Chilli Themenheft

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Themenheft

Karriere &CAMPUs

Engagiert

Oktober 2018 Ausgabe Nr. 34

A u sb il d u n g :

Tipps & Tricks zu m S ta rt

Zwei Pflege-Azubis berichten

Brillant

Vier Studenten glänzen in New York

Innovativ

Drei Start-ups

aus dem Kreativpark



inhalt Themen

zukunft oder zumutung? Der Pflegeberuf steht im Fokus wie kaum ein anderer. Angestellte schimpfen über die Arbeitsbedingungen, Politiker suchen händeringend nach Lösungen. Denn das Problem wächst: Schließlich werden wir immer älter. Die Zahl der Pflegefälle steigt. Dennoch entscheiden sich immer wieder junge Menschen für eine Ausbildung in der Pflege. Warum tun sie

das? Wie geht es ihnen dabei? Wo soll es beruflich hingehen? Das haben wir zwei Auszubildende gefragt. Ihre Berichte aus dem Alltag der Altenpflege zeichnen ein klares Bild: Stress und Frust herrschen vor. Trotzdem wollen die beiden nicht abbrechen. Warum? Die Erklärung gibt‘s auf den nächsten Seiten. Und viele weitere Geschichten rund um Karriere und Campus.

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Leid und Leidenschaft

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fettnäpfchen und fallstricke

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bis nach new york

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zugewachsener trampelpfad

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jung und innovativ

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informieren und tanzen

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Zwei Altenpflegeschüler berichten

Vier Studenten schrammen an Million vorbei Drei Start-ups stellen sich vor

Theorie statt praxis?

Ausbildung an einer Berufsfachschule

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klinik und klausur

Pflegewissenschaft bietet Theorie und Praxis

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Was Azubis vermeiden sollten

Wie es einer Abiturientin nach der Schule geht

„Nacht der Ausbildung“ lockt 800 Schüler

Ausbildung & Mobilität Medien, Finanzen, Bäcker und das Semesterticket

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IMPRESSUM – Themenheft 10-2018 Das Karriere & CampusThemenheft erscheint im Freiburger Stadtmagazin chilli Herausgeber: chilli Freiburg GmbH Paul-Ehrlich-Str. 13 79106 Freiburg www.chilli-freiburg.de Geschäftsführung: Michaela Moser (ViSdP) Redaktion: Till Neumann (tln), Philip Thomas (pt), Isabel Barquero (iba), David Neufang, Laura Bärtle

Titelbild: pexels.com/bruce mars Grafik: Hannah Karayilan Lektorat: Beate Vogt Anzeigen: Jonas Stratz (Leitung), Malika Amar, Marlene Schick, Christina Miklusch, Maria Schuchhardt, Giuliano Siegel Druck: Freiburger Druck GmbH & Co. KG Ein Unternehmen der

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Leid und Leidenschaft

Alle reden vom Pflegenotstand: Zwei Azubis erzählen, wie der Beruf wirklich ist

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Foto: © iStock.com/gpointstudio

tress, Hektik, schlechte Bezahlung. Die Pflege hat keinen guten Ruf. Eine Studie des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) und der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi verdeutlicht das: Drei Viertel der deutschen Pflegekräfte fühlen sich ausgezehrt. Julia Müller und Paul Schmidt (Namen geändert) haben sich dennoch für eine Ausbildung zum Altenpfleger entschieden. In „Karriere & Campus“ erzählen sie, wie es ihnen dabei ergeht. Eine Ausbildung in der Gastronomie hat Julia Müller abgebrochen. Zu stressig war ihr der Beruf, wenig erfüllend die Aufgaben. Übergangsweise jobbte sie in einem Altenheim, betreute dort Senioren beim Essen. „Das war voll witzig“, erinnert sich die junge Frau aus dem Freiburger Umland. Die Arbeit gefiel ihr so gut, dass sie sich für einen Ausbildungsplatz bewarb. „Über die Schattenseiten des Berufs habe ich damals überhaupt nicht nachgedacht“, sagt Müller heute. Mittlerweile ist sie wütend. Personal fehle überall, auch in ihrem Altersheim. Die Pläne der Bundesregierung findet sie lächerlich: 8000 neue Kräfte für die Altenpflege sind im Koalitionsvertrag vereinbart. Gesundheitsminister Jens Spahn plant sogar mehr: 13.000 neue Helfer sollen kommen. „Das kann man sich in den A**** schie-

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ben“, schimpft Müller. Mit einem oder zwei Kollegen mehr pro Heim ändere sich nichts. „Pflege am Fließband“ nennt sie das tägliche Ackern unter Zeitdruck. Gewissensbisse plagen sie gegenüber den Bewohnern. Denn viele bekommen keinen oder selten Besuch, suchen daher den Kontakt mit den Pflegern. Doch dafür sei selten Zeit: „Schnell schnell muss es gehen“, erzählt Müller. Oft reicht es nicht mal für ein Schwätzchen oder einen kurzen Spaziergang. Gerade bei den Dementen stellt sie empfindliche Reaktionen fest: „Wenn es hektisch wird, merken sie das und werden nervös.“ Morgens wasche sie in der Regel fünf oder sechs Bewohner. Schafft sie weniger, sind die Kollegen sauer. Überhaupt sei das Arbeitsklima durchwachsen. „Die älteren Kollegen sind jeden Tag gefrusteter“, berichtet sie. Wer 20, 30 Jahre dabei ist, sehe den Vergleich zu früher. Da wurden Schichten mit zehn oder zwölf Leuten besetzt, heute seien es nur sechs. Die Belastung ist hoch: Vollzeitkräfte arbeiten zwölf Tage durch, haben dann zwei Tage frei, berichtet Müller. Zumal man immer wieder mit Schmerz und Tod konfrontiert werde. „Die Stimmung im Team ist eine Katastrophe“, sagt sie. Viele ältere Kollegen seien überlastet und ausgebrannt. Dass es da auch mal zwischenmenschlich kracht, versteht sie. Besser mache es die Lage nicht.


pflege ausbildung Trotz der Widrigkeiten macht die angehende Altenpflegerin den Job gerne: „Es ist einfach ein schöner Umgang, die Leute sind dankbar.“ Ihre Ausbildung möchte sie abschließen und sich dann mit einem Studium weiterbilden. Viel Hoffnung hat sie für den Pflegeberuf nicht: „Ich wüsste nicht, wie es besser werden könnte.“ Auch Paul Schmidt ist verärgert über die Politik. Der junge Mann Anfang 20 lernt ebenfalls in einem Altenheim bei Freiburg und wünscht sich mehr Anerkennung. „Wir Pfleger haben den Stempel drauf: der Job heißt A**** abputzen“, ärgert er sich. Dabei werde das der Arbeit einer examinierten Pflegekraft absolut nicht gerecht. Viel mehr stecke dahinter. Man behandle Wunden, organisiere Abläufe, kommuniziere in viele Richtungen. Zur Ausbildung ist er über ein Freiwilliges Soziales Jahr gekommen. Das machte er in einem Heim für Demente. Als er nach einigen Monaten bei einem Toilettengang aushalf, musste er sich überwinden. „Am Anfang spürte ich Scham und Ekel“, erzählt er. Doch mit der Zeit gewöhnte er sich an diese intimen Momente und merkte, dass er jeden Tag mit viel Freude zu Arbeit ging.

