Lizentiatsarbeit

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Lizentiatsarbeit der Philosophischen Fakultät

Musikalische Geschmacksbreite und symbolische Grenzziehung im Internet Das Beispiel last.fm

Gutachter: Prof. Dr. Jörg Rössel Soziologisches Institut (SUZ)

Autor:

Christoph Lutz

Hauptfach:

Soziologie

1. Nebenfach:

Management and Economics

2. Nebenfach:

Publizistikwissenschaft

Matrikelnummer:

04-712-899

Adresse:

Reggenschwilerstrasse 28 9402 Mörschwil

E-Mail:

chrislutz@access.uzh.ch

Betreuer:

Dr. Gunnar Otte

Abgabetermin:

16. April 2010


Inhaltsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

III

Abbildungsverzeichnis

IV

Abstract

V

1 Einleitung

1

2 Theorie

6

2.1 Definition und Spezifizierung des Untersuchungsgegenstands . . . . . . . . . . . .

6

2.2 Breite des Musikgeschmacks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

10

2.3 Zusammenstellung des Musikgeschmacks mit besonderem Fokus auf symbolische Grenzziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13

2.3.1

Pierre Bourdieus Distinktionstheorie als Ausgangslage . . . . . . . . . . . . .

14

2.3.2

Richard Petersons Omnivores-These . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

16

2.3.3

Symbolische Grenzziehung: Diskurstheoretische Zug채nge und Erkenntnisse aus der Subkultur-, Szene- und Jugendforschung . . . . . . . . . . . .

21

2.4 Zusammenfassung der theoretischen Grundlagen: Ein integrales Modell des Musikgeschmacks? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

3 Forschungsfragen und Hypothesen

34

4 Datengrundlage, Methode und Operationalisierung

36

4.1 Datengrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

36

4.2 Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42

4.3 Operationalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

43

4.3.1

Operationalisierung der Breite des Musikgeschmacks . . . . . . . . . . . . .

44

4.3.2

Operationalisierung der Zusammensetzung des Musikgeschmacks . . .

50

5 Resultate und Diskussion

52

5.1 Resultate zur musikalischen Geschmacksbreite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52

5.1.1

Deskriptive Befunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52

5.1.2

Hypothese 1: Alter und musikalische Geschmacksbreite . . . . . . . . . . .

54

5.1.3

Hypothese 2: Sozialkapital und musikalische Geschmacksbreite . . . . .

59

5.1.4

Hypothese 3: Alter der Musik und Pr채ferenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

I


5.2 Resultate zur Zusammensetzung des Musikgeschmacks und symbolischen Grenzziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

65

5.2.1

Deskriptive Befunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

65

5.2.2

Hypothese 4: Genreübergreifende und genreinterne Differenzierung . .

73

5.2.3

Hypothese 5: Hochkultur vs. Populärkultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

5.2.4

Hypothese 6: Frauen hören häufiger Female Artists als Männer . . . . . .

81

5.2.5

Hypothese 7: Alternative vs. Mainstream . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

84

5.2.6

Hypothese 8: Rap ist das dominante Musikgenre bei der jungen Bevölkerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91

6 Schluss

96

Literatur

102

Anhang

111

.1

Einteilung der Tags in Genres . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111

.2

Beschreibung der Stichprobe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112

.3

Beschreibung der abhängigen Variablen „Musikalische Geschmacksbreite“ mit Brutto-Regressionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116

.4

Voraussetzungprüfungen der OLS Regressionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117

.5

Anlage 1: CD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122

.6

Anlage 2: Lebenslauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122

.7

Anlage 3: Eigenständigkeitserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122

II


Tabellenverzeichnis 1

Differenzierung von Formen und Schemata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

8

2

Formen der Omnivorizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

18

3

Beispiel Top20-Tags der gehörten Musik eines Users mit Prozentzahlen . . . . .

48

4

OLS Regression Musikalische Geschmacksbreite auf Alter und andere Variablen 55

5

Beschreibung der Tags 60s, 70s, 80s, 90s und 00s . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

62

6

Kreuztabelle Alter der User und Alter der Musik mit Zeilenprozenten . . . . . . .

62

7

Korrelationen der Genres untereinander . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

66

8

Korrelationen der Genres untereinander (Fortsetzung) . . . . . . . . . . . . . . . . . .

67

9

OLS Regression Genreanteile auf Alter und andere Variablen . . . . . . . . . . . . .

70

10

Tags der Ausreisser nach unten: Extreme Univore (Auswahl) . . . . . . . . . . . . . .

