Steil nach oben
Astronauten-Studium oder doch was Bodenständiges?
Wo geht die Reise beruf lich hin? Wer sich das fragt, ist im JobstarterMagazin richtig. Hier gibt’s Ein blick in spannende Karrierewege, garniert mit Tipps und Tricks rund um Berufe und Co.
Sachen gibt’s, die gibt’s nicht. Oder wusste jemand, dass man bald auch Raumfahrt studieren kann? Die Uni Bremen macht das ab 2023 möglich. Gemeinsam mit Universitäten in Nizza, Belgrad und Rom startet sie den Studiengang „Master in Astro physics and Space Sciences“. Hoch hinaus geht’s auch in anderen Berufsfeldern: Auf den folgenden Seiten stellen wir zum Beispiel vor, was E-Commerce-Kaufleute können müssen. Die Ausbildung gibt es erst
seit 2018. Wie ist ein Sortiment zu sammengestellt? Wie wird es prä sentiert? Wie können Social-MediaKanäle genutzt werden? Solche Entscheidungen treffen E-Commer cer – und müssen dabei gut Eng lisch können und sich auch juris tisch auskennen. Lichts in Dunkel bringt der Jobstarter auch zur Arbeit der Pädakustiker. Das sind Menschen, die darauf
spezialisiert sind, schwerhörigen Kindern zu helfen, wieder besser zu hören. Dabei braucht es neben technischem Knowhow auch jede Menge Einfühlvermögen. Wer lieber an die Uni mag, hat sei ne Wahl vielleicht schon getroffen. Andere hadern. Sie kommen aus einer Familie, in der bisher nicht studiert wurde. Dann kann so ein Schritt ganz schön schwierig wer den. Abhilfe verschafft die Initiative ArbeiterKind.de. Sie berät und er mutigt, damit auch diesen Familien der Zugang zum Hochschulstudium ermöglicht wird.
Viel Spaß beim Lesen und durch
Das Jobstarter-Themenheft erscheint im Freiburger Stadtmagazin chilli
Herausgeber: chilli Freiburg GmbH
Paul-Ehrlich-Str. 13, 79106 Freiburg www.chilli-freiburg.de
Geschäftsführung: Michaela Moser (V.i.S.d.P.)
Redaktion: Till Neumann (tln), Pascal Lienhard (pl), Anita Fertl (BZ)
Autor·innen:
Titelbild:
Grafik: Tatjana Kipf
Anzeigen:
Jennifer Patrias,
Hinze, Nathalie
Sainovic
Lektorat:
Druck: Hofmann Druck,
Bildung ist für alle da
ArbeiterKind.de ermutigt Personen, als Erste in der Familie zu studieren
Die Universität: Für viele Schulabgänger·innen ist sie eine fremde Welt. Prosemi nar, Erasmus, Übung, Studienleis tung – da geht schon mal der Über blick verloren. Das gilt besonders für Menschen, die als Erste in der Familie eine Hochschule besuchen möchten. Unterstützung liefert die gemein nützige und spendenfinanzierte Or ganisation ArbeiterKind.de – auch in Freiburg gibt es eine lokale Gruppe.
Der berufliche Aufstieg ist für Kin der aus Familien ohne akademi schen Hintergrund oft besonders schwer. Fachleute sprechen vom „Bildungstrichter“. Sind schon an Gymnasien Schüler·innen aus nicht-akademischen Schichten in der Minderheit, sinkt die Zahl im Studium und erst recht unter Pro movierenden. Wer solche Statisti ken kennt, traut sich womöglich nicht, als Pionier·in der Familie die Hochschulbank zu drücken. Derartige Ängste abbauen und Stu dierende über das gesamte Studi um hinweg unterstützen – diese Aufgaben hat sich ArbeiterKind.de bei seiner Gründung 2008 auch in Nordrhein-Westfalen auf die Fah nen geschrieben. Es geht beson ders darum, den Anteil der Studie renden der ersten Generation an Hochschulen zu erhöhen und die Zahl an Studienabbrecher·innen zu senken.
