz“, so Kotthoff. Dies

neue kreative Ideen kommen, wie man eigent­

geschehe häufig auf Kosten der Textästhetik.

lich gerecht sprechen könnte”, sagt Neuhaus.

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f79 // 06.21


Umwelt

Zweischneidiger E-Scooter erreichen Freiburg – wie grün sind sie?

Wer kurz mal ohne Velo durch die Stadt fahren will, für den sind

Boris M. Hillmann ist seit 2015 Geschäftsfüh­

zurückgenommen und ordentlich entsorgt

rer des Göttinger Unternehmens Yoio. 150

werden.“ Bei der Lebensdauer gebe es

E-Scooter vielleicht das Richtige.

E-Scooter hat die Firma nach Freiburg

allerdings Fragezeichen: „Man weiß noch nicht

Auch in Freiburg sind die Elektro-

gebracht. Nachhaltigkeit sei ein Grund dafür,

genau, wie lang sie ist.“

Roller seit Dezember verfügbar.

erklärt Hillmann. Er findet, „dass auch Unter­

Doch sind sie eine ökologische

nehmen ökologische soziale Verantwortung

neuerer Modelle hielten mehr als ein Jahr. Ältere

haben“. Das große globale Problem sei die

Zahlen, zum Beispiel aus den USA, haben auf

Klimakrise. Dabei sei der CO2-Ausstoß im

eine kurze Nutzungsdauer von drei Monaten

Verkehrssektor ein wichtiger Punkt. Hillmann ist

hingewiesen. Für Dross ist wichtig, dass man

sicher: „Um das zu verändern, braucht man

die Akkus rausnehmen und austauschen kann.

Alternative? Das beantworten Geschäftsführer Boris M. Hillmann von Yoio und Miriam Dross vom Umweltbundesamt.

Alternativen wie E-Scooter.“ Text // Emma Sophie Suchomel  Fotos // Umweltbundesamt, Till Neumann

Seine Devise lautet: „Lass dein Auto stehen. Am besten schaff es ab und nimm den Bus.“ Das eigene Auto stehe eh nur 23 Stunden am Tag rum.

CO2

Doch sind die E-Scooter eine Hilfe bei der Verkehrswende? Yoio möchte beim Transport

Sieht die Roller kritisch:  Umweltexpertin Miriam Dross

10 f79 // 06.21

Manche Verleiher sagen, die Akkus

Sonst ist der ganze Roller zu entsorgen. „Die E-Scooter benutzen meistens Lithium-Ionen-Akkus“, sagt Dross. Ein wichtiger Aspekt sei, unter welchen Bedingungen die Rohstoffe gewonnen werden. Denn häufig belaste die Produktion Gesundheit und Umwelt.

Und woher kommt der Strom? „E-Scooter

der Fahrzeuge vorbildlich sein: „Wir haben einen

verwenden denselben Strom wie andere

Erdgastransporter, der mit Biogas betankt wird“,

Geräte“, sagt Dross. Es gebe Anbieter, die

erklärt Hillmann. Sei ein Akku kaputt, müsse

garantieren würden, ihre E-Scooter mit Öko­

man lediglich diesen tauschen. „In der Regel

strom zu laden. Das sei natürlich besser. Den

bleibt der Roller dort dann stehen.“ Auch zur

Anteil erneuerbarer Energien bei der Stromer­

Reichweite gibt Hillmann Auskunft: „Momentan

zeugung in Deutschland findet sie

haben wir zwischen 16 und 18 Kilometer

inzwischen hoch. „Er liegt bei 50

eingestellt. Wenn die Temperatur steigt, sind

Prozent, ein eindeutiger Anstieg

40 Kilometer drin.“

in den letzten Jahren.“

Auch Miriam Dross kennt sich mit

C O2

Wirklich vergleichen lässt sich der

­E-Scootern aus. Sie leitet das Fachgebiet

Schadstoffausstoß von Elektrofahrzeugen

„Nachhaltige Mobilität in Stadt und Land“ beim

gegenüber konventionellen Verbrennern noch

Umweltbundesamt. Die Frage, was mit leeren

nicht. „Es gibt noch keine Zahlen zu E ­ -Scootern“,

Akkus passiert, kann sie genauer beantworten:

sagt Dross. Der CO2-Ausstoß durch die

„Bei den Verleihern der E-Scooter sind die

Nutzung sei gering. Wenn man jedoch die

Hersteller dafür verantwortlich, dass sie

Herstellung mit einbe­ziehe, steige er an.