74

11

Tags der Ausreisser nach oben: Extreme Omnivore (Auswahl) . . . . . . . . . . . . .

75

12

Tags der Hochkulturinteressierten mit Interesse für Jazz und Klassische Musik

80

13

Kreuztabelle Geschlecht der User und Konsum von Female Artists mit Durchschnittswerten, Standardabweichung und Maxima der FA-Anteile . . . . . . . . .

81

14

Korrelation Indie- und Rockanteile mit anderen Genres . . . . . . . . . . . . . . . . .

85

15

OLS Regression Rock- und Indieanteile auf Alter und andere Variablen . . . . . .

87

16

Kreuztabelle Alter der User und Konsum von Rap mit Durchschnittswerten, Standardabweichung und Maxima der Rapanteile am Musikgeschmack . . . . .

92

17

Beliebteste Genres bei den 16-20 Jährigen nach Geschlecht . . . . . . . . . . . . . .

93

18

Tags ausgewählter Black Music Interessierter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

94

19

Übersicht über die überprüften Hypothesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

96

20

Einteilung der Tags in Genres . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111

21

Beschreibung der Stichprobe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112

22

Beschreibung der metrischen Variablen im Datensatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113

23

Kreuztabelle Altersgruppen und Geschlecht: Verteilung des Geschlechts nach Alter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113

24

OLS Regression übrige Genreanteile auf Alter und andere Variablen . . . . . . . . 115

25

Brutto-Modelle der übrigen OLS Regressionen Musikalische Geschmacksbreite auf Alter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116

26

VIF und Tolerance Werte für alle Regressionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117

27

Shapiro-Wilk Test auf Normalverteilung der Residuen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118

28

OV-Test auf Vollständigkeit des Modells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120

29

Breusch-Pagan Test auf Heteroskedastizität für jede untersuchte Hypothese . . 121

III


Abbildungsverzeichnis 1

Zusammenhang zwischen Alter und musikalischer Geschmacksbreite . . . . . .

11

2

Musikgeschmack nach Peterson . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

3

Musikgeschmack nach Bourdieu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

4

Musikgeschmack nach der tablature des goûts musicaux von Glevarec & Pinet

29

5

Integrales Modell des Musikgeschmacks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

32

6

Last.fm Profilkopf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

7

Last.fm Profil weitere Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

8

Beispiel Musiktabelle der meist gehörten Bands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

9

User-Suchfunktion auf last.fm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42

10

Tags bei Frédéric Chopin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

48

11

Histogramm Geschmackskonzentration UHH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

53

12

Anzahl gehörter Genres mit Taganteilen grösser als 0 . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

53

13

Zusammenhang Alter und musikalische Geschmacksbreite (UHH) . . . . . . . . .

54

14

Zusammenhang Alter und Konzentration des Musikgeschmacks (UHH) getrennt für Frauen und Männer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15

57

Zusammenhang Freunde und musikalische Geschmacksbreite (UHH) ohne extreme Ausreisser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

60

16

Verteilung der Genreanteile für Rock, elektronische Musik, Pop und Jazz . . . . .

65

17

Unterschiede zwischen Rock und Indie auf last.fm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

90

18

Verteilung der Genreanteile für Rap, Metal, Country, World, Indie, Soul, Punk und Klassische Musik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114

19

Verteilung Geschmacksgleichheit M und Hörkonzentration nach OMR und AEP 116

20

Streudiagramme metrische unabhängige Variablen Alter und Freunde auf Residuen. Abhängige Variablen von links oben nach rechts unten: UHH, Anzahl gehörte Genres, M, UHH, Anzahl gehörte Genres, M . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119

