Wir t scha f t
Juli 2019 Ausgabe Nr. 23
Im Fokus:
IT in der Region
Das zähe Ringen um mehr Klimaschutz Die Mahner und Macher der Energiewende in Südbaden Politik
Genossenschaften
Grundstücksmarkt
Bahnstrecke Freiburg – Colmar: Wer bezahlt die Zeche?
Die quälenden Querelen um die Quäkerstraße
Explodierende Bodenrichtwerte bringen Sieger und Verlierer
Editorial
Der Preis des Lebens Klimawandel kostet, Wohnen immer mehr
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ist der Treibstoff dafür auch heute noch steuerfrei zu haben. Die Franzosen wagten unlängst bei einem Treffen der EU-Verkehrsminister mal einen Vorstoß für eine europaweite Flugsteuer. Die Allzweckwaffe Wettbewerbsfähigkeit wehte die Idee in irgendeine Schublade.
Und dann wächst die Weltbevölkerung: Im vergangenen Oktober lebten 7,63 Milliarden Menschen auf der Erde, aktuell sind es 8,3, die Vereinten Nationen rechnen bis 2050 mit 9,7 Milliarden. Der Planet ächzt. Hieß es Mitte der 80er-Jahre in Deutschland noch „Rettet den Wald“, schreit es heute aus tausend Kehlen „Rettet das Klima“. Der Druck auf die Politik wird immer höher; man könnte durchaus sagen, das Volk zwingt die Mächtigen immer mehr, Nachhaltigkeit zur Maxime des Handelns zu machen. Der Ausstoß des Klimakillers Kohlendioxid muss bepreist werden. Das fordert der Freiburger Verein CO2-Abgabe schon seit Jahren. Doch erst jetzt regt sich was auf den politischen Bühnen in Berlin und Brüssel. Es geht gar nicht mehr ums Ob, sondern „nur“ noch ums Wie. Das ist gut – für den Planeten. Wenn der selber Rechnungen für unsere Lebensweise ausstellen könnte, würden wir ohnehin schon ganz anders leben. Für unsere Titelgeschichte haben wir uns in Südbaden umgeschaut, mit Machern der Energiewende gesprochen. Und wir werden das Thema auch in der nächsten Ausgabe noch einmal anfassen. Wenn Sie Klimaretter kennen, Menschen, die nach-
haltige Projekte machen, ohne in die Schlagzeilen zu kommen, schreiben Sie uns: redaktion@chilli-freiburg.de. Wir werden dem nachgehen. Einen zweiten Schwerpunkt dieser Ausgabe bilden die drei Freiburger Baugenossenschaften. Die betreiben zwar mit ihren Millioneninvestitionen in energetische Sanierungen auch Klimaschutz, aber nur im Nebenjob. Im Hauptberuf versorgen sie viele tausend Menschen mit preiswertem Wohnraum. Alle eint: In Freiburg können sie das nicht weitermachen, weil es keine genossenschaftskompatiblen Grundstücke mehr gibt. Und wenn sie – wie die Familienheim – auf eigenem Geläuf neu für alt bauen wollen, werden schon mal die Folterwerkzeige der Politik gezeigt. Dass die Bodenrichtwerte – wie von uns im Mai vorhergesagt – regelrecht explodiert sind, macht günstiges Wohnen künftig noch unrealistischer. Auch hier gilt: Der Preis ist heiß.
Foto: © ns
er Preis ist heiß. Im Prinzip wälzt die Generation Gegenwart die Kosten ihrer Lebensweise auf die Generation Zukunft ab. Boomende Billigflieger bringen Millionen Menschen in alle möglichen Ecken der Welt und dank des Chicago-Abkommens von 1944 (!)
Wir wünschen anregende Lektüre. Herzlichst Ihr Lars Bargmann | Chefredakteur Anzeige
chilli | business im Breisgau | 07.2019 | 3
Inhalt Menschen und Meldungen
Titel
Schwarzwaldmilch mit Rekordjahr Neue Kaufmännische Direktorin am Uniklinikum / Sick bezieht neue Standorte auf dem Güterbahnhof Bewährungsstrafe für Handwerker Waldhaus feiert Rekordumsatz Außergewöhnliches Wachstum am EuroAirport 24-29
Das zähe Ringen um die Energiewende: Die Region Südbaden kennt viele Macher, die sich schon früh für den Klimaschutz eingesetzt haben. Doch auf dem Weg zu einer Zukunft mit viel weniger Kohlendioxid liegen noch unzählige schwere Steine. 6 -11 Der Energiedienstleister Badenova durchbricht die Milliarden-Euro-Umsatz-Mauer 8 Wie der Stromversorger Energiedienst aus Abwasser Energie macht 11
Politik
Macron und Merkel haben in Aachen den neuen Élysée-Vertrag unterzeichnet. In dem steht auch die Wiederinbetriebnahme der Bahnstrecke Freiburg – Colmar. Wer’s bezahlen soll, ist völlig offen. 5
bib vor Ort:
Eine Lagebesprechung zwischen Unternehmer Gerhard Knoll und VolksbankFirmenkundenchef Alexander Vogel 14
Arbeitsmarkt
Heiter bis wolkig: Leichter Anstieg der Arbeitslosenzahlen in der Region 3 0 - 3 1
Unternehmen
Horl-1993: Wie ein Start-up im ersten Jahr gleich 1,4 Millionen Euro Umsatz machte 15
Genossenschaften
Die Bilanz des Bauvereins Breisgau kennt nur steigende Zahlen – und immer mehr Aktivitäten im Umland 18-19
Warum sich in Freiburg Oberbürgermeister und Fraktionen eine Fehde mit der Baugenossenschaft Familienheim liefern 1 6 - 1 7
Immobilienbranche
In Freiburg explodieren die Bodenrichtwerte für Wohnungsbaugrundstücke. Das kann höhere Grundsteuern verursachen und damit höhere Mieten. Senkt das Rathaus deswegen die Hebesätze? 12
Themenheft 07-2019
Das business im Breisgau-Themenheft erscheint im Freiburger Stadtmagazin chilli
Herausgeber:
chilli Freiburg GmbH Paul-Ehrlich-Straße 13 | 79106 Freiburg fon: 0761-76 99 83-0 | fax: 0761-76 99 83-99 bargmann@chilli-freiburg.de www.business-im-breisgau.de
Geschäftsführung: Michaela Moser (V.i.S.d.P.) Chefredaktion: Lars Bargmann
Die E-Mail-Marketing-Spezialisten von Inxmail feiern ihr 20-Jähriges
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Die Heimbau Breisgau feiert ihr 100-jähriges Bestehen – und kritisiert den Freiburger Beschluss für 50 Prozent sozialen Mietwohnungsbau 20-21
STEP Computer- und Datentechnik digitalisiert den Mittelstand 34
Start-ups
E-Autos auf der Erfolgswelle? Südbadens Autohändler sind skeptisch 36-37
Warum die Chefs von jicki Sprachduschen 280.000 Schweizer Franken für 25 Prozent der Firma vor laufender TV-Kamera ablehnten 22
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IMPRESSUM business im Breisgau
IT in der Region, Teil zwei
Mobilität
Fakten bitte
Die Welt, die Wirtschaft in Zahlen 3 8
15
36 -37
Redaktion: Till Neumann, Philip Thomas, Dr. Stefan Pawellek, Erik Herr, Nico Herr, André Daub, Tanja Senn
Druck: Freiburger Druck GmbH & Co. KG
Titel: © iStock.com/Axel2001, freepik.com, hk
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Fotos: freepik, iStock Fotograf: Neithard Schleier Grafik: Hannah Karayilan Lektorat: Beate Vogt Anzeigen: Giuliano Siegel, Maria Schuchardt, Jennifer Leval, Malika Amar
4 | chilli | business im Breisgau | 07.2019
Ein Unternehmen der
Mobilität
Kein Zug drauf
Das Ringen um die Bahnstrecke Colmar – Freiburg
Fehlanzeige: Wer mit dem Zug von Freiburg nach Colmar will, hat bisher kein Glück.
Foto: © Till Neumann
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lle finden die Idee gut, keiner will sie bezahlen. Seit Emmanuel Macron und Angela Merkel im Januar den neuen Élysée-Vertrag unterzeichnet haben, ringen Politiker und Initiativen verstärkt um die Wiederaufnahme der Bahnstrecke Freiburg – Colmar. Fast 6000 Fahrgäste könnten dort täglich unterwegs sein. Doch wer die rund 250 Millionen Euro zahlt, ist offen.
chen Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt werden.“ Viele Bundestagsabgeordnete aus der Region sprechen sich dafür aus. Die Finanzierung müsse man auf verschiedene Schultern verteilen, heißt es – zwischen EU, Bund und Land, zwischen Deutschland und Frankreich. Gerade mit Blick auf die PostÄra des AKWs Fessenheim biete die Zugverbindung große Chancen, findet nicht nur Fechner.
Am 22. Januar schien die größte Hürde genommen: Merkel und Macron unterzeichneten in Aachen feierlich den zweiten Élysée-Vertrag. Im Dokument als prioritär genannt: der Wiederauf bau der Zugstrecke Colmar – Freiburg. Doch der Bund schob die Finanzierung Richtung Stuttgart. Die Begründung: Regionalverkehr ist Ländersache. Eine erste Machbarkeitsstudie zeigt jedoch das enorme Potenzial: Knapp 5900 Personen könnten die Strecke täglich frequentieren. Politiker aus der Region machen sich stark für die auch symbolisch so bedeutende Verbindung. SPD-Bundestagsabgeordneter Johannes Fechner aus Emmendingen konnte kürzlich Positives vermelden. Das Bundesministerium schrieb ihm: „Der Bund ist bereit, die Realisierung des Projekts durch eine weitere Machbarkeitsstudie zu unterstützen, sofern die erforderli-
Zwei Stunden für 50 Kilometer Auch Grünen-Politikerin Franziska Brantner fordert rasches Handeln. „Die Regierungen beider Länder haben im Aachener Vertrag versprochen, dass sich in den Grenzregionen die Situation verbessert“, sagt die gebürtige Lörracherin. Die Bahnstrecke sei ein Paradebeispiel dafür, wie man konkret den grenzüberschreitenden Alltag vereinfachen könne. Ihr CDU-Kollege aus Freiburg, Matern von Marschall, erinnert an die regionale Besonderheit: „Die Eisenbahnbrücke bei Breisach am Rhein ist der einzige deutsch-französische Rheinübergang, der in der Nachkriegszeit nicht wiederhergestellt worden ist.“ In Freiburg hat sich der Gemeinderat mit einer einstimmigen Resolution für die Wiederaufnahme der Bahnstrecke eingesetzt.
Die Zahlen verdeutlichen das Schlamassel: Wer von Freiburg nach Colmar möchte, fährt mit dem Auto knapp eine Stunde. Mit dem Zug braucht man meist doppelt so lang – für 50 Kilometer. Zum Vergleich: Ins ebenfalls 50 Kilometer entfernte Lahr schafft man es mit der Bahn in rund 35 Minuten. Still liegt die Verbindung seit 1945. Da wurde die Rheinbrücke bei Breisach zerstört. Seitdem ist kein Zug mehr drauf. Eine Studie des Landes Baden-Württemberg schätzt die Kosten des Wiederaufbaus auf 250 Millionen Euro. 80 Prozent davon dürften Frankreich betreffen. Der Abschnitt Freiburg – Breisach ist schließlich bereits in Betrieb. Mit der neuen Bereitschaft des Bundes, weiter zu finanzieren, könnte etwas ins Rollen kommen. Wichtig ist Johannes Fechner, die Planung „nicht auf den Sankt-Nimmerleinstag zu verschieben“. Er wünscht sich eine Realisierung in den kommenden fünf bis zehn Jahren. Auch Patrick Kerber pocht auf konkrete Schritte. Der 26-Jährige ist Vorsitzender des Vereins Trans Rhin Rail, der seit Jahren für die Strecke kämpft. „Wir sehen auf französischer Seite noch weniger Bewegung als auf der deutschen“, sagt Kerber. Bisher sieht er keine einzige konkrete Tat zur Finanzierung. Dabei ist der Mann aus Biesheim überzeugt: „Auch viele Nachbarn, Kollegen und Freunde würden den Zug nehmen.“ Schneller sei das. Und nachhaltiger. Till Neumann
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Titel
Das zähe Ringen um die Energiewende
Illustration: © freepik.com, Hannah Karayilan, iStock.com/Axel2001
Viel getan, viel zu tun: Warum Südbadens Experten die Politik kritisieren
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ie Pro-Kopf-Emission von Kohlendioxid (CO2) in Deutschland ist mit 9,6 Tonnen knapp doppelt so hoch wie der internationale Durchschnitt (4,8). Um den Wert zu senken, die Erderwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts möglichst unter 1,5 Grad zu halten und den Klimakollaps zu verhindern, wird auch im Breisgau geforscht, gebaut und gestritten. Alle sind sich einig: Die Technologie ist da. Nur die Zeit wird knapp. Andreas Bett vom renommierten FraunhoferInstitut für Solare Energiesysteme (ISE) fordert einen industriepolitischen Kurswechsel in Europa. „Die Axt ist am Baum“, sagt Klaus Preiser, Geschäftsführer der Badenova-Tochter Wärmeplus GmbH & Co. KG. „Heute leben 100 Millionen Menschen einen Meter über dem Meeresspiegel. Diese Leute werden sich auf den Weg
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machen, wenn das Eis schmilzt“, sagt er. Wirklich etwas gegen die Schmelze tun würde die Weltbevölkerung nicht. Dabei seien alle notwendigen Technologien vorhanden. Auf jede einzelne müsste man setzen. Ob Sonne, Wind, Wärme, Wasser oder Biogas: „Es geht nur im Mix.“ Für diese Mischung müsse man Geld in die Hand nehmen. Und das sei derzeit leicht zu kriegen. „Geld kostet nichts. Das Zinsniveau könnte aktuell nicht niedriger sein“, sagt Preiser. Auch deswegen nehme die Badenova gerade Kredite auf, um sich noch stärker im Bereich Erneuerbare Energien zu engagieren: „Das ist ein riesiges Geschäft.“ Und nehme immer mehr Fahrt auf. 2007 ist Preisers Unternehmen mit 20 Leuten gestartet, heute sind es 95. Mit denen erlöste er im vergangenen Jahr vier Millionen Euro Gewinn. „Wir machen damit Geld. Und mit dem Geld machen wir mehr Energiewende.“
Titel
Ist die Zukunft grün?: Kohle- und Erdgaskraftwerke müssen schon bald verschwinden, wenn die Erderwärmung noch aufgehalten werden soll. Es braucht neue Mobilitätskonzepte, noch mehr Erneuerbare Energien und vor allem aber ein beherztes Handeln der Politik.