„Wer als Erste·r in der Familie stu dieren möchte, kann nicht auf Er fahrungen der Eltern zurückgreifen“, sagt Pressesprecher Pablo Ziller. Eltern ohne akademischen Back ground seien schnell überfragt oder skeptisch, ob ein Studium sinnvoll
ist. Als größte derartige Organisati on in Deutschland engagieren sich rund 6000 Ehrenamtliche in circa 80 deutschen Städten für Arbeiter Kind.de. In der lokalen Gruppe in Freiburg sind aktuell neun Perso nen aktiv.
Um eigene Erfahrungen zu teilen, be suchen Ehrenamtliche der Organi sation Schulen und zeigen, wie ein Studium auch ohne familiäre Tradi tion gelingen kann. „An den Schu len ist diese Form von Unterstüt zung kaum Thema“, sagt Ziller. „Das kann man ihnen aber auch nicht vorwerfen, selbst Unis sind oftmals nicht genügend sensibilisiert.“
Auch während des Studiums liefert ArbeiterKind.de einige Hilfeleistun
gen. Dazu zählen ein niedrigschwel liges Mentoring, Info-Telefone für El tern, Schüler·innen und Studierende oder Erfahrungsaustausch zu The men wie Studienfinanzierung oder Stipendien. Auch in der Zeit nach dem Studium will das Netzwerk unterstützen, wie Ziller erklärt. Laut einer aktuellen Studie haben es Absolvent·innen aus Familien ohne akademischen Hintergrund im Berufseinstieg schwerer. Im Gegen satz zu anderen Gruppen fehle ihnen oft das Netzwerk. In Form eines Men torings werden Personen gematcht. „Wir haben da schon viele vermittelt, das ist sehr erfolgreich“, sagt Ziller.
Einfach überbrücken
Was will ich werden? Vor der Ausbildung orientieren
Wer sich nach der Schule unsicher über den weiteren Berufsweg ist, kann ein Über brückungsangebot wahrnehmen. Darauf weist die Bundesagentur für Arbeit auf ihrem Portal Planet-Beruf hin.
Zu diesen Überbrückungsangeboten zählt die Berufsvor bereitende Bildungsmaßnahme (BvB). Teilnehmer kön nen sich in Praktika Eindrücke von verschiedenen Be trieben und Berufsfeldern verschaffen und bekommen auch theoretischen Unterricht. Laut Planet-Beruf ist die BvB beispielsweise für junge Menschen empfehlens wert, die nicht mehr berufsschulpflichtig sind und noch keinen Ausbildungsplatz haben.
Daneben lässt sich auch mit einer Einstiegsqualifizie rung (EQ) die Zeit bis zur Ausbildung überbrücken. Laut Planet-Beruf geht es hier um eine Art Praktikum zur Ausbildungsvorbereitung. Die EQ eigne sich für Jugendliche, die schon wissen, was sie werden möch ten, aber noch keinen Ausbildungsplatz gefunden ha ben. Sie können dann ein längeres Praktikum in ih rem Wunschberuf absolvieren und sich so darauf vorbereiten.
Wer noch gar nicht wirklich weiß, was der Wunschbe ruf ist, oder ob es überhaupt eine Ausbildung sein soll, kann auch überlegen, ob ein Bundesfreiwilligendienst (BFD) oder ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) eine gute Alternative zum Ausbildungsstart ist.
BZ/tmn
Es hat klick gemacht
E-Commerce-Kaufleute managen den Onlinehandel und entscheiden mit, wie ein Sortiment gestaltet ist
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und bestellen: Im Internet zu shoppen gehört für viele Verbraucher zum Alltag. Zwei Drittel der Deutschen sind für Einkäufe im Netz unterwegs, wie Zahlen des Handelsverbands Deutschland (HDE) zeigen. Madeleine Bergmann küm mert sich darum, dass sie dort genau das finden, was sie suchen.
Als angehende Kauffrau im E-Commerce bei MediaMarkt-Saturn in Ingolstadt pflegt die 23-Jährige etwa Fotos und Texte von Produkten in den Onlineshop des Einzelhändlers ein. Sie analysiert Kennzahlen, um Kaufabbrüche und Retouren zu minimieren. Zudem entwickelt sie Marketingstrategien. „Der Onlinehan del boomt, daher hat der Job viel Zukunftspotenzial“, begründet Bergmann ihre Berufswahl.