Pflege in Deutschland Drei von vier Pflegekräften in Deutschland fühlen sich gehetzt. Das hat eine Studie des Deutschen Gewerkschaftsbunds und der Gewerkschaft Verdi ergeben. In der Krankenpflege ist demnach der Stress am größten: 80 Prozent der Befragten geben an, unter Zeitdruck zu leiden. Bei den Altenpflegern sind es 69 Prozent. Gesundheitsminister Jens Spahn hat angekündigt, 13.000 neue Pflegekräfte einzustellen. Zu wenig seien das, kritisieren Verbände und Experten. Sie fordern neben mehr Personal auch bessere Bezahlung. Laut Bundesregierung fehlten 2017 in der Alten- und Krankenpflege 36.000 Fach- und Hilfskräfte.

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Bewohner leiden, ihre Oma profitiert Für Schmidt ist die Pflege „ein Beruf mit Zukunft“. Schließlich altert die Gesellschaft, Pflegekräfte sind gefragt. Die Probleme, die man aus den Medien kennt, kann er bestätigen. „Es gibt zu wenig Pflegekräfte, das ist kein Geheimnis“, sagt Schmidt. Der Stress sei groß, oftmals gehe wegen Gewinnorientierung die Qualität verloren. „Die Bewohner leiden darunter.“ Sein Arbeitgeber bezahle aber überdurchschnittlich gut, finde daher auch ausreichend Bewerber für freie Stellen. Spaß macht es dem jungen Mann in jedem Fall. Genau wie Julia Müller erfährt er viel Dankbarkeit von den Menschen, die er betreut. „Das ist ein Beruf mit Sinn“, sagt der angehende Pfleger. Er genießt die Abwechslung, jeder Tag sei anders. Den Lebensweg der ihm Anvertrauten möchte er so schön gestalten wie möglich. „Ich hab’ mehr drauf als reine Pflege“, sagt Schmidt. Nach der Ausbildung will er drei, vier Jahre Berufserfahrung sammeln und sich dann weiterbilden. Der Stress im Team bleibt auch bei den Heimbewohnern nicht unbemerkt, berichtet Müller. In ihrem Heim werde den Senioren dennoch viel geboten. Zu sehen, wie sie in den schönen Momenten aufblühen, zählt zu den Highlights ihrer Ausbildung. Ganz nebenbei hat sie dadurch ihre Sinne geschärft für die Kostbarkeit des Lebens. Mit ihrer Großmutter verbringt sie heute drei Mal so viel Zeit wie früher. Till Neumann

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studium start-up

Bis nach New York

Freiburger schrammen an einer Million Dollar vorbei

L Fotos: © Aniela Lea Schafroth, Federico Castillejo

eben retten. Mit einer simplen Idee. Das ist das Konzept des Freiburger Start-ups „Noor Medical“. Von 150.000 Teilnehmern schafften es die Studierenden unter die besten sechs. Das Preisgeld – eine Million Dollar – verpassten sie in New York nur knapp. Bauen wollen sie ihren Sterilisator für medizinische Geräte trotzdem.

Vier Studierende, eine Idee: Mit dem sogenannten „Hybriclave“ will das Team Krankenhausinfektionen bekämpfen. Ihr Sterilisator kombiniert Solar- und Strombetrieb. Ein bisher einzigartiges Konzept, sagt Laila Berning von Noor Medical. Ihre Erfindung soll in armen ländlichen Gegenden Menschenleben retten. Dort ist Strom in Kliniken Mangelware. „In Entwicklungsländern leidet jeder dritte Patient an Infektionen nach einer Operation“, sagt die Studentin. Ihr Kollege Andrew Bonneau ergänzt: 17 Millionen Menschen sterben jährlich Zu viert erfolgreich: Das Team von „Noor Medical“ kennt sich aus dem Studiengang „Environmental Governance“. wegen unzureichender medizinischer Versorgung. Anzeigen

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Mit drei Kommilitonen ihres Masterstudiengangs Environmental Governance hat die 25-Jährige „Noor Medical“ gegründet. Die Gruppe um Andrew Bonneau (USA), Federico Castillejo (Kolumbien) und Saji Zagi (Palästina) hat sich 2017 zusammengefunden. Und seitdem viel erlebt: Im September standen sie im Finale des Hult Prize. Ein Wettbewerb für studentische Start-ups im Bereich Umwelt und Humanitäres. Vor rund 500 Zuschauern hatten sie sechs Minuten Zeit, um ihre Idee zu präsentieren. „Vor der Präsentation waren wir schon nervös“, sagt Berning. Doch das Team war nach wochenlangem Coaching gut vorbereitet. Den Vorentscheid gewannen die Freiburger im März in Tunis. Damit waren sie qualifiziert für den „Hult Business Accelerator“ bei London. Sechs Wochen standen den Teilnehmern dort Coaches zur Verfügung. Mit fünf weiteren Teams qualifizierten sie sich fürs Finale – ausgetragen von den Vereinten Nationen (UN). Sieger wurde die Idee „Sunrice“, ein kostengünstiges Verfahren zum Trocknen von Reis für asiatische Farmer. „Wir haben nicht gewonnen, aber viele Kontakte geknüpft“, sagt Berning. Das Team versucht nun auf eigene Faust an Gelder zu kommen. „Eine halbe Million wäre ganz nett“, sagt Berning und lacht.

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Tüfteln in Uganda: Federico Castillejo in Uganda mit dem

Ingenieur Enock Musasizi. Sie arbeiten am Hybriclave.

Auch ohne gesicherte Finanzen geht es voran: Nach dem New-York-Trip ist Federico Castillejo nach Uganda gereist. Dort arbeitet er mit einem weiteren Mitglied von Noor Medical zusammen: Enock Musasizi. Den Ingenieur haben die Freiburger auf YouTube entdeckt. Er stellte dort eine ähnliche Erfindung wie ihre eigene vor. Mittlerweile machen sie gemeinsame Sache. In Kürze wollen die vier mit der Uniklinik einen Prototypen bauen. 750 Euro könnte das Gerät einmal kosten – und auch unter widrigen Bedingungen funktionieren. Im Idealfall geht es im Frühjahr 2019 auf den Markt. Das Vorhaben ist dennoch sportlich. Alle außer Andrew Bonneau müssen demnächst ihre Masterarbeiten schreiben. Voraussichtlich arbeiten sie in den Abschlussarbeiten zu ihrem eigenen Projekt. Till Neumann

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Karriere Start-ups

JICKI » Start-up: Jicki – endlich lernen • Ge-

gründet: 2017 • Fachgebiet: Alternatives Sprachenlernen • Interviewpartner: Stefan Graf (links, 35) • Funktion: Einer der drei Jicki-Geschäftsführer (Spitzname: „The Innovation Dude“)

chilli: Stefan, was macht ihr? Stefan: Jicki produziert und vertreibt auditive Sprachkurse. Man lernt die Sprache durch das Berieseln von Vokabeln. Zum Beispiel Schulenglisch. Man spricht die Sprache dann wie seine Muttersprache. Man schult mit Jicki in erster Linie das Sprachverständnis, aber es gibt auch Sätze zum Nachsprechen.

»Hier wird an Drei Start-ups aus dem und Alleinstell

chilli: Was unterscheidet euch von anderen Unternehmen? Stefan: Die Jicki-Methode gibt es aktuell noch nicht am Markt. Man muss nicht aktiv, sondern kann passiv lernen. Vokabelduschen nennen wir das. chilli: Was sind die größten Herausforderungen? Stefan: Wie kann man aus dem klassischen DownloadShop einen Streaming-Dienst machen? Wie kann man mit bescheidenen Mitteln ein Unternehmen aufbauen? Zudem muss sich das Team finden: Man muss lernen, wie man am besten zusammenarbeitet. chilli: Euer Ziel? Stefan: Dass man alle Lerninhalte auditiv über Jicki bekommt. Man kann zum Beispiel auch Jura oder Physik lernen. Die große Vision ist, jeden Lerninhalt auf der Welt auditiv zu lernen.