e p Hy Die Gretchenfrage ist, wer die E-Scooter nutzt. Sind es Fußgänger? Oder Autofahrer? Ersetzen sie wirklich CO2-Schleudern? Stand jetzt fällt die Bilanz schlecht aus: „Die Zahlen, die man hat, weisen eher darauf hin, dass die

Umwelt

CO 2

CO 2

CO 2

CO2

Fußwege ersetzt werden“, berichtet Dross. Die durchschnittliche Strecke per E-Scooter-Fahrt betrage laut Zahlen aus Berlin zirka zwei Kilometer. Richtig belastbare Zahlen für Deutschland gebe es aber nicht. Wo die Roller sinnvoll eingesetzt werden könnten? „Zur Unterstützung des ÖPNV, zum Beispiel an U-Bahn-Endhaltestellen“, sagt die Expertin des Umweltbundesamtes. Dross kommt zum Fazit: „Man muss die E-Scooter nicht verbannen. Sie sind nicht so verbreitet, wie man eigentlich denkt.“ Es habe einen gewissen Hype gegeben. In Berlin stünden mittlerweile aber nicht mehr so viele E-Scooter auf der Straße. Sie seien eher eine ergänzende Komponente im Mobilitätsverhalten. Dross wünscht sich von den Herstellern ganz klar

CO 2

Lässig oder überflüssig?  Eine Fahrt mit den E-Scootern  von Yoio in Freiburg.

„mehr Transparenz“. E-Scooter seien „eine neue Art, sich fortzubewegen“. Man sollte versuchen, die negativen Aspekte einzudämmen. „Besonders junge Leute und Touristen nutzen sie“, sagt Dross. Allerdings sieht sie die Konkurrenz zwischen Fahrrädern und E-Scootern kritisch: „Man muss darauf achten, dass sie niemanden behindern und die Regeln beachten.“ Gerade für Menschen mit Handicaps könnte es im Verkehr sonst durchaus kritisch werden.

CO 2

C O2

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Sozialkunde

„Absolu t Wie obdach- und wohnungslose Die Corona-Krise trifft obdachlose und wohnungslose Menschen besonders hart. Ein Bewohner und eine Mitarbeiterin des St. UrsulaHeims in Offenburg berichten von großen Sorgen und abgewiesenen Hilfesuchenden. Text // Jacqueline Honoré  Fotos // iStock.com/ianmcdonnell, privat Illustration // freepik.com/pch.vector

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Sozialkunde

h ilflos“ Menschen unter der Pandemie leiden Reinhard Schatte kennt die Probleme von

Insbesondere im Winter, wenn man nicht raus

wohnungslosen Menschen genau. Der

kann, wissen einige nichts mit sich anzufan­

Drucker und Fotograf im Ruhestand lebt

gen“, sagt Schatte, der im Büro des Heims

derzeit in einer Wohnungslosenhilfe-Einrich­

arbeitet und dort gelegentlich mit seinen

tung in Offenburg. Einen der 44 Plätze im St.

Mitbewohnern Gespräche führt und Trost

Ursula-Heim zu bekommen, sei momentan

spendet.

nicht leicht. Weil Platz und Ressourcen in der

Oftmals drehten sich die Sorgen der

Pandemie fehlen, könnten nur eingeschränkt

Wohnungslosen um Familienangehörige, die

Betroffene aufgenommen werden.