Die Ausbildung gibt es erst seit dem 1. August 2018. Laut HDE wurden im ersten Ausbildungsjahr knapp 1400 Ausbildungsverträge geschlossen. Angekurbelt durch die Digitalisierung im Einzelhandel, ist das Interesse am neuen Ausbildungsberuf seither gewachsen: Laut Daten des Bundesinstituts für Berufsbildung legte der Ausbil dungsberuf den größten Sprung im Ranking der Ausbil dungsberufe nach Neuvertragsabschluss 2021 hin. Das liegt nicht zuletzt an der Vielseitigkeit der Tätigkeit. Kaufleute im E-Commerce entscheiden mit, wie ein Sor timent gestaltet ist und wie es verkaufsfördernd in On lineshops, auf Online-Marktplätzen oder über soziale Medien präsentiert wird. Dabei haben die Kaufleute re
gelmäßig Kontakt mit Kunden. Per Chat, per E-Mail oder am Telefon kümmern sie sich um Anfragen.
Der Beruf wird schwerpunktmäßig im Einzel- und Groß handel ausgebildet, ist aber auch für Branchen wie die Tourismus-, Hotel- und Gastronomie-, Chemie- und Metallbranche sowie Banken, Versicherungen oder Zeitungs- und Buchverlage interessant. „Besonders hoch geht es natürlich im Weihnachtsge schäft her, wenn Kunden teils sehr kurzfristig bestellen und ihre Ware rechtzeitig zum Fest bekommen sollen“, erzählt Bergmann. Selbst wenn es mal stressig wird: „Es gibt einem ein gutes Gefühl, wenn alles nach Plan läuft und alle zufrieden sind.“ Von Bewerbern um einen Aus bildungsplatz wird allgemein kein bestimmter Schulab schluss erwartet. „Dazu hat jedes Unternehmen seine eigenen Leitlinien“, erklärt Katharina Weinert vom HDE. Ebenso wichtig: gute Englisch-Kenntnisse. Die braucht man, um etwa englischsprachige Produktbeschreibun gen zu verstehen oder mit Kunden aus dem Ausland zu kommunizieren. „Bewerber sollten zudem Interesse an betriebswirtschaftlichen Zusammenhängen mitbringen“, führt Weinert aus.
Rechtliche Regelungen, etwa zu Informationspflichten und Datenschutz, sind ebenfalls Thema der dreijährigen Ausbildung. Die angehenden Kaufleute lernen zudem, wie sie Käufergruppen definieren und das Nutzerver halten auswerten.
Die Ausbildungsvergütung hängt von der jeweiligen Branche und vom Bundesland ab, in dem die Ausbildung erfolgt. Im Einzelhandel etwa bekommen Azubis nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit im ersten Jahr eine Bruttovergütung zwischen 785 und 960 Euro, im dritten Jahr zwischen 965 und 1180 Euro. Sabine Meuter (dpa)/BZ
Vorsicht Greenwashing
Bei Suche nach grünen Jobs genau nachfragen
Nachhaltige Architektur, Ökologische Land wirtschaft, Green IT: Die Möglichkeiten, sich beruflich am Klimaschutz zu beteiligen, sind vielfältig. Doch nicht jeder vermeintlich grüne Job ist das auch.
Wer bei der Jobsuche einen möglichst grünen Beruf fin den will, muss auf die Details achten. Eine unabhängige externe Bewertung oder ein Siegel gebe es nicht, sagte Krischan Ostenrath vom Netzwerk Grüne Arbeitswelt in Bonn. „Niemand schützt einen vor Greenwashing oder dem Nachhaltigkeitsbranding großer Unternehmen.“ Aber Interessierte könnten beispielsweise im Internet re cherchieren, was eine Firma etwa in Sachen Klimaschutz macht. Im Bewerbungsgespräch könne man zudem kri tisch hinterfragen, welche Aspekte Teil der Ausbildung oder des Berufsalltags sind. „Was macht ihr genau?“, bringt Ostenrath es auf den Punkt.