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ontainerbüro, Hängematte, Sofaecke: So sieht’s im neuen Freiburger Kreativpark aus. In der Lokhalle am Güterbahnhof, wo alle direkt per du sind, sitzen seit Juni rund 100 helle Köpfe. Was sie genau machen? chilli-Autor David Neufang hat drei Start-ups getroffen.

Mehr zum Kreativpark: bit.ly/chillikreativpark

chilli: Der Kreativpark in drei Worten? Stefan: Authentisch, cool, Flair. Das Coole ist daran, dass es so etwas noch nicht in Freiburg gab. Es sind die passenden Menschen da und man kann schnell zusammen etwas besprechen. Die Atmosphäre ist großartig, mit Schaukeln in der Mitte. Hier wird anders gedacht.

Textour » Start-up: Textour • Gegründet: 2014

Fachgebiet: Journalismus & Fotografie • Interviewpartner: Nils Theurer (50) • Funktion: Geschäftsführer

Bietet Vokabelduschen an: Das Team von „Jicki“

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chilli: Was machst du mit deiner Firma? Nils: Textour ist ein Journalismus-Unternehmen. Ich bin in erster Linie Reportagejournalist für Bild und Text. Fachgebiete sind Segeln, Bergsteigen und Luftfotos. Das andere ist, dass ich zeigen möchte, dass man auch ohne Tropenholz Schiffe bauen kann. Also umweltorientierter.


Zwei » Start-up: Zwei • Gegründet: 2018 Fachgebiet: Programmieren • Interviewpartner: Hans Kaufmann • Funktion: Geschäftsführer

ders gedacht« Kreativpark über Ziele ungsmerkmale

chilli: Warum diese Nische? Nils: Ich habe mit 14 Jahren angefangen, für den Südkurier zu schreiben, habe bei der BZ mein Studium finanziert. Dann habe ich bei den Fotografien geguckt, ob ich besser werden kann. Für den Auftraggeber ist es interessanter, wenn man beides kann. chilli: Was unterscheidet dich von anderen? Nils: Meine Geschäftsidee gab es so noch nicht, obwohl sie technisch möglich ist. Das hat also was Innovatives. Ich setze auf guten Reportagejournalismus. Andere könnten das auch machen. Ob es klappt, hat eher mit Beziehungen zu tun als mit Erfahrung.

Fotos: © tln, vidream, Privat

chilli: Was für Schwierigkeiten gibt’s? Nils: Schwierig ist vor allem, Auftraggeber zu finden. Ich habe heute noch Hornhaut von den Wähltasten am Telefon. Heute ist es schönerweise andersrum: Ich biete den Redaktionen meinen Themen an, sie suchen sich was aus. chilli: Warum bist du im Kreativpark? Nils: Ich wollte ein ruhiges Arbeitszimmer. Ich habe über circa zwei Jahre auf die Lokhalle gewartet. Dabei habe ich gar nicht auf die Community geachtet. Heute bin ich aber sehr dankbar dafür. Es ist etwas ganz Besonderes, dass man hier mit Dienstleistungen tauschen kann und kein Honorar zahlt und verlangt. Eine sehr freundschaftliche Atmosphäre. chilli: Der Kreativpark in drei Worten? Nils: Ultrahübsch, cool, netzig

chilli: Wer seid ihr und was macht ihr? Hans: Wir heißen „Zwei“ und machen hauptsächlich mobile Appentwicklung, aber auch Webseiten. Unseren ersten Auftrag haben wir im April angenommen. Kurz vor dem Einzug in den Kreativpark. chilli: Wie kamt ihr zu Smartphone-Apps? Hans: Mein australischer Geschäftspartner Brendon hat zehn Jahre in Berlin als Softwareentwickler gearbeitet. Ich habe BWL und VWL studiert, meine Masterarbeit über Technologieberatung geschrieben. So habe ich Interesse fürs Programmieren entwickelt. Brendon hat mir viel beigebracht. Wir haben herausgefunden, dass wir gut und effizient zusammenarbeiten. Dann haben wir einen Auftrag bekommen und gemerkt, dass hier viel möglich ist. chilli: Was unterscheidet euch von anderen Start-ups? Hans: In Freiburg gibt es viele Webentwickler, viele sind auf Unternehmenssoftware spezialisiert. Wir haben eine hohe Bandbreite – egal auf welchem Gebiet. Und das zu zweit. Wir machen das, was der Kunde will – und da haben wir Erfahrung drin. Uns reizen Projekte, die noch keiner gemacht hat. Keine Reproduktion! chilli: Was ist anfangs die größte Herausforderung? Hans: Man ist auf einen Auftrag fokussiert, hat Lust auf das Projekt, aber es gibt viel drum herum. Es war schwer, einen passenden Ort zu finden. Deshalb sind wir sehr froh, jetzt im Kreativpark zu sein. chilli: Wo seht ihr euch in fünf Jahren? Hans: Das ist noch etwas offen. Einerseits wollen wir das Personal erweitern, um mehr Kapazität für Aufträge zu haben. Momentan möchten wir aber eigene Projekte umsetzen und hoffen auf den Durchbruch. Wir wollen auch im Bildungsbereich arbeiten. Es wäre super, Lernapplikationen für Studenten zu entwickeln. chilli: Der Kreativpark in drei Worten? Hans: Offen, modern, mit viel Potenzial

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ausbildung berufsschule

Theorie statt Praxis? Außer im dualen System kann Ausbildung auch schulisch erfolgen

E Foto: © pixabay.com

ndlich ist die Schule geschafft! Und jetzt? Zurück in die Schule! So läuft es zumindest bei jungen Leuten, die zum Beispiel Krankenpfleger werden wollen. Oder Dolmetscher. Denn in bestimmte Berufe führt nur eine schulische Ausbildung. Und die hat einige Besonderheiten. Nicht jeder Azubi hat einen Ausbildungsbetrieb, in dem er täglich Praxisluft schnuppert. Manche drücken nach Abitur oder mittlerer Reife auch weiter die Schulbank, um einen Beruf zu erlernen – allerdings nicht mehr an Gymnasium oder Realschule, sondern an einer Berufsfachschule. Die wichtigsten Fragen und Antworten hierzu im Überblick:

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Für welche Berufe gibt es die schulische Ausbildung? „Das sind oft Berufe, für die es keine duale Ausbildung gibt“, sagt Paul Ebsen von der Bundesagentur für Arbeit. Eine wichtige Rolle spielen Berufsfachschulen vor allem für Gesundheitsberufe und im sozialen Bereich, für angehende Erzieher und Altenpfleger genau wie für Ergo- oder Physiotherapeuten. Wer Dolmetscher oder Fremdsprachenkorrespondent werden will, geht in aller Regel auch zur Berufsfachschule, genau wie angehende technische Assistenten.


Sind alle Berufsfachschulen gleich?

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Nein, aus drei Gründen. Erstens gibt es je nach Job und Branche erhebliche Unterschiede, was die genaue Ausgestaltung der Ausbildung angeht. Zweitens ist Bildung Ländersache, in jedem Bundesland gelten deshalb etwas andere Regeln für Berufsfachschulen. Und drittens existieren nicht nur öffentliche Berufsfachschulen, sondern auch welche in ­privater Trägerschaft.