nach wie vor auf der Straße leben, sowie die

Der Bewohner berichtet von einer

eigene Gesundheit. „Viele haben bereits

Kennt die Sorgen der  Obdachlosen: Reinhard Schatte

hochschwangeren Frau, die von einer

Vorerkrankungen, und das Leben auf der

sozialen Organisation kürzlich unangekündigt

Straße schwächt das Immunsystem“, erklärt

vorbeigebracht wurde. Die werdende Mutter

Schatte. Otto ergänzt, es gebe aber auch hier

konnte weitervermittelt werden, Schatte hält

zwei Seiten: „Es gibt immer Menschen, die

oder die PVD, ein Beschäftigungsbetrieb für

es dennoch für besorgniserregend, dass

die Corona-Problematik nicht verstehen

Arbeitslose, sind wegen der Corona-Verord­

Menschen in solch einer Situation stunden­

können oder wollen.“

nungen momentan nicht umsetzbar und

lang umherziehen müssen, ohne zu wissen,

Trotz anfänglicher Schwierigkeiten

zeitweise auf Eis gelegt. Für die Betroffenen

wo sie die Nacht verbringen. Schatte seien in

funktioniere die Umsetzung der Corona-

brechen dadurch wichtige Tagesstrukturen

der coronabedingten Notsituation die Hände

Verordnungen im St. Ursula-Heim mittlerweile

weg. Laut Schatte gehe das Leben in der

gebunden: „Man möchte gerne helfen. Aber

recht gut. Auch wenn Maßnahmen gelegent­

Einrichtung aber weitestgehend seinen

man ist absolut hilflos.“

lich hinterfragt werden. „Generell werden die

gewohnten Gang. Viel schwieriger sei es für

Regelungen aber angenommen“, so Schatte.

Menschen, die auf der Straße leben:

seien hauptsächlich Menschen ohne

„Beim Masketragen musste zu Beginn der

„Bettelgelder und andere Zuwendungen von

Aufenthaltsgenehmigung. „Die haben dann

Pandemie viel erinnert werden.“ Kritisch bei

Bürgern fallen gerade weg.“

keine Ansprüche auf Geld, und die medizi­

der Einhaltung der AHA-Regeln werde es vor

nische Versorgung fällt aus, da müssen sie

allem dann, wenn Alkohol im Spiel sei. „Da

zusehen, wo sie bleiben“, sagt Schatte. Die

werden Menschen eher mal

Stadtverwaltung bemüht sich daher um

leichtsinnig“, betont er.

Von dem Aufnahmestopp betroffen

Hilfsangebote in der kalten Jahreszeit. „Es gibt die kommunalen Notunterkünf­

Wegen des Virus fallen für die Bewohner

te der Stadt, das St. Ursula-Heim als Ein­-

außerdem wichtige

gliederungseinrichtung und die Wärmestube,

Angebote weg.

die tagsüber als Aufenthaltsort genutzt

Suchtgruppen

werden kann“, fasst Magdalena Otto, Studentin für Soziale Arbeit und übergangs­ weise Mitarbeiterin des Heims, zusammen. In den Wintermonaten von November bis April gebe es zusätzlich einen Erfrierungsschutz, eine Notunterkunft für die Nacht. Doch auch emotional sei die Situation belastend. Der Heimbewohner beschreibt die Gefühlslage in der Einrichtung folgenderma­ ßen: „Manche sind bitterbetrübt, da kommt dann der ein oder andere zum Ausheulen.


Reise

Wandern mit Blick

Freiburger macht acht Tage T

Moskenesøya, Flakstadøya, Vestvågøy,

wir drüber wandern? Kann man da überhaupt

Gimsøya, Austvågøya. Die Lofoten-Inseln

wandern?” Doch die nordatlantischen Winde

im Norden Norwegens werden auch nach

wehen die Sorgen ebenso schnell weg wie die

Corona auf der To-do-Liste vieler Skandinavien-Reisender stehen. Berei-

Wolken. Für unsere Lofoten-Überquerung scheint die Sonne.

sen kann man die Inseln mit den Schiffen

Startet man im Süden der Inselgruppe,

der Hurtigruten oder mit dem Wohnmobil.

beginnt die Tour auf Moskenesøya. Im kleinen

chili-Autor Hendrik Sexauer und seine

Dorf Reine, zwischen rot-weißen Holzhäusern

Schwes­ter gingen zu Fuß. 115 Kilometer,

und zum Trocknen aufgehängtem Kabeljau,

8 Etappen. Mit Zelt, Rucksäcken und 14 Packungen Fertigreis.

besteigen wir einen kleinen Kahn, der uns zum Ausgangspunkt im Kirkefjord kutschiert. Obwohl wir dicht gedrängt auf dem kleinen Boot sitzen, merken wir schnell: Die meisten Touristen

Text & Fotos // Hendrik Sexauer

bleiben am Küstenstreifen oder gleich direkt auf dem Boot. Unserem Wanderweg ins Inselinnere folgt niemand. Die Wanderei beginnt bergauf. Der

Zunächst ist da eine Wand. Reist man per Fähre vom norwe­ gischen Festland an, aus Bodø, zeichnen sich

Topografie der Inseln muss man sich im Voraus bewusst sein. Bis zu 1200 Meter überragen die Berge auf engstem Raum den Atlantik. Viel Platz für sanft ansteigende Aufstiege gibt es nicht. Die Höhenprofile der Etappen ähneln daher meist einer Pyramide: steil bergauf, steil bergab. Immer mit Rucksack und Zelt auf dem Rücken. Schon am ersten Abend zeigt sich der