Laut Geschäftsbericht hat die Badenova-Gruppe in 2018 mit allen Klimaschutzaktivitäten 907.537 Tonnen CO2 vermieden. So viel, wie jährlich 337.125 Autos in die Atmosphäre blasen. Der Energieversorger speiste 331 Millionen Kilowattstunden (kWh) aus Wärme ins Netz. Das möchte Preiser steigern. Denn im selben Jahr kamen noch fast 16 Millionen kWh aus Erdgas dazu. Ohne ginge es derzeit nicht: „Wenn wir morgen alle Kohle- und Gasanlagen abschalten, haben wir ein Problem.“ Die Umweltminister Sigmar G abriel (SPD) und Peter Altmaier (CDU) könnten Konzerne wie EON und RWE nicht pleitegehen lassen. Trotzdem wünscht sich Preiser mehr Mut aus Berlin und hofft auf die aktuelle politische Lage. „Die Politik geht nach den Wählern, die Europawahl und Fridays for Future haben eine Bremse gelöst.“ Eine
CO2-Abgabe könnte den Zug weiter beschleunigen. Preiser plädiert dafür, diese kontinuierlich zu steigern: „Heute 40 Euro pro Tonne und 2050 dann 200.“ Eine Abgabe wird politisch an mehreren Fronten gefordert. Nicht nur Fridays
CO2-Abgabe als Hebel for Future (180 Euro pro Tonne) oder die Grünen (Einstieg mit 40 Euro) machen sich dafür stark. Auch aus Reihen der CDU gibt es Forderungen, den Klimakiller mit einer Abgabe zu belegen. Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) hat Anfang Juli mehrere Gutachten zu den Folgekosten vorgestellt. Dem zugrunde liegt ein Einstiegspreis von 35 Euro. Eine Mehrbelastung für Bürger soll die Abgabe nicht werden.
Über eine Klimaabgabe von 75 bis 100 Euro sollen sie entlastet werden. Wer CO2-sparsam lebt, kann vielleicht sogar Geld sparen. Zumal Familien besonders profitieren sollen, da auch Kinder die Prämie erhalten. Schon lange aktiv in dem Bereich ist Jörg Lange. Er ist Vorsitzender des bereits im März 2017 gegründeten Freiburger Vereins „CO2-Abgabe“. Der hat mittlerweile mehr als 1000 Mitglieder und Büros in Freiburg und Berlin. „Wir sind in der Politik komplett hintendran“, schimpft der 55-Jährige. Die Forderung seines Vereins ist ein Einstiegspreis von 40 Euro pro Tonne. In den Folgejahren müsste der Betrag für die verursachergerechte Abgabe dann weiter steigen. Fossile Energieträger wie Kohle, Heizöl, Erdgas oder Kerosin würden damit teurer. Eine Lenkungswirkung kann das bringen, davon ist Lange über-
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Titel zeugt. Länder wie Schweden, die Schweiz oder England hätten es vorgemacht – und es funktioniere. Bestehende Steuern und Abgaben, beispielsweise die EEG-Umlage oder die Stromsteuer, könnten dafür wegfallen. Finanziell schwächere Bürger würde die Abgabe nicht belasten, erklärt Lange. Da müsse man bei der Entfernungspauschale ansetzen. Wer weniger Geld habe, könne stärker unterstützt werden. „Freizeitfahrer würden die Abgabe spüren“, ist er sicher. Und der Kohleausstieg komme von alleine, denn Kohle sei bei einer Abgabe nicht länger rentabel. Nach Vereinsberechnungen wären die letzten Meiler 2030 vom Netz. Und das europäische Ausland? „Viele ermuntern uns“, betont Lange. Nationale Initiativen würden internationale Vereinbarungen beschleunigen. Man könne so Anreize setzen, anders
zu investieren. Und das am besten bald: Denn die Energiewende werde jetzt gestaltet, nicht in zehn Jahren. Unternehmer bräuchten Planungssicherheit. Die braucht auch die Ökostromgruppe Freiburg. Seit 1986 hat sie mit Partnern rund 200 Anlagen für Erneuerbare Energien in Südbaden gebaut. Darunter sieben Wasserkraftwerke, 38 Windräder und mehr als 150 Photovoltaik-Anlagen. Zusammen produzieren sie 140 Millionen kWh Strom. „Das entspricht etwa dem Gesamtverbrauch von Emmendingen“, sagt Geschäftsführer Andreas Markowsky. Derzeit habe die Gruppe elf Projekte in Arbeit, alle im Windbereich. Unter anderem auf dem Taubenkopf (wir berichteten), wo sich aber erneut auch heftiger Widerstand formiert.
Rekordinvestitionen ins Netz Badenova steigert Umsatz und schmälert Gewinn
Die Rekordsumme von 43,6 Millionen Euro steckte die Badenova in die Strom-, Erdgas- und Wassernetze. 20,7 Millionen wurden zudem in Finanzanlagen investiert, der Rest in Servicecenter, Shops und optimierte Online-Kanäle. Die größten Netzinfrastrukturprojekte waren der Stromanschluss des neuen SC-Stadions, der Bau einer Quartierheizzentrale in Denzlingen, ein Projekt zur Nutzung industrieller Abwärme im Industriegebiet Nord, der Weiterbau der Trinkwasserleitung vom Wasserwerk Hausen über Ihringen nach Breisach. Zudem wurden neue Kunden ans Erdgasnetz angeschlossen. Ende 2018 beteiligte sich die Badenova mit 44,45 Prozent am elsässischen Stadtwerk Caléo in Guebwiller. „Die-
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se Beteiligung ermöglicht uns neue unternehmerische Aktivitäten in der Nachbarregion. Besonders nach der Schließung des Kernkraftwerks Fessenheim“, so Finanzvorstand Maik Wassmer. Die Tochter Wärmeplus hat Anteile an der dge wind baar eins erworben, die den Windpark Hohenlochen auf der Gemarkung Döggingen/Bräunlingen bauen will. Die Bundes-Immissionsschutz-Genehmigung ist bereits erteilt. „Dass der Klimaschutz bei den Menschen wieder stärker ins Bewusstsein geraten ist, bestärkt uns auch, was Investitionen etwa im Windbereich angeht“, sagt Wassmer. Der Kundenservice der Badenova wurde von der Wirtschaftswoche als „Bester Kunden- und Verbraucherservice 2019“ prämiert. „Zum dritten Mal in Folge den Spitzenplatz unter den regionalen Energieversorgern zu erreichen, ist ein Ansporn für die Mitarbeiter, das hohe Niveau zu halten“, so Wassmer Der Gewinn wird an die 97 Gesellschafterkommunen zwischen Hochrhein und Nordschwarzwald ausgeschüttet sowie ans ebenfalls kommunale Stadtwerkekonsortium Thüga. Die bar Stadt Freiburg profitiert mit etwa 17,3 Millionen.
Foto: © badenova
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er südbadische Energieversorger Badenova AG hat seinen Umsatz im vergangenen Jahr mit 1397 Mitarbeitenden, 65 mehr als im Vorjahr, um gut 61 Millionen auf eine Milliarde Euro gesteigert. Der Gewinn gab indes um 3,7 auf 52 Millionen Euro nach. Weil das Unternehmen insgesamt 72,1 Millionen investierte, fast 15 Millionen mehr als 2017.
Titel Bei Wind und Sonne seien die Potenziale längst nicht ausgeschöpft – und am Ende höher als der aktuelle Stromverbrauch. „Alte Anlagen leisten zwei Millionen Kilowattstunden, moderne zehn“, sagt der 67-Jährige. Nach dem neuen Windatlas der Landesregierung kommt für den Bau von Windkraftanlagen nun doppelt so viel Fläche infrage wie bis-
»Der Windausbau ist rückläufig« her gedacht. Insgesamt etwas mehr als 220.000 Hektar in Baden-Württemberg – das sind 320.000 Fußballfelder. Die beiden Energiequellen seien zudem eine starke Kombination: „Im Sommer und tagsüber gibt es mehr Sonne, im Winter und nachts mehr Wind.“ Die Zahlen vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie bestätigen Wind- und Sonnenenergie als die wichtigsten erneuerbaren Energieträger. Im ersten Halbjahr
2019 produzierten 1,6 Millionen Solaranlagen 24 Terawattstunden. Windenergie ist das Zugpferd und kommt im gleichen Zeitraum ohne Räder jenseits der Küste auf 55,8 Terawattstunden. 2500 Bürger haben sich bislang an den Projekten der Ökostromgruppe beteiligt. „Wir wären schon viel weiter, wenn die Energiewende nicht immer wieder auf allen Ebenen massiv ausgebremst würde.“ Schuld sei in erster Linie die Politik. Die vergangenen Bundesregierungen, inklusive des aktuellen Kabinetts, hätten versucht, die Energiewende zugunsten der Kohle-Industrie zu bremsen. „Auf Landesebene sind wir willkommen“, sagt Markowsky. 100 Windräder seien dort das Ziel. Aktuell sind es nur zwei Dutzend. „In Deutschland ist der Windausbau stark rückläufig“, so Markowsky. Wurden auf deutschem Festland 2016 noch 1624 und 2017 insgesamt 1792 neue Anlagen errichtet, waren es nach dem Bundesverband WindEnergie im vergan-
genen Jahr nur noch 743. Schuld daran seien die geringen Genehmigungszahlen. Nicht einmal die Hälfte der möglichen Förderkontingente der Bundesnetzagentur werden angezapft. „Das Verfahren ist absurd“, kritisiert Markowsky, der auf eine Genehmigung im Schnitt vier Jahre wartet. Auch der Artenschutz macht dem Geschäftsführer zu schaffen. Zwar würden vereinzelt Tiere an den Anlagen sterben, die Bestände insgesamt würden aber nicht sinken. „Die Vorschriften sind exorbitant gestiegen“, bestätigt auch Sebastian Sladek, Vorstandsmitglied der Elektrizitätswerke Schönau. Mit 7300 Mitgliedern ist sie die größte Energiegenossenschaft in Baden-Württemberg. Es werde immer schwieriger, Projekte zu realisieren. So brauche es mittlerweile bis zu 15 Jahre, um alle Genehmigungen für eine Wasserkraftanlage zu bekommen. „Das gibt keine Rendite mehr“, sagt der 41-Jährige, der für 2017 einen Gewinn von 4,5 Millionen Euro verbucht hat. Anzeige
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Titel
Wünscht sich bei der Energiewende mehr Gemeinschaft: Sebastian Sladek von der EWS Schönau. Laut Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) werden in Deutschland aktuell 600 Terawattstunden (600 Milliarden kWh) Strom verbraucht. Markowsky schätzt, dass diese Zahl durch Einsparungen und technischen Fortschritt bis 2030 zwar auf 540 gesenkt werde. Durch den steigenden Bedarf bei der Elektromobilität und der Wärme werde der Verbrauch aber letztendlich auf 800 Terawattstunden ansteigen. Er betont: „Wenn Öl und Gas verdrängt werden, wird der Stromverbrauch erheblich zunehmen.“ Wichtig sei, Strom lokal zu erzeugen. „Produktionskosten für Energie sind oftmals geringer als die Transportkosten“, sagt Markowsky. Die Produktion einer Kilowattstunde am Taubenkopf koste sechs, der Transport nach Freiburg vier Cent. Eine Anlage in Bremen produziere
Fotos: © Albert Schmidt/EWS, badenova, Privat
Freut sich über Fridays for Future: Klaus Preiser, Geschäftsführer Wärmeplus der Badenova.
zwar für vier Cent, der Transport in den Süden koste aber acht und somit insgesamt zwei Cent mehr. Mit sechs Energiegenossenschaften baut Markowsky gerade drei Windräder bei Emmendingen. Eine Anlage koste inklusive Genehmigungen und Anschluss rund 5,5 Millionen Euro. Für Markowsky gut investiertes Geld: „Die Energiewende ist ein großer volkswirtschaftlicher Vorteil.“ Die Technik werde immer preiswerter. „Neue Gas-, Kohle- und Atomkraftwerke produzieren teurer als Erneuerbare Energien.“ Das beschlossene Kernkraftwerk Hinkley Point C im S üdwesten von England verlange beispielsweise 11,8 Cent pro Kilowattstunde. Garantiert über 30 Jahre und mit Inflationsausgleich. Markowsky: „Wir erhalten hier sechs Cent für 20 Jahre – ohne Inflationsausgleich.“ Und dennoch sagt Markowsky: „Wir werden gewinnen.“ Auch an anderen Stellschrauben in der Region wird gedreht: Die Windstromprodukti-
trische Energie zu wandeln. „Und das ist noch nicht das Ende der Fahnenstange“, so der Forscher. „Um die Energiewende mit bis zu 100 Prozent CO2-Freiheit in allen Sektoren zu realisieren, müssen wir mehr als 10 Mal so viel Photovoltaik installieren wie wir heute haben.“ Das sei ohne Probleme machbar. Allerdings müsse man dazu nicht nur auf Dä-
Von Solar so abhängig wie von Öl und Gas
chern und Freiflächen bauen, sondern Solarmodule auch an den Fassaden bestehender Gebäude montieren. Zwar habe man in Deutschland eine weltweite Spitzenstellung, allerdings gebe es hierzulande sowie in Europa keine Hersteller von Solarzellen. Die Technologie werde zwar noch hier entwickelt, die produzierenden Firmen seien allerdings in Asien. „Es bedarf industriepolitischer Entscheidungen, konkret einer Wiederansiedlung einer Produktion in Europa, um uns nicht für alle Zukunft bei unserer Energieversorgung ähnlich abhängig zu machen wie heute von Öl und Gas“, fordert Bett. „Elektrizität ist nur ein Schlachtfeld“, sagt Sladek. „Wir haben erst zehn Prozent geschafft.“ Die nächsten zehn Jahre seien entscheidend. „Wir haben die Energiewende zu lange ohne Plan gemacht“, sagt sein Mitstreiter Preiser. Das Deutsche Umweltministerium wurde 1986 gegründet – fünf Wochen nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl. Sladek scherzt: „Die Energiewende scheint nur in Gau-Einheiten zu funktionieren.“ Philip Thomas
on des Bürgerwindrades der Stadtwerke Emmendingen vermeidet jährlich rund 4000 Tonnen CO2. Zudem produzieren zehn Bürger-Solarkraftwerke per anno 430.000 Kilowattstunden Ökostrom. Das entspricht etwa 285 Tonnen „gespartem“ CO2. Ein Wert, der durch den geringen Preis von nutzbar gemachter Sonnenenergie noch steigen soll. „Die Photovoltaik ist heute die kostengünstigste Stromquelle überhaupt“, sagt Andreas Bett, Institutsleiter am ISE in Freiburg. Nicht nur in sonnigeren Regionen, auch in Deutschland könne man heute für weniger als fünf Cent pro Kilowattstunde Solarstrom erzeugen. Ob der Massenproduktion wurden die Kosten für Solarmodule um 90 Prozent gesenkt. „Das ist eine rasante Entwicklung, die aber noch nicht am Ende ist“, sagt Bett. Photovoltaik sei eine noch junge Technologie. Bei Solarzellen habe man bereits einen Wirkungsgrad von einem Drittel erzielen können, um Sonnenlicht in elek-
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Fordert Reformen des ErneuerbareEnergien-Gesetzes: Andreas Markowsky von der Ökostromgruppe.