Was muss ich mitbringen? Grundvoraussetzung für die Zulassung ist an den meisten Berufsfachschulen ein mittlerer Schulabschluss. Hinzu kommen laut dem Portal Azubi.de je nach Schule und Job noch andere Voraussetzungen: Gesundheitszeugnisse etwa, vor allem für Jobs in der Pflege. Für manche Ausbildungen müssen Schüler mindestens 16 Jahre alt oder sogar volljährig sein. Und einzelne Ausbildungen haben auch Eignungstests.

Wie funktionieren Bewerbung und Zulassung? „Vom Prinzip her läuft das so wie bei der Studienplatzvergabe“, erklärt Gerd Roser, Referatsleiter Berufliche Bildung bei der Kultusministerkonferenz (KMK). Gibt es mehr Bewerber als Plätze, starten die Schulen ein Vergabeverfahren. Die Details sind dabei immer anders – die schulische Leistung spielt aber fast überall die Hauptrolle, dazu kommen vielleicht Faktoren wie die Wartezeit. Und ähnlich wie Hochschulen haben die meisten Berufsfachschulen auch Härtefallregelungen.

Wie finde ich eine Berufsfachschule? Wichtig ist vor allem, rechtzeitig anzufangen: Laut Bundesagentur für Arbeit beginnen die Bewerbungsverfahren in aller Regel etwa ein Jahr vor dem Start der Ausbildung. Wie viel Zeit die angehenden Berufsfachschüler einplanen müssen, hängt ansonsten vor  allem vom Angebot vor Ort ab.

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Wie läuft die Ausbildung ab? Unterricht und Theorie stehen an Berufsfachschulen klar im Vordergrund, sagt Roser – in der Regel in Vollzeit und mit festen Klassenverbänden. Was nicht bedeutet, dass es gar keinen Bezug zur Praxis gibt. Wie viele Praktika oder Praxisphasen es gibt, ist aber je nach Schule und Ausbildung ganz unterschiedlich – bis hin zu Extremfällen: „Die Pflegeausbildung zum Beispiel verläuft in der Struktur fast wie eine duale Ausbildung, mit hohem Praxisanteil, nur eben in Gesamtverantwortung der Schule.“

Wie lange dauert die Ausbildung? Üblich sind ein bis dreieinhalb Jahre – abhängig von Job, Bundesland und Schule. Wer das Abitur mitbringt, muss an manchen Berufsfachschulen nicht so lange die Schulbank drücken wie ein Realschulabsolvent.

Was kostet eine schulische Ausbildung? Eine Vergütung bekommen Berufsfachschüler nicht. Stattdessen müssen sie manchmal sogar Schulgeld zahlen – an privaten oder freien Berufsfachschulen ist das häufig der Fall. Es kann aber sein, dass sich das ändert, sagt Roser, zumindest teilweise: „Bei den Pflegeberufen und den Erziehern gibt es gerade eine politische Diskussion über die Abschaffung des Schulgeldes.“

Welchen Status haben Schüler einer Berufsfachschule? Wer eine schulische Ausbildung macht, ist Auszubildender. Er oder sie hat also Anrecht auf Rabatte oder Vergünstigungen, für Nahverkehrstickets oder Bankkonten etwa. Und wer während der Ausbildung nicht mehr zu Hause wohnt, kann auch Bafög beantragen – ein nicht ganz unwichtiger Gesichtspunkt.

BZ/Tobias Hanraths (dpa)


pflege Studium

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Zwei Fliegen, eine Klappe

Pflegewissenschaft verbindet Studium und Ausbildung

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Foto: © tln

usbildung? Oder Studium? Am besten beides, sagt Lara Tjhen. Die 21-Jährige studiert Pflegewissenschaft an der Uni Freiburg. Parallel dazu macht sie eine Ausbildung als Gesundheits- und Krankenpflegerin an der Uniklinik. Die Kombination verlangt ihr viel ab, öffnet aber auch viele Türen. Zu Vorlesungszeiten ist Lara Studentin und lernt die Theorie der Berufsausbildung. Während der Semesterferien macht sie die praktische Ausbildung auf Station. Beides bereitet sie auf ein Ziel vor: einen Beruf in der Pflege. Die Möglichkeiten sind vielfältig. Sie könnte einen Master machen, in die Forschung gehen, an der Uniklinik arbeiten oder als Entwicklungshelferin in Afrika tätig sein. Die große Auswahl ist hart erkämpft: Ins zweite Semester kommt Lara jetzt. Bis zum Semesterbeginn lernt sie in Vollzeit die praktische Arbeit in der Pflege kennen. „Heute habe ich Spätschicht in der Psychiatrie“, erzählt die gebürtige Hamburgerin Anfang April. Ihr Einsatz geht von 12.48 Uhr bis 21 Uhr. Nach Feierabend setzt sie sich an eine Hausarbeit. Das Thema: Veränderungen im Körperbild einer Frau nach einer Brustamputation wegen Krebs. Tief eintauchen kann sie damit in die Materie. Und ihren Beruf von theoretischer und praktischer Seite kennenlernen. „Das ist super spannend“, sagt Lara. Und schließe eine Lücke. So wisse man nicht nur, was in der Pflege zu tun ist – sondern auch, warum etwas gemacht wird. Sie ist eine von rund 30 Studierenden des Jahrgangs. Manche davon studieren berufsbegleitend. Gestartet ist sie als Auszubildende in Lübeck. Die Ausbildung hat ihr gefal-

len, doch sie wollte weiter gehen: „Ich hab' total Lust, mehr zu lernen“, erzählt Lara. Also bewarb sie sich für den Bachelorstudiengang Pflegewissenschaft in Freiburg. Dieser ermöglicht, Studium und Ausbildung zu kombinieren. Seit Oktober ist sie im Breisgau – und fährt karrieretechnisch zweigleisig. Ist ihre Ausbildung in eineinhalb Jahren abgeschlossen, bleibt ein Jahr an der Uni. In der Psychiatrie begleitet sie erfahrene Kollegen, lernt den Umgang mit Patienten und Krankheitsverläufen kennen, ist bei Besprechungen dabei. In anderen Bereichen hat sie schon eigenständig Patienten betreut. „Das ist viel Verantwortung“, sagt die Studentin. Erfahrene Kollegen helfen ihr dabei, geben Tipps und Feedback. „Es ist gut, wenn man jemanden hat, um Rücksprache zu halten“, sagt sie.

»Man kann viel bewirken« Die Studium-Ausbildung-Kombination schließt für sie eine Lücke zwischen Theorie und Praxis. Das sei essenziell in der heutigen Zeit: „Es ist super wichtig, dass in der Pflege was passiert.“ Die Menschen werden schließlich immer älter, Pfleger werden an vielen Ecken und Enden gebraucht. „Da kann man viel bewirken“, ist Lara überzeugt. Dahin zu kommen, braucht viel Engagement. Auch bei der angespannten Lage in Pflegeberufen. „Man muss sich durchwurschteln“, nennt Lara das. Doch die Mühe ist es wert: Ist der Abschluss geschafft, geht ihr Horizont weit über den Standard hinaus. Sie kann später nicht nur Patienten versorgen, sondern auch Studien aus-

Zwischen Klinik und Klausur: Lara hat ein hohes Pensum, aber viel Spaß bei der Sache.

werten und in den Pflegealltag übersetzen. Das Theoriewissen ermöglicht ihr, mehr Verantwortung zu übernehmen und komplexere Aufgaben zu bewältigen. Nach dem Bachelor könnte sie sich vorstellen, einen Master dranzuhängen. Pflegepädagogik oder Pflegemanagement interessieren sie. Vorab eine Weile in der Uniklinik zu arbeiten, sei aber wichtig: „Es ist abgefahren, was hier alles passiert.“ tln