„Kluge Unternehmen lassen sich auch treiben von den Beschäftigten und fragen, was ihnen wichtig ist“, sagt der Projektleiter. So habe jeder die Möglichkeit, selber Ideen einzubringen und dafür zu sorgen, dass der eigene Arbeitgeber ein Stück grüner wird.
BZ/tmnGut Ohr bei Kindern
Als Pädakustikerin braucht es bei der Versorgung mit Hörsystemen vor allem Einfühlungsvermögen im Umgang mit den jungen Patienten
Hörgeräte sind doch nur was für alte Menschen“ – das bekommt Claudia Brömel im Zusammen hang mit ihrem Beruf häufiger zu hören. Dabei ist sie als ausgebildete Pädakustikerin auf das Gehör von Kindern und Säuglingen spezialisiert. Im Job-Protokoll erzählt sie, was die Arbeit so herausfordernd macht und worin sie Erfüllung findet.
„Als es um die Berufswahl ging, hat mir die Berufsberate rin empfohlen, Hörakustikerin zu werden. Ich war schon als Kind handwerklich interessiert und als Brillenträge rin zudem begeistert von Hilfsmitteln. Nach der dreijäh rigen Ausbildung zur Hörakustikerin fing ich als Gesel lin in einem kleinen Betrieb an. Der Betrieb war schon immer auf die Versorgung von Kindern spezialisiert, weil die Uniklinik in der Nähe ist. Das fand ich von An fang an sehr spannend.
Darum habe ich mich an der Akademie für Hörakustik in Lübeck zur Pädakustikerin fortgebildet. Später habe ich die Meisterschule besucht und schließlich vor sechs Jah ren gemeinsam mit meiner Kollegin den Betrieb unseres ehemaligen Chefs übernommen.
Tatsächlich hat meine Berufsberaterin damals gesagt: ,Hör akustiker, das ist ein bisschen wie Optiker – nur für die Ohren.‘ Das ist vielleicht insgesamt ein bisschen banal ausgedrückt, denn an sich ist das Ohr ein sehr komple xes Organ. Als Pädakustikerin qualifiziert man sich spe ziell für die Arbeit mit Kindern weiter. Drei Jahre Berufs erfahrung als Hörakustikerin oder der Meisterbrief sind die Voraussetzung, um sich auf das Fachgebiet und die Versorgung von Kindern spezialisieren zu können.
Die Aufgaben in meinem Arbeitsalltag unterscheiden sich auch je nachdem, wie alt das Kind ist, das versorgt werden muss. Geht es um einen Säugling, steht an erster Stelle der Vertrauensaufbau zu den Eltern. Es gibt seit 2009 bundesweit das universelle Neugeborenen-Hör screening. Somit werden Hörverluste schon im Säug lingsalter erkannt.
Die Kinder sollten dann schnellstmöglich mit Hörsyste men versorgt werden. Dafür kommen sie zu uns. Wir nehmen Ohr-Abformungen, wählen Hörsysteme aus und stellen sie individuell auf den Hörverlust ein. Da Kinder ständig wachsen, ändert sich die Anatomie des
Sieht spielerisch aus, ist aber aufwendig: Als Pädakustikerin ermittelt Claudia Brömel die Hörschwelle kleiner Kinder über eine Methode, die sich visuelle Verstärkungsaudiometrie nennt.
Ohres und sollte in regelmäßigen Abständen überprüft und neu angepasst werden.
Das Schönste in meinem Beruf ist immer wieder der Mo ment, wenn man das Hörgerät eines Säuglings zum ers ten Mal einschaltet. Das ist ein sehr emotionaler Mo ment, wenn ein Kind zum ersten Mal auf die Stimme der Mutter reagiert. Da fließen oft auch Freudentränen bei den Eltern. Auch bei den älteren Kindern, die schon kom munizieren können und sofort sagen, ‚Oh, das ist toll, ich kann dich ja jetzt besser hören‘, ist das ein total schönes Gefühl. Diese Dankbarkeit von Eltern und Kindern ge hört mit zu den schönsten Seiten.