Energiewende
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Heiß auf Wärme
Energiedienst gewinnt Energie aus Abwasser
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Foto: © Energiedienst /Juri Junkov, Illustration: Hannah Karayilan
ochen, duschen, waschen: Jeden Tag verschwinden unzählige Liter warmes Wasser im Abfluss. Die Firma Energiedienst aus Rheinfelden zapft in einem Pilotprojekt diese Quelle nun dort an, wo sie entsteht. Im Neubaugebiet Weiermatten in Schallstadt wird der Versorger künftig mit nutzbar gemachtem Abwasser im Winter heizen, im Sommer kühlen und Warmwasser bereiten. Das Projekt zeigt, wie auch Dietenbach klimaneutral werden könnte.
tauscher beim Kanal. Nachdem das Schmutzwasser dort von groben Verunreinigungen befreit wurde, gelangt es mittels Pumpen in einen Wärmetauscher, einen großen Tank, der von mehreren Edelstahlrohren durchzogen wird. In ihnen fließt reines Wasser. Dieses ist kälter als das vorgereinigte Abwasser, das die Leitungen umströmt. Außer wertvoller Wärmeenergie wird dem Abwasser dabei nichts entzogen. „Das ist ein geschlossenes System und kommt ohne Einbauten im Abwassersammler aus“, sagt Schlachter. „Das System ist zuverlässig und effizient“, kommentiert der 27-jährige Ex„Wir brauchen eine neue perte. Mit einer Jahresarbeitszahl Denke bei der Wärmeversor(JAZ) von 4,5 sei das System efgung“, sagt Stefan Schlachter, fizienter als eine klassische LuftProjektleiter in einem 18-köpWärmepumpe (JAZ 3), deren figen Team für Wärme- und Betrieb etwa ein Drittel mehr Energielösungen bei EnergieStrom verbraucht. dienst. Bei der Versorgung der Nachdem die Abwärme entzo36 Einfamilien-, sechs Mehrgen wurde, fließt das Abwasser familienhäuser und dem neuzurück zum Entnahmebauen Rathaus schließt er Heizen werk und wird hier wieder dem mit Gas aus: „Um unsere Kli- Maßarbeit: Im Auftrag von Energiedienst fanden Abwassersammler zugeführt. maziele zu erreichen, brau- umfangreiche Messungen am Abwassersammler für das Baugebiet Weiermatten statt. Das erwärmte Wasser wird im chen wir neue Technologien, Wohngebiet Weiermatten mitdie keine edlen und endlichen tels Wärmepumpen als klimaneutrale Wärmequelle nutzbar Rohstoffe unwiederbringlich verbrennen.“ Die Kalte Nahwärme biete enorme Möglichkeiten und sei gemacht. Um Schwankungen im Abwassersammler vorzuin Form von Abwärme auf niedrigem Temperaturniveau beugen und eine konstante Wärmequelle zu gewährleisten, überall da zu finden, wo Menschen siedeln und arbeiten. ist dem System ein 500 Kubikmeter großer Pufferspeicher „Es lohnt sich, Potenziale zu erkennen und Quartiere de- angeschlossen. Insgesamt lassen sich so rund 200 Wohnzentral zu versorgen“, sagt Schlachter. Im Falle von Wei- einheiten versorgen. Den Strombedarf der Wärmepumpen ermatten ist das Abwärmepotenzial „im Untergrund“, im deckt Energiedienst über die Stromerzeugung ihrer FlussAbwassersammler zu finden. Dieser liegt im Westen des kraftwerke. Dadurch ist nicht nur die Wärmequelle CO2Baugebietes. Hier fließen jede Sekunde mindestens 22 Liter neutral, sondern auch die gesamte Wärmeerzeugung. Abwasser. Nach dem Spatenstich im Juli soll dieser Abwas- „Wir stehen noch am Anfang“, sagt Schlachter über das serstrom schnell energetisch nutzbar gemacht werden. Pilotprojekt, das in der Region seinesgleichen sucht. Schon In dem Abwasserkanal fließt das ganze Jahr hinweg Ab- jetzt sei die Technologie dahinter für die Klimabilanz des gewasser mit einer Temperatur zwischen zwölf und 18 Grad. planten Freiburger Stadtteils Dietenbach interessant. Noch Zwölf Grad warmem Wasser vier Grad zu entziehen, ist für fließen der Green-City jeden Tag ungenutzte Energien „im Schlachter ein Erfolg. „Es gilt, nur ein paar Grad auf verhält- Untergrund“ davon: In Freiburgs größtem Abwasserrohr nismäßig niedrigem Temperaturniveau zu bekommen.“ Dieses strömen pro Sekunde 330 Liter. kleine Temperaturdelta erhält Schlachter durch einen Wärme- Philip Thomas
Immobilienbranche
Bodenpreise gen Himmel Preissteigerungen von bis zu 74 Prozent
Visualisierung: © Stadt Freiburg/Dietrich/Untertrifaller Architekten
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er Gutachterausschuss der Stadt Freiburg hat Ende Juni die neuen Bodenrichtwerte bekannt gegeben. Schon in der MaiAusgabe hatte das Wirtschaftsmagazin business im Breisgau „dramatische Erhöhungen“ prophezeit. Das ist nun eingetreten: Die Baulandpreise für Mehrfamilienhäuser sind seit 2016 im Schnitt um 74 Prozent nach oben geschnellt. Die für Ein- oder Zweifamilienhäuser um 58 Prozent. „Die Preise sind teilweise dramatisch gestiegen“, sagt Finanzbürgermeister Stefan Breiter.
Hat noch gar keinen Bodenrichtwert: Das geplante Neubaugebiet Kleineschholz mit rund 550 Wohnungen.
Auf der Siegerseite der neuen Werte steht das Freiburger Finanzamt, aber auch Erbbaugeber wie das Freiburger Rathaus selbst oder auch die Stiftungsverwaltung. Denn der Erbbauzins wird zumeist an den Bodenrichtwert gekoppelt. Auf der Verliererseite könnten die Mieter stehen, denn die Grundsteuer nimmt auch Bezug zu den Bodenwerten und ist für die Eigentümer umlegbar. Somit sind die Bodenrichtwerte auch ein politisches Instrument. Aber sowohl der Vorsitzende des Gutachterausschusses, Hugo W. Sprenker, als auch Christian Vogt, Chef des städtischen Vermessungsamts, und Finanzbürgermeister Stefan Breiter betonten die totale politische Unabhängigkeit. Die Richtwerte ergäben sich vielmehr nahezu direkt aus der Kaufpreissammlung des Ausschusses, dem alle – in der Region protokollierten – Kaufverträge vorgelegt werden. Sie bilden also die Marktlage der vergangenen zwei Jahre ab. Und aus der ist herauszulesen, dass im vergangenen Jahr auf dem Güterbahnhof für einen Quadratmeter Boden und einer Geschossflächenzahl von 2,0 fürs Wohnen 2900 Euro hingeblättert wurden. Bib-Informationen zufolge für ein Grundstück an
der Ecke Zollhallenstraße und EugenMartin-Allee, auf dem die Stuckert Wohnbau AG bauen wird. Im Schnitt um 74 Prozent auf 1650 Euro schnellen die Preise für Geschosswohnungsbauflächen (ohne Altstadt) nach oben. Bei den Ein- und Zweifamilienhäusern sind es 58 Prozent. Gesunken sind allein die Preise im Rebland: Von 6 auf 5,50 Euro. Keine oder nur geringfügige Preissteigerungen gab es auf gewerblichen Flächen und in 1-A-Lagen rund um den Bertoldsbrunnen: Hier liegt der Richtwert für einen Quadratmeter bei 10.000 Euro. „Unser Ziel ist bezahlbares Wohnen, aber wir müssen realistisch sehen, dass die Bodenpreise dem entgegenwirken“, sagte Breiter. Wer bezahlbares Wohnen propagiert, der könnte sich in seiner Agenda ein Fragzeichen hinter den Punkt Grundsteuer-Hebesatz schreiben. Das Rathaus könnte den Hebesatz senken, damit die zweite Miete für die Mieter nicht teurer wird. Davon wären dann auch – anders als beim Mietmoratorium der Stadtbau GmbH – alle betroffen. „Es gab hierzu noch keine Gespräche unter den Dezernenten“, sagt Breiter auf Nachfrage. Man werde das aber prüfen.
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Für Sprenker ist die Billiggeld-Politik der EZB der entscheidende Preistreiber. Eine Beruhigung des Immobilienmarkts sei nur durch viele neue Bauflächen zu schaffen: „Grünzüge gehören in den Schwarzwald und nicht an die Ränder von Freiburg.“ Da musste Breiter schlucken. „Eine politische Aussage ist das nicht.“ Lars Bargmann
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Der Gutachterausschuss hat aktuelle Werte für 403 Bodenrichtwertzonen beschlossen, 221 Wohnbau-, 150 gemischte Bauflächen und 31 gewerbliche Flächen. Die Quadratmeter-Werte für Ein- und Zweifamilienhäuser liegen in Freiburg sowie den Randlagen Kappel, Ebnet und Lehen zwischen 480 und 1300 Euro, in den TunibergGemeinden und Hochdorf bei 260 bis 520 Euro. In begehrten Lagen (Herdern, Neuburg, Wiehre, Zähringen) kletterten sie auf bis zu 1300 Euro. Von Bedeutung sind die Werte bei der steuerlichen Bewertung, beim Ermitteln von Immobilienwerten und für städtebauliche Belange. Die Werte sind über www.freiburg.de/stadtplan kostenlos abrufbar.
Unternehmen in Südbaden
»Die wissen, wie wir ticken« bib vor Ort: Wenn der Unternehmer Knoll mit seinem Banker spricht
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ie Knoll-Gruppe in Umkirch beschäftigt derzeit rund 200 Mitarbeiter und setzt mit diesen rund 25 Millionen Euro um. Jahr für Jahr steckt Firmenchef Gerhard Knoll auch deutlich über eine Million in die Weiterbildung der Belegschaft, in neue Produkte, Maschinen und Märkte – und hin und wieder auch in Immobilien. Dazu braucht er eine Bank. Bei der Volksbank Freiburg leitet Alexander Vogel seit Jahresbeginn das Firmenkundengeschäft. Chefredakteur Lars Bargmann hat sich mit dem Unternehmer und dem Banker an einen Tisch gesetzt.
Lagebesprechung: Gerhard Knoll (m.) mit Alexander Vogel (r.) und Lars Bargmann in der Produktionshalle.
Schon als Gerhards Vater Ernst Knoll 1956 das auf Automatisierungslösungen in der Medizintechnik spezialisierte Unternehmen gegründet hatte, war die Volksbank sein Partner. „Die verstehen unser Geschäft seit Jahrzehnten, die wissen, wie Familienunternehmen ticken, wie der Mittelstand tickt, für uns ist das einer der entscheidenden Faktoren“, sagt Knoll. Natürlich müssten aber auch die Kreditkonditionen der Genossen stimmen. Eine richtige Krise habe es in all der Zeit nicht gegeben, auch nicht im Umfeld der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise. „Das Unternehmen ist sehr breit aufgestellt“, sagt Vogel. Knolls Vater musste in den Anfängen schon auch mal beim Banker anrufen, weil er die Löhne nicht zeitnah bezahlen konnte. Die Bank half. Heute, so Knoll, ist die Abhängigkeit nicht mehr so groß. Aber wer weiß schon, wie sich die Märkte entwickeln. „Am meisten kann man sich immer auf die Kosten verlassen“, sagt Knoll und schmunzelt.
Die größte Einzelinvestition mit rund sechs Millionen Euro war die Sanierung und Erweiterung einer Immobilie unweit der Unternehmenszentrale in Umkirch. Auch da war die Volksbank als Finanzierer mit an Bord. „Unser Ziel ist es, dass unsere Kunden immer handlungsfähig bleiben“, sagt Vogel. Knoll sehe oft Marktchancen, wo andere diese noch nicht sehen. Bei Knoll ist unternehmerisch Druck auf dem Kessel. Und zwar buchstäblich: Der Feinwerktechnik-Ingenieur hat eine Maschine entwickelt, die mit einem Wasserstrahl unterschiedlichste Materialien schneidet: mit 3600 Bar. Knoll entwickelte auch eine Maschine zum effizienten Löten von Solarmodulen. Daraus entstand die Firma Somont, die er vor der europäischen Solarkrise noch gut verkaufte und heute Teil der Schweizer Firmengruppe Meyer-Burger ist. „Manchmal braucht man auch ein Quäntchen Glück“, sagt der 63-Jährige. Der Unternehmer beeindruckt den Banker durch seine Vielfalt. Zur
Foto: © Martin Lorenz /Volksbank Freiburg
Mit 3600 Bar Metall schneiden
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Knoll-Gruppe gehören neben dem Schwergewicht Ernst Knoll Feinmechanik GmbH mit allein 110 Mitarbeitern die ASD Automatic Storage Device GmbH (Steuerung von Solarstromspeichern), die Montana Sport Deutschland GmbH – die weltweit in zig Skigebieten mit Ski- und BoardSchleif- und Wachsmaschinen vor Ort und 2017 zu einem von „100 Orten für Industrie 4.0 in Baden-Württemberg“ ernannt worden ist –, die Vacura GmbH, die Vektor Engineering GmbH oder auch die Medireha GmbH, die Geräte für Rehabilitationen nach Operationen produziert. „Mein Vater hatte selber ein Hüftleiden und weil er ein Tüftler war, hat er selber angefangen, was zu bauen“, erzählt Gerhard Knoll, der 1980 in die Firma einstieg. Er erinnert sich noch, wie Vater und Sohn im noblen Basler Hilton einen Prototypen einem global agierenden Medizintechniker vorstellten. „Das braucht kein Mensch“, habe ein Vertreter abgewinkt. Der Jahresüberschuss der Medireha lag 2017 bei 1,4 Millionen Euro. Die Produkte werden weltweit eingesetzt. Lars Bargmann
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Unternehmen
Aus gutem Holz geschnitzt
HORL-1993 – ein Start-up geht durch die Decke
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Fotos: © Horl-1993, Stefan Pawellek
ber eine halbe Million Startups gab es 2018. Am 1. Januar machte sich auch Timo Horl mit seiner Firma HORL-1993 in Freiburg selbstständig. Was ihn von den meisten Gründern des vergangenen Jahres unterscheidet? Er erwirtschaftete gleich im ersten Geschäftsjahr mit nur einem Produkt 1,4 Millionen Euro Umsatz. Begonnen hatte alles vor 25 Jahren. Otmar Horl, Konstruktionsleiter eines großen Freiburger Maschinenbauunternehmens, fühlte sich herausgefordert: War eine Lampe kaputt, er reparierte sie. Musste eine Küche gefliest werden, er machte sich an die Arbeit. Nur seine Messer, die der Hobbykoch benutzte, widersetzten sich beim Schleifen: mal stimmte der Winkel nicht, dann gab es kleine Kerben oder das Messer wurde nur stellenweise scharf. Horl entwickelte erste Ansätze, die aber zunächst im Sand verliefen. Erst 2014 kamen diese wieder auf den Tisch. Diesmal entwickelten Otmar und Sohn Timo gemeinsam diese Ideen bis zur Marktreife weiter. Timo Horl, zu Hause im Bereich Design und Marketing, war bei mehreren Agenturen beschäftigt, bis er sich entschloss, die familiäre Eigenentwicklung als „wertiges Produkt“ auf den Markt zu bringen: edles Nussbaumoder Eichen-Holz für den Griff, massive Achse, langlebige Diamant- und Ab-
ziehscheibe. Aus dem gleichen Holz wie die dazugehörige Magnet-Schleiflehre für den perfekten Schleifwinkel, verpackt in einer unprätentiösen braunen Schachtel aus festem Karton. „Der erste physische Kontakt mit einem Produkt ist die Verpackung“, sagt Horl: Sie sei „Vorbote dessen, was einen erwartet“. 2016 starteten Vater und Sohn den Handel mit dem Rollschleifer, reisten von Messe zu Messe und konnten so immer mehr jener Menschen überzeugen, die sich im Bereich Kochen, Grillen, Kulinarik tummeln – darunter auch etliche Top-Köche der Region. Bodenständigkeit ist Trumpf, das Familienunternehmen – Start im elterlichen Keller mit Vater, Mutter und Sohn, heute insgesamt zwölf Mitarbeiter – ist stolz darauf, dass fast alle Bestandteile des Rollschleifers in Freiburg und im Schwarzwald gefertigt werden. Seit 2018 ist Timo Horl alleinverantwortlich, er bezog ein eigenes Firmenquartier an der Ensisheimer Straße und sucht schon neue Räume: Die Nachfrage steigt. Wurden die Rollschleifer zunächst nur online vermarktet, so spann Horl mit seinem Team ein Netz, das nun gut 130 Fachhändler umfasst, über die inzwischen der Großteil des Umsatzes erzielt wird. 14.000 Rollschleifer fanden allein 2018 ihren Käufer – eine Zahl, die 2019 bereits im März erreicht wurde. Ehrgeiziges Umsatzziel des Jungunternehmers in diesem Jahr: acht Millionen Euro.