Info

Pflegewissenschaft Dauer: 3 Jahre (Bachelor of Science) Studienstandort: Uni Freiburg Voraussetzungen: Abitur, Fachabitur (fachgebundene Hochschulreife) oder Fachhochschulreife und Deltaprüfung; bei Studienbeginn zudem mindestens ein Jahr einer Ausbildung in Gesundheits- und Krankenpflege oder in Gesundheits- und Kinderkrankenpflege Bewerbungszeitraum fürs Studium: jährlich 1. Juni bis 15. Juli Mehr zum Studium: www.pflegewissenschaft.uni-freiburg.de Mehr zur Berufsausbildung: www.akademie.uniklinik-freiburg.de

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Von Fettnäpfchen und Fallstricken

Neu im Betrieb: Tipps und Tricks zum Ausbildungsstart

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Foto: © iStock.com/PeopleImages

iel zu spät in den Betrieb schlendern, dem Chef auf die Schulter klopfen und dann erst mal mit dem Gabelstapler losrollen: Wer seinen ersten Tag als Azubi so beginnt, darf sich über Gegenwind nicht wundern. Ausbeuten lassen muss man sich aber auch nicht. Die Ausbildung beginnt, der Tatendrang ist groß. Doch gerade auf den ersten Metern der Azubi-Laufbahn lauern zahlreiche Fettnäpfchen und Fallstricke. Die sollten Neu-Lehrlinge möglichst umgehen. Allerdings ist nicht jeder Stolperer zu Beginn der Ausbildung auch Schuld des Auszubildenden. Typische Fehler und Probleme von Azubis im Überblick:

verspätet Das ist der Klassiker unter den Fehlstarts, sagt Ausbildungsberaterin

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­Katharina Schumann von der Handwerkskammer Berlin: „Ich sollte abklären, wie lange der Weg zur Arbeit dauert, und entsprechend planen.“ Wichtig ist dabei auch die Frage, wo man überhaupt hin muss: Zum Betrieb, zur Filiale, direkt zur Baustelle? Gerade wenn die Unterschrift unter den Ausbildungsvertrag schon ein paar Wochen alt ist, lohnt sich für solche Fragen ein Anruf im Betrieb, etwa eine Woche vor dem Start.

Unvorbereitet Wer vor dem ersten Tag noch mal im Betrieb anruft, kann auch gleich ein paar andere Fragen stellen – auch wenn sie blöd erscheinen. „Ich kann eigentlich nicht zu viel fragen“, sagt Schumann. „Der Betrieb freut sich dann in der Regel, weil es zeigt, dass da jemand wirklich Interesse hat.“ Muss ich mich selbst um mein Mittagessen kümmern? Und was muss

ich anziehen und sonst so mitbringen? Arbeitsmaterialien muss der Betrieb allerdings stellen, sagt Simon Habermaaß, Bundesjugendsekretär bei Verdi. Das umfasst Schutzkleidung, Fachliteratur oder die Scheren für Friseure.

Falsche Anrede Jeder Betrieb ist anders – und damit auch der Tonfall unter Kollegen und gegenüber dem Azubi. „Im Handwerk zum Beispiel duzen sich oft alle, in großen Unternehmen kann das aber ganz anders aussehen“, sagt Schumann. Hier sollten Neulinge also erst einmal zurückhaltend sein und genau hinhören, statt beherzt den Geschäftsführer anzukumpeln. Blöde Sprüche und Beleidigungen können sich Azubis aber natürlich verbitten. Und einen festen Ansprechpartner für Fragen und Probleme dürfen sie auch einfordern.


Ungeduld und Übereifer

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Großem Tatendrang folgt manchmal noch größere Ernüchterung – weil man sich alles ganz anders vorgestellt hat. „Man fängt wirklich von vorne an und darf nicht erwarten, dass man im Friseursalon zum Beispiel sofort Kunden die Haare schneiden darf“, sagt Schumann. Deshalb gilt gerade am Anfang: erst mal zuhören, auch wenn es um scheinbar banale oder langweilige Dinge geht. Sicherheitseinweisungen zum Beispiel sind in vielen Jobs am Anfang Pflicht. Wer da gleich Desinteresse demonstriert, hinterlässt nicht den besten ersten Eindruck.

sich Ausbeuten lassen „Es gibt Arbeitgeber, die mustergültig ausbilden“, sagt Habermaaß, „und genauso gibt es leider auch Betriebe, in denen Azubis eher billige Arbeitskräfte sind.“ Ein guter Indikator dafür: Wer über Wochen immer den gleichen, langweiligen Routinejob macht und gar nichts Neues lernt, sollte sich beschweren oder Alarm schlagen. Ansprechpartner bei solchen Problemen sind etwa Ausbildungs- und Mitarbeitervertretung im Betrieb, die zuständige Gewerkschaft oder die jeweiligen Kammern.

Die anstrengungen unterschätzen Eine Ausbildung ist etwas anderes als der Schulbesuch. Das macht sich gerade am Anfang bemerkbar: „Die erste Woche ist anstrengend, abends sind die Azubis meistens platt“, sagt Schumann – und das nicht nur in Jobs, in denen körperlich gearbeitet wird. „Deshalb sollte man sich zu Beginn auch privat nicht zu viel vornehmen, sondern sich wirklich ganz auf den Ausbildungsstart konzentrieren.“

seine Rechte nicht ausreichend kennen Überstunden sollten für Azubis eigentlich die absolute Ausnahme sein. Laut dem Ausbildungsreport des Deutschen Gewerkschaftsbunds für 2017 sind sie in mehr als einem Drittel der Fälle aber eher Alltag. „Azubis dürfen nicht dazu ausgenutzt werden, um falsche Personalplanung aufzufangen“, sagt Habermaaß. Außerdem haben Lehrlinge ein Recht darauf, ihren Ausbildungsplan zu sehen. Auch der fehlt manchmal. BZ/Tobias Hanraths (dpa)

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schule Abitur

Zugewachsener Trampelpfad Wie eine Abiturientin die Zeit nach den Prüfungen erlebt

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Fotos: © Unsplash.com, iStock.com/peshkova

bi geschafft. Jetzt winkt die große Freiheit. Oder doch ein Haufen Sorgen? Druck? Ungewissheit? Die Freiburger Abiturientin Laura Bärtle ist in dieser Lage. Sie beschreibt, wie man sich fühlt zwischen Endlich-Zeit-Haben und Langsam-wird-es-Ernst. „Nach dem Abi erst mal Reisen.“ Ich weiß nicht, wie oft ich diesen Satz schon gesagt oder gehört habe. Ernst gemeint habe ich das immer. Auch wenn es meist eher eine Beruhigung für besorgte Verwandte oder auch für mich selbst war. Man hört doch immer, dass Reisen so wichtig ist. Und dass man mit einem riesigen Rucksack auf dem Rücken an einem meist sehr entlegenen Ort eine Art Selbsterkenntnis haben wird. Die wird einem den roten Faden für das restliche Leben auslegen. Jetzt ist das Abi geschafft. Das Zeugnis hat schon die ersten Eselsohren. Jetzt ist also die große Freiheit, von der ich 13 Jahre lang nur eine ungenaue Vorstellung hatte. In der ich aber immer irgendwie überglücklich und zufrieden an einem fernen Strand in den Sonnenuntergang blinzele. Dass man an diesen fernen Strand erst mal hinkommen muss und dafür mehr als nur angespartes Taschengeld braucht, das wird mir erst jetzt klar. Und auch, dass sich dieser Lebensweg nicht einfach vor mir ausrollt wie ein roter Teppich. An dessen Ende warten Erfolg und Erfüllung. Nein. Dieser rote Teppich ist eher Schotterpiste, Holzweg und ein zugewachsener Trampelpfad. Druck wird auch von außen ausgeübt. Allerdings sehr nachsichtig. Man hat ja gerade das Abi hinter sich und darf sich mal eine Auszeit gönnen. (Aber …) Dieser sanfte Druck ist nett gemeint und äußert sich in Links zu Websites, auf denen Studiengänge aufgeführt werden oder im Satzanhang „ ... könnte das nicht was für dich sein?“. Trotzdem. Ich muss das jetzt auch alleine machen. Das gehört doch irgendwie dazu.

