Themenheft
Karriere &CAMPUs
Forschung
Oktober 2019 Ausgabe Nr. 37
S p e c ia l
FSJ & FÖJ
Freiburger Wissenschaftler
entwickelt Hightech-Hände
Wohnen
Trotz Neubauten: Studi-Buden
bleiben Mangelware
Kampf um Noten
Wie Schüler und Azubis Bewertungen anfechten
inhalt Themen
Angefochtene Noten Nicht nur, wer Medizin studieren möchte, braucht Bestnoten. Auch für Jobs oder Ausbildungsplätze können sie entscheidend sein. In jungen Jahren geht’s vielleicht auch um die Versetzung in die nächste Klasse. Oftmals hat man es bei schlechten Noten selbst vergeigt. Hin und wieder liegt der Fehler aber auch beim Lehrer oder Prüfer. Dann hat man Möglichkeiten, besser
bewertet zu werden. Wie das geht, erklärt Schulrechtsexperte Thomas Böhm in unserer Titelgeschichte. Dass dabei auch ein Anwalt helfen kann, zeigt der Fall einer Auszubildenden aus dem Freiburger Umland. Diese und viele weitere Berichte rund um Karriere & Campus gibt’s auf den nächsten Seiten. Viel Spaß beim Lesen.
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fechten für die eins
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Freiwilligendienst
Gesucht: Studi-Bude
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Zwei wege, ein Gleis
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Fühlende Prothesen
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vorfahrt für Ausbildung
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Eine Auszubildende kämpft um eine Note Wohnraum bleibt Mangelware Forscher entwickelt Hightech-Hände
Dual mal anders
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VWA Business School mit neuem Angebot
kompetenztest
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IHK bietet Karrierecheck
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Engagement in Südostasien / FSJ bei den Maltesern Pflegewissenschaften an der Uniklinik Autohaus Schmolck bietet Vielfalt
Dienst an der natur
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Zwei Semester auf probe
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Freiwiliges Ökologisches Jahr boomt
Schnupperstudium in Kanada / SemesterTicket
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IMPRESSUM – Themenheft 10-2019 Das Karriere & CampusThemenheft erscheint im Freiburger Stadtmagazin chilli Herausgeber: chilli Freiburg GmbH Paul-Ehrlich-Str. 13, 79106 Freiburg www.chilli-freiburg.de Geschäftsführung: Michaela Moser (V.i.S.d.P.) Redaktion: Till Neumann (tln), Philip Thomas (pt), Anna Jacob Titelbild: © iStock.com/wundervisuals Grafik: Simone Bednarek Lektorat: Beate Vogt
Anzeigen: Christoph Winter (Leitung), Malika Amar, Marlene Schick, Maria Schuchhardt, Giuliano Siegel Druck: Freiburger Druck GmbH & Co. KG Ein Unternehmen der Die im Magazin enthaltenen Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigung und Einspeicherung in elektronische Systeme. Gleiches gilt für den Nachdruck der von uns entworfenen Bilder und Anzeigen.
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karriere noten
Fechten für die Eins
Eine Auszubildende kämpft um ihre Note
N
oten können Türen öffnen. Oder sie für immer schließen. Egal ob in der Schule, Ausbildung oder an der Uni. Daher werden sie immer häufiger angezweifelt. Notfalls auch mit dem Anwalt, wie der Fall einer Freiburger Auszubildenden zeigt. Ein Experte sagt: Wichtig ist, früh und überlegt zu handeln.
Maier wandte sich an die Industrie- und Handelskammer (IHK) Südlicher Oberrhein, die ihre Ausbildung koordiniert. Dort hat sie das Recht, die einzelnen Ergebnisse einzusehen. Drei Aufgaben waren bei der Prüfung zu bewältigen, die gemeinsam eine Note ergeben. Beim Vor-Ort-Termin wollte sie erfahren, wie die einzelnen Bewertungen ausgefallen sind. Der Termin bei der IHK lief jedoch nicht wie erhofft. „Sie konnten mir nicht alles vorlegen“, erzählt Maier. Warum, weiß sie selbst nicht. Fragen dazu seien unbeantwortet geblieben. „Für mich fühlt sich das an, als hätte jemand was verbockt“, sagt Maier. Sie hat mit Hilfe eines Anwalts Widerspruch gegen die Benotung eingelegt. Ein rechtlicher Schritt, für den sie vier Wochen Zeit hat. Stellung nehmen zu dem Fall möchte die IHK aufgrund des laufenden Verfahrens nicht. Bei der Pressestelle heißt es: „Die Zahl der Widersprüche liegt im unteren Null-Komma-Bereich. Dennoch nehmen wir natürlich jeden Fall sehr ernst.“ Einen solchen Widerspruch könne jeder Prüfling einlegen. Etwa einem Drittel werde stattgegeben.
Fotos: © Jan Vasek ˇ / pixabay.com, privat
Brechstange ist der falsche WEg
Anna Maier (Name geändert) hatte in ihrer Ausbildung immer Bestnoten. Die Mediengestalterin aus dem Freiburger Umland versteht ihren Job. Im Sommer hat sie ihre Abschlussprüfung gemacht. Mit dem Gefühl, die Aufgaben gut gelöst zu haben. Doch drei Wochen später kam das Zeugnis per Post – mit einer bösen Überraschung: Für die praktischen Prüfungen bekam sie lediglich die Note „befriedigend“. Nur ein Punkt fehlte zur Note „gut“. Allein das wäre eine Abweichung von der Norm. Denn sonst hatte Maier durchgehend 1,0-Ergebnisse. Also beschloss sie, sich schlauzumachen. „Ich wollte herausfinden, warum die Note so ist“, erzählt Maier. Erklären konnte sie sich den Fall nicht.