Senior und Junior: Otmar Horl und Sohn Timo mit dem Rollschleifer made in Freiburg. Horl will eine Marke aufbauen, neudeutsch „Brandbuilding“, denn so einen Erfolg mit einem so einzigartigen Produkt gebe es nur einmal. HORL soll, so das Ziel, eine Top-Marke im Küchenbereich werden – Zusatzprodukte wie spezielle Schleifscheiben für den Sushi-Freund oder ein Abziehleder, um Klingen noch feiner zu bekommen, sind schon im Sortiment. Was noch in der Pipeline ist, darüber hüllt er sich in Schweigen. Auch über Export wird nachgedacht, ein potenzieller Partner für die Schweiz ist schon gefunden. Ist der fulminante Erfolg unbemerkt geblieben? Nein, sagt Horl, es habe bereits ein großes Solinger Messerunternehmen Interesse an dem Rollschleifer gezeigt – zwecks Kooperation oder mehr. Aber Horl will lieber selbstständig bleiben: „Wir haben schon so viel erreicht und so viel hinter uns, und dennoch fühlt es sich jeden Tag an, als hätten wir gerade erst angefangen. Wir haben Großes vor.“ spk
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Politik
Quälende Querelen um die Quäkerstraße
Familienheim im Zwist mit OB Horn – und guten Bilanzzahlen
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Fotos: © Familienheim Freiburg
ie Freiburger Stadt verwaltung um Oberbürgermeister Martin Horn liefert sich ein öffentliches Duell mit der Baugenossenschaft Familienheim Freiburg. Dass ein Oberbürgermeister sich in einem Aufmacher seines eigenen Presseorgans, dem städtischen Amtsblatt, „enttäuscht von der Geschäftsführung“ zeigt, dürfte so gut wie einmalig sein. Die Geschäftsführer Anja Dziolloß und Alexander Ehrlacher kritisieren ihrerseits ein „unüblich hartes Vorgehen gegen eine Genossenschaft“. Und legen abseits der Querelen um die Quäkerstraße eine gute Bilanz fürs vergangene Jahr vor. „Unsere Bilanz ist geprägt von solidem Wachstum“, fasste Ehrlacher das Jahr 2018 unlängst vor Journalisten zusammen. Auf diesem „gesunden Fundament“ investierte die Genossenschaft 7,8 Millionen Euro in die Modernisierung des Bestandes – das sind 38,81 Euro pro Quadratmeter und damit sieben Euro mehr als der Durchschnitt
der baden-württembergischen Genossenschaften. 3,4 Millionen a llein in die Charlottenburger Straße 5, ohne hernach die Miete zu erhöhen, wie Dziolloß betonte. Zusätzliche 3,5 Millionen Euro steckten die Genossen in neue Wohnungen, etwa in ein Sechsfamilienhaus in Holzmassivbauweise in Mooswald oder in die neue Wohnanlage an der Falkensteinstraße in der Wiehre, wo
»Unüblich hartes Vorgehen« auch eine Kinderkrippe gebaut wurde. Unterm Strich blieben ein Gewinn von 2,4 Millionen Euro (siehe Zahlen & Fakten), mehr Mitglieder und mehr Anlagevermögen. Und: Wer bei der Familienheim in einer der derzeit rund 2700 Wohnungen lebt, zahlt im Schnitt nur 7,03 Euro. Die Durchschnittsmiete des Freiburger Mietspiegels liegt seit Anfang des Jahres indes bei 8,56 Euro.
Auch in der Wiehre, aber unumstritten: Familien-Neubau an der Falkensteinstraße
Fühlen sich ungerecht behandelt: Anja Dziolloß und Alexander Ehrlacher. Eine kerngesunde Genossenschaft, faire Mieten, Überschüsse, Dividenden für die Mitglieder, es gibt keinen Grund zur Klage – eigentlich. Doch die heftigen Auseinandersetzungen um den geplanten Abriss des sanierungsbedürftigen Gebäuderiegels Quäkerstraße 1 bis 9 trüben die Stimmung merklich ein. Mit solchen meist aus schlechtem Baumaterial erstellten Nachkriegsbauten haben auch andere Eigentümer, etwa die Freiburger Stadtbau im Metzgergrün oder der Bauverein Breisgau am Uni-Carré oder in Littenweiler, Probleme und reißen sie lieber ab, als noch Geld in solche Substanz zu investieren. Zumeist ohne viel Tamtam. Denn weder die Stadtbau noch die Baugenossenschaften stehen in dem Ruf, Luxussanierungen zur eigenen Bereicherung auf der Agenda zu haben. In der Wiehre, wo sich ja in der Vergangenheit auch schon mal drei Bürgervereine tummelten, ist das anders: Hier gründete sich aus Bewohnern – mithin Mitgliedern der Genossenschaft – und anderen Bürgern eine Initiative, die viele Fraktionen aus dem Rathaus und nicht zuletzt auch Horn hinter sich scharten. „Wir haben ein großes Interesse daran, die Gebäu-
de an der Quäkerstraße zu erhalten, solche Wohnungen gibt es in der Wiehre nicht mehr“, sagt Horn. Er habe kein Interesse an einem Konflikt. Er habe ein gemeinsames Gespräch mit dem Vorstand und der Initiative gewünscht, diesem Wunsch habe sich der Vorstand „bislang konsequent verweigert“. Mitten in den Dialog habe die Familienheim dann Mitte Februar an ihn und gleichzeitig auch an alle Fraktionen geschrieben, dass sie sich nicht mit Vertretern der Initiative an einen Tisch setzen werde, um eine soziale Vereinbarung auszuarbeiten. „Unser Ansprechpartner ist die Im Bau: Erweiterung der katholischen Sozialstation an der Quäkerstraße. Stadtverwaltung und nicht eine Initiative“, sagt Ehrlacher. Er und Dziolloß hatten im Juni 2017 erstmals die Mieter in den 300 Wohnungen im Quartier zwischen Türkenlouisstraße und Adalbert-Stifter-Straße darüber informiert, dass der lienhaus bezugsfertig, das in Ziegelbauweise erstellt wurde Bestand auf seine Zukunftsfähigkeit untersucht wird. „Wir und also ohne Wärmedämmverbundsystem auskommt. machen dort nichts anderes, als wir in den anderen Stadtteilen In Kirchzarten am Kurhaus sollen ab Herbst für 3,2 Millionen Euro zehn Wohnungen gebaut werden, 18 Wohnungen auch gemacht haben“, erzählt Dziolloß. Im August stand nach einem Gutachten fest, dass bei der sind an der Colmarer Straße in Breisach geplant. schlechten Substanz der Anfang der 50er-Jahre gebauten Häu- In der Wiehre bleibe man „grundsätzlich gesprächsser Quäkerstraße 1 bis 9 eine wirtschaftlich vertretbare Sa- bereit“, auch wenn die Resonanz der Gegenseite „gleich null“ sei, sagte Dziolloß bei der Binierung nicht darstellbar ist. Am 9. lanzpressekonferenz. Horn sieht es geNovember informierten Dziolloß und nau andersherum. Man suche ständig Ehrlacher alle Mieter in dem Gebiet in den Kontakt, komme aber nicht an der eigens angemieteten Katholischen einen Tisch. Akademie über die Pläne. Eine Woche Auswirkungen auf den Bau des später waren alle Fraktionen aus dem geplanten Stadtteils Dietenbach solGemeinderat zu Gast am Sitz der Genossenschaft. Tags drauf wurden die Pläne der Initiative vorge- le der Disput laut Dziolloß nicht haben: „Wir gehen nicht stellt. Der Gestaltungsbeirat, in den die Genossen auf Wunsch davon aus, dass wir dadurch Nachteile davontragen. Die des Rathauses gegangen waren, plädierte Ende November für Stadt will alle Genossenschaften am Tisch.“ den Erhalt. Ohne sich über den konkreten Zustand der Gebäu- Nach Informationen des business im Breisgau hatte die de groß Gedanken zu machen. Die Sache eskalierte. Es kur- Stadtverwaltung übrigens zwischenzeitlich eine Familie mit sierten Falschbehauptungen, auch in überregionalen Medien. einem Kleinkind in dem Gebäuderiegel Quäkerstraße unDie Stimmung wurde immer schlechter. Im OB-Wahlkampf tergebracht. Bewohner schalteten wegen des damit verbunschlug sich Horn auf die Seite der Initiative. Und wiederholte denen Lärms im schlecht schallgeschützten Gebäude den das auch in Amt und Würden Anfang des Jahres auf einem Mieterbund ein. Die Familie musste wieder ausziehen. Die Neujahrsempfang des Bürgervereins Mittel- und Unterwiehre. Bewohner-Initiative nennt sich „Wiehre für alle“. Im vergangenen Mai beschloss der Gemeinderat, das Rathaus solle die Möglichkeiten einer sozialen Erhaltungssat- Lars Bargmann, Philip Thomas zung prüfen – und auch einer baulichen, was bis dahin kein Thema war. Damit zückte die Politik ein scharfes Schwert Zahlen & Fakten – Familienheim Freiburg gegen die Genossen. Die Initiative jubelte, in den Amtsstuben war man weniger begeistert, weil das viele Kapazitäten Bilanzsumme 2018: 161,9 Mio. Euro (2017: 160,4) erfordert – in einer ohnehin schon angespannten PersonallaÜberschuss: 2,4 Mio. (2,3) ge im Baudezernat. Ob das Schwert auch rechtlich Wirkung Eigenkapital: 65,5 Mio. (63,3) zeigt, muss sich indes erst noch erweisen. „Wir müssen nun Eigenkapitalquote: 40,4 Prozent (39,5) schauen, was in der sozialen Erhaltungssatzung drinsteht und Mitglieder: 8679 (8414) ob das nicht ohnehin schon durch unser Sozialpaket abgeMitarbeiter: unverändert 28 deckt ist“, sagt Dziolloß. Natürlich werde man das rechtlich Mietwohnungsbestand: 2710 (2691) prüfen. Wie es weitergeht, steht derzeit in den Sternen. Gewerbeeinheiten: 39 (38) Und weil es in der Wiehre nicht vorangeht, setzen die Spareinlagen: 40 Mio. (38,6 Mio.) Genossen nun vermehrt aufs Umland. In Emmendingen werden demnächst sechs Wohnungen in einem Mehrfami-
»Wir machen dort nichts anderes als in den anderen Stadtteilen«
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Genossenschaften
»Ein knallhartes Geschäft« Der Bauverein Breisgau und die Wohnungsnot
Ende Mai festlich eröffnet: Das Uni-Carré hat auf einen Schlag nicht nur 141 Wohnungen gebracht, sondern auch noch einen attraktiven Innenhof.
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ir haben ein sehr erfolgreiches Jahr hinter uns.“ So eröffnete der Aufsichtsratschef Martin B ehrens die Bilanzpressekonferenz des Bauvereins Breisgau. Bei der Verarbeitung dieses Zuspiels hatte der Vorstandsvorsitzende Marc Ullrich leichtes Spiel: Die Bilanzsumme kletterte erstmals über die 300-Millionen-Euro-Grenze (siehe Zahlen & Fakten), der Jahresüberschuss liegt bei 5,7 Millionen Euro, die Zahl der Mitglieder in Freiburgs ältester Baugenossenschaft kletterte auf 23.299, die Spareinrichtung wuchs um 5,8 auf 112,5 Millionen Euro – und die Bautätigkeit ist durchaus als ambitioniert zu beschreiben.
Allein im vergangenen Jahr bauten die Genossen 148 neue Wohnungen: 123 im Uni-Carré, 16 im Carl-SiederHof und 9 in Gundelfingen. Noch liegt die Durchschnittsmiete bei 6,54 Euro, lange wird sich dieser Wert aber nicht mehr halten lassen. „Für zehn Euro Miete kann man heute nicht mehr seriös bauen“, sagte Ullrich. Die Bodenpreise gingen „massiv hoch“, die Baupreise auch. Vor 20 Jahren gab es 5000 Bauvorschriften, heute sind es 20.000. Die Herstellung wird immer teurer. Natürlich interessiere man sich für die Freiburger Baugebiete Kleineschholz und Dietenbach und habe dies in Gesprächen mit Oberbürgermeister Martin Horn auch gezeigt. Noch aber fehlten die Konditionen bei der Grundstücksvergabe. Und wenn die nicht zur
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beschlossenen 50-Prozent-Quote für sozialen Mietwohnungsbau p assten? „Wenn es nicht wirtschaftlich ist, bauen wir nicht.“ Sein Vorstandskollege Jörg Straub sagte: „Wenn wir in Freiburg nicht wachsen können, werden wir das im Umland tun.“ Ullrich kann sich im Gespräch mit dem business im Breisgau nicht vorstellen, dass die 50-Prozent-Quote auf Erbpachtgrundstücken (in Freiburg sollen städtische Flächen nur noch auf Erbpacht vergeben werden) unterm Strich ein wirtschaftlich machbares Szenario ist. Wer erfolgreich Wohngeld beantrage, der bekomme schon heute mehr als 6,50 Euro Mietzuschüsse. „Also fördern die Bauherren solcher Wohnungen nicht am Ende das Land Baden-Württemberg?“, fragt er.