Die größten Herausforderungen sind: Die Hörbahnreifung eines Kindes ist ungefähr nach 18 Monaten abgeschlos sen. Diese Phase ist sehr wichtig für den Spracherwerb. Führt man die Hörgeräte-Versorgung frühzeitig durch, hat das Kind hier die besten Voraussetzungen. Und ge nau da liegt auch die Herausforderung: In dieser Zeit die Bedürfnisse der Kinder zu erkennen und richtig darauf zu reagieren – mit dem Ziel, Säugling oder Kind best möglich zu versorgen.
Die Digitalisierung kann bereits einige handwerkliche Tä tigkeiten in unserer Branche ersetzen. Die Kommunika tion mit dem Menschen, Vertrauen zu einem Kind auf zubauen, um eine erfolgreiche Hörsystemversorgung durchführen zu können, das sind und bleiben aber die wichtigsten Fähigkeiten in unserem Beruf.“
Amalie Breitenhuber (dpa)/BZ
Helfer in Ausnahmesituationen
Für die Tätigkeit einer Schadenreguliererin braucht es Akribie, Empathie und Fingerspitzengefühl
DieBilder der Schäden, die nach der Flut im Ahrtal 2021 ent standen sind, haben viele noch vor Augen. Wann immer es darum geht, Leistungsansprüche von Versi cherten zu prüfen, sind Schadenregu lierer im Einsatz.
Was im ersten Moment abstrakt klingt, bekommt durch Katja Burglin ein Gesicht. Im Job-Protokoll erzählt die 39-Jährige, warum sie sich als Scha denreguliererin nicht nur mit Richt linien und Gesetzen auskennt, son dern auch Erklärerin, Zuhörerin und Trösterin ist. „Ich habe Versicherungskauffrau ge lernt und nach meinem Abschluss nebenberuflich BWL studiert. Das Studium ist für den Job nicht not wendig. Es werden auch Querein steiger eingesetzt. In der Regel aber haben die Schadenregulierer eine kaufmännische Versicherungsaus bildung.
Ich kümmere mich als Schadenre guliererin bei der Axa-Versicherung um ein Gebiet in Thüringen und West-Sachsen. Ich bearbeite Scha densfälle, bei denen der Sachverhalt nicht eindeutig ist, entscheide über Leistungsansprüche, berechne Ver sicherungsleistungen und weise Zah lungen an.
Viele Sachlagen kläre ich vor Ort im Kontakt mit den Kunden. Zur Scha densaufnahme nutze ich ein Tablet. Für meine Arbeit am Computer muss ich mit fachspezifischer Software um gehen können. Außerdem müssen wir viele Gesetze, Richtlinien sowie Hand bücher und interne Arbeitsanweisun gen kennen und beachten. Ich mag es, dass ich morgens nicht immer weiß, was mich erwartet. Jeder Schadenfall entwickelt sich anders. Oft fahre ich zu den Kunden, schaue mich vor Ort um. Ich führe Gespräche, bekomme Einblick in diverse Lebenssituationen. Es gibt natürlich ähnliche Abläufe und wiederkehrende Arbeitsblöcke.
Mir gefällt, dass ich mir den Tag so or ganisieren kann, wie ich will. An Bü rotagen erledige ich viele organisatori sche Dinge und verfasse Mails. Ich genieße es aber auch, wenn ich im Auto zu den Kunden unterwegs bin. Empathie und ein Gespür für Men schen sind wichtig. Man sollte sich mit Versicherungsverträgen aus kennen, Bedingungen lesen und anwenden können sowie einen Sinn für rechtliche Sachverhalte ha ben. Auch eine gewisse Offenheit für neue technische Entwicklungen und permanente Veränderungen ist von Vorteil. Wer flexibel und gleichzeitig strukturiert arbeiten kann, bringt gute Voraussetzungen für diesen Beruf mit. Auch ein Füh rerschein ist wichtig. Wir können Menschen in Ausnahme situationen helfen. Die sind nicht im mer so extrem wie beim Hochwasser im Ahrtal. Aber wir haben häufig mit Menschen in emotionalen Situatio nen zu tun. Hier signalisieren zu kön nen, dass der finanzielle Schaden ab
gesichert ist, ist natürlich ein gutes Gefühl. Was mir gefällt ist, dass durch mich ein abstraktes, unsichtbares Pro dukt ein Gesicht bekommt. Und schön ist, wenn man am Ende ein Danke hört. Als Schadenreguliererin bin ich vieles: Erklärerin, Zuhörerin, auch Seel sorgerin und Trösterin.