Die größte Stadt der Lofoten  von oben: Svolvær am Vestfjord

Trekking-Vorteil Norwegens. Wildes Campen ist außerhalb von privaten, eingezäunten Flächen und der Sichtweite von Siedlungen erlaubt. Einschränkungen, die nicht wirklich einschränken. Dicht besiedelt ist der Norden Norwegens die Lofoten als ein graues Band am Horizont ab. Eine Wand eben, nördlich des

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Polarkreises, die je näher man kommt umso schroffer, zackiger und steiler erscheint. Auf der

nicht, sodass man jeden Abend aufs Neue schnell einen Platz für sein Zelt findet. Somit müssen sich Wanderrouten auch nicht am Angebot von Hotels oder Campingplätzen orientieren. Reserviert und garantiert haben wir die Schlafsäcke mit Meeresblick. Norwegen oder doch Martinique? Ein

beheizten, vor Wind schüt­

Lofoten-Highlight folgt am zweiten Tag:

zenden Fähre kommen dann

Kvalvika. Der feine Sandstrand, eingebettet

doch die Zweifel: „Da wollen

zwischen Klippen, lässt Sommerurlaubsge­


Reise

nach Grönland

Trekking auf den Lofoten-Inseln

Mit Zelt und Rucksäcken: wandern  über den Sandstrand Kvalvika

fühle aufkommen und gehört zu den seltenen

beginnen wir mit dem Bus und setzen vom

untergehen mag

Orten der Überquerung, an denen die

Örtchen Napp nach Leknes, auf Vestvågøy,

– den nordischen

Inselgruppe uns als der touristische Hotspot

über. Wir lassen uns von Verkehr und

Sommernächten

begegnet, der sie nun mal ist. „Erwandert“

Bebauung nicht direkt wieder auf die Berge

sei Dank –, tragen

man sich den Strand vom südlichen Selfjord

und Klippen verjagen. Was jedoch nicht an

uns die müden

aus und läuft nicht ab dem Parkplatz bei

den (spärlichen) architektonischen Reizen des

Beine bald ins

Fredvang, kommt man in den Genuss des

Städtchens liegt.

vertraute Zelt.

ruhigeren, weniger besuchten, von den

Leknes ist der ideale Ort, um sich mit

Svolvær, mit nicht

Klippen versteckten zweiten Teils des

Vorräten für die folgenden drei Tage einzude­

einmal 5000 Einwohnern die

Strandes. Und wen das türkisblaue Wasser

cken. Im Supermarkt finden wir Porridgetüten

größte Stadt der Lofoten, ist ideal angebun­

täuscht, der hält entweder den kleinen Zeh

mit Trockenfrüchten fürs Frühstück, Haferkek­

den. Per Bus oder Fähre kommt man zurück

ins Wasser oder wirft einen Blick auf Google

se für zwischendurch und Fertigreispa­

aufs Festland. Lässt es die Urlaubsplanung

Maps: Nicht Dominica liegt Kvalvika gegen­

ckungen für den abendlichen Gaskocher

zu, kann man mit dem Nachtzug von Narvik

über, sondern die grönländische Ostküste.

(Geschmacksvarianten mexikanisch oder

über Kiruna durch schwedische Wälder bis

Elche aufschrecken auf eigenen Pfaden

provençale: welch ein Luxus). Im Café des

nach Stockholm fahren. Oder man schlägt

kommunalen Kulturzentrums, dem Meieriet,

den Weg gen Norden ein. Schnell ist man auf

bietet es sich dann noch an, Akkus von

der Inselgruppe der Vesterålen. Die alpine

Lofoten-Inseln, das bedeutet Meer und

Handy und Kamera aufzuladen und die

Insel Senja ist dann auch nur einen Fjord

Berge. Tiefes Blau wechselt sich ab mit dem

menschlichen Energiespeicher mit Cappucci­

entfernt. Und warum dann nicht durch die

satten Grün der Bergwiesen und den schroffen

no und Kanelboller, norwegischen Zimtschne­

borealen Weiten der Finnmark bis ans

Einsprengseln grau-schwarzer Felsen. Die

cken, aufzustocken.

Nordkap reisen?