Genossenschaften
Verein & Stiftung
Fotos: © Bauverein Breisgau
Sehr rührig: Die BVB-Chefs Marc Ullrich und Jörg Straub (r.).
2300 Menschen stehen beim BVB derzeit auf der Wohnungswarteliste, die Fluktuation in den fast 5000 eigenen Wohnungen ist mit 5,9 Prozent auf einem historischen Tiefpunkt angelangt. Ullrich und Straub wissen, was die Genossen von ihnen erwarten. „Wir müssen liefern und das ist ein knallhartes Geschäft.“ Derzeit sind 312 Wohnungen im Bau oder projektiert. In Freiburg sind die Genossen noch auf den Gutleutmatten aktiv, wo ein Dutzend Mietwohnungen entsteht, in St. Georgen bauen sie das Haus Lukas mit ebenfalls zwölf Mietwohnungen, einer Seniorenwohngruppe mit zwölf Zimmern und einen Pflegestützpunkt für die evangelische Sozialstation Freiburg, in Opfingen an der Kirche St. Nikolaus zwölf Mietwohnungen und Räume für eine Wohngruppe. Zudem ist der Baustart für ein Projekt auf dem Güterbahnhof mit 56 Wohnungen und einer fünfgruppigen Kita geplant. In Littenweiler, Ecke Alemannen-, Schlesier- und Sudetenstraße, war unlängst – nach dem Abriss zweier Bestandsgebäude mit der typischen Qualität von Nachkriegsbauten – Spatenstich für 24 neue Mietwohnungen, und an der Lichtenbergstraße wird auf einem Bestandshaus ein Stock draufgepackt und ein Anbau realisiert. Es gibt 13 neue Einheiten. Die Spielorte im Umland sind in Gundelfingen, Kirchzarten, Schallstadt zu finden. Am Schobbach haben sich die Genossen bei einem Wettbewerb durchgesetzt und bauen bald 26 Wohnungen, zwei Wohngruppen und einen Quartiersraum. Beim Projekt „Wohnen am Kurhaus“ baut der BVB 35 Mietwohnungen sowie sechs Doppelhaushälften zum Verkauf. In der Ortsmitte von Schallstadt 16 Eigentumswohnungen (Quadratmeterpreise zwischen 4400 und 4800 Euro), 33 zur Miete, eine Kita, ein Café und eine Senioren-Tagespflegeeinrichtung. Der größte Ball aber liegt im Herbolzheimer Quartier Herrengüter West III auf dem Feld: Hier bekam der BVB vom Rathaus den Zuschlag für die Bebauung eines 5500 Quadratmeter großen Areals, auf dem insgesamt 99 Einheiten entstehen: 64 Mietwohnungen für den eigenen
Der Verein Quartierstreff Bauverein Breisgau hat im vergangenen Jahr bei 2130 Veranstaltungen mehr als 22.000 Gäste gehabt. Er zählt aktuell 512 Mitglieder und fast 1000 Menschen, die sich ehrenamtlich einbringen. Der nebenamtliche Vorstand Gerhard Kiechle: „Wir haben uns vor zehn Jahren als erste Genossenschaft auf den Weg gemacht, das soziale Miteinander aktiv zu fördern.“ Neu in der Bauvereinsfamilie, zu der auch EVB zählt, ist die gemeinnützige Bauverein Breisgau Stiftung, die mit 500.000 Euro Startkapital ausgestattet wurde und aus den Erlösen auch Mitgliederhilfen leisten soll. Dafür gibt es ab 2019 nur noch auf die ersten drei (Pflicht-)Anteile vier Prozent Dividende. Ab dem vierten Anteil wird nur noch 1 Prozent ausgeschüttet. Stiftungsvorstand ist ebenfalls Kiechle.
estand, 15 Einfamilienhäuser und 20 DoppelhaushälfB ten, die die Stadtverwaltung vermarktet. Im vergangenen Jahr hat der Bauverein knapp 32 Millionen Euro in den Neubau (23,4) und die Modernisierung des Bestandes (8,5) investiert. In den vergangenen zehn Jahren waren es 250 Millionen. Und in den kommenden zehn Jahren werde es ebenso viel sein, kündigte Ullrich an. „Es wäre schön, wenn wir Unterstützung für ein zusätzliches Neubauprogramm auf den geplanten Flächen in Freiburg erhalten würden“. Diesen nachdrücklichen Wunsch haben Ullrich und Straub in der Vertreterversammlung Horn mit auf den Heimweg gegeben. Der setzt bekanntlich auf gemeinwohlorientierte Bauunternehmen. Und muss sich Gedanken machen, wie er sozialen Mietwohnungsbau, Erbpachtgrundstücke und wirtschaftlich darstellbare Bodenpreise unter einen Hut kriegt. Wenn es einen solchen Hut gibt. Lars Bargmann
Zahlen & Fakten – Bauverein Breisgau Gegründet: 1899 Mitglieder Ende 2018: 23.299 (+1153 zum Vorjahr) Bilanzsumme 2018: 301,9 Mio. Euro Erlöse aus Mieten: 35,2 Mio. Euro (2017: 33,6) Investitionen in Bestand: 8,56 Mio. Euro Investitionen in Neubau: 23,39 Mio. Euro Überschuss: 5,7 Mio. Euro Bilanzgewinn: 650.000 Euro Eigenkapital: 98,4 Mio. Euro EK-Quote: 32,6 Spareinrichtung: 112,5 Mio. Euro (+5,9 Mio. zum Vorjahr) Wohnungsbestand: 4918 Mitarbeiter: 115
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Genossenschaften
Kräftige Signale gegen die 50-Prozent-Quote
Die Baugenossenschaft Heimbau feiert ihren 100. Geburtstag
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Fotos: © Heimbau
erne wird von der „guten alten Zeit“ geredet. Doch wenn man genau hinschaut, dann war die alte Zeit keineswegs so gut – was erst jüngst wieder bewiesen wurde anlässlich der Feierlichkeiten zum 100-jährigen Bestehen der Genossenschaft Heimbau Breisgau. Denn auch 1919 gab es massive Probleme auf dem Wohnungsmarkt. Heute kritisiert Vorstand Martin Weiner die vom Gemeinderat beschlossene 50-Prozent-Quote für den öffentlich geförderten Mietwohnungsbau: „Es kann nicht im Sinn einer Genossenschaft sein, ein Haus mit zehn geförderten Wohnungen zu bauen und den Verlust über die Miete für zehn andere, frei finanzierte wieder reinzuholen.“ Gerne würde Weiner, schon seit 2000 amtierender Vorstand, auch im geplanten neuen Stadtteil Dietenbach bauen, aber mit der Sozialquote rechne sich das nicht: „Auch wir müssen wirtschaftlich arbeiten.“ Weiner plädiert vielmehr für ein Abkommen mit der Stadt, wonach neue Heimbau-Wohnungen im Dietenbach für unter zehn Euro pro Quadratmeter vermietet werden. „Wir sind eine traditionelle Genossenschaft“, sagt er. Es gehe nicht um Profitmaximierung, sondern um bezahlbaren Wohnraum für die Mitglieder. Das war schon vor 100 Jahren so. Am 12. Mai 1919 hatten Privatpersonen die Baugenossenschaft gegründet, um sich am eigenen Schopf aus einem Sumpf aus Wohnungsnot, Geldentwertung, steigenden Preisen und sozialen Verwerfungen zu ziehen. Die Motoren der Gründung, Architekt Curt Balke
Duo an der Spitze: Der nebenamtliche Vorstand Hugo Ruppenthal (l.) und der hauptamtliche Martin Weiner. und Baurat Wilhelm Sattler, hatten 100 Bürger um sich geschart, um gemeinsam – getreu der Devise des Genossenschaftsgedankens „Was einer nicht schafft, das schaffen viele gemeinsam“ – neuen und vor allem auch bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Und wer würde diese Problematik heute nicht als hochaktuell erkennen.
»Sozialpolitische Wunderwaffe« Was heute problematisch ist, das war es auch damals schon: Waren schon 1919 Reihenhaussiedlungen für kinderreiche Familien in den Freiburger Stadtteilen Herdern und Waldsee entstanden, so musste sich die Heimbau angesichts der hohen Grundstückspreise auf den Mehrfamilienhausbau verlegen, um erschwinglichen Wohnraum realisieren zu können. Größtes Projekt damals, 1927 bis 1930, war der markante „HeimbauBlock“ an der Stefan-Meier-Straße mit 75 Mietwohnungen. In diesem beinahe herrschaftlichen Ensemble ist die Baugenossenschaft noch heute beheimatet.
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Derzeit baut die Heimbau für 4,1 Millionen Euro an der Blumenstraße in Gundelfingen 15 Mietwohnungen, im Schnitt liegt die Mitte bei 9,50 Euro, drei Euro unter der marktüblichen Neubaumiete. Im September startet in Elzach der Bau von zwölf Wohnungen, die inklusive des Grundstücks 3,1 Millionen Euro kosten. Im Januar 2020 ist Waldkirch dran: Ein zusätzliches Sechs-Familien-Haus wird auf dem genossenschaftseigenen Grundstück Hödlerstrasse 47 entstehen. Übergeben wurden unlängst 30 Mietwohnungen in Waldkirch-Batzenhäusle. Die Durchschnittsmiete liegt um die 9 Euro, die Investitionshöhe bei 6,5 Millionen Euro. Credo war und ist, „gediegene, mustergültige und gesunde Mietwohnungen“ zu errichten, wie es der frühere Geschäftsführer Karl Kuhn formulierte. Balkone, Einbaubäder, Lärmschutzfenster und zentrale Heizungsanlagen waren bei Freiburgs Heimbau schon seit den 60er-Jahren Standard. 90 Prozent aller 1238 eigenen Wohnungen sind bereits energetisch saniert. Die Heimbau steckt jedes Jahr rund 2,5 Millionen Euro in ihren Bestand. Gegründet wurde sie einst für den Mittelstand, heute reicht das Mitgliederspektrum vom Professor bis zum Hartz-IV-Empfänger. Alle erhalten vier Prozent Dividende auf ihre Geschäftsanteile und entscheiden auf jährlichen Mitgliederversammlungen mit. Die Mitgliederzahlen haben sich zwischen 2008 und 2018 fast verdoppelt (siehe Zahlen & Fakten), die Fluktuationsrate halbiert. Ein Spiegelbild der Situation auf dem Wohnungsmarkt. 700 Mitglieder stehen mittlerweile auf der Warteliste für Wohnraum, teilweise
Heimat der Heimbau: Das beinah herrschaftliche Ensemble an der Ecke Stefan-Meier-Straße und Rennweg. Die historische Aufnahme zeigt den Innenhof.