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noten karriere Der Fall von Anna Maier ist keine Ausnahme. Die Zahl infrage gestellter Noten steige kontinuierlich an, sagt Thomas Böhm. Der 64-jährige Schulrechtsexperte hat im Juni das Buch „Diese Note akzeptieren wir nicht“ herausgebracht. Von Lehrern, die er fortbildet, weiß er: Die Konflikte nehmen zu. Der Grund? „Das hängt sicherlich mit der Bedeutung der Noten zusammen“, sagt Böhm. Für viele Studienfächer brauche es einen Numerus Clausus. Auch für sonstige Bewerbungen in Betrieben oder für Ausbildungsplätze brauche man ein passables Zeugnis. Dennoch werden die Erfolgschancen von angefochtenen Noten oft überschätzt. „Weil Eltern oder Schüler den Beurteilungsspielraum von Lehrern nicht wirklich berücksichtigen“, erklärt Böhm. Der Spielraum sei oft so groß, dass Proteste wenig bringen. Die Erfolgschancen würden daher bei weniger als 50 Prozent liegen. Wichtig sei, gut darlegen zu können, warum man eine Note anfechtet. „Sie haben das im Unterricht nicht gut erklärt“, reiche nicht als Argument. Erfolgversprechender sei, wenn ein Thema im Unterricht überhaupt nicht behandelt wurde, in der Prüfung aber abgefragt werde. Oder wenn Anmerkungen unter der Klausur nicht zur Note passen. Oder wenn bei der Bewertung ganz offensichtlich ein Fehler unterlaufen ist. Das Unproduktivste ist für Böhm, gleich zur Schulleitung zu gehen. „Der erste Schritt sollte immer der zum Lehrer oder Prüfer sein“, betont Böhm. Und das möglichst früh. Oftmals stoße man da mit einer sachlichen Bitte um Erklärung auf offene Ohren. „Der Lehrertypus, der der Überzeugung ist, immer im Recht zu sein, ist seit langer Zeit ausgestorben“, sagt Böhm. Ein solches Gespräch ist eine formlose Beschwerde. Rechtlich aufwen-
diger wird es bei einem formalen Widerspruch, wie ihn Anna Maier eingelegt hat. Der Widerspruch kann nur bei zentralen Bewertungen eingelegt werden wie Abiturnoten oder einem Abschlusszeugnis. Für eine ganz normale Klassenarbeit gibt’s diese Option nicht. Gültig ist das für alle Bereiche mit Noten, erklärt Böhm. Egal ob Schule, Ausbildung oder Uni.
Sie fordert Transparenz Der Kampf um Noten hat auch Schattenseiten, wie der Autor feststellt. Er berichtet von Lehrern, die im Zweifelsfall eher eine bessere Bewertung geben als die schlechtere. So wollen sie sich Ärger ersparen. Für Anna Maier ist die Note nicht zukunftsentscheidend. Ihren Platz für ein duales Studium hat sie bereits sicher. Ihr geht es ums Prinzip: „Es kann nicht sein, dass sie hier abziehen, was sie wollen, und keiner macht was.“ Sonst gehe das die nächsten Jahre einfach so weiter. Gerne hätte sie direkt das Gespräch mit ihren Prüfern gesucht. Doch sie weiß nicht, wer diese sind. Ihr ist nicht einmal bekannt, wie viele Prüfer es für ihre Arbeiten gibt. „Mir wurde im Betrieb gesagt, es könnten zwölf sein“, sagt Maier. Sie ist nicht die Einzige ihres Jahrgangs, die von der Note irritiert ist. Von drei Kollegen weiß sie, dass ebenfalls um Einsicht in die Prüfungsunterlagen gebeten wurde. Widerspruch legte jedoch nur sie ein. „Das war ihnen zu viel Stress“, berichtet Maier. Die Kosten für den Anwalt sind über eine Versicherung des Vaters gedeckt. Und das Engagement könnte sich lohnen: Dem Widerspruch wurde stattgegeben, ihre Prüfung soll nun neu bewertet werden.
Wie viel Einblick in Ergebnisse gewährt die IHK ihren Auszubildenden? Die IHK lässt die Frage offen und betont die hohe Qualität der Prüfer: „Wichtig sind Sachkunde und fachliche Erfahrung, Kommunikations- und Urteilsvermögen sowie ein ausgeprägtes Verantwortungsbewusstsein, aber auch Reife und pädagogisches Gespür und Interesse an der Förderung des Fachund Führungskräftenachwuchs.“ Rund 2000 Prüferinnen und Prüfer seien dort ehrenamtlich im Einsatz, manche seit Jahrzehnten. Für die Zukunft würde Maier sich mehr Transparenz wünschen. Sie fordert, dass Auszubildende die Möglichkeit bekommen, nach abgelegter Prüfung eine halbe Stunde mit dem entsprechenden Prüfer zu sprechen. „Sonst wird man voll vor den Kopf gestoßen“, findet die Mediengestalterin. Bei der Handwerkskammer Freiburg ist das möglich. Die Pressestelle teilt mit: Schon am letzten Prüfungstag, an dem die Prüflinge auch erfahren, ob sie ihre Gesellenprüfung bestanden haben oder nicht, werden ihnen die Ergebnisse dort erläutert. Auch bei Auszubildenden ist das bekannt. „Die HWK ist da viel offener“, sagt ein Auszubildender aus Freiburg, der beide Seiten kennt. Till Neumann
Schulrechtsexperte: Thomas Böhm
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Wohnen Studium
Wachsende Wohnheime Trotz Baumaßnahmen: Zimmer für Studenten bleiben Mangelware
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lle Jahre wieder: In Freiburg beginnt das Semester, WGs bitten zum Casting, die Jugendherbergen sind voll, und in den Notunterkünften werden wieder Betten aufgestellt. Neubauten in der Studentensiedlung am Seepark (StuSie) sollen den Freiburger Wohnungsmarkt entlasten. Zum Semesterstart finden viele Studierende trotzdem keine bezahlbare Bleibe.
Um den Wohnungsmarkt zu entlasten und AusnahmeZustände zu vermeiden, überwies Freiburgs Regierungspräsidentin Bärbel Schäfer dem Studierendensekretariat (SWFR) rund eine Millionen Euro für neue Bauten mit elf Stockwerken in der StuSie. Die rund 4200 Wohnheimplätze des SWFR sollen aufgestockt werden. Die Zimmer sind bitter nötig: An der Albert-LudwigsUniversität sind 24.600 Hochschüler eingeschrieben. Dazu kommen knapp 5000 an der Pädagogischen, 1800 an der Katholischen, 1000 an der Evangelischen sowie rund 500 Studenten an der Musik-Hochschule. Renate Heyberger, stellvertretende Geschäftsführerin des SWFR, kennt die Bedürfnisse und die gestiegenen Ansprüche der Heimbewohner: Wände seien heute dicker, WGs kleiner. Der Trend ginge trotz Wohnraummangel von großen Stockwerkswohnheimen hin zu einzelnen Appartements. Jemand, der von dieser Mode profitiert, ist
Fotos: © tln, privat
400 Euro für 20 Quadratmeter
Bevor für viele Erstsemester in Freiburg Kneipentour und Vorlesungen starten, will ein Dach über dem Kopf gefunden sein. Gar nicht so einfach in einer Stadt, in der es zwar rund 125.350 Wohnungen gibt, aber eben auch knapp 230.240 Einwohner sowie einen Preis von locker 5000 Euro für einen Quadratmeter Eigentumswohnung. Noch teurer ist eine Bude in der Bundesrepublik nur in einer Handvoll Städte wie München, Frankfurt oder Stuttgart.