Ich habe mit Emotionen zu tun, das kann belasten. Ich spüre Mitleid mit verzweifelten Menschen, die weinen, wenn ihr Haus zum Beispiel durch ei nen Wasserschaden unbewohnbar geworden ist. Oder wenn durch ein Feuer alles vernichtet wurde, etwa liebgewordene Erinnerungen.
Zu den weniger schönen Seiten des Berufes gehört, Menschen sagen zu müssen, wenn etwas durch die Ver sicherung nicht abgedeckt ist. Da geht es manchmal um Details, etwa eine nicht mitversicherte Ga rage. Wir haben in den meisten Fäl len mit ehrlichen Kunden zu tun. Aber es kommt auch Versicherungs betrug vor, und das ist kein Kava liersdelikt. Ich achte darauf, ob eine Schilderung schlüssig ist. Aber ich bin keine Detektivin, ich kläre einen Sachverhalt.“
Katja Wallrafen (dpa)/BZ
INFO
GEHALTSAUSSICHTEN
Für die Angestellten der Versicherungs branche gibt es Tarifverträge. Abhängig von der Art der Tätigkeit, der jeweiligen Berufserfahrung, den Fähigkeiten und Entscheidungsbefugnissen kann die monatliche Bruttovergütung entsprechend variieren zwischen rund 2800 Euro und circa 5400 Euro.
Einen Ticken Romantik
Schäfer sind mit allen Sinnen bei ihren Tieren –ganze 365 Tage im Jahr
Werden Berufe übermäßig verklärt, hat das meist nicht mehr viel mit der Arbeitsrealität zu tun. Den Schäfer beruf aber würde es ohne etwas Ro mantik vielleicht gar nicht mehr geben. Denn mit hohem Einkom men, Prestige oder viel Freizeit kön nen angehende Schäferinnen und Schäfer nicht rechnen. Was aber bringt sie dazu, das Hüten dennoch zum Job zu machen?
„Es gibt aber zwei Knackpunkte, die Interessenten wieder abschrecken.“
Das seien zum einen die Erwerbsaus sichten. „Wenn jemand mit dem Be rufswunsch Schäfer auf mich zu kommt, dann frage ich zuerst: Traust du dir zu, von 1100 bis 1200 Euro im Monat eine Familie zu ernähren?“
Der zweite Punkt, an dem viele sich vom Schäferberuf verabschieden, sei „die unglaublich überbordende Bü rokratie“, so Czerkus. Schäfer sind Bindeglied zwischen Naturschutz und Landwirtschaft. Das heißt, sie müssen Naturschutz- und auch Agrarförderungsauflagen bedienen.
Dort ist es sein Job, die Zäune und die Tiere zu kontrollieren. Dann lässt er die Hunde raus und hütet die Herde für fünf bis sechs Stun den. „Da ist nicht jeder Tag gleich.“ Mal sei eines der Schafe krank, mal lammt ein Tier.
Tobias Dommershausen ist in einen Schäferbetrieb hineingeboren. Der 24-Jährige ist im dritten Lehrjahr und kurz vor Abschluss seiner Aus bildung zum Tierwirt, Fachrich tung Schäferei. „Für mich ist das der Familienberuf, ich möchte die Tradition weitertragen.“ Er hat sich für einen Beruf entschieden, in dem er auf lange Urlaube verzich ten muss. „Schäfer ist man 365 Tage im Jahr.“
Es verwundert nicht, dass viele Schä fereibetriebe Nachwuchssorgen ha ben. „Wir haben zwar viele Men schen, die sich für den Beruf interessieren“, sagt Günther Czerkus vom Bundesverband Berufsschäfer.