bis zu fünf Jahre lang. „Das variiert, in Freiburg muss man eher länger warten, kürzer, wenn der Wohnungsort flexibel ist, beispielsweise auch Teningen oder Regio“, sagt Weiner. Mit 1236 Wohnungen im Bestand und einem Eigenkapital von 33,5 Millionen Euro (2008 waren es 14,4 Millionen) ist die Heimbau Breisgau die kleinste der drei Freiburger Wohnbaugenossenschaften. Und vielleicht auch die am wenigsten bekannte. „Wir sind weniger auf die kurzfristigen Schlagzeilen in den Medien aus als vielmehr auf nachhaltige und generationenübergreifende Bestandsentwicklung – für alle Bevölkerungsgruppen“, erzählt Weiner. Welch wichtige soziale Funktion auch die Heimbau hat, wurde in den Redebeiträgen anlässlich der Jubiläumsfeier im Denzlinger Kultur- und Bürgerhaus deutlich: Wohnen ist eine Frage der sozialen Gerechtigkeit, Wohnungsmangel daher sozialer Sprengstoff. Aber auch: Genossenschaften müssten gewinnorientiert sein, damit sie gemeinwohlorientiert handeln können. Freiburgs Oberbürgermeister Martin Horn und der Emmendinger Landrat Hanno Hurth dankten der Heimbau daher für das, was sie in 100 Jahren in privater Initiative, nicht staatlich verordnet, für die Menschen und damit für das Gemeinwohl geleistet hat. „Weiter so“, rief Horn den Verantwortlichen zu. Theresia Theurl, geschäftsführende Direktorin des Instituts für Genossenschaftswesen der Universität Münster, sah dafür in ihrem Gastvortrag gute Chancen: „Das Geschäftsmodell ist nachhaltig, und wer 100 Jahre alt wird, der hat auch gute Aussichten, 200 Jahre alt zu werden.“ Sie warnte allerdings davor, dass sich Genossenschaften von der Politik vereinnahmen lassen. Politiker sähen im genossen-
schaftlichen Gedanken gern eine „Art sozialpolitische Wunderwaffe“, und das könne eine solche Institution unmöglich sein, insbesondere dann, wenn durch einen Wust an unrealistischen Vorstellungen, Vorschriften und Gesetzen die Rahmenbedingen für einen qualitativ hochwertigen, aber eben auch bezahlbaren Neubau erschwert würden. Stefan Pawellek
Zahlen & Fakten – Heimbau Breisgau eG 1919: Gründung am 12. Mai 2005: Fusion mit der Baugenossenschaft Teningen eG 2009: Fusion mit der Baugenossenschaft Waldkirch eG Bilanzsumme 2017: 71 Mio. Euro Eigenkapital: 32,3 Mio. Euro Eigenkapitalquote: 45 Prozent Umsatzerlöse: 10 Mio. Euro Jahresüberschuss: 1,43 Mio. Euro Bilanzgewinn (Dividende): 219.000 Euro Investitionen in den Bestand: 2 Mio. Euro Investitionen in Neubau: 5 Mio. Euro Mitglieder: 3883 (2008: 2152) Geschäftsanteile 2018: 19.375 (2008: 7597) Mitarbeiter: 19 Mietwohnungsbestand: 1236 Gewerbeeinheiten: 26 Tiefgaragen- & Einzelstellplätze: 1015
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Start-up
Angebot abgelehnt
jicki Sprachduschen lassen TV-Investoren abblitzen
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or großem Fernseh-Publikum haben die drei jicki-Chefs gerade ihre Geschäftsidee präsentiert. Bei „Die Höhle der Löwen Schweiz“ stellten sie ihre App zum Sprachenlernen mit sogenannten Sprachduschen vor. Das Angebot der fünf Investoren lehnten sie jedoch prompt ab. Über 280.000 Schweizer Franken entscheiden. In nur wenigen Augenblicken. Vor der Aufgabe standen die Geschäftsführer von jicki kürzlich in der Schweiz. Die Sekunden-Entscheidung fiel den drei Freiburgern aus dem Kreativpark alles andere als leicht. Einer war dafür, einer dagegen. Sie entschieden sich für: Nein. „Sorry, das wäre zu viel, das wir schon in der ersten Runde abgeben“, erklärte Helge Straube vor laufender Kamera. Geboten wurden 280.000 Franken für 25 Prozent Geschäftsanteile von jicki. Jeder der fünf „Löwen“ hätte damit fünf Prozent erhalten. Ein Angebot, das weit unter dem Wunsch von jicki lag. Die Firmenchefs hatten den Löwen für den gleichen Preis nur zehn Prozent Geschäftsanteile angeboten. War es nicht dreist, so viel Geld abzulehnen? „Schon ein Stück weit“, sagt Straube und lacht. Der 28-Jährige sitzt vor dem Freiburger Kreativpark am Güterbahnhof und wirkt entspannt. „Es war eine unternehmerische Entscheidung.“ Der Wert steige zwar mit Investoren, das Entscheidungsrecht werde aber kleiner. Bei 25 Prozent abgegebenen Anteilen seien die Einschränkungen groß. „Es war ein Hin und Her, aber im Endeffekt haben wir ein super Gefühl dabei“, erklärt Straube. Den TV-Besuch verbucht er als Erfolg. Von vornherein sei der Marketing-Effekt die größte Motivation für eine Teilnahme gewesen. Fünfzehn Minuten kostenlose Sendezeit gibt’s nicht alle Tage. Ihr Auftritt zeigt: jicki hat sich gemausert. Die drei Macher schätzen den Firmenwert auf 2,8 Millionen Euro. „Wir sind ganz am Anfang, kratzen noch an der Oberfläche“, sagt der Gründer. Für 2018 belaufe sich ihr Nettoumsatz auf 70.000 Euro. Eine Steigerung zum Vorjahr um 300 Prozent. Bis Ende 2019 könnten 300.000 Euro Umsatz in die Kasse gespült werden. Das Geld verdient der Betrieb mit sogenannten Vokabelduschen. Diese können über eine App geladen werden, um Sprachen zu lernen. jicki bietet einen Mix aus Lernen und Entspannen: Wörter, Formulierungen oder Sätze werden zu barocken Klängen vorgetragen und nachgespro-
Lehnen ab: Stefan Graf (von links), Chris Munz und Helge Straube in der Fernsehsendung „Die Höhle der Löwen“. chen. Auch im Boardsystem der Deutschen Bahn ist das zu finden. Bis zu 30.000 Personen monatlich nutzen das kostenlose Angebot im ICE, berichtet Straube. Verfügbar sind fünf Sprachen: Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch, Griechisch. Vier Vollzeitstellen hat die Firma derzeit. Gestartet ist Helge Straube Anfang 2017 im Grünhof. Das Gründerzentrum betreibt auch den Kreativpark. Leiterin Martina Knittel hat die Gründer damit von Beginn an begleitet: „jicki hat in den letzten zwei Jahren gezeigt, wie man ohne Marketingbudgets Bekanntheit im Netz aufbaut und über effektive Marketingstrategien, Suchmaschinenoptimierungen und strategische Partnerschaften mit großen Unternehmen Kunden gewinnen kann“, sagt Knittel. Der „Proof-of-Concept“ am Markt sei geschafft. Der Zeitpunkt damit perfekt, um ein erstes Investment ins Unternehmen zu holen. Ob sie das Geld der Löwen angenommen hätte? „Das Angebot der Schweizer war in Ordnung.“ 25 Prozent in einer recht frühen Phase sei allerdings ein bisschen zu viel. Ein Startup-freundliches Darlehen findet sie da sinnvoller. Genau das haben jicki gerade bekommen. Das Pre-Seed-Förderprogramm des Landes stellt ihnen 200.000 Euro als Darlehen zur Verfügung. Für jicki eine willkommene Finanzspritze. Bisher können sie ihre Gehälter bezahlen, aber keinen einzigen Cent zurücklegen. Till Neumann
Foto: © Höhle der Löwen, Illustrationen: © Hannah Karayilan
»Es war ein Hin und Her«
22 | chilli | business im Breisgau | 07.2019
Menschen und Meldungen
Schwarzwaldmilch mit Rekordjahr Kräftiges Umsatzplus durch Markengeschäft FREIBURG. Die Schwarzwaldmilch GmbH hat 2018 ihr „bestes Wirtschaftsjahr“ der Firmengeschichte hingelegt. Geschäftsführer Andreas Schneider berichtete von einer Steigerung des Umsatzes um mehr als 16 auf gut 195 Millionen Euro (plus 9,1 Prozent). Getragen vom starken Markengeschäft, das 7,8 Prozent zulegte. Stärkste Faktoren waren die Markenlinie Bio mit plus 14 Prozent, LAC lactosefrei mit plus 6,5 Prozent und Schwarzwaldmilch mit plus 5,8 Prozent. Der Gewinn liegt bei 2,7 Millionen Euro (2017: 2,4). Die Schwarzwaldmilch zahlte den 1020 Landwirten für konventionelle Milch 40,09 Cent pro Kilo (Marktpreis Deutschland: 38,65), für Bio gab es sogar 55,05 Cent. Die Bauern lieferten 255,4 Millionen Kilo (Vorjahr: 228,6) Milch. Das Umsatzwachstum, betonte Schneider, sei ertragsorientiert und nicht „aufgrund von Preisaktivitäten“ erzielt w orden. Er erteilte möglichen Subventionen für Handelsaktionen eine Absage: Man bezahle für den werblichen Einsatz von Schwarzwaldmilchprodukten, aber nicht, um Mengen billig in den Markt zu drücken. Die Produkte der Gruppe gelten als qualitativ hochwertig, die entsprechend preislich positioniert sind. Hinzu komme, dass man mit Bio-Trinkmilch und zahlreichen lactosefreien Produkten in Deutschland Marktführer sei. „Für
Freuen sich über gutes Geschäftsjahr: Der Aufsichtsratsvorsitzende Markus Kaiser, Caroline von Ehrenstein und Andreas Schneider. ein ertragsorientiertes Wachstum bedarf es starker Marken“, sagte Marketingchefin Caroline von Ehrenstein. „Wir arbeiten konsequent an besonderen Produktkonzepten mit emotionalen Mehrwerten. Nur das Besondere wird gekauft und das Außergewöhnliche bleibt im Kopf.“ Auch in Offenburg, wo hauptsächlich Milchpulver produziert wird, sei man zweistellig gewachsen. Der Export, vor allem nach China und an den Arabischen Golf, hat um rund 20 Prozent zugelegt und macht mit 20 Millionen Euro rund zehn Prozent des Gesamtumsatzes aus.
Neben der Käsemanufaktur (wir berichteten) gründete das Unternehmen die Tochter „Black Forest Nature GmbH“, die das Themenfeld „Vegane Produkte“ abdecken soll. Das Start-up mit Sitz in Offenburg soll damit ein weiteres Geschäftsfeld – zunächst mit veganen Drinks – erschließen. Die Investitionen halbierten sich dabei von 10,3 in 2017 auf 5,5 Millionen Euro. Diese Investitionen „sichern das Einkommen unserer Milcherzeuger“, sagte Schneider. Im laufenden Jahr peilt Schwarzwaldmilch mit aktuell 419 Beschäftigten einen Gesamtumsatz von über 200 Millionen Euro an. Stefan Pawellek
Neue Chefin
Neue Auszeichnung
Neuer Eigentümer
FREIBURG/WÜRZBURG. Der Aufsichtsrat des Universitätsklinikums Freiburg hat Anja Simon zum 1. Januar 2020 zur Kaufmännischen Direktorin bestellt. Die 52-Jährige ist derzeit Kaufmännische Direktorin des Universitätsklinikums Würzburg. Damit beerbt sie Bernd Sahner, der Ende des Jahres in den Ruhestand geht.
FREIBURG. Der Wirtschaftsrat der CDU hat den Ehrenpreis „Sektion des Jahres 2019“ an Freiburg-Emmendingen verliehen. Im Vorstand sind Sprecher Frank O. Bayer sowie Christine Ernst, Jürgen Henninger, Achim Hornecker, Ralph Kollinger, Michael J. Pistecky, Hagen Schällig, Eckart Wetzel und Stephan Wilcken aktiv.
TENINGEN. Der Investor Sirius Real Estate hat für 6,5 Millionen Euro den 43.000 Quadratmeter großen Technologiepark Teningen vom Schweizer Konzern Ascom gekauft. Die bisherigen jährlichen Mieteinnahmen liegen bei einer halben Million Euro. Für 88 Prozent der insgesamt 20.000 Quadratmeter großen Mietflächen gibt es Verträge.
Foto: © Schwarzwaldmilch
24 | chilli | business im Breisgau | 07.2019
Menschen und Meldungen
Sicks neue Standorte Zwei Gebäude auf dem Güterbahnhof bezogen Foto: © bar
Hat insgesamt 8300 Quadratmeter Nutzfläche: Der Alte Zollhof auf dem Güterbahnhof. FREIBURG. Der Sensorhersteller Sick AG hat gleich zwei neue Standorte auf dem Freiburger Güterbahnhofgelände eröffnet. Entsprechende bib-Informationen bestätigte die Unternehmenssprecherin Diana Kuch. Die Sick AG und auch die Sick Holding GmbH haben im Alten Zollhof insgesamt 1620 Quadratmeter angemietet, zudem hat das Unternehmen mit weltweit mehr als 9000 Beschäftigten das komplette
Gebäude „City Office 3“ mit einer Mietfläche von 2200 Quadratmetern bezogen. Die qu-int GmbH, die auf bib-Nachfrage nicht reagierte, hat ihre Flächen im Alten Zollhof dafür deutlich verkleinert, bleibt aber Mieterin der Eigentümer um den Freiburger Verleger Manuel Herder. Der hatte den Zollhof im Frühjahr 2013 mit einer vom Verlag unabhängigen Immobilienabteilung gekauft. Nach bib-Informationen für rund 17 Millionen Euro. bar
Streck Transport spendet 28.500 Euro
Bewährungsstrafe für Handwerker
FREIBURG. Schon seit 2007 unterstützt die Streck-Transport-Gruppe die ehrenamtliche Arbeit ihrer Beschäftigten mit rund 250.000 Euro. In diesem Jahr waren es 57 eingereichte Projekte, die von den Geschäftsführern Bernd Schäfer, Ralph Diringer und Gerald Penner angenommen wurden und mit insgesamt 28.500 Euro unterstützt werden. Bei einer internen Feierstunde lobte Penner die Mitarbeiter: „Sie sind der Gegenentwurf zum immer wieder behaupteten zunehmenden Egoismus in unserer Gesellschaft.“
FREIBURG. Das Amtsgericht Freiburg hat einen 35-jährigen Handwerksunternehmer aus Freiburg zu 18 Monaten auf Bewährung verurteilt, weil er 52.000 Euro an Sozialversicherungsbeiträgen hinterzogen hatte. Die Ermittler der Finanzkontrolle Schwarzarbeit hatten den Unternehmer nach einem Hinweis auf Schwarzarbeit im Sommer 2017 genauer unter die Lupe genommen. Die Schwarzlohnsumme lag bei 280.000 Euro. Die hinterzogenen Beträge muss der Unternehmer nachzahlen. chilli | business im Breisgau | 07.2019 | 25
Menschen und Meldungen
Kolumne
Waldhaus feiert Rekordumsatz
Adieu Excel, welcome@herr-stb.de Der Freiburger Steuerberater Erik Herr ist ein Routinier im Geschäft. Sein Sohn Nico Herr ist nun als frischgebackener Steuerberater und Mitgeschäftsführer in die Kanzlei gekommen. Erfahrung trifft Newcomer. Für die bib-Leser berichten sie über Nützliches und Kurioses, Aktuelles und Steuerbares. Fotos: © privat
Erstmals über zwölf Millionen Euro
Das Finanzgericht Niedersachsen hat in einem neuen Urteil die Voraussetzungen für ein elektronisches Fahrtenbuch konkretisiert. Demnach ist das Erfassen mit Excel unverändert nicht zulässig, weil es damit veränderbar wäre. Für die Anerkennung ist zudem die zeitnahe Zuordnung der betrieblichen Fahrten zwingend. Nicht zugeordnete Fahrten werden automatisch zu Privatfahrten. Bezüglich der Gattungsbezeichnungen auf Rechnungen hat das Finanzgericht Münster im Fall eines Textil-Großhändlers entschieden, dass die reine Bezeichnung wie „Hose“ oder „T-Shirt“ nicht ausreicht, um die Leistungsbeschreibung ausreichend zu konkretisieren, die für die Vorsteuerabzugsberechtigung erforderlich ist. Wir empfehlen, Ihre Leistungsbeschreibungen sowohl auf Ihren Eingangs- als auch auf Ihren Ausgangsrechnungen intensiv zu prüfen und zu konkretisieren, um der Gefahr einer Vorsteuerkorrektur zu entgehen. Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Save-the-Date: Am 25. 9. ab 18 Uhr hält Nico Herr einen Vortrag zum Thema „Einführung eines digitalen Prozesses zur Vorbereitung Ihrer Buchhaltung“. Im Anschluss wird bei Finger-Food und Getränken auf Fragen eingegangen. Anmeldungen bis 18.9 unter welcome@ herr-stb.de. www.herr-stb.de
Foto: © Waldhaus
Achtet auf die richtige Unternehmensstatik: Dieter Schmid genießt mit seinen Braumeistern Bernhard Ebner (l.) und Bernhard Vötter (r.) den Rekord. Waldhaus. Die S chwarzwälder Privatbrauerei Waldhaus hat im vergangenen Braujahr erstmals mehr als 100.000 Hektoliter verkauft und auch erstmals mehr als zwölf Millionen Euro umgesetzt. Während der deutsche Biermarkt trotz Rekordsommer nur leicht um 0,3 Prozent gewachsen ist, legte das Familienunternehmen um kräftige neun Prozent zu, der Umsatz wuchs noch stärker – um zwölf Prozent. Brauereichef Dieter Schmid, der das Haus in vierter Generation führt und die zwölfte Bestmarke in Folge einfuhr, lud seine Belegschaft dafür zu einem Ausflug nach Amsterdam ein. Wachstumstreiber war erneut das Diplom Pils, gefolgt von den unfiltrierten Spezialitäten und Weizenbieren. Einen erfolgreichen Einstand feierten die neuen Naturradler süß und sauer. „Unser Augenmerk liegt nicht auf bedingungslosem Wachstum, übertriebener Wertschöpfung oder dem Gewinn von Marktanteilen“, sagt Schmid. Es sei der Qualitätsanspruch, der das Team
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vorantreibe: „Wir stellen uns aber auch jeden Tag dem knallharten Aktionspreis- und Verdrängungswettbewerb.“ Und Schmid ist überzeugt, dass auch künftiger Erfolg nur möglich ist, wenn „wir weiterhin kompromisslos auf Qualität setzen“. Das gelingt offenbar: 41 Goldauszeichnungen heimsten die mittlerweile 50 Medaillensammler aus Waldhaus im vergangenen Jahr ein. Das „Diplom Pils“ holte zum 20. Mal in Folge die DLG-Gold-Medaille: „Kein anderes Pils weltweit kann eine so langjährige Qualitätskonstanz belegen“, so Schmid. Die Schwarzwälder Brauer setzen auf Naturhopfen anstelle von Pellets oder Konzentrat, propagieren ihre eigenen Hefestämme und achten im Fertigungsprozess auf ein optimales Zusammenspiel von Temperatur und Druck – auch wenn es dadurch mal etwas länger dauern kann. Die Investitionen lagen bei über 3,3 Millionen Euro. Auch im laufenden Geschäftsjahr wurden bereits 1,8 Millionen in die Erweiterung der Abfüllerei gesteckt. bib/bar
Passagierzahlen im Steigflug EuroAirport immer beliebter
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m EuroAirport Basel-Mulhouse-Freiburg sind die Passagierzahlen in den ersten fünf Monaten im Vergleich zum Vorjahr um rund zehn Prozent auf 3,38 Millionen gestiegen. „Das ist sehr außergewöhnlich“, sagt auf chilli-Nachfrage der MarketingDirektor Mario Eland. Die Gründe seien vielschichtig. Da ist einmal der Billigflieger Easyjet, der binnen Jahresfrist drei weitere Flugzeuge in St. Louis stationiert hat – ein neues Flugzeug bringt übrigens bis zu 40 direkte und zudem indirekte Arbeitsplätze. „Die schlagen bis jetzt voll auf die Statistik durch, der Aufschwung wird sich aber bis Jahresende wieder beruhigen“, so Eland. Die Zahl der Flugbewegungen habe sich indes bislang nur um drei, vier Prozent erhöht. Das Drehkreuz am Dreiländereck wächst seit Jahren überdurchschnittlich und investiert daher nicht nur in Steine, sondern auch in Beine: Um die Wartezeiten bei den Passkontrollen zu verringern, setzen die Verantwortlichen nun für eine Million Euro 31 zusätzliche Grenzbeamte ein und optimierten die Wegleit- und Informationssysteme. Während der Sommerreisezeit nutzen täglich 35.000 Passagiere den Airport. Heuer könnten es in Spitzenzeiten auch 40.000 sein.