Lofoten, das bedeutet Natur: Und die war da,

Wieder unterwegs wird uns besonders

Detaillierte Beschreibungen der

bevor Wanderwege markiert wurden. Wenn

bewusst, was das Überqueren der Lofoten

Etappen für die Lofoten-Durchquerung gibt‘s

dann eine Wiese zum Hochmoor mutiert,

ausmacht, abgesehen von einzigartigen

online auf www.rando-lofoten.net. Hier stehen

versinkt so mancher Weg. Wie geht’s dann

Aussichten: die Stille. Bewegt man sich

auch Infos zu Verpflegung, Übernachtungs­

weiter? Querfeldein. Im Unterholz wird die

außerhalb der Radien von Fähranlegestellen

möglichkeiten, ÖPNV und Kartenmaterial.

Lofoten-Wanderin zur Elchaufschreckerin und

und Wohnmobilparkplätzen, ist man meist

Inselentdeckerin auf neuen, ganz eigenen

alleine; eine Erklärung. warum manche Wege

Pfaden. Das bedeutet allerdings, dass man sich

weniger ausgetreten, weniger leicht zu finden

Zielpunkte wie Bergspitzen verinnerlichen und

sind. Dafür sitzt der Wanderer dann an einer

eine Karte einpacken sollte – wenn auch digital.

Steilküste, unter sich der Fjord, am Horizont ein

Die Lofoten Die Inselgruppe erstreckt sich über circa 200

vor sich hin schaukelnder Fischkutter, und

Kilometer Länge in südwest-nordöstlicher

stößt an ein, zwei Stellen auf Asphalt. Gerade

lässt die Beine baumeln. Ein komplettes

Richtung vor der norwegischen Küste, knapp

die Europastraße 10 ist mit deutschen,

Panorama nordischer Landschaftsstereotypen

170 Kilometer nördlich des Polarkreises. Die

ganz für sich alleine.

25.000 Inselbewohner leben meist auf Vest­

Wer zu Fuß die Inselgruppe überquert,

italienischen und französischen Wohnmobilen dicht befahren. Hier empfiehlt

Nach acht Tagen mit bis zu 20 Kilometer

vågøy, Austvågøya, Gimsøya, Flakstadøya,

langen Strecken kommen wir in Svolvær an.

Moskenesøya, Værøy und Røst; die wich­

Gebührend gefeiert wird die Durchquerung der

tigsten der rund 80 Inseln. Von 27. Mai bis 17.

Strecken der Bus

Lofoten. Den Tütenreis tauschen wir gegen

Juli lässt sich die Mitternachtssonne erleben.

oder die Weiterreise

einen Einmalgrill und das Wildcampen gegen

Von Juli bis August betragen die mittleren

per Anhalter. Die

einen Campingplatz mit Kochnischen und

Temperaturen 12 °C. Bis auf 30 °C kann das

fünfte Etappe

Duschkabinen. Obwohl die Sonne nicht

Thermometer dennoch steigen.

sich für kurze


TEST

Biontech Bro oder

VerschwörungsVerschwurbeler? Impfen oder nicht? Wenn ja: Wie und was? Wenn nein: Aus Vorsicht vor Nebenwirkungen oder wegen Bill Gates? Solche Fragen treiben viele um. Im f79-Typen-Test könnt ihr mit acht Antworten herausfinden, welcher Impftyp ihr seid. Zählt dazu die Buchstaben hinter den Antworten zusammen. Welcher taucht am häufigsten auf? Die Auflösung gibt’s auf der nächsten Seite. Text // Maja Bruder  Foto // © pexels.com/nataliya

1. Achtest du darauf, Marken zu kaufen? a) Ja klar, ich will schließlich nur die besten Produkte.

B

b) Nö, diese Marken arbeiten alle zusammen,

das ist ein abgekartetes Spiel.

A

d) Ich schaue, was die anderen kaufen.

N

2. Wenn ich einen Film im Kino ansehen möchte, dann ...

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a) ... nehme ich irgendeinen, Hauptsache Entertainment.

A

b) ... wähle ich den, der am allerbesten bewertet wurde.

B

c) ... recherchiere ich erst mal zu den Hintergründen

und entscheide dann.

V

d) ... warte ich, bis der Film aus den Kinos raus ist und

wie die Reviews sind.

V

c) Mir ist die Marke relativ egal, Hauptsache was zum Anziehen.

N


TEST 3. Was wählst du, wenn du Hunger hast? a) Ich mache mir selbst etwas zu Hause, da kann ich sicher sein,

V

dass mir keiner was ins Essen mixt.

b) Ich wähle den besten Lieferservice mit den meisten

B

Bewertungen und den schönsten Bildern!

c) Ich überlege lange, weil ich unsicher bin, worauf ich Lust habe.