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Studium Wohnen Sandro Willig. Der 21-Jährige wohnt seit September in einer Einzelwohnung in der StuSie. „Ich habe mich im März online beworben und im Juli die Zusage bekommen, das lief problemlos“, erinnert er sich. 400 Euro zahlt er monatlich für ein 20-Quadratmeter-Einzelzimmer mit Küche und Bad. „Das müsste hier das Maximum sein“, vermutet der Biologe richtig. Er liegt damit noch unter dem Freiburger Durch-
Notfallbetten stehen bereit schnitt: Laut einer Untersuchung des Moses-Mendelssohn-Instituts und WG-gesucht.de kostet ein Zimmer in der Breisgaumetropole dieses Semester im Schnitt 435 Euro. Auf der anderen Seite des Spek trums rangieren Studierende im Ulrich-Zasius-Haus (UZH): In 16erWGs aus den 60er-Jahren sind monatlich 225 Euro fällig. Willig habe davor in einer 12er-WG in einem privaten Wohnheim gelebt. „Ich bin froh, jetzt in der StuSie
zu sein, sagen wir es so“, sagt er und lacht. Sechs Semester darf er dort nun wohnen, mit Option auf Verlängerung. Der Wohnraummangel in Freiburg geht auch an ihm nicht vorbei. Schon vor der endgültigen Fertigstellung wurden die Pforten des neuen Heims geöffnet: „Das Kartenlesegerät für den Aufzug hat meinen Chip anfangs noch nicht erkannt“, sagt er. Trotz noch nicht finaler Technik – die Eröffnung des Gebäudes kam vielen nicht früh genug. „Das Haus war innerhalb einer Woche komplett voll“, betont Willig. Das Spiel könnte sich im Frühjahr 2020 wiederholen. Dann sollen in der StuSie zwei neue Bauten mit jeweils 130 Plätzen eröffnen. Bis 2022 sollen noch mal 630 hinzukommen. Noch vor den Zimmern steigt aber auch die Anzahl der Studierenden: Waren an Deutschen Universitäten im Wintersemester 2008/09 noch etwas mehr als 1,9 Millionen Menschen eingeschrieben, sind es zum aktuellen Semesterstart knapp 2,85 Millionen Immatrikulierte. Bevor der nächste Bau in der StuSie bezogen wird, stehen in der Sied-
Zahlt weniger Miete als viele Freiburger: Sandro Willig in der StuSie. lung wieder Notfallbetten. Zum Redaktionsschluss, eine Woche vor Semesterstart, sind im Lager der StuSie neun Betten belegt. „Der große Andrang ist noch nicht da. Die Vorlesungen haben noch nicht angefangen, zum Start wird’s voll“, prophezeit Heyberger. Zu Spitzenzeiten wurden auch mal rund 100 Schlafplätze aufgestellt. Im Laufe der vergangenen Jahre seien es erkennbar mehr geworden. Philip Thomas
Günstig: Im Ulrich-ZasiusHaus gibt's Zimmer auf elf Etagen ab 225 Euro.
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Forschung technik
Erste Versuche: Ein Patient testet die Prothese. Er kann sie mit seinen Gedanken steuern.
Roboterhand mit Gefühl Fotos: © Uni Prothese - LifeHand 2 - Project Tests
Forscher entwickelt Hightech-Prothesen
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önnen Roboterhände fühlen? Ja, zeigt die Forschung von Thomas Stieglitz. Der Freiburger Mikrosystemtechniker entwickelt Prothesen, die Nervenimpulse übertragen. Sie werden mit Gedanken gesteuert. Jetzt steht das Team des 53-Jährigen im internationalen Rampenlicht. „Ich habe im Leben nicht daran geglaubt, das mal zu schaffen“, sagt Thomas Stieglitz. Vor ihm liegt das Cover des Magazins „Nature Medicine“. Auf Seite eins sieht man einen Mann mit Beinprothese. Soll heißen: Das Forschungsprojekt hat’s auf die Titelseite eines der renom-
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miertesten Fachmagazine der Welt geschafft. „Das ist wie ein WM-Finale“, schwärmt Stieglitz in seinem Büro an der Freiburger Messe. Marktreif ist die Forschung dennoch nicht. Realistisch sei eine Zulassung der Hightech-Prothesen in fünf oder zehn Jahren. Größter Knackpunkt ist ein Stecker, der die Geräte mit Strom versorgt. „Er muss klein, rostfrei und wasserdicht sein“, erklärt der Forscher. Schließlich sei Salzwasser im Körper, das einen Kurzschluss auslösen könne. Den Stecker hinzukriegen sei „verdammt schwierig“. Seit mehr als zehn Jahren forscht Stieglitz zum Thema. Er ist Teil einer internationalen Forschungsgruppe, die
technik Forschung Anzeigen
Die Apparaturen hatten anfangs Schrankgröße.
„fühlende Prothesen“ entwickelt. Kollegen sitzen in Italien, Spanien oder der Schweiz. Der erste Praxistest startete 2012 in Rom. Ein Patient mit amputiertem Unterarm bekam für 30 Tage eine Handprothese, die auch in Science-Fiction-Streifen eine gute Figur machen
Elektrode durch Nerv gefädelt würde. Bilder des Versuchs zeigen, wie der Mann eine Orange oder einen Wasserbecher greift. „Das Foto ging um die Welt“, berichtet Stieglitz. Steuern kann der Patient die Aktionen mit Gedanken. Auch Gefühl soll die künstliche Hand bekommen. Denn das ist entscheidend, um richtig greifen zu können. Dafür wird eine winzige Elektrode mit Nadel und Faden durch den Nerv durchgefädelt. Sensorisches Feedback nennt sich die Methode. Die Maschine
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Forschung technik zum Betreiben der Prothese war anfangs jedoch riesig. Beim Test in Belgrad etwa so groß wie ein Schrank. Spazieren gehen damit? Unmöglich. Im zweiten Anlauf konnten drei Patienten in Belgrad Beinprothesen testen. „Sie wurden oberhalb des
Forscher: Thomas Stieglitz
Knies angebracht“, berichtet Stieglitz. Die damit verbundenen Geräte passten bereits in einen Rucksack. Mobilität war möglich. Ein weiteres technisches Problem sind Kabel. Bei den bisherigen Tests schauten vier oder fünf davon aus der Haut. „Das will keiner haben“, sagt Stieglitz. Eine drahtlose Übertragung wäre ideal, ein induktives System soll entwickelt werden. Spruchreif ist dazu noch nichts. Trotz der Kabel berichtet Stieglitz von positiven Reaktionen. „Die Patienten waren recht zufrieden mit den Prothesen – und enttäuscht, sie wieder extransplantiert zu bekommen.“ Zudem könnten die Geräte das soziale Verhalten der Personen positiv beeinflussen, wie im Nature Magazin zu lesen ist. Menschen mit Amputationen lebten oft zurückgezogen.