IV


Zusammenfassung In dieser Lizentiatsarbeit wurden Breite und Zusammensetzung des Musikgeschmacks in der Schweiz untersucht. Durch die quantitative und explorativ-heuristische Analyse von 876 Profilen der Musik-Community last.fm lassen sich Geschmackseffekte und Mechanismen der symbolischen Grenzziehung veranschaulichen. Als theoretische Ausgangslage dienen Bourdieus Distinktionstheorie, die daran anschliessende Kritik und Weiterentwicklung in Form der Omnivores-These und mikrosoziologisch-qualitativ ausgerichtete Forschungsstränge. Diese werden zu einem multidimensionalen Modell des Musikgeschmacks synthetisiert, das sich an die tablature des goûts musicaux von Glevarec & Pinet anlehnt und in Teilen überprüft wird. Sowohl das Alter als auch das Netzwerk und Geschlecht einer Person wirken sich auf ihre musikalische Geschmacksbreite aus. Ältere Leute hören weniger Genres als jüngere und weisen insgesamt gesehen den schmaleren Musikgeschmack auf. Gleichzeitig legen sie ein ausgeglichenes Hörverhalten an den Tag, so dass ihre Konzentration der Genrepräferenzen relativ gering ausfällt. Das Sozialkapital im Internet, operationalisiert als Anzahl Freunde und Gruppenmitgliedschaften, hat dagegen einen negativen und nicht wie erwartet positiven Einfluss auf die musikalische Geschmacksbreite. Frauen hören gleich viele Genres wie Männer und haben insgesamt den gleich breiten Geschmack, sie konsumieren ihre Lieblingsmelodien aber konzentrierter und mit geringerer Streuung. Bei der Zusammensetzung des Musikgeschmacks verdeutlicht sich, dass die musiksoziologisch traditionell strikte Trennung von Hochkultur und Populärkultur im Internetkontext nicht aufrecht zu erhalten ist. Die schweizer last.fm Hörerschaft zeigt sich sehr rock- und indiezentriert und marginalisiert Black Music und die hochkulturellen Genres Klassische Musik und Jazz. Weitere Resultate betreffen genreinterne Differenzierungen: Univore treffen auch innerhalb der Genres dezidierte Auswahlen und nutzen selten das volle Spektrum einer ganzen Musikrichtung. Das Kategorisieren von Musik geschieht vielfältig, kreativ und losgelöst von analytischen Trennungen. Es orientiert sich neben stilistischen Kriterien besonders an der Zeit- und Geschlechtsdimension, z. T. auch an geographischen Trennungen und der Unterscheidung von Mainstream vs. Alternative. In Zukunft gilt es solche symbolische Grenzen in Anbetracht der Zentralität des Hierarchieprinzips mit seiner Gliederung in high brow und low brow vermehrt zu thematisieren. Erste Schritte einer solchen Analyse fördern folgende Resultate zutage: Ältere Musik differenziert die Hörerschaft stärker als neuere und die geschlechtsbezogene Kennzeichnung der Musikeridentität ist eher für weibliche Künstlerinnen als für männliche Sänger zu konstatieren. Insgesamt lassen sich die Resultate besser mit Glevarec & Pinets aktueller Konzeption des Musikgeschmacks vereinbaren als mit der Distinktionstheorie und der Omnivores-These.

V


But don’t forget the songs

Don’t need money when it’s sunny

That made you smile

Don’t need anything

And the songs that made you cry

Just need music and sun and laughter

When you lay in awe on the bedroom floor

And no currency

Don’t forget the songs

The sun on your bare shoulders

That saved your life

It comes for free

Steven Patrick Morrisey

Tim Wheeler

Dank Ich danke meinem Betreuer Gunnar Otte für die wertvollen konzeptionellen Hinweise in der Anfangsphase der Arbeit. Ausserdem schulde ich Donald E. Knuth meinen aufrichtigsten Dank für die Entwicklung von LATEX. Gut möglich, dass ich ohne ihn heute noch am Formatieren sässe. Least but not last - und in Anbetracht des Themas - muss ich all die Bands und Artists erwähnen, die ich während dem Verfassen dieser Arbeit gehört habe. Eine nicht erschöpfende Liste der Songs, die diese Arbeit in den letzten sechs Monaten durch ihren Drive mitgetragen haben, findet sich ganz am Schluss... Schliesslich sei Isabel Münzner gedankt. Sie gab mir einen Literaturhinweis, der sich nun im Verzeichnis hervorragend macht.

Vorbemerkung: In dieser Lizentiatsarbeit werden männliche und weibliche Berufs- oder Gruppenbezeichnungen variierend gebraucht. So kann z. B. in einem Satz von Hörerinnen die Rede sein, in einem anderen von Hörern. Gemeint sind jeweils - wo nicht aus dem Kontext anders ersichtlich oder ausdrücklich gegenteilig erwähnt - sowohl weibliche als auch männliche Personen. Diese Wahl soll die Lesbarkeit gegenüber dem Ausschreiben beider Formen (Konsumentinnen und Konsumenten, UserInnen oder auch Leser/innen) erleichtern.

