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DIGITALE GESCHÄFTSMODELLE
DIGITALE GESCHÄFTSMODELLE – WAS IST DAS GENAU? Viele suchen danach – und manche, so glauben die, die danach suchen, haben es bereits gefunden: das digitale Geschäftsmodell. Aber was ist das eigentlich ganz genau: ein digitales Geschäftsmodell? Gastautor Christian Hoffmeister hat sich auf die Suche nach Antworten begeben und vier Grundtypen ausgemacht.
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in digitales Geschäftsmodell – was ist das konkret? Obwohl wir den Begriff dauernd verwenden, ist es nicht einfach, ihn zu präzisieren. Dies liegt daran, dass das Internet als Basistechnologie und die Digitalisierung immer mehr Bereiche erfasst. Alles, was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert. Damit ist es heute möglich, immer mehr Daten via Internet zu transportieren. Der Begriff des digitalen Geschäftsmodells muss daher weiter, aber vor allem differenzierter gefasst wer-
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CHRISTIAN HOFFMEISTER
den. Spricht man grundsätzlich von Geschäftsmodellen, sind damit eigentlich Regelwerke gemeint, die die Chance auf Erfolg für das Unternehmen erhöhen. Diese Regelwerke entstehen durch die Standardisierung aus individuellen Fähigkeiten. Durch die Anwendung beschriebener und wiederholter Handlungsabfolgen wird ein identisches oder ähnliches Ergebnis für eine identische oder ähnliche Aufgabe erzielt. Erst wenn diese Transformation – aus individuellem Wissen wird ein allgemein anwendbares Regelwerk – stattgefunden hat, kann man von der Existenz eines Geschäftsmodells sprechen. Geschäftsmodelle können daher auch als Algorithmen bezeichnet werden, denn diese beschreiben, wie eine Aufgabe durch die Anwendung von Verarbeitungsschritten gelöst werden soll.
VIER GRUNDTYPEN VON MODELLEN Im heutigen Gebrauch meint man mit Algorithmen eigentlich die Umsetzung von Software-Programmen, oft auch als Agenten bezeichnet, die entwickelt werden, um definierte Aufgaben eigenständig und zum Teil eigendynamisch zu lösen. Kombiniert man nun diese beiden Beschreibungen miteinander, dann hat man die eigentliche Definition von digitalen Geschäftsmodellen: Digitale Geschäftsmodelle sind die Abbildung geschäftsrelevanter Algorithmen mittels Software-Programmen, die auf digitalen Plattformen eingesetzt, untereinander vernetzt und für Dritte zugänglich gestaltet werden. Die Vernetzung der Algorithmen findet innerhalb des eigenen Geschäftsmodells statt oder mit Algorithmen von Partnern durch offene Schnittstellen. Damit gibt es nicht „das“ digitale Geschäftsmodell, sondern vielmehr vier Grundtypen digitaler Geschäftsmodelle, die heute eine hohe Relevanz haben:
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Der erste Typ sind „Ein-Algorithmen-Modelle“: Typisches Beispiel hierfür: Shazam. Um einen zentralen mittels Software abgebildeten Geschäftsalgorithmus wird ein Unternehmen gebaut. Bei Shazam ist es der Algorithmus, der es ermöglicht Musik zu erkennen. Dieser Algorithmus wird dann mit anderen Plattformen verbunden, zum Beispiel mit iTunes. Daneben, als zweiten Grundtyp, kann man „vernetzte digitale Agenten-Modelle“ identifizieren: Zentrale Geschäftsprozesse werden durch Software auf digitalen Plattformen umgesetzt und vernetzt. Typisches Beispiel ist Google. Inzwischen bietet Google zahlreiche Plattformen basierend auf Software-Algorithmen an und vernetzt diese miteinander. So unter anderem Dienste, die Daten über die User einsammeln (GMail, Google+ oder Youtube), mit Diensten, die Leistungswerte von Seiten und Werbung beurteilen (AdWords, AdSense, Double-Klick oder Analytics) und diese wiederum mit dem zentralen Suchalgorithmus, der die Inhalte im Web sammelt, bewertet und auswirft, angelehnt ans Userprofil und damit wieder passend zu Werbeanzeigen. In beiden Fällen entsteht der Wert des Unternehmens ausschließlich aus den Algorithmen. Daher sprechen wir von „virtuellen Unternehmen“, weil keine echte haptische Leistung erbracht wird.
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Aber auch in der haptischen Welt, gibt es immer mehr digitale oder digitalisierte GeschäftsmoChristian Hoffmeister, Gedelle. Vor allem große schäftsführer der von ihm gegrünBeliebtheit bekommen deten Agentur Bulletproof, ist sogenannte „Digital Berater und Dozent. Vor kurzem Hub Modelle“. Diese ist sein neues Fachbuch „Digitale sind der dritte Typus Geschäftsmodelle richtig einschätzen“ (Hanser) erschienen. und gewinnen kontinuDas Werk will Antworten geben ierlich an Bedeutung, darauf, was sich durch neue vor allem durch das „InTechnologien für Unternehmen ternet der Dinge“. Apple verändert und was man tun oder oder zunehmend Amalassen sollte, um digitale Geschäftsmodelle realistisch zon vernetzen haptiplanen und gestalten zu können. sche Leistungsangebote mit allen anderen Leistungsbereichen des Unternehmens und schaffen so eine starke Beziehung zwischen den Produkten und den Kunden. Digitale Plattformen dienen als Zentrum der Verbindungen und schaffen nicht den alleinigen Wert des Unternehmens. Der vierte Grundtyp ist die Anwendung von digitalen Algorithmen nicht als eigenständiges Modell, sondern zur Optimierung im Rahmen von Teilaufgaben. Diese Form kann auch als „agentenoptimiertes Geschäftsmodell“ bezeichnet werden, zum Beispiel bei der Beschaffung von Inhalten oder bei der Preisfindung. Diese Modellanwendung findet heute millionenfach Anwendung, weshalb gerade in diesem Segment nur noch individuelle Lösungen und Ansätze realisiert werden können. So optimiert die Lufthansa ihre Preise nach Kundensegmenten und vielen weitren Variablen, Sortimente in Supermärkten werden nach Algorithmen ausgerichtet und die Ware automatisiert nachbestellt. Schritt für Schritt werden dann die Algorithmen untereinander vernetzt, bis daraus dann eher wieder Modelle des Typs 2 und 3 entstehen.
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FAZIT: INDIVIDUELLES MODELLDESIGN ENTWERFEN Wer an die Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle herangeht, der sollte in der dargestellten Einteilung denken und dann ein individuelles Geschäftsmodelldesign entwerfen. Dabei darf der Veränderungsaufwand nicht unterschätzt werden, denn die Umbrüche durch das Internet und die Digitalsierung sind viel größer als viele dies wahrnehmen. Momentan haben sich nur wenige stabile Modelldesigns und darauf aufbauend besonders stabile Unternehmensmodelle etabliert. Es bestehen also gute Chancen, den digitalen Wandel erfolgreich meistern zu können. Die meisten heute erfolgreichen Unternehmen wie Google, Apple oder Facebook traten den Siegeszug an, als es vermeintlich übermächtige Gegner gab wie Yahoo, Nokia oder MySpace. ■ Christian Hoffmeister, Bulletproof feedback@lead-digital.de
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