Ziel ist, die zu tragenden Geräte so klein zu machen, dass sie in eine Gürteltasche passen. Die Kosten pro Patient belaufen sich auf geschätzt
Konkurrenz sitzt in Cleveland etwa 70.000 Euro. Eine große Summe, die sich aber rechne, sagt der Freiburger. Parallel zu seinem Team tüfteln auch Experten in Skandinavien und den USA an einer Lösung. „Die Kollegen in Cleveland sind mit ihrem Paper oft zwei Wochen früher fertig als wir“, sagt Stieglitz. Aufs NatureCover geschafft hat sein Team es trotzdem. Till Neumann
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Dual mal anders Neues Studienkonzept an der VWA Business School
Foto: © VWA Business School
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ie VWA Business School in Freiburg bietet ein neues duales Studienmodell an: Statt des dreimonatigen Wechsels zwischen Unternehmen und Hochschule gibt es 14-tägige Präsenzblöcke an der Hochschule. „Wir wollen nicht alle drei Monate einen anderen Fokus in das Studium bringen, sondern die Unternehmenswelt mit akademischen Inhalten verzahnen“, sagt Marco Wölfle von der VWA Business School. Soll heißen: Studierende verbringen mehr Zeit im Betrieb. Acht Blöcke à zwei Wochen sind für den Unterricht vorgesehen. Dank der stärkeren Einbindung ins Unternehmen lasse sich Studienwissen vertiefen und auf Anwendbarkeit prüfen. „Neben kompakten Präsenzen werden Studierende und Unternehmen von Tutoren begleitet“, erklärt Wölfle. Auch Webinare sind Teil des Programms. So sollen anspruchsvolle Aufgaben übernommen werden. „Das neue Modell ist ein großer Vorteil für die Partnerunternehmen“, ist Wölfle überzeugt. Auch für Studierende gewinne es an Attraktivität. Sie sollen sich von Beginn an in Projekte einbringen. Nicht zuletzt erhöhe das Konzept ihre Chance auf eine Perspektive im Unternehmen. Die Neuausrichtung ermögliche auch, bewährte Auszubildende weiterzuentwickeln oder Mitarbeiter auf Führungsaufgaben vorzubereiten. Es wird in zwei Fachrichtungen angeboten: BWL/ Management und Digital Leadership. Auch eine Vertiefung im Bereich Immobilienwirtschaft ist möglich. Studienstart ist jedes Jahr im August. Die Mitarbeiter des Instituts helfen den Bewerbern bei der Suche nach einem passenden Unternehmen. Interessierte sind eingeladen, das Modell beim Infotag am 20. November kennenzulernen. Aktuelle Termine gibt es auf www.vwa-bs.de/bachelor-dual tln
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Berufswahl Kompetenztest
»Die Vielzahl überfordert viele«
Andreas Klöble von der IHK über den Kompetenztest „Berufsprofiling“
Foto: © iStock.com/Vasyl Dolmatov
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elcher Beruf passt zu mir? Ein kostenloser Kompetenztest der IHK Südlicher Oberrhein in Freiburg und Offenburg soll darauf Antworten geben. In drei Stunden können Jugendliche herausfinden, welcher Beruf zu ihnen passt. Im f79-Interview mit Hannah Singler erzählt IHK-Bildungsreferent Andreas Klöble (32) von Überforderung bei der Berufswahl und Strategien, den Traumberuf zu finden. chilli: Herr Klöble, inwiefern hilft der Test Jugendlichen, ihren Traumberuf zu finden? Klöble: Wir haben in Deutschland rund 300 Ausbildungsberufe und mehr als 19.000 Studiengänge. Es ist sehr schwierig, alle Berufe oder Studiengänge zu kennen. Der Test bietet die Möglichkeit, die Berufe kennenzulernen, für die man Fähigkeiten mitbringt und auch
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Interesse hat. So kann man sich durch die Ergebnisse gezielter informieren. chilli: Soll für den Test geübt werden? Klöble: Es macht keinen Sinn, sich darauf vorzubereiten. Die Aufgabenstellungen sind so unterschiedlich, dass man sowieso nicht dafür lernen könnte. Es ist ganz wichtig, dass man nicht gestresst ankommt. Hilfsmittel sind verboten, weil sie das Ergebnis verfälschen. chilli: Die Ausbildungsberufe werden nach Leistung und Persönlichkeit ausgewertet, Studienbereiche nach Interesse. Warum? Klöble: Da wir 19.000 Studiengänge haben, hat man die Studiengänge in 100 Studienbereiche zusammengefasst. Man kann die Werte nicht mehr sinnvoll
Andreas Klöble
miteinander verknüpfen, daher werden nur die Interessen berücksichtigt. Bei den Ausbildungsberufen können, aufgrund der Anzahl und der klaren Abgrenzung, auch die anderen Ergebnisse mit reinspielen.
chilli: Der Test geht ganze drei Stunden. Hält man das mit voller Konzentration durch? Klöble: Wir haben eine Pause eingebaut, die jeder individuell lange gestalten kann. Durch die modernen Medien sind wir alle unheimlich schnell abgelenkt, checken Instagram oder Facebook. Der Test ist eine gute Möglichkeit, wieder kennenzulernen, was es bedeutet, drei Stunden am Stück konzentriert zu arbeiten. chilli: Wie soll man nach der Auswertung vorgehen? Klöble: Es macht Sinn, sich das Ergebnis genau anzuschauen. Anschließend kann man sich im Internet über die Berufe informieren. Die Agentur für Arbeit hat eine sehr gute Seite und bietet Beratungen an. Auf berufenet kann man Infos über Ausbildungsinhalte und Gehalt einholen. Und dann gibt es noch das Angebot des optionalen Auswertungsgesprächs nach dem Test. Wir bieten auch die Möglichkeit, sich ein Zertifikat ausstellen zu lassen, das ein sehr gutes Ergebnis aus dem Test für einen bestimmten Beruf zeigt. Das kann dann der Bewerbung beigelegt werden. Ganz wichtig ist auch, über Praktika Erfahrung zu sammeln. chilli: Warum wissen so viele junge Menschen nicht, was sie werden wollen? Klöble: Diese Vielzahl an Möglichkeiten ist ein Faktor, der viele komplett überfordert. Man will sich auch noch nicht so früh festlegen, was man die nächsten 40 Jahre machen will. Wir haben am Gymnasium erst seit diesem Schuljahr das Fach Wirtschafts/Berufs- und Studienorientierung. Das heißt, es wird dort erst jetzt so richtig die Berufsorientierung im Bildungsplan verankert.
Kompetenztest Berufsprofiling Jugendliche haben die Möglichkeit, bei der IHK Südlicher Oberrhein in Freiburg und Offenburg einen kostenfreien dreistündigen Kompetenztest zu machen. Dabei lösen sie Aufgaben und bekommen im Anschluss eine Auswertung zu 300 Ausbildungsberufen und 100 Studienbereichen, die gut zu ihnen passen. Jährlich gibt es rund 350 Teilnehmer. Wer den Test machen möchte, kann sich anmelden auf: www.suedlicher-oberrhein.ihk.de/berufsprofiling
Freiwilligenarbeit Ausland
»Der Natur etwas zurückgeben«
Olivia Bloching hat sich auf den Philippinen für die Meere eingesetzt
Fotos: © Olivia Bloching
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u möchtest nach dem Abi ins Ausland? Und die Umwelt schützen? Das geht beim Freiwilligenprojekt der Marine Conservation Philippines. Olivia Bloching hat für dieses Projekt gearbeitet. Die 18-Jährige aus Heilbronn hat acht Wochen lang Meeresbewohner und Pflanzen gezählt und Müll aus dem Meer gefischt. Im Interview mit Hannah Singler erzählt sie von tiefem Gemeinschaftsgefühl und veränderter Wahrnehmung.