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Es ist nicht so, dass ich mich beschweren könnte: Ich kann machen, was ich will. Ich kann bis Sonnenaufgang unterwegs sein. Ich kann endlich mal wieder Freunde besuchen. Ich kann ein ganzes Buch am Tag lesen und so viele Festivalbändchen wie ich will um mein Handgelenk ansammeln. Ich kann ein Praktikum in einer sozialen Einrichtung machen. Ich kann mich einschreiben. Ich kann auf eine Weltreise sparen. Ich kann auf dem ZMF Geld verdienen. Ich kann meine Füße in die Dreisam halten. Das klingt alles gut. Aber man muss es auch machen. Ich glaube, die Schulzeit hat mir zwar ein sehr breites und oberflächliches Allgemeinwissen vermittelt. Dadurch weiß man aber noch lange nicht, wie man „sich zuversichtlich in die Richtung seiner Träume“ bewegt, wie Thoreau das ausdrückt. Oder dass monatelang am See rumliegen auf Dauer auch langweilig wird. Oder dass es ein komisches Gefühl ist, wenn meine Freunde für die nächsten Monate Pläne haben. Für die Prüfungen war die Lösung einfach: Karteikarte für Karteikarte füllen. Für das Leben gibt es kein Inhaltsverzeichnis. Ich kann mir auch keinen Lernplan machen. Da ist es verständlich, dass sich der strukturverwöhnte Abiturient erst mal verwundert umschaut. Ich habe mir gesagt, dass ich die Schule nicht vermissen werde. Aber im Nachhinein kann man allem etwas Positives abgewinnen. So sehe ich jetzt, dass es auch ein ganz kleines bisschen angenehm war, sich nicht selbst strukturieren zu müssen. Zu wissen, dass nach den Ferien ein Montagmorgen kommt. Es ist wichtig, zu treiben. Oder doch ins kalte Wasser zu springen und zu hoffen, dass dort keine Haie sind. Aber es ist vor allem wichtig, loszukommen. Ich will an dieser Stelle nicht mit einem Appell schließen, wie man das vielleicht in der Schule machen würde. Die ist Laura Bärtle nämlich vorbei.


Informieren und tanzen

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800 Schüler kommen zur Nacht der Ausbildung

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Foto: © Schmolck

undertzehn Karrierewege, 28 Betriebe, eine Aktion: Bei der 3. Emmendinger Nacht der Ausbildung haben Ende September rund 800 Schüler in Berufswege im Landkreis Emmendingen reingeschnuppert. Sie konnten dabei nicht nur entdecken, was ein Mediengestalter, eine Sportkauffrau oder ein Kraftfahrzeugmechatroniker macht. „Finde deinen Traumberuf“ heißt das Motto der Nacht der Ausbildung. Die Stadt Emmendingen und das Emmendinger Autohaus Schmolck haben die Aktion zum dritten Mal ins Leben gerufen. „Wir machen Berufe erlebbar“, sagt Michael Gleichauf, Marketingchef bei Schmolck. Fast 30 Betriebe haben dafür ab 16 Uhr ihre Türen für Schülerinnen und Schüler geöffnet. Zum Start gab’s einen Workshop im Rathaus zum Thema „Durchstarten ins Berufsleben – praktische Tipps und Tricks“. Ohne Anmeldung konnten die Schüler dann mit drei Shuttle-Bussen auf Tour gehen. Bei den Betrieben und Behörden hatten sie die exklusive Gelegenheit, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen. Die Unternehmen gaben Einblicke in ihre Arbeit und Ausbildungswege und beantworteten Fragen. „Eine Win-win-Situation für Schüler und Betriebe“, sagt Gleichauf. Er berichtet von Teilnehmern, die direkt ein Vorstellungsgespräch für ein Praktikum ausmachen konnten. Vorgestellt hat sich auch das Autohaus Schmolck selbst. Aktuell lernen rund 80 junge Menschen dort – sie haben sich für eine Ausbildung oder ein duales Studium entschieden. Zwölf verschiedene Karrierewege bietet das wachsende Unternehmen: vom Karosserie- und Fahrzeugbauer über den Informatikkaufmann bis zum Studium Automobilhandel. Dass zur Nacht der Ausbildung nicht nur Zukunftsplanung gehört, konnten die Teilnehmer am Abend erleben: Nach zahlreichen Stationen stieg die Werkstattparty mit DJ und kostenlosen Burgern in der Werkstatt von Schmolck. tln Mehr Infos: www.emmendinger-nacht-der-ausbildung.de

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Zwischen Büro und Filmdreh Kaufleute für audiovisuelle Medien sind in einem attraktiven Nischenberuf tätig

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Fotos: © iStock.com/OwenPrice, pexels.com

uchen, kalkulieren und Rechnungen schreiben – Kaufleute für audiovisuelle Medien verbringen viel Zeit am Schreibtisch. Doch der Beruf hat auch seine schillernden Seiten. Bewerber sollten Flexibilität und Organisationstalent mitbringen. Das gilt auch für Medienkaufleute Digital und Print. Tom Dederichs ist 22 Jahre alt und da, wo er immer hinwollte: beim Fernsehen. Nach dem Abitur arbeitete er zunächst ein Jahr bei einer Filmproduktionsfirma. Dann suchte er nach Ausbildungsstellen. „Ich wusste schon immer, dass ich irgendwas mit Fernsehen machen will“, erzählt der junge Mann. Seit zweieinhalb Jahren macht er nun seine Ausbildung als Kaufmann für audiovisuelle Medien bei der Mediengruppe RTL. Drei Jahre dauert die Ausbildung, den Großteil hat Dederichs also schon geschafft. Die meiste Zeit davon hat er im Büro verbracht, mit den unterschiedlichsten Auf-