VI


1 Einleitung Mit dem Aufkommen des Internets und der damit einhergehenden Verbreitung digitaler Kommunikationsformen gewinnen symbolische und diskursive Aspekte sozialer Praxis zunehmend an Bedeutung (Illouz 2006, Schelske 2007: 96-100, Turkle 1995). Neue Arten der Selbstinszenierung werden möglich und bisweilen sogar notwendig1 . Dies verändert verschiedene Felder der Gesellschaft und wirkt sich z. T. bis in die intimsten Bereiche aus. Am Beispiel der Partnersuche im Internet werden solche Transformationen deutlich: Im Gegensatz zum traditionellen Kennenlernen in institutionellen Settings oder über Bekanntschaften, spielt im Internet die kognitive Komponente eine wichtige Rolle. Man wägt ab, man begutachtet Profile, man zieht so viele Informationen wie möglich heran, bevor man eine Person kontaktiert. Dabei kommt ein Kalkül zur Anwendung, in dem Effizienz und KostenNutzen-Abwägungen zentral sind. „Das Internet strukturiert die Suche nach einem Partner buchstäblich als einen Markt oder, genauer, es formalisiert die Suche nach einem Partner im Sinne ökonomischer Transaktion.“ (Illouz 2006: 132) Die kognitiven Kenntnisse gehen im Gegensatz zum Kennenlernen ausserhalb des Netzes - den Empfindungen voran und der „Geist der Fülle und Auswechselbarkeit“ lässt schnell „Müdigkeit und Zynismus“ bei den Suchenden aufkommen (ebd.: 133), so dass die Bilanz der Autorin in Bezug auf das E-Dating am Schluss bestenfalls gemischt ausfällt. Es ist anzunehmen, dass es in anderen gesellschaftlichen Bereichen im Zuge der Verbreitung des Internets zu ähnlichen kommodifizierenden Effekten gekommen ist und immer noch kommt. Demgegenüber stehen gegenläufige Entwicklungen, z. B. bei der Informationsbeschaffung, in der Kunst und insbesondere in der Musik, wo die Vernetzung von Bands und Fans erleichtert wurde und sich der Zugang zu neuer Musik so leicht und schrankenlos wie noch nie gestaltet. Durch den Austausch von Informationen zwischen ähnlich gesinnten Musikinteressierten auf Foren wie plattentests.de, durch die freie, problemlos zugängliche Verfügbarkeit von Rezensionen zu neuen Alben jeder Art2 und das mittlerweile kaum mehr überschaubare Angebot an Songs und Videos auf myspace.com oder youtube.com verändern sich die Produktions- und Rezeptionslogiken der Musik grundlegend. Ein gutes Beispiel für diesen Prozess liefert die Community-Site last.fm, um die es im Rahmen dieser Arbeit gehen wird. Diese Homepage erweitert die Möglichkeiten konventionellen Musikhörens, indem sie ihnen vielerlei interaktive Aspekte hinzufügt, beispielsweise in der Form von Diskussionsgrup1 Man

denke beispielsweise an die heute in vielen Betrieben schon normale Online-Bewerbung (Fountaine 2005). 2 Auf pitchfork.com werden z. B. täglich mehrere Alben rezensiert, die das ganze Spektrum der populären Musik abdecken. Hinzu kommen stilbildende Hypes und Bestenlisten, die diese Homepage in den letzten Jahren zu den Propagandisten des guten Geschmacks machten.