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chilli: Olivia, wie kam’s zu dem Projekt? Olivia: Da bei einer Reise die Umwelt stark verschmutzt wird, wollte ich der Natur etwas zurückgeben. Auf der Homepage von Volunteer Work bin ich auf viele Umwelt projekte gestoßen. Marine Conservation Philippines hat mir zugesagt, weil ich das Tauchen liebe. Über die Homepage habe ich mich mit einem Motivationsschreiben beworben.
chilli: Wie war der Tagesablauf vor Ort? Olivia: Nach einem gemeinsamen Frühstück hatten wir täglich zwei Tauchgänge. Danach gab es Präsentationen und Kurse oder Gemeinschaftsaktionen. Um 19 Uhr war Abendessen. Anschließend hatten wir freie Zeit zum Entspannen. Sonntags war frei. chilli: Wie waren die Zustände vor Ort?
Ausland Freiwilligenarbeit Olivia: Die Mengen an Müll zu sehen, war erschreckend und schmerzhaft. Auch die Korallenriffe sind in einem schlechten Zustand. Das zu sehen ist wichtig. Das hat viel mit mir gemacht. chilli: Wie hast du dich vorbereitet? Olivia: Ich habe die Hepatitis A- und B-Impfung gemacht. Ein Visum kann man für einen Monat kostenlos beantragen. Danach muss man es für einen kleinen Betrag verlängern. Einen Tauchschein braucht man nicht. Wenn man keinen hat, macht man dort einen. Wer einen hat, kann dort weitere Kurse machen. Ansonsten muss man offen sein und sich bewusst sein, dass man nicht im Luxus lebt. chilli: Wie und wo hast du gewohnt? Olivia: Alle haben in einem Camp gelebt. Dadurch sind alle auf der gleichen Ebene. Ich hatte nie das Gefühl, eine von vielen zu sein. Der Standard dort ist allgemein sehr hoch. chilli: Wie war die Gruppe? Olivia: Wir waren Freiwillige aus der ganzen Welt. Ich habe mit vielen noch Kontakt. Weil man 24/7 zusammen ist, hat man eine große Verbindung zueinander.
chilli: Was nimmst du für dich aus dem Projekt mit? Olivia: Dass man sehr viel Positives mit kleinen Dingen bewirken kann. Man kann sehr respektvoll mit der Natur umgehen, wenn man möchte. Ich bemühe mich jetzt, ganz anders zu leben. Ich reduziere meinen Plastikverbrauch, fahre weniger Auto und möchte vegan leben. chilli: Was würdest du jemandem empfehlen, der ins Ausland gehen möchte? Olivia: Auf jeden Fall so etwas zu machen. Gerade wenn man alleine weg möchte, ist es perfekt, weil man in einer Gruppe ist. Es gibt sehr viele Umweltprojekte, auch Billigere, wenn man nicht so viel Geld zur Verfügung hat.
Marine Conservation Philippines Freiwillige bei Marine Conservation Philippines zählen die Lebewesen in Korallenriffen und befreien Strand und Meer von Müll. Das Projekt kostet rund 400 Euro pro Woche. Darin enthalten sind Unterkunft, Essen, Tauchausrüstung und die Tauchgänge. Bewerbung für Teilnehmer über 18 Jahren: www.marineconservationphilippines.org
chilli: Was war das Schönste? Olivia: Wie man miteinander und mit der Natur umgegangen ist. Der Zusammenhalt war toll. Alle sind glücklich, wenn man zusammen Müll gesammelt hat. chilli: Was war das Schwierigste? Olivia: Ich konnte eine Woche nicht tauchen, weil ich mich an der Hand verletzt habe. Und der viele Reis, das war auch schwierig (lacht).
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FSJ Malteser
»Ein unglaubliches Angebot« Luca macht ein FSJ als Erste-Hilfe-Ausbilder bei den Maltesern
Foto: © Hannah Singler
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ehr als Überbrückung. Luca Drescher (21) macht seit September 2018 ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) als Erste-Hilfe-Ausbilder bei den Maltesern in Freiburg. Eine Entscheidung, die er bis heute nicht bereut. Im Interview mit Hannah Sing ler erzählt er, warum das soziale Engagement einige Vorteile bietet.
Luca Drescher
chilli: Luca, warum hast du dich für das FSJ bei den Maltesern entschieden?
Luca: Der Beruf als Erste-HilfeKursleiter ist sehr frei. Es gibt keinen typischen Tagesablauf. Täglich hat man es mit anderen Menschen zu tun und darf ihnen etwas Wichtiges beibringen. chilli: Wie sieht dein Tag aus? Luca: Um acht Uhr gehe ich zur Arbeit und richte den Kursraum oder fahre für einen Auswärtskurs zu einer Firma. Während des Kurses habe ich regelmäßige Pausen, nebenher mache ich Bescheinigungen.
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Der Kurs ist um 16.30 Uhr zu Ende. Dann räume ich auf. An manchen Tagen bin ich auch im Büro. Dann bearbeite ich Kurslisten oder desinfiziere Beatmungsmasken. Auch das Vorbereiten der Kurse gehört zu meinen Aufgaben. chilli: Was gefällt dir am meisten, was am wenigsten? Luca: Alle drei Monate sind wir für eine Woche auf Seminar in Deutschland unterwegs. Das macht mir am meisten Spaß. Zusammen mit anderen FSJlern beschäftigt man sich mit verschiedenen Themen wie Tod oder Sucht. Wir machen aber auch Selbstverteidigungstraining oder Ausflüge in den Klettergarten. Am wenigsten gefällt mir die Arbeit im Büro.
chilli: Für wen ist das FSJ geeignet? Luca: Man sollte Lust haben, vor Leuten zu reden und keine Angst vor Menschen haben. Aber auch für schüchterne Menschen kann es eine tolle Möglichkeit sein, aus sich herauszukommen. Man sollte bereit sein, anzupacken und auch mal Überstunden zu machen. chilli: Was nimmst du mit? Luca: Ich habe medizinische Fachkompetenz erlangt. Jetzt finde ich es total spannend, zu wissen, was im menschlichen Körper vorgeht. Im Umgang mit Menschen habe ich vieles dazugelernt.