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gaben: „Es ist viel Organisation, Kalkulation und Umsetzung von Dreharbeiten, man bucht das Team und Locations und macht hinterher die Abrechnung“, erzählt der Azubi. Etwa einmal pro Woche verlässt er das Büro und arbeitet direkt am Set. Dort betreut er unter anderem die Schauspieler. Stellen wie die von Dederichs sind begehrt. „Audiovisuelle Medien sind immer noch ‚in‘“, hat Heike Krämer vom Bundesinstitut für Berufsbildung beobachtet. Dementsprechend hoch seien die Bewerberzahlen. „Es ist ein Nischenberuf.“ 225 Stellen waren laut Bundesagentur für Arbeit im Jahr 2016 gemeldet, auf jede kommen etwa 30 Bewerber. Sich da durchzusetzen, ist gar nicht so leicht. Um die Chancen zu erhöhen, sollte man vorher ein Praktikum absolvieren, rät Christian Kauka, Abiberater bei der Arbeitsagentur in Halle. „88 Prozent der Bewerber haben die Hochschulreife“, erklärt Kauka. Mindestens genauso entscheidend ist


medien Ausbildung allerdings, dass man die richtigen Fähigkeiten und Charakterzüge mitbringt. „Es ist wichtig, dass man selbstsicher und aufgeschlossen ist“, sagt der Abiberater. Eine kommunikative Persönlichkeit sei Vor-

aussetzung – zuhören können sollten die Azubis aber auch. „Gefragt sind Flexibilität, Selbstständigkeit und Organisationstalent, Stressresistenz und technisches Verständnis“, zählt Ines Janoszka von der Industrie- und Handelskammer (IHK) Berlin auf. Ein Händchen für Zahlen ist ebenfalls von Vorteil. Denn bei der Arbeit haben die Auszubildenden viel mit Budgetkalkulation und Verträgen zu tun. „Klassische Tätigkeiten sind unter anderem die Zusammenstellung der Crews, die Beschaffung der Technik und die Einsatzplanung“, erklärt Ausbildungsberaterin ­J anoszka. Dazu gehört auch, Drehgenehmigungen einzuholen oder die Nut-

zungsrechte für Bildmaterial oder Musik abzuklären. Das erfordert Genauigkeit und Verantwortungsbewusstsein. Denn Fehler können teuer werden oder sogar eine Klage nach sich ziehen. Der Schwerpunkt der Ausbildung ist je nach Unternehmen und Branche unterschiedlich. „Die klassischen Arbeitgeber sind öffentlichrechtliche und private Sender sowie Produktionsfirmen“, sagt Berufsbildungsexpertin Krämer. Liegt in der

Social media und online gehören dazu Filmbranche der Fokus eher auf der Organisation und Begleitung von Drehs und Sendungen, haben Auszubildende bei Werbeagenturen, Online-Portalen oder Verlagen wieder anders gelagerte Aufgaben. Die Basis ist aber gleich: In erster Linie ist es ein kaufmännischer Beruf. Im Vergleich zu früher sei die Produktvielfalt aber größer, erklärt Krämer. „Online-Auftritte oder soziale Netzwerke gehören nun genauso dazu wie der Fernsehkanal.“ Je nach Arbeitgeber kann sich der Verdienst deutlich unterscheiden. Tarifverträ-

ge gibt es laut Krämer kaum, nur der öffentlich-rechtliche Rundfunk sei an Tarife gebunden. Privatsender oder Produktionsfirmen zahlen entsprechend andere Gehälter. Die Bundesagentur für Arbeit gibt ein durchschnittliches Gehalt von 677 im ersten bis 835 Euro im dritten Lehrjahr an. Je nachdem, wo man die Ausbildung absolviert, ist der Weg zur Berufsschule möglicherweise etwas weiter. Weil es nur wenige Auszubildende gibt, werden die Klassen teilweise länderübergreifend zusammengefasst. Da die Unternehmen überwiegend nach Bedarf ausbilden, sind die Chancen auf eine Übernahme relativ gut. Wer aufsteigen oder sich spezialisieren will, kann sich weiterbilden oder eine passende Fachwirtausbildung beziehungsweise ein Studium an die Ausbildung dranhängen. Für Azubi Tom Dederichs ist klar: Er will weiter beim Fernsehen bleiben. Die Abwechslung macht ihm Spaß, immer wieder lernt er neue Kollegen oder Menschen aus dem Showbusiness kennen. Und der nächste Dreh steht auch schon an: Dederichs hilft bei einer Marketingkampagne für die Sendung „Sing meinen Song“. BZ/Julia Ruhnau (tmn) 5

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karriere finanzen

Gewusst wie: Wer sich auskennt und früh plant, ist finanziell klar im Vorteil.

Jetzt schon ans Alter denken? Wer in die Arbeitswelt eintritt, muss sich schon Gedanken über den Finanzaufbau machen

J Fotos: © unsplash.com, pixabay.com

e früher man mit der Altersvorsorge beginnt, desto besser – so lautet ein fast banaler Grundsatz. Sollten also Azubis gleich von Beginn an sparen? Die Antwort: Nicht unbedingt. Aber wenn doch, dann hilft vielleicht sogar der Chef. Das erste selbst verdiente Geld auf dem Konto ist für die meisten Azubis ein gutes Gefühl. Doch mit der Unabhängigkeit wächst auch die Verantwortung, zum Beispiel für die eigene Altersvorsorge. Aber müssen Azubis wirklich gleich mit Beginn der Ausbildung Geld für die Rente beiseite legen?

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„Nein, müssen sie nicht“, findet Niels Nauhauser, Finanzexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg in Stuttgart. Altersvorsorge sei zwar wichtig, aber nicht immer der erste Punkt, der abgehakt werden muss. „Wenn Sie zum Beispiel ein Auto brauchen, um zum Ausbildungsbetrieb zu fahren, kann das für Sie ein besseres Sparziel sein.“ Ein weiterer wichtiger Punkt: „Siemüssen erst mal einen Notgroschen beiseite legen“, rät Nauhauser. Denn wenn das erste Auto mal in die Werkstatt muss, können oder wollen vielleicht nicht gleich die Eltern einspringen.

Groß ist der finanzielle Spielraum für die Altersvorsorge bei Auszubildenden ohnehin meist nicht. Nach Angaben des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) lagen die tariflichen Ausbildungsvergütungen 2017 in Deutschland im Gesamtdurchschnitt bei 876 Euro pro Monat. Wie eine Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung zeigt, sind die Unterschiede im ersten Ausbildungsjahr dabei groß. Am meisten verdienen Azubis mit monatlichen Beträgen zwischen 900 und 1000 Euro in der Metallund Elektroindustrie, dem Bank-


Finanzen karriere und Versicherungsgewerbe sowie im Öffentlichen Dienst. Die niedrigsten tariflichen Ausbildungsvergütungen mit Beträgen von weniger als 700 Euro finden sich in Ostdeutschland, aber auch zum Beispiel im westdeutschen Gebäudereinigerhandwerk. Die gute Nachricht: Azubis müssen für den Vermögensaufbau nicht unbedingt etwas von ihrer knappen Ausbildungsvergütung abzweigen. „Viele Betriebe bieten vermögenswirksame Leistungen“, erklärt Nauhauser. Dieses Geld zahlen Chefs zusätzlich zum Lohn, je nach Branche monatlich bis zu 40 Euro. Sechs Jahre wird in den VL-Vertrag eingezahlt, am Jahresende darauf kann der Sparer an sein Geld. VL-Verträge gibt es unter anderem als Banksparplan, Bausparvertrag oder als Aktienfondssparplan. Beste Renditechancen bieten nach Ansicht der Stiftung Warentest Anlagen in Aktienfonds. Sparer müssen allerdings mit möglichen Rückschlägen an den Börsen rechnen. Ein langer Atem hilft hier gegen Verluste. Durch ihr meist geringes Einkommen haben Azubis zusätzlich Anspruch auf die staatliche Arbeitnehmer-

sparzulage. Die Zulage von bis zu 80 Euro pro Jahr wird gezahlt, wenn Beschäftigte im Jahr weniger als 20.000 Euro verdienen. Bei gemeinsam veranlagenden Ehepaaren sind es 40.000 Euro. Hat der Sparer einen Bausparvertrag als vermögenswirksame Leistung abgeschlossen, liegt die Einkommensgrenze bei 17.900 Euro (35.800 Euro bei Verheirateten). Hier gibt es 43 Euro im Jahr dazu. Aktienfonds sind auch aus Sicht von Niels Nauhauser meist „die beste Wahl“ für den Vermögensaufbau. „Riester-Verträge sind oft unrentabel“, urteilt der Abteilungsleiter Altersvorsorge, Banken, Kredite der Verbraucherzentrale. „Und betriebliche Altersvorsorge lohnt sich nur, wenn der Chef 30 Prozent oder mehr dazuzahlt.“ Ein wichtiger Punkt: „Das Geld ist bis zum Renteneintritt weg.“ Für Azubis in jungen Jahren bedeutet das schon mal einen Zeitraum von 40 Jahren.