Kammern gegen Scholz SÜDBADEN. Die Industrie- und Handelskammern Südlicher Oberrhein, Hochrhein-Bodensee, Schwarzwald-Baar-Heuberg sowie die Handwerkskammern Freiburg und Konstanz sprechen sich in einem Brief an Bundesfinanzminister Olaf Scholz vehement gegen die Pläne aus, dass sich die Umsatzsteuerrückerstattung bei Ausfuhren im nichtkommerziellen Reiseverkehr auf Beträge über 175 Euro je Einkauf beschränken soll. Die Konsumnachfrage aus der Schweiz trage deutlich zur wirtschaftlichen Entwicklung bei. Auch Handwerk, Gastronomie und Hotellerie schätzen die Nachfrage aus dem Nachbarland.
Foto: © Aériennes/EAP
Abgehoben: Der EuroAirport könnte bald mit der amerikanischen Ostküste verbunden werden.
Seit April setzt die TAP zwei zusätzliche Maschinen nach Lissabon ein, von dort haben die Fluggäste nun Anschluss an Ziele in Südamerika oder auch nach Florida. Zudem ziehe, so Eland, das Türkeigeschäft nach den politischen Unruhen wieder rasant an, auch Ägypten und Tunesien stehen wieder auf dem Flugplan. Und auch die Touristenrekorde im Schwarzwald und der ganzen Region bringen mehr Menschen. Einen Fehlstart hingelegt hat hingegen Wizz Air – nach Easyjet zweitgrößte Airline am Platz – mit der Aufnahme der Linie nach Georgien. Der Jungfernflug mit einer A320 musste vom 1. August auf den 13. September verschoben werden, weil Airbus wegen der Boeing-Turbulenzen um den Pannenflieger überausgelastet ist. Am EAP könnte bald auch ein neues Kapitel aufgeschlagen werden: American Airlines will die US-Ostküste mit europäischen Städten verbinden. Dabei ist auch der EuroAirport im Gespräch. „Wir werden mittlerweile als bekannter Marktplatz wahrgenommen“, so Eland. Es wäre die zweite Direktverbindung in die USA. In der Sommersaison fliegt Air Transat bereits nach Montreal. Am 4. Juli 1949 hatten die Schweiz und Frankreich in einem Staatsvertrag den Bau des Flughafens beschlossen. Er ist bis heute der einzig binationale weltweit. bar
Hengstler startklahr LAHR. Die 1937 von Erwin Hengstler gegründete Hengstler Zylinder GmbH aus Hausach baut auf dem Startklahr-Areal für einen zweistelligen Millionenbetrag eine Produktionshalle mit Bürogebäude. Dafür hat sie ein 35.000 Quadratmeter großes Grundstück vom Zweckverband Industrie- und Gewerbepark Raum Lahr gekauft. Hengstler plant bis zu 150 neue Arbeitsplätze. Baubeginn soll Ende 2020 sein. „Durch den Neubau können die besonderen Anforderungen an Materialfluss, Wirtschaftlichkeit, Nachhaltigkeit und Energieeffizienz berücksichtigt werden“, meldet die GmbH.
Arbeitsmarkt / Stellenmarkt
Ausblick leicht trüb Arbeitsmarkt im Juni stabil
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m Juni ist die Zahl an Arbeitslosen im Bezirk der Agentur für Arbeit Freiburg leicht angestiegen. In der Stadt Freiburg und den Landkreisen Breisgau-Hochschwarzwald und Emmendingen waren insgesamt 12.242 Frauen und Männer arbeitslos registriert, 116 mehr als im Vormonat. Die Arbeitslosenquote blieb unverändert bei 3,3 Prozent. Die Jugendarbeitslosigkeit ist mit 2,2 Prozent weiterhin sehr niedrig. „Im Juni gibt es kaum saisonale Einflüsse. Deshalb verändert sich der Arbeitsmarkt zum Sommerbeginn nur wenig. Er ist insgesamt weiter in einer guten Verfassung“, sagte der Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Freiburg, Christian Ramm. Dennoch ist der Ausblick leicht eingetrübt. Zum einen werden aus dem produzierenden Gewerbe erste Anzeigen auf Kurzarbeit gemeldet. Zum anderen ist die Arbeitskräftenachfrage zwar weiter auf hohem Niveau, allerdings werden deutlich mehr Zeitarbeitskräfte nachgefragt. Experten werten das als Hinweis, dass die Unternehmen hinsichtlich der zukünftigen Geschäftslage verunsichert sind und beim Personaleinsatz flexibel bleiben wollen. Fachkräfte werden dagegen nach wie vor hände-
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Illustration: © freepik.com
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Im Fokus: Vor allem Zeitarbeitsfirmen suchen derzeit fast 350 Beschäftigte.
ringend gesucht und auch fest eingestellt. „Ich gehe nicht von einer Wende am Arbeitsmarkt aus“, so Ramm. Fachkräfteengpässe und verfestigte Arbeitslosigkeit bleiben die größten Sorgenkinder der Agentur. Ramm geht davon aus, dass Arbeitgeber qualifizierte Mitarbeiter auch bei Durststrecken halten. Für die arbeitsmarktferne Zielgruppe könnte es allerdings wieder schwerer werden: „Wir müssen alles daransetzen, dass ihre Integration auch unter ungünstigeren Bedingungen klappt.“ Der Arbeitgeber-Service akquirierte im Berichtsmonat 1321 ungeförderte offene Stellen, gegenüber dem Vorjahresmonat ein Zuwachs um 77 oder 6,2 Prozent. Den größten Bedarf nach Branchen meldeten die unternehmensnahen Dienstleistungen (402 Stellen, darunter 343 bei Zeitarbeit), das Gesundheits- und Sozialwesen (169), das Verarbeitende Gewerbe (154), freiberufliche, wissenschaftliche und technische Dienstleistungen (123), öffentliche Verwaltung (106), Gastgewerbe (99) und der Handel (95). Ende Juni lagen der Agentur für Arbeit Freiburg 5298 Aufträge zur Stellenbesetzung vor. In der Stadt Freiburg gibt es aktuell 6041 Arbeitslose (+ 92, Quote bei 4,8 Prozent), in Breisgau-Hochschwarzwald 3884 Arbeitslose (+ 13, 2,6 Prozent) und im Landkreis Emmendingen 2317 Arbeitslose (- 211, 2,4 Prozent). bib
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Made in Freiburg: In der Inxmail-Firmenzentrale im Wentzinger Hof (oben rechts) wird auch mal analog am Flipchart gearbeitet.
Näher am Kunden – seit 20 Jahren
Die E-Mail-Marketing-Experten von Inxmail feiern Jubiläum
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Fotos: © Inxmail
eit 20 Jahren ist die inhabergeführte Inxmail GmbH Anbieter für leistungsstarke E-Mail-Marketing-Lösungen. Damit setzen weltweit mehr als 2000 Kunden personalisierte Newsletter, automatisierte E-Mail-Kampagnen und Transaktionsmails um. Zum Kundenstamm des Freiburger Unternehmens gehören sowohl Agenturen als auch mittelständische Firmen und große Konzerne aus E-Commerce, Handel, Touristik sowie der Verlags-, Banken- und Versicherungsbranche. „Weil wir seit 20 Jahren erfolgreich am Markt sind, wissen wir, wie unsere Kunden mehr aus ihrem E-Mail-Marketing herausholen“, sagt Stefan Schwär, Director of Marketing and Sales bei Inxmail. „Damit wir sie bestmöglich beim digitalen Dialog mit Endverbrauchern unterstützen, stimmen wir unsere Lösungen auf die individuellen Anforderungen unserer Kunden ab.“ Seit der Gründung von Inxmail 1999 wird Wert auf ein hohes Service-Level und individuelle Beratungsleistungen gelegt. Deshalb ist der Betrieb rasant gewachsen: Vor zehn Jahren waren 35, heute rund 150 Köpfe beschäftigt. Auch der Umsatz legt stetig zu: Im vergangenen Jahr um zehn Prozent. Eine große Bedeutung hat Daten- und Rechtssicherheit: Inxmail hostet seine Server ausschließlich in Deutschland und erfüllt höchste Datenschutzanforderungen. Als Mitbegründer der Certified Senders Alliance (CSA) setzt sich Inxmail seit der ersten Stunde für erlaubnisbasiertes E-Mail-Marketing ein. Die beiden Lösungen Inxmail Professional und Inxmail Commerce tragen außerdem die Gütesiegel „Software made in Germany“ und „Software hosted in Germany“. Was hinter dem Begriff ‚Best-of-Breed-Anbieter‘ steckt, erklärt Schwär: „Unsere E-Mail-Marketing-Lösungen lassen sich über Schnittstellen wie ein Puzzleteil mit spezialisierten Systemen wie CRM-, Online-Shop- und Kampagnenma32 | chilli | business im Breisgau | 07.2019
nagement-Tools vernetzen.“ Ein weiterer Vorteil: Auch ohne Programmierkenntnisse ist die Software einfach zu bedienen. Mit den Templates lassen sich personalisierte Newsletter und automatisierte E-Mail-Kampagnen einfach nach dem Baukastenprinzip erstellen. Die Kunden können ihr E-Mail-Marketing kontinuierlich verbessern, denn die Analysefunktionen der Software werten Öffnungs- und Klickraten der versendeten Mails in Echtzeit aus. Mit einem Split-Test erfahren die Kunden etwa, welche Betreffzeile für welchen Kunden besonders interessant ist. „Wer zuverlässig zugestellte Transaktionsmails umsetzen oder Kunden einen besonderen Service bieten möchte, für den ist Inxmail Commerce die passende Lösung“, so Schwär. Damit lassen sich automatisierte Transaktionsmails wie Bestell- und Versandbestätigungen, Rechnungen, Sendungsverfolgungen, Passworterinnerungen oder Statusmeldungen erstellen und versenden. Mehrfach wurde das Unternehmen als einer der besten Arbeitgeber in Deutschland ausgezeichnet. „Inxmail ist nicht nur wegen interessanter Projekte und namhafter Kunden ein attraktiver Arbeitgeber“, sagt Schwär, „bei uns wird WorkLife-Balance großgeschrieben.“ Neben flexiblen Arbeitszeiten bezuschusst Inxmail eine betriebliche Altersvorsorge oder die Kinderbetreuung, es gibt Fitness-Angebote, günstiges Fahrradleasing, frisches Bio-Obst und kostenlose Getränke. Das Gemeinschaftsgefühl wird auch bei einem Feierabendbier am Freitag gepflegt. Monatlich finden außerdem die Inxgames statt – ein internes Turnier mit wechselnden Disziplinen wie Volleyball oder Kartfahren, bei dem der Gewinner die heiß begehrte Trophäe der goldenen Ananas erhält. „Wir suchen nach Fachkräften, die uns mit ihrem Engagement und ihrer Persönlichkeit bereichern“, sagt Schwär. „Deshalb freuen wir uns immer über qualifizierte Bewerbungen über unser Stellenportal.“ André Daub
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IT in der Region
Immer ein Schritt weiter
STEP Computer- und Datentechnik digitalisiert den Mittelstand
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Foto: © STEP Computer- und Datentechnik GmbH
omputer, Drucker, S erver, Netzwerk: Ein Unterneh- Viel Know-how unter einem Dach: men ohne stabile IT ist STEP Computer in Lörrach. nicht mehr vorstellbar. Allein die Installation ist für viele Betriebe o hne kompetenten Partner oftmals eine unlösbare Aufgabe. STEP aus Lörrach setzt genau dort an und bringt Unternehmen aus dem Dreiländereck seit mehr als 30 Jahren schnell und zuverlässig ins digitale Zeitalter. „IT kann sehr kompliziert sein“, sagt Jonathan Gorenf lo. Der Geschäftsführer und Inhaber von STEP Computer- und Datentechnik bietet mit seinem 25-köpfigen Expertenteam neben klassischen Intranets für Firmen auch individuelle Lösungen samt passender Security über das firmeneigene Rechenzentrum. Das hat selbst ein amerikanischer IT-Gigant erkannt: STEP besitzt als MicrosoftGold-Partner besondere technische Kompetenzen, die nahe der nördlichen Rheingrenze schwer zu finden seien: „Diesen Standard erfüllt
in Lörrach sonst niemand“, sagt der 55-Jährige. Denn ohne Programme wie Word, Excel oder Outlook komme heute kein Büro mehr aus. „Das ist sehr gefragt“, sagt Mira Geiger, Leiterin der Finanzund Personalabteilung über das Anwendungspaket Office 365. Der Standard liege heute aber höher: „Mitarbeiter wollen mit Tablets und Handys überall andocken und können mit unseren Cloud-Angeboten und Dienstleistungen direkt anfangen zu arbeiten“, sagt sie. Damit die verschiedenen Dienste problemlos zusammenarbeiten, achte
STEP bei jedem Projekt auf eine ganzheitliche Herangehensweise. „Unser Fokus liegt weiterhin auf der Region“, sagt Gorenflo, der aber auch Kunden in Österreich und Norddeutschland betreut. Gerade im IT-Sektor sei gute Arbeit sowie ein vertrauensvolles Verhältnis zum Kunden unerlässlich. Nicht umsonst habe der Raum Lörrach schon viele andere Anbieter kommen und gehen gesehen. STEP eröffnete 2016 eine weitere Niederlassung in Freiburg. Der Geschäftsführer betont: „In dem Bereich muss man gute Arbeit leisten.“ Philip Thomas Anzeige
THS Consulting GmbH Unternehmens-IT Die THS Consulting GmbH ist ein Full-Service-Anbieter für Unternehmens-IT. Gegründet im Februar 2018 durch Thomas H. Spothelfer. Mit ihm verfügt THS Consulting über mehr als 25 Jahre IT-Erfahrung in internationalen Großprojekten. „Wir verstehen uns als Partner bei der Digitalisierung des Geschäftsmodells und stehen für intelligente Lösungen in der Beratung, Entwicklung und Umsetzung mit maximalem Mehrwert für das Geschäft unserer Kunden“, betont Thomas Spothelfer, Geschäftsführer der THS Consulting GmbH mit Sitz in Lahr.