Freiwilliges Soziales Jahr Von 18 bis 27 Jahren gibt es die Möglichkeit, ein FSJ bei den Maltesern in Freiburg zu machen. Das FSJ kann monatlich begonnen werden und dauert in der Regel ein Jahr. Voraussetzung ist ein Führerschein der Klasse B. Im ersten Monat wird man auf einem kostenlosen Lehrgang in Stuttgart zum Ausbilder/-in in Erste Hilfe ausgebildet. Während des ganzen Jahres können kostenlose Fortbildungen besucht werden. Man erhält ein monatliches Taschengeld von 500 Euro. Bewerben kann man sich auf: www.malteser.de
Freiwilliges Soziales Jahr FSJ | Bundesfreiwilligendienst BFD
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mit anderen zusammenarbeiten Menschen kennenlernen und in ihrem Alltag unterstützen Verantwortung übernehmen Einblick gewinnen, Erfahrung sammeln
© Bumann/fotolia.de
chilli: Welche Angebote gibt es während des FSJ? Luca: Man kann nebenher Krankenwagen fahren oder im Rettungswagen als Praktikant mitfahren. Medizinisch kann man sich unglaublich weiterbilden. Wir bekommen medizinische Lehrgänge bezahlt, die sehr teuer sind. Wenn man möchte, kann man bei Sanitätsdiensten dabei sein. Eine Arbeitskollegin war eine Woche mit den Maltesern im Libanon und hat in einem Bergkloster Behinderte gepflegt. Die Malteser haben ein unglaubliches Angebot an Möglichkeiten.
Ruf uns an: Antje Backes, 07663 8969282
Komm zu uns ! Im FSJ und BFD unterstützt du unsere Arbeit: Wir helfen Patienten zu Hause, begleiten die Gäste in unseren Tagespflegen und Gruppenangeboten und betreuen Bewohner in unseren Wohngruppen. www.sozialstation-boetzingen.de Wir sind in Bötzingen, Eichstetten, March, Gundelfingen, Heuweiler, Umkirch und Gottenheim
KiRcHlicHE SoziAlStAtion nöRDlicHER BREiSGAU E.V.
STUDIUM PFLEGEBERUFE
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Zwei Wege, ein Ziel Pflegewissenschaft kombiniert Ausbildung und Studium
O
ft stellt sich die Frage, was besser zu einem passt: Studium oder Ausbildung? Wer sich für Pflegewissenschaft entscheidet, macht beides parallel. Gunda Linder hat diesen Weg gewählt. Die 22-Jährige ist im dritten Ausbildungsjahr in Freiburg – und trotz intensiver Phasen rundum zufrieden. „Eigentlich habe ich einen Ausbildungsberuf immer ausgeschlossen“, sagt Gunda. Doch es kam anders: Nach dem Abi in Ulm machte sie auf Hawaii ein Au-pair, dann ein Freiwilliges Soziales Jahr beim Rettungsdienst in Ulm. Beides bestärkte sie, doch eine Ausbildung zu machen: in der Kinderkrankenpflege. Also zog sie nach Freiburg und begann ihre Ausbildung an der Uniklinik. Kurze Zeit später stieß sie auf den Bachelorstudiengang „Pflegewissenschaft“. Der ermöglicht, Ausbildung und Studium zu kombinieren. Nach dem ersten Jahr als angehende Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin schrieb sie sich an der Uni Freiburg ein. Das Programm verbindet damit Wissenschaft und Berufspraxis: Während der Vorlesungszeiten ist Gunda Studentin, in der vorlesungsfreien Zeit arbeitet sie in der Praxis auf Stationen der Uniklinik. Das Programm ist intensiv: „Wir haben wenig Pausen. Wenn andere Ferien haben, arbeiten wir“, erzählt die junge Frau mit den blonden Haaren. In der Klinik hat sie Spätund Frühdienste, wird mit Schick-
salsschlägen kranker Kinder konfrontiert. Dennoch hat sie ihre Wahl keine Sekunde bereut: „Die Kombination lohnt sich auf jeden Fall“, sagt Gunda. Gerade auf der Station merkt sie, dass sie viel lernt: „Man hat einfach mehr Ahnung.“ Von befreundeten Kommilitoninnen, die einen Master in einem ähnlichen Bereich machen, wird sie sogar beneidet: „So viel Patientenkontakt haben viele andere nicht, die Theorie kann ich in der Klinik direkt anwenden“, sagt Gunda. „Es ist einfach etwas anderes, das, was man lernt, in der Praxis zu erleben.“ Im Einsatz war sie bisher unter anderem in der ambulanten Pflegehilfe, in der Psychiatrie und der Onkologie, der Station für krebskranke Kinder. Dort betreut sie Patienten, misst beispielsweise, wie viel Flüssigkeit sie benötigen. „Da hat man viel Verantwortung, macht sich oft Gedanken, um nichts zu vergessen“, erzählt Gunda. Mit einem Todesfall ist sie in der Klinik noch nicht konfrontiert worden, aber mit viel Leid und Trauer. „Ein bisschen was nimmt man immer mit nach Hause, es darf einfach nicht zu viel werden“, sagt sie. Bisher bekomme sie das gut hin. Im Studium werden ihr als Hilfe in solchen Fällen Bewältigungsstrate gien beigebracht. Auch Supervision steht auf dem Stundenplan. Als eine von 19 Studierenden der Pflegewissenschaft in ihrem Jahrgang hat sie sich für die Kombination mit einer Ausbildung entschie-
Foto: © Till Neumann
»wir haben wenig Pausen«
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Zwischen Klinik und Klausur: Studentin Gunda Linder
den. Im Sommer wird sie diese abschließen. Dann bleibt noch ein Jahr Studium. Und danach? „Ich will auf jeden Fall einen Master machen – am liebsten berufsbegleitend“, sagt Gunda. Möglichkeiten neben der Pflegewissenschaft habe sie viele: Pädagogik, Pflegemanagement, Psycho-soziale Beratung ... Neben dem Studium engagiert sich Gunda in der Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV) der Uniklinik Freiburg. Sie kennt die aktuelle politische Lage rund um den Pflegenotstand und ist eher optimistisch: „Es verändert sich etwas zum Guten – in kleinen Schritten.“ Mit ihrer Kombination aus Studium und Ausbildung hat sie später einmal die Möglichkeit, nicht nur direkt Menschen in der Pflege zu helfen, sondern auch neue Wege zu finden, wie ihre Berufgruppe besser aufgestellt werden kann. Till Neumann
Im Netz
www.pflegewissenschaft.uni-freiburg.de
Unternehmen Ausbildung
Gerüstet für die Zukunft
Der Nachwuchs steht bei Schmolck an erster Stelle
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Foto: © Chris Eltjes Fotografie & Video
mmer weniger Jugendliche wollen eine Ausbildung absolvieren. Dabei sind Vielfalt und Perspektiven groß, wie das Autohaus Schmolck mit Sitz in Emmendingen, Müllheim und Vogtsburg zeigt. 13 Karrierewege werden angeboten – im kaufmännischen Bereich, in der Werkstatt oder als Dualer Student. Die allermeisten, die in dem Betrieb lernen, bleiben längerfristig. Mit Standorten in Emmendingen, Müllheim und Vogtsburg verkauft Schmolck jährlich bis zu 2000 Fahrzeuge. Einen großen Anteil daran hat auch der Nachwuchs: 80 der inzwischen 290 Mitarbeiter sind Auszubildende. Mit den richtigen Noten stehen die Chancen gut, einen der jährlich 25 Plätze im Autohaus zu ergattern. „Wir machen viel dafür, Azubis zu bekommen, aber auch, dass sie sich hier wohlfühlen“, erklärt Michael Gleichauf, Leiter der Marketingabteilung. Er selbst absolvierte ein duales Studium im Bereich BWL-Handel bei Schmolck. Die Firma versucht, Jugendliche über möglichst viele Kanäle abzuholen. Sie stellt auf den Ausbildungsmessen in der Region aus, organisiert die „Nacht der Ausbildung“ in Emmendingen und Müllheim und ist auf Instagram, Facebook und YouTube aktiv. Der Aufwand lohnt sich: Qualitativ und quantitativ erreichen Schmolck genügend Bewerbungen, anders als andere Handwerksbetriebe. Anders läuft auch die Ausbildung ab: „Bei uns werden die Azubis nicht in eine Lehrwerkstatt gesteckt, sondern sind von Tag eins in die Betriebsabläufe integriert“, berichtet Gleichauf. Einsteiger übernehmen direkt Verantwortung und wachsen schnell mit ihren Aufgaben. Ein „ausgewogener Mix“ aus erfahrenen und jungen Leuten sei hier das Erfolgsrezept, sagt Gleichauf. Mancher Mitarbeiter arbeitet schon seit 40 Jahren hier, als Schmolck noch einer der größten Landmaschinenbetriebe in Südbaden war. Heute vertreibt man Fahrzeuge von Merceˇ des-Benz, smart und SKODA.