Aktienfonds sind »beste Wahl«

BZ/Falk Zielke (tmn) 5

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studium mobilität

Gewusst wie: Wer bei der VAG online kauft, spart Aufwand bei Ticket-Kontrollen.

Online-Vorteil

Neue UniCard vereinfacht SemesterTicket

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Foto: © tln

um Wintersemester gibt’s eine neue UniCard in Freiburg. Das praktische Kärtchen der Albert-Ludwigs-Universität (ALU) macht das SemesterTicket einfacher: Wer es auf vag-onlineticket.de kauft, braucht bei Kontrollen nur einen Personalausweis zu zeigen. Ansonsten gilt: Wer ein SemesterTicket hat, muss Kontrolleuren zusätzlich die UniCard und die ImmatriAnzeige

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kulationsbescheinigung mitsamt einem Ausweis zeigen. Dank des neuen Systems ist das hinfällig: Durch den Kauf auf vag-onlineticket.de reicht ab dem Wintersemester ein Perso. Neu ist auch, dass mit der UniCard der ALU bei der VAG online ein kostenloser „19.00-Uhr-Nachweis“ abrufbar ist. Mit ihm kann man Busse und Bahnen im RVF nach 19 Uhr nutzen – unabhängig vom SemesterTicket. Im Online-Shop der VAG kann

die Berechtigung ebenso wie das SemesterTicket ausgedruckt werden. Bei Verlust ist sie so einfach zu erneuern. Wer will, kann beides auch in den RVF- oder VAG-Apps hochladen. Sogar offline kann sie dort bei Kontrollen gezeigt werden. Das SemesterTicket gibt es online auch für Studierende der Pädagogischen Hochschule und der Hochschule für Musik. Studierende aller neun Freiburger Hochschulen bekommen es weiterhin an DB-Automaten, in pluspunkt und Radstation, in Südbadenbus KundenCentern in Freiburg und Neustadt sowie bei allen DB-Verkaufsstellen im RVF. Als Nachweis muss immer der Studierendenausweis dabei sein, auch bei Fahrten nach 19 Uhr. Das SemesterTicket gilt in der 2. Klasse aller öffentlichen Verkehrsmittel in der Stadt Freiburg sowie den Landkreisen Emmendingen und Breisgau-Hochschwarzwald. Es kostet 94 Euro und gilt sechs Monate. Till Neumann

Mehr Infos

www.rvf.de/semesterticket Online-Bestellung: www.vag-onlineticket.de

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handwerk ausbildung

Kreativ und nachtaktiv Start, 2 Uhr morgens: Melina wird Bäckerin

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mmer wieder hört man von Nachwuchssorgen im Handwerk. Auch Bäcker tun sich schwer, gute Leute zu finden. Dabei ist der Job kreativ und erfüllend, weiß Melina Dold. Die Freiburgerin macht Brezeln, wenn andere schlafen. Seit September bekommt die Auszubildende mehr Geld. Heiß ist es in der Backstube. Vor Melina türmen sich schwarze Bleche. Darauf sind Streusel, die sie durch ein Sieb drückt. „Die Brezeln sind längst gemacht“, sagt die 21-Jährige und lacht. Es ist acht Uhr morgens. Seit sechs Stunden ist sie im Einsatz. Seit acht Stunden auf den Beinen. Um 10.30 Uhr ist für sie Feierabend in der Bäckerei Lay in Freiburg-Wiehre. Melina ist ein selten gewordener Fall: Denn immer wieder gehen Bäcker bei der Suche nach Azubis leer aus. „Vor drei, vier Jahren war es ganz schlimm“, sagt Philipp Lay, Chef der gleichnamigen Bäckerei. Nun freut er sich, Melina Dold im Team zu haben. Zusätzlich hat er zwei Geflüchtete eingestellt. Als Traditionsbäcker habe er bisher immer jemanden gefunden, einfach sei es aber nicht, sagt Lay. Der 39-Jährige mag seinen Beruf, das Kreative und Schöpferische, die zufriedenen Kunden. Auch Melina sieht das so. Klar sei es hart, um 2 Uhr auf den Beinen zu sein. Aber für ihre Zukunft tut sie das gerne. „Mir macht das richtig Spaß“, sagt die junge Frau im weißen Bäckerdress auf der Terrasse des Ladens. Zuvor arbeitete sie vier Jahre im Einzelhandel, hatte dann aber die Nase

Streusel machen: Um 8 Uhr morgens hat Melina schon richtig viel geschafft. voll. In einer Silvesternacht wurde es konkret: Sie machte mit ihrer Cousine Neujahrsbrezeln. Da kam ihnen die Idee, sich eines Tages gemeinsam selbstständig zu machen. Melina als Bäckerin, ihre Cousine als Verkaufsleiterin. Da sie die Bäckerei Lay als Kundin kannte, bewarb sie sich dort. Seit einem Jahr ist sie nun in Ausbildung. Ein halbes Jahr hat es gedauert, sich an die Arbeitszeiten zu gewöhnen. „Ich brauche meine sieben, acht Stunden Schlaf“, sagt Melina. Also geht sie um 16 Uhr ins Bett. Um Mitternacht klingelt der Wecker. Um 2 Uhr steht sie meistens in der Stube. Der Vorteil: Wenn andere im Büro sitzen, hat sie frei. 35 junge Menschen haben 2018 bis zum 31. Juli eine Ausbildung als Bäcker im Bereich der Handwerkskammer Freiburg begonnen. Zum Vergleich: Im Jahr 2017 waren es im gleichen Zeitraum 40, im Jahr davor noch 31. Der Trend ist damit verhalten positiv. „Die Stimmungslage ist trotz Nachwuchssorgen gut“, sagt Johannes Ruf. Der Obermeister der

Foto: © tln

das Gehalt wird angehoben

Bäckerinnung Freiburg BreisgauHochschwarzwald erhofft sich einen Aufschwung. Backen müsse zelebriert werden wie das Kochen. „Es geht in die richtige Richtung“, sagt Ruf. Gerade auch im Kampf gegen Discounter müsse man sich eine Nische suchen. Qualität und Experimente seien gefragt. Der Job ist reizvoll, die Attraktivität aber ausbaufähig, sagt Ruf. Ein Hebel sei das Gehalt. Erst kürzlich wurden da Tatsachen geschaffen: Bis zu 65 Euro mehr bekommen BäckerLehrlinge laut Tarifvertrag seit September bundesweit. Im darauffolgenden Jahr sind es noch einmal bis zu 50 Euro. „Die Erhöhung ist gut, das Gehalt aber immer noch zu niedrig“, sagt Philipp Lay. 565 Euro brutto verdient ein Bäcker-Lehrling ab September in Deutschland im ersten Jahr. 670 Euro sind es im zweiten. 800 im dritten. Für Melina ist die Gehaltserhöhung super, aber nicht entscheidend: „Ich will mir etwas aufbauen, dafür kann man auch ein bisschen die Zähne zusammenbeißen.“ 10.30 Uhr ist es jetzt. Für heute hat sie Feierabend. tln

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