N

Ich warte mal ab, was meine Freunde möchten.

d) Ich gehe einfach in die Stadt und schaue,

was sich so anbietet.

A

4. Wie stellst du dir ein perfektes Date vor? a) Ich frage mein Date, was es am liebsten machen würde und bin

A

auf alles vorbereitet. Hauptsache der Tag wird schön!

b) Ob ich mich überhaupt mit meinem Date treffen sollte?

V

Wer weiß, ob es vielleicht doch nur ein Catfish (Fake) ist.

c) Ich bereite alles exakt vor und habe mir einen Plan zurechtgelegt. B d) Boah, Datevorbereitungen sind ganz schön anstrengend.

N

Vielleicht frage ich mein Date, was es machen will.

5. Wenn ich Sport mache, dann ... a) ... suche ich mir das beste Gym im Umkreis!

B

b) ... chillen. Die anderen können sich ja meinetwegen abrackern.

N

c) ... probiere ich gerne viele neue Sportarten aus!

A

d) ... nur mit schlechtem Gewissen. Schließlich wurden wir alle

von der Werbe- und Fitnessindustrie dazu gezwungen.

V

6. Was ist dein perfekter Pizzabelag? a) Alles! Champignons, Salami, Tomaten, Käse,

A

meinetwegen auch Ananas.

b) Ich nehme nur ausgewählten Parmaschinken und

7. Was ist dein Lieblingsgetränk?

V

meinem gefilterten Tank.

B

c) Pizza? Das ist eine Erfindung der Italiener,

a) Leitungswasser, aber nur selbst abgefüllt aus

Mozarella aus Italien mit sonnengereiften Tomaten.

b) Fiji-Wasser und Markensoftdrinks wie Coca-Cola! B

V

um uns dick zu machen!

d) Boah, schwierig. Ich nehme den Standard-

N

Margherita-Belag.

c) Egal, Hauptsache ich bin danach nicht mehr durstig. A d) Ich trinke erst etwas, wenn ich es wirklich gar

N

nicht mehr aushalte!

8. Wohin würdest du gerne reisen? a) Ich will die ganze Welt bereisen und tolle Erlebnisse haben, egal wo. A b) Ich wähle die Orte, die Trivago am besten bewertet hat.

B

c) Warum reisen? Ich kann mir doch alles auf Instagram anschauen! N d) Ich bleibe in Deutschland. Ich will nicht, dass jemand meine

Flugdaten trackt.

V

17

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TEST

Auflösung B Biontech Bro Du möchtest das Beste vom Besten und hast einen hohen Qualitätsanspruch. Am liebsten würdest du in Comirnaty-Impfstoff von Biontech baden. Im Impfzentrum machst du Mitarbeiter fertig, weil du zum 20. Mal fragst, ob du denn auch ganz sicher Biontech bekommst, weil dir das andere Zeug nicht in den Arm kommt. In deiner Instabio steht vermutlich bald #biontech. Ja, ist gut, wir haben es verstanden!

N Nichtstuende Nullchecker Rumhängen ist deine Leidenschaft Nummer 1! Du schaust dir erst mal an, was der Rest so macht und dieses ganze Pandemie-Ding stresst dich. Uns aber auch! Lies dir vielleicht trotzdem ab und zu mal die Nachrichten durch und schalte nicht direkt ab, wenn es um neue Entwicklungen geht!

V Verschwörungs-Verschwurbeler Du vermutest hinter allem eine Verschwörung und bist der Meinung, Bill Gates haut dir einen Mikrochip unter die Haut. Wir können dich beruhigen, dein Handy weiß sowieso alles, der Herr Gates braucht den Chip gar nicht. Bevor eine Impfung in deinen Arm kommt, wartest du erst mal ab, ob die anderen nicht alle zu regierungs­ gesteuerten Robotern werden.

A Allesnehmender Astratyp

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Dir ist das Impfen eigentlich egal. Hauptsache irgendwas in den Arm knallen, damit du wieder feiern gehen kannst! Ob Astrazeneca, Biontech oder dieses Johnson­-Zeug, irgendwas wird schon was bringen und du bist offen für alles. Bei aller Coolness musst du trotzdem aufpassen, dass du es nicht übertreibst und weiterhin auf die Regeln achtgeben.

Fotos // pixabay.com/GustavoWandalen; pexels.com/rachel-claire; fotolia.com/ScottGriessel; freepik.com/luis_molinero


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