Nicht nur das Alter der Angestellten ist variabel, auch das Geschlecht. Schmolck hat für ein Autohaus eine relativ hohe Frauenquote. In der Werkstatt sind allein fünf Mitarbeiterinnen beschäftigt. Der Beruf sei kein reines Männermetier mehr, sagt der Marketing-Chef. Hier gelte die Leistung, nicht das Geschlecht. Während der Ausbildung profitieren die Mitarbeiter neben ihrem Ausbildungsgehalt unter anderem vom Firmenfitnessprogramm Hansefit und Azubiausflügen. Erst vor wenigen Tagen besuchten die 80 Auszubildenden gemeinsam das Mercedes-Benz-Werk in Sindelfingen und das Mercedes-Benz-Museum in Stuttgart. Das Unternehmen arbeitet außerdem mit einem Prämiensystem für gute Noten in der Schule. Auf die Zukunftschancen im Betrieb ist das Unternehmen besonders stolz: 90 Prozent der Azubis werden übernommen. Das Angebot werde angenommen, die Zufriedenheit sei groß. In den Führungspositionen des Autohauses findet man viele ehemalige Azubis oder duale Studenten. Schmolck stehe Weiterbildungen sehr offen gegenüber, man lerne nie aus. Auch in Zeiten immer größer werdender Klimaproteste sieht sich die Firma Schmolck gut gerüstet: „Auf dem Land und der derzeitigen Infrastruktur gibt es im Moment noch keine alternative Antriebsform zum Auto.“ Jedoch herrsche durch die anhaltenden Diskussionen und Fahrverbote eine extreme Verunsicherung in der Bevölkerung. Solche Veränderungen auf dem Markt seien aber nicht erschreckend, sondern spannend und böten neue Chancen, sagt Gleichauf. Schmolck sieht sich auch durch die qualifizierten jungen Leute gut aufgestellt für die Zukunft. Der Betrieb versteht sich als Dienstleister rund um die Mobilität. Den Anspruch „alles aus einer Hand für unsere Kunden“ will er weiterhin verfolgen. Dabei steht Entwicklung für Gleichauf weit vorne: „Wir gehen mit der Zeit und wollen Vorreiter in vielen Dingen sein.“ Anna Jacob
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FÖJ Freiwilligendienst
Grünes Engagement Freiwilliges Ökologisches Jahr boomt
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Fotos: © Markus Spiske – temporausch.com/pexels.com, privat
as neue Umweltbewusstsein verändert den Freiwilligendienst: Während für FSJ und Bufdi Bewerber fehlen, ist das Freiwillige Ökologische Jahr (FÖJ) angesagt. Einen Platz ergattert hat Josephine Jabs. Die 18-Jährige ist seit September FÖJlerin am Ökoinstitut in Freiburg. Um 7 Uhr schwingt sich Josephine Jabs aufs Rad. Vor ihr liegen siebeneinhalb Kilometer Hinweg, acht Stunden Arbeit und siebeneinhalb Kilometer Rückweg. Ein ganz normaler Tag im FÖJ. Eine solche Stelle bekommt nicht jeder: 12.000 Bewerber kommen derzeit auf 3000 FÖJ-Plätze. Nur jeder Vierte wird genommen. Erste Voraussetzung ist, 18 bis 26 Jahre alt zu sein. Die zweite: einen Platz finden. 115 gibt es in Baden-Württemberg. Auch an Jabs Stelle im renommierten Umweltinstitut der Green City waren zwei weitere Bewerber interessiert. Sie konnte überzeugen. Jeden Morgen radelt sie nun von Lehen ins Vauban. Wegen der Umwelt. Sie hat kein Auto, isst fleischlos
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und kauft auf dem Markt ein. In den Sommerferien war sie mit Interrail unterwegs, mit dem Zug ist sie bis nach Schottland gefahren. Fürs Klima engagiert sie sich dank FÖJ nun auch beruflich. Viele FÖJler arbeiten in der Natur. Jabs werkelt dafür meist am Schreibtisch. Recherchen und wissenschaftliches Arbeiten gefallen ihr bisher besonders. Nach dem Jahr am Ökoinstitut möchte sie im Bereich Naturwissenschaften studieren und sich Richtung Ökologie spezialisieren. „Ich finde es wichtig, dass man zwischen Schule und Studium die Arbeitswelt kennenlernt“, sagt Jabs. 40 Stunden arbeitet sie in der Woche,180 Euro Verpflegungsund 220 Euro Taschengeld gibt’s pro Monat. Ein richtiges Gehalt erhält sie für den Freiwilligendienst nicht. „Der Verzicht ist Beweis genug, dass sie es auch ernst meinen“, sagt Dirk Hennig, Vorstandsvorsitzender des Fördervereins Ökologische Freiwilligendienste. „Das FÖJ befähigt junge Menschen, dass sie tatsächlich etwas in der Gesellschaft und für ihre Transformation bewirken“, sagt der 47-Jährige. Es biete nicht nur
Freiwilligendienst FÖJ Engagement, sondern auch Bildung. 25 Seminartage sind für Jabs über das ganze Jahr verteilt. In ihrer ersten Woche auf der Schwäbischen Alb lernte sie alles über nachhaltiges Essen. Sie nahm bei einer Foodsavingaktion teil und kochte jeden Abend mit den anderen neue Rezepte. „Wir können unsere Interessen nicht vertreten, wenn wir uns nicht dafür engagieren und einsetzen, dass sie umgesetzt werden“, sagt die FÖJlerin. Seit Kurzem ist sie Mitglied der Grünen Jugend Freiburg und geht auf die Fridays for Future-Demonstrationen. Allein durch einen klimafreundlichen Lebensstil könne sie „großflächig nichts verändern“. Als FÖJlerin zeigt sie, dass nicht nur protestiert wird: „Sie wollen auch etwas tun“, sagt Hennig zur großen Nachfrage bei jungen Menschen. Demonstranten, die nur Schule schwänzen wollen, sind für ihn ein Klischee. Er rechnet mit einer weiter steigenden Nachfrage. Um das zu stemmen, brauche es mehr Bundes- und Landeszuschüsse. Für Josephine Jabs ist das nicht entscheidend: Sie hat ihren Platz sicher und darf jeden Morgen zum Ökoinstitut radeln. Anna Jacob
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Studium Ausland
Zwei Semester auf Probe
Charlotte hat ein Schnupperstudium in Kanada gemacht
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erufsorientierung und Auslandserfahrung? Das geht beim Schnupperstudium des American Institute For Foreign Study (AIFS). Charlotte Albert (19) aus Zwickau hat nach dem Abitur für zwei Semester ihr Zuhause gegen ein College in Ottawa (Kanada) eingetauscht. Im Interview mit Hannah Singler erzählt sie, warum das kostspielige Erlebnis die beste Zeit ihres Lebens war.