Dem Verbandsvorsitzenden zufolge ist mit Beginn der nächsten Förder periode „ein Sprung bei der Entbüro kratisierung“ zu erwarten. Die Digi talisierung spiele dabei eine Rolle. Anstatt einem händisch geführten Weidetagebuch etwa könnte die Ar beit künftig relativ einfach mittels Vorher-Nachher-Fotos mit Geo-Koor dinaten, Datum und Uhrzeit doku mentiert werden. Auch in Sachen Arbeitsorganisation soll es Verbesse rungen geben. Eine Möglichkeit sei, die Pflege von Sonderflächen und Naturschutzgebieten zu kombinie ren, so Czerkus. Im Solarpark bei spielsweise müsse man nicht rund um die Uhr anwesend sein, um die Schafe zu hüten. „Dann kann man auch am Wochenende mal etwas machen. Mein Leben besteht dann nicht nur aus Arbeit.“ Dommershausen betreut im Betrieb seines Vaters mit fünf weiteren Mitarbeitern drei Herden. Für den 24-Jährigen beginnt der Arbeitstag meist um 7 Uhr morgens. Dann fahre er 100 Kilometer zur Herde.
Wenn man als Schäfer auf der Weide steht, habe man keine Minute Frei zeit, man müsse erspüren, was die Tiere gleich vorhaben werden, sagt Czerkus. „Das kann ich nur, wenn ich aufmerksam mit allen Sinnen bei den Tieren bin.“ Angehende Schäfer wie Dommershausen ler nen in ihrer Ausbildung außerdem, worauf es bei der Beweidung ver schiedener Flächen ankommt. Wel che Pflanzen sind für die Schafe giftig? Wie hirtet man Flächen so aus, dass man Naturschutzzielen gerecht wird?
Die Arbeitsbedingungen sieht Dom mershausen pragmatisch. Er ist ger ne in der Natur. „Ich kann einfach nicht den ganzen Tag an einem Computer sitzen.“ Wer sich für den Beruf interessiert, müsse viel Moti vation und einen starken Willen mitbringen. „Wir sind im Winter bei minus 10 und im Sommer bei plus 35 Grad draußen.“ Schäfer sein, das geht also nur, wenn man Freude dar an hat, eine Herde zusammenzuhal ten. „Wir sind Personalmanager, Diagnoseassistenten für den Tier arzt, Nahrungsmittelerzeuger und agrarökologische Dienstleister“, sagt Czerkus. „Wenn man einmal gelernt hat, wie man sich beim Hüten einer Schafherde erden kann, dann kann man es nicht mehr lassen.“
Amelie Breitenhuber (dpa)/BZ
Pflicht oder Kür ist die Frage Haben Praktikanten einen Anspruch auf Urlaubstage?
DieOma hat Geburtstag, der beste Freund hei ratet: Wer für längere Zeit ein Praktikum macht, könnte den ein oder anderen Urlaubs tag für solche oder andere Gelegenheiten gut gebrau chen. Aber hat man im Praktikum Anspruch darauf?
„Das hängt von der Art des Praktikums ab“, sagt Alexan der Bredereck, Fachanwalt für Arbeitsrecht. Häufig wür den Pflichtpraktika, die im Rahmen einer Ausbildung oder eines Studiums absolviert werden müssen, keinen Urlaub vorsehen. „Das ist in Ordnung“, so der Fachanwalt. Praktikantinnen und Praktikanten müssten sogar vor sichtig sein, wenn ihnen der Praktikumsgeber freiwillig Urlaub anbiete. „Es kann dann sein, dass dadurch die vor gegebene Praktikumsdauer nicht erreicht wird.“ Im Zwei
felsfall müsse man das Praktikum ent sprechend um die Zahl der Urlaubstage verlängern. Wer allerdings ein freiwilliges Praktikum absolviert, hat Bredereck zufolge grund sätzlich Anspruch auf Urlaub – wie Arbeit nehmer auch. Der gesetzliche Mindestanspruch beläuft sich auf 24 Urlaubstage pro Kalenderjahr bei einer Fünf-Tage-Woche. Eine längere Urlaubszeit kann der Arbeitgeber mit Praktikanten vereinbaren. Wer unter 18 ist, hat 25 Urlaubstage pro Jahr, unter 17 hat man 27 Urlaubstage und unter 16 besteht ein Anspruch auf 30 Urlaubstage pro Jahr. Wenn das Praktikum sechs Mona te oder kürzer dauert, bestehe nur ein anteiliger An spruch, so Bredereck. tmn/BZ
Chancen und Risiken
Nach Start eines neuen Ausbildungsberufs sind Folgen schwer abschätzbar
Wird ein neuer Ausbil dungsberuf eingeführt, kann das für Jugend liche spannend sein. Aber ist es eine gute Idee, einen Beruf zu er greifen, den noch niemand kennt? Ein Experte ordnet ein.