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Automobil
Mit wenn und aber
Die Umweltfreundlichkeit von E-Autos ist umstritten
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as Bundeswirtschaftsministerium ist sich sicher: „Elektromobilität ist weltweit der Schlüssel klimafreundlicher Mobilität“, heißt es in einem Bericht. Experten sind sich da jedoch uneins. Weisen E-Autos tatsächlich den Weg in eine umweltfreundliche Zukunft – oder sind sie lange nicht so sauber, wie es scheint? Freiburgs neuester Schritt in Sachen E-Mobilität ist blau, etwa anderthalb Meter hoch und steht an der Vaubanallee. Seit Anfang Juni ergänzt die Ladesäule zusammen mit einer weiteren in der Haslacher Straße das Stadtbild der Green City. Drei weitere sollen bis zum Jahresende folgen. Geplant ist zudem ein Lade-Hub in Innenstadtnähe – ein „Leuchtturmprojekt“, für das Stadt und Badenova angeblich intensiv mit einem Investor verhandeln. Mehr will der Energiedienstleister zur Schnelltankstelle nicht verraten, die Dinge seien „noch im Fluss“. Die Stadt schreibt der E-Mobilität eine große Bedeutung zu: Ihre Ausweitung werde als sehr wichtig beurteilt, heißt es in einer Drucksache. Allerdings sei die Förderung nur in wenigen Bereichen Aufgabe von Kommunen, „da Themen der Fahrzeugtechnik und der Ladeinfrastruktur übergeordnet (Land, Bund, EU) oder von Privaten anzugehen sind“. Hier tut sich gerade einiges: Kaufwillige können zwischen mehr als 60 Modellen wählen. Auch die Infrastruktur ist der Zahl der E-Autos noch einen Schritt voraus – auf die rund 83.200 Fahrzeuge in Deutschland kommen 17.400 öffentliche Ladepunkte. Und das, obwohl nach Angaben der Badenova rund 85 Pro-
Weihen Freiburgs neueste Ladesäule ein: Baubürgermeister Martin Haag, Badenova-Chef Mathias Nikolay, Reiner Ullmann von Elektro Ullmann und Michael Seiler, Prokurist der Freiburger Kommunalbauten (von links). zent der Autos zu Hause oder beim Arbeitgeber geladen werden. Das kommt an: Allein in den ersten sechs Monaten dieses Halbjahrs wurden in Deutschland 48.000 Elektroautos und Plug-in-Hybride zugelassen – mehr als in Norwegen, das eigentlich als Vorreiter der Elektromobilität gilt. Im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald sind knapp 500 E-Autos und 1300 Plug-InHybride auf den Straßen unterwegs. Trotzdem sind aus Sicht der Umwelt lange noch nicht alle Probleme gelöst: Der Abbau der Rohstoffe – Lithium vor allem im Norden Chiles, Kobalt aus dem Kongo – findet unter teils menschenunwürdigen und umweltschädlichen Bedingungen statt. Die Herstellung einer Batterie verschlingt durchschnittlich 17 Tonnen Kohlendioxid – so viel wie ein Mittelklasseauto auf 100.000 Kilometern. Und auch was mit der Batterie nach dem Einsatz im Wagen passiert, ist trotz erster Recycling- oder SecondLife-Konzepte noch nicht geklärt. „Elektroautos werden von der Politik als emissionsfrei gesehen und
Foto: © badenova, Illustration: © freepik.com
»Dort einsetzen, wo es Sinn macht «
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gefördert, das ist allerdings nicht zu Ende gedacht“, kritisiert Jürgen Henninger, Geschäftsführer des Autohaus Schmolck in Emmendingen. „In die Klimabilanz müssten Produktion, Laufzeit und Entsorgung einfließen – nur dann kann man gerecht vergleichen.“ Der Händler sei dabei keineswegs gegen Elektromobilität: „Aber man muss sie dort einsetzen, wo es Sinn macht. Das eine wird verdammt, das andere hoch gelobt – ohne dass man die Fakten seriös vergleicht.“ Auch dass Hybride steuerlich begünstigt werden, unabhängig davon, ob und wie viel der Elektroantrieb genutzt wird, sieht er kritisch. Wer einen Plug-In-Hybrid nicht zu mindestens 20 bis 25 Prozent elektrisch nutze, fahre aufgrund des höheren Gewichts umwelttechnisch schlechter. Ralph Kollinger beobachtet auch in seinen Autohäusern, dass für viele Geschäftswagenfahrer die steuerlichen Vorteile mehr für den Hybrid-Wagen sprechen als der Umweltgedanke. „Da ist fraglich, wie oft die tatsächlich elektrisch fahren“, so der Geschäftsführer der Kollinger-Gruppe. „Ich will das aber gar nicht verteufeln: Der Hybrid hat den Vorteil, dass man sich so ja ans
Automobil
elektrische Fahren gewöhnen kann.“ Ob Hybride und E-Autos tatsächlich die Zukunft sind, haben seiner Ansicht nach nicht die Hersteller, sondern die Verbraucher in der Hand. „Ich kann nicht mit dem Kopf durch die Wand das anbieten, was die Kunden nicht wollen.“ Von ihnen schlage ihm immer noch viel Skepsis entgegen. Sein Fazit: „Ich halte es für utopisch, dass wir in sechs, acht Jahren eine Quote von 30 Prozent haben – solange die Politik nicht sagt: Ab jetzt gibt es nur noch Elektroautos. Aber so weit ist sie nicht.“
»Schnellerer Fortschritt, als wir heute denken« Auch Marcus Sütterlin glaubt nicht, dass Diesel und Benziner in Zukunft aus dem Straßenbild verschwinden. „Wir brauchen einen Mix der Antriebsformen“, fordert der Chef des Freiburger Autohauses Sütterlin. Dass der zu einem großen Anteil aus E-Autos bestehen wird, davon ist er überzeugt: Bereits innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre erwartet er im städtischen Verkehr einen Anteil von 50 Prozent an Elektrofahrzeugen, im Umland rund 30 Prozent. „Ich bin mir sicher, dass wir bei der Elektromobilität viel schneller vorankommen werden, als wir heute noch denken.“ Dass das E-Auto umwelttechnisch noch einige Probleme aufweist, möchte er gar nicht wegdiskutieren. Doch egal, ob es die Second-Life-Konzepte sind – E-Autos als Stromspeicher für Gebäude –, die geplante Lithiumförderung in Europa oder der CO2-Verbrauch bei der Produktion, „da wird es in naher Zukunft gewaltige Fortschritte geben“. Darauf zu vertrauen, fällt Henninger deutlich schwerer: „Es wird sicherlich Lösungen geben, aber momentan haben wir eben noch keine. Kann ich meinen Kunden deswegen jetzt schon guten Gewissens ein Elektroauto empfehlen?“ Selbst in den Umweltverbänden steht man dem vermeintlich sauberen Antrieb skeptisch gegenüber. „Es ist sicherlich nicht damit getan, den Verbrennungsmotor rauszuwerfen und durch einen elektrischen Antrieb zu ersetzen“, sagt Klaus-Peter Gussfeld, Verkehrsreferent vom BUND Baden-Württemberg. „Die Herausforderung für die Zukunft liegt vielmehr in neuen Mobilitätssystemen.“ Er fordert weniger und kleinere Autos, damit sich auch die Rohstoffanforderungen reduzieren. Dabei beobachtet Henninger gerade einen umgekehrten Trend: Der Elektromotor verschwinde wieder zunehmend aus dem Kleinwagen. Auch in seinem Autohaus sei die Nachfrage nach Elektroautos zwar
gut, die Kaufentscheidungen jedoch überschaubar. E-Kleinwagen sind schließlich momentan noch doppelt so teuer wie ihre Äquivalente mit Verbrennern, „das gibt die Familienkasse oft nicht her.“ Sütterlin ist auch hier wieder optimistisch: „Die Autos werden sich preislich immer besser positionieren und dadurch zu einer echten Alternative werden.“ Dass die Zukunft ausschließlich dem Elektroauto gehört – da sind sich die Experten einig – ist unrealistisch. „Dass bis Ende 2030 alle elektrisch unterwegs sein sollen, das ist doch nicht zu Ende gedacht“, sagt Henninger. „Was wir brauchen, ist ein sinnvolles Nebeneinander von Verbrennern, Hybridfahrzeugen – hauptsächlich mit Plug-In – und reinen E-Autos.“ Tanja Senn Anzeigen
chilli | business im Breisgau | 07.2019 | 37
Fakten
Die Welt, die Wirtschaft in Zahlen Zahl der 2018 nach Deutschland importierten Sonnenbrillen (in Mio.) �������������������������������������������������������������� 59,2 Zahl der 2018 aus China nach Deutschland importierten Sonnenbrillen (in Mio.) ����������������������������������������������� 50,6 Zahl der 2018 aus Italien nach Deutschland importierten Sonnenbrillen (in Mio.) ������������������������������������������������� 3,1 Wert der Sonnenbrillen aus China (in Mio. Euro) �������������������������������������������������������������������������������������������� 112 Wert der Sonnenbrillen aus Italien (in Mio. Euro) �������������������������������������������������������������������������������������������� 127 Investitionen in Forschung und Entwicklung in Baden-Württemberg im Jahr 2017 (in Prozent des BIP) ����������������� 5,6 Investitionen in Forschung und Entwicklung in Bayern im Jahr 2017 (in Prozent des BIP) ������������������������������������ 3,1 Investitionen in Forschung und Entwicklung in Sachsen-Anhalt im Jahr 2017 (in Prozent des BIP) ������������������������� 1,5 Investitionen in Forschung und Entwicklung in Deutschland im Jahr 2017 (in Prozent des BIP) ����������������������������� 3,0 Zuwanderung nach Baden-Württemberg (saldiert) im Jahr 2018 �������������������������������������������������������������������� 50.908 Zuwanderung nach Baden-Württemberg (saldiert) im Jahr 2015. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170.511 Zuwanderung in den Ortenaukreis im Jahr 2018 �������������������������������������������������������������������������������������������� 4051 Zuwanderung nach Freiburg im Jahr 2018 ������������������������������������������������������������������������������������������������������ 203 Zuwanderung nach Karlsruhe im Jahr 2018 ��������������������������������������������������������������������������������������������������� 1650 Zuwanderung nach Heidelberg im Jahr 2018 ������������������������������������������������������������������������������������������������� -629 Sparquote der privaten Haushalte im Vergleich zum verfügbaren Einkommen in Baden-Württemberg im Jahr 2017 (in Prozent) �������������������������������������������������������������������������������������������� 11,6 Sparquote der privaten Haushalte im Vergleich zum verfügbaren Einkommen in Schleswig-Holstein im Jahr 2017 (in Prozent) ��������������������������������������������������������������������������������������������������� 9,5 Durchschnittliche Konsumausgaben eines privaten Haushalts in Baden-Württemberg im Jahr 2017 (in Euro) ������������������� 22.308 Durchschnittliche Konsumausgaben eines privaten Haushalts in Schleswig-Holstein im Jahr 2017 (in Euro) �������������������� 21.319 Zuschauerschnitt der Fußball-Bundesliga in der Saison 2018/2019 ��������������������������������������������������������������� 42.738 Zuschauerschnitt in der englischen Premier League in der Saison 2018/2019 �������������������������������������������������� 38.200 Zuschauerschnitt in der der spanischen Primera División in der Saison 2018/2019 ������������������������������������������ 27.100 Zuschauerschnitt in der italienischen Serie A in der Saison 2018/2019 ����������������������������������������������������������� 25.000 Zuschauerschnitt in der französische Ligue 1 in der Saison 2018/2019 ���������������������������������������������������������� 22.800 Einnahme pro Zuschauer in der Bundesliga in der Saison 2017/2018 (in Euro) ����������������������������������������������������� 39 Einnahme pro Zuschauer in der Premier League in der Saison 2017/2018 (in Euro) ����������������������������������������������� 52 Einnahme pro Zuschauer in der Primera División in der Saison 2017/2018 (in Euro) �������������������������������������������� 48 Einnahme pro Zuschauer in der Serie A in der Saison 2017/2018 (in Euro) ���������������������������������������������������������� 27 Einnahme pro Zuschauer in der Ligue 1 in der Saison 2017/2018 (in Euro) ���������������������������������������������������������� 22 Abfallaufkommen in Baden-Württemberg im Jahr 1990 (in Mio. Tonnen) ���������������������������������������������������������� 30,9 Abfallaufkommen in Baden-Württemberg im Jahr 2017 (in Mio. Tonnen) ������������������������������������������������������������� 12 Das Abfallaufkommen in Freiburgs Mülleimern in der Innenstadt hat sich seit 2008 fast verdoppelt
Lars Bargmann / Idee: brandeins 38 | chilli | business im Breisgau | 07.2019