chilli: Kannst du die Kurse in Deutschland anrechnen lassen? Charlotte: Da ich bei einem Jahreskurs nicht alle Kurse belegt habe, kann ich das nicht anrechnen lassen. Ich habe aber Noten bekommen, die ich meinen Bewerbungen beilegen kann. chilli: Warum ist das Studium besser, als im Ausland zu reisen? Charlotte: Für mich war es die perfekte Option, weil ich während der Ferien und am Wochenende reisen konnte. Mir war es wichtig, dass ich an einem Ort bleibe und die Traditionen kennenlerne. Ich habe sehr viele Menschen kennengelernt, zu denen ich auch heute noch Kontakt habe.
Foto: © AIFS.de
Heimweh? Nur selten
chilli: Was hast du studiert und wie lief das ab? Charlotte: Im ersten Semester studierte ich einzelne Module aus den Bereichen Biologie, Performing Arts, Design Dynamics, Environmental Citizenship, Marketing und Canadian Criminal Justice. Im zweiten Semester habe ich alle Kurse des Performing Arts besucht.
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chilli: Was hast du dafür bezahlt?
Semesterticket RVF Charlotte: Circa 20.000 Euro. Darin enthalten waren Studiengebühren, Hin- und Rückflug, Versicherung, Unterkunft und Verpflegung in der Gastfamilie. Zusätzlich habe ich circa 350 Euro monatlich für Freizeitaktivitäten, Reisen und Essen ausgegeben. chilli: Neues Land, neue Menschen, neue Hochschule: War dir das manchmal zu viel? Charlotte: Meine Gastfamilie hat mich herzlich aufgenommen. Ich hatte in der gesamten Zeit Kontakt mit Familie und Freunden. Es gab Tage, an denen ich Heimweh hatte. An anderen Tagen war das Gefühl aber komplett weg. Bei Problemen konnte ich zu meinem Berater am College gehen oder telefonisch mit AIFS in Kontakt treten. chilli: Du hast bei einer Gastfamilie gelebt. Ist das immer so? Charlotte: Meistens hat man die Möglichkeit, zwischen Studentenwohnheim und Gastfamilie zu wählen. Ich habe mich bewusst für die Gastfamilie entschieden, um ein Familienleben zu haben und die Kultur besser kennenzulernen. Ich kann das Studentenwohnheim aber auch empfehlen. Dort wird man sehr gut in das Collegeleben integriert. chilli: Hat dir das Schnupperstudium geholfen, deinen Wunschstudiengang zu finden? Charlotte: Ich hab festgestellt, was ich gerne mag und was mir liegt. Ich habe erkannt, dass ich unheimlich gern mit Menschen agiere, Projekte organisiere und kreativ tätig bin. Aber ich habe auch gelernt, was nicht zu mir passt. Schauspiel hat mir zum Beispiel Spaß gemacht. Ich habe mich aber dazu entschieden, erst etwas Solides zu studieren. Es ist wichtig, dass man das Ganze ernst nimmt. chilli: Wie geht es jetzt für dich weiter? Charlotte: Ich werde jetzt Praktika machen. Nebenher möchte ich eine Gasthörerschaft in ein oder zwei meiner präferierten Studiengänge (u.a. Languages and Business Administration) absolvieren. Ich lerne so den Arbeitsalltag kennen. Danach möchte ich studieren.
AIFS Schnupperstudium im Ausland Mit AIFS Educational Travel, American Institute For Foreign Study, kann man in neun Ländern ein oder zwei Semester an Hochschulen studieren. Voraussetzung ist ein (Fach-)Abitur oder ein gleichwertiger Abschluss und ein Budget von mehreren tausend Euro. Bei der Onlinebewerbung gibt es einen Kostenrechner, der den Betrag individuell berechnet. Während des Bewerbungsprozesses und des Aufenthalts wird man von AIFS begleitet. Mehr Infos auf: www.aifs.de
Online ist einfacher
RVF SemesterTicket gibt’s im Netz
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Foto: © RVF
n die Uni, auf den Feldberg oder zum EuroFoto: © RVF pa-Park? Mit dem SemesterTicket ist das easy möglich. Studierende sind so das ganze Semester in Freiburg und der Regio unterwegs. Für weniger als 16 Euro pro Monat. Bestellt werden kann es bequem online. Mit der UniCard der Albert-Ludwigs-Universität und der neuen PH-Card ist der Online-Kauf des SemesterTickets besonders vorteilhaft: Bei der Kontrolle ist dann nur ein amtlicher Lichtbildausweis erforderlich. Das gilt auch für den kostenlosen „19 Uhr-Nachweis“, falls man kein SemesterTicket hat und nach 19 Uhr mit Bus und Bahn unterwegs ist – ein Perso genügt. Ein weiterer Vorteil: Bei Verlust oder Zerstörung können diese im VAG-Onlineshop erneut ausgedruckt werden oder gleich über die Apps FahrPlan+ oder VAG mobil vorzeigen – auch offline. Studierende der Hochschule für Musik kaufen das SemesterTicket ebenfalls online. Alternativ erhält man das SemesterTicket an DB Automaten sowie bei den Verkaufsstellen von DB, VAG und SBG. Als Nachweis dient immer der Studierendenausweis, auch für Fahrten nach 19 Uhr. Studierende mit neuer Uni- oder PH-Card benötigen zusätzlich eine Imma trikulationsbescheinigung und einen Lichtbildausweis. Online ist einfacher. chilli
Im Netz Mehr Infos gibt’s auf www.rvf.de/semesterticket und auf facebook. Das SemesterTicket online bestellen kann man auf: www.vag-onlineshop.de
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