Die Liste der Ausbildungsberufe ist lang. Damit die Inhalte relevant und aktuell bleiben, werden die Ausbil dungsverordnungen regelmäßig an gepasst. Manchmal kommen sogar ganz neue Ausbildungen hinzu. Wel che Vor- oder Nachteile hat es, Neu land zu betreten?
Als gesuchte Fachkraft in den Stellenmarkt
Ob es sich positiv auswirkt, einen neuen Ausbildungsberuf zu ergrei fen, sei allgemein schwer zu beant worten, sagt Thomas Felkl, der im Bundesinstitut für Berufsbildung die Einführung des neuen Berufs Elektroniker/in für Gebäudesystem integration mitverantwortet hat.
„Aber im Prinzip kann man sagen, wenn der Beruf erfolgreich wird und der Bedarf groß ist, dann ist man als Absolvent einer der ersten Fachkräf
te und wird stark gesucht sein.“ Zu dem ist es Felkl zufolge ein Vorteil, dass eine Ausbildung ohne Rücksicht auf bestehende Ausbildungsinhalte gestaltet werden kann. Damit biete sie eine größtmögliche Passung zu innovativen Tätigkeitsfeldern. Au ßerdem positiv: Wer sich schon im mer für das Thema interessiert hat, kann nun einen offiziellen Ab schluss in dem Bereich machen.
Ungewissheit bleibt
Auf der anderen Seite sind nicht alle neuen Ausbildungsberufe erfolg reich. „Wenn etwas neu ist, ist es im mer ungewiss, ob das am Markt an genommen wird“, sagt der Berufsbildungsexperte. Auch die Berufsschulen
Die Arbeitswelt wandelt sich, neue Jobprofile entstehen.
müssen – abhängig von der Ent wicklung der Ausbildungszahlen –zuerst einen passenden Modus für die Gestaltung der Unterrichtsmo dalitäten finden.
Wer eine kürzlich eingeführte Aus bildung beginnt, muss außerdem damit rechnen, dass noch nicht jeder den neuen Abschluss kennt. Außer dem müssen die Betriebe die Ausbil dung erst einmal anbieten.
„Da besteht aber auch die Möglich keit, aktiv bei Betrieben nachzufra gen und damit sogar erst die Mög lichkeit zu schaffen, dass ein Unternehmen in diesem Beruf aus bildet“, rät Fachmann Felkl.
Amelie Breitenhuber (dpa)/BZ
Ab ins Ausland
Freistellen lassen für den Lernaufenthalt: Verhandlungsgeschick ist gefragt
Eine Sprache, unbekannte Ar beitsabläufe und neue Kul turen kennenlernen: Auszu bildende können von einem Auslandsaufenthalt auf vielen Ebenen profitieren. Wer in der Ausbildung Lust auf andere Länder hat, braucht aber etwas Verhandlungsgeschick, schreibt das Portal abi.de.
Zwar sei im Berufsbildungsgesetz geregelt, dass Azubis während der Ausbildung ins Ausland gehen kön nen. Es bestehe aber kein Recht da rauf. Sprich: Azubis müssen ihren Arbeitgeber überzeugen.
Dazu sollte man das Thema beim Betrieb offen und interessiert an sprechen, rät Berthold Hübers, stell vertretender Geschäftsführer der Nationalen Agentur Bildung für Eu ropa beim Bundesinstitut für Berufs
bildung (NA BIBB) in dem Beitrag. Am besten stellt man die Vorteile für das Unternehmen heraus: Etwa, dass man im Ausland neue Dinge lernt, die man mit in den Betrieb bringt. tmn/BZ