1


1

EINLEITUNG

pen oder der Generierung musikalischer Nachbarn3 . So kann man Konzertbesuche ankündigen, Tagebucheinträge schreiben oder sich mit Leuten in Verbindung setzen, die den eigenen Musikgeschmack teilen. Ob es dadurch zu einer Erweiterung der musikalischen Horizonte der User und zu einem Empowerment der Musikerinnen kommt, bleibt eine zu beantwortende Frage (vgl. Martucci 2010, im Erscheinen). Jedenfalls scheinen auch bei der Musiksuche im Internet, ähnlich wie bei der Online-Partnersuche, spezifische Kenntnisse, Fertigkeiten oder Kapitalien eine Rolle zu spielen, die nicht losgelöst von gesellschaftlichen Bedingungen und Spielregeln betrachtet werden dürfen: Ob sich die goldene Nadel im Misthaufen des musikalischen Überangebots finden lässt, ist nämlich u. a. bildungsabhängig und bleibt nicht ohne Konsequenzen: „In other words, it is not just knowing the right culture, or even knowing ’new’ culture, but rather knowing things that others would also like to know about. By acquiring new knowledge that others find useful, people can secure status and prestige.“ (Tepper & Hargittai 2009: 229) Die gleichen Autoren relativieren in ihrer Studie aber die Rolle des Internets bei der Verbreitung neuer Musik und dem Wissen darüber, denn selbst bei den technikaffinen College-Studenten sind persönliche Netzwerke und Mainstream-Medien die wichtigsten Quellen und nicht etwa Online-Foren oder Community-Sites. Ziel und Motivation der Arbeit In das Spannungsfeld zwischen neuen Möglichkeiten der Geschmacksbildung und des Ausdrucks kultureller Präferenzen einerseits und den sozialen Wirkkräften, Restriktionen und Zwängen andererseits ordne ich diese Lizentiatsarbeit ein. In ihr untersuche ich die grösste Online-Musik-Community last.fm auf Aspekte der musikalischen Geschmacksbreite und symbolischen Grenzziehung hin. Die beiden titelgebenden Untersuchungsgegenstände führen zu den zentralen Forschungsfragen, die die Untersuchung im Aufbau wesentlich strukturieren: Wovon hängt die musikalische Geschmacksbreite der last.fm Profile in der Schweiz ab? und Wie setzt sich der Musikgeschmack der last.fm Profile in der Schweiz genremässig zusammen? Daran anschliessend tauchen viele Folgefragen auf, die ich hier nur stichprobenweise wiedergeben kann: Wie breit ist der Musikgeschmack der Hörerinnen? Welche Kompositionseffekte des Geschmacks zeigen sich mit überzufälliger Häufigkeit und welche Mechanismen können zur Erklärung der Kombinationen beitragen? Welche Kategorien werden gebraucht, um Musik in Genres oder Subgenres einzuteilen? Die Arbeit ordnet sich in den Kontext der Kultursoziologie ein und versucht mit einem spezifisch soziologischen Blickwinkel Praktiken des kulturellen Konsums zu erklären. Während aus der sozialpsychologischen Forschung relativ viel über die Wirkung und Rezeption von 3 Dabei handelt es sich um eine Person, die den gleichen oder einen sehr ähnlichen Musikgeschmack aufweist

wie der jeweilige User.

2


1

EINLEITUNG

Musik in verschiedenen Situationen bekannt ist, während also die individuellen und persönlichen Motive des Musikhörens eingehend thematisiert wurden4 , fehlt es wesentlich an Erkenntnissen und Erklärungen über die Vergemeinschaftungswirkungen kulturellen Konsums. Dieses Fazit ist nicht nur in Hinblick auf den Musikgeschmack zu ziehen, sondern betrifft den gesamten Bereich der Lebensstile. Otte (2004, 2005) sieht beispielsweise hier ein Defizit der Lebensstilforschung: „Die relative Bedeutung von Lebensstilen als Vergemeinschaftungsinstanz bleibt ungeklärt.“ (Otte 2005: 15, Hervorhebung im Original) Wenn Musik- und Geschmackskulturen, taste cultures (Gans 1989) oder taste patterns (Van Eijck 2001) unter soziologischen Gesichtspunkten behandelt wurden, dann meistens in den Cultural Studies oder in der mikrosoziologisch-ethnographisch ausgerichteten Forschung zu Subkulturen, Szenen und speziellen sozialen Milieus (Hebdige 1979, Muggleton 2000, Thornton 1996). Diese Untersuchungen beleuchten zwar sehr genau, wie eine bestimmte Community funktioniert, bleiben aber aufgrund ihres selektiven Rahmens auf eine kleine Gruppe beschränkt5 . Verallgemeinerbare Aussagen sind daraus nur mit Vorbehalten zu ziehen. Die Arbeit versucht deshalb den Zugang zu einer Soziologie des Musikgeschmacks (Gebesmair 2001) auf zwei Ebenen zu finden und die Erkenntnisse in diesem Bereich zu erweitern: einerseits auf der Makroebene, andererseits auf der Mikroebene. Ersteres geschieht durch die statistische Untersuchung prozessgenerierter Daten, letzteres durch spezifisch anhand dieser Daten ausgewählten Profilanalysen (Bellavance 2008, Lahire 2008). Mit dieser Kombination von Herangehensweisen können die beiden titelgebenden Spektren der Lizentiatsarbeit - Breite des Musikgeschmacks und symbolische Grenzziehung als Mechanismus der Zusammenstellung musikalischer Präferenzen - wirkungsvoll kombiniert werden. Es entsteht ein umfassendes Verständnis der Bedingungen und Determinanten musikalischen Konsums. Da es sich beim Musikgeschmack um eine Geschmacksdimension unter vielen handelt, stellt sich die Frage, warum gerade dieser Aspekt herausgepickt wurde und nicht etwa die Lesegewohnheiten, Shopping, die Mode oder der Fernsehkonsum. Die Auswahl lässt sich aus verschiedenen Gründen erklären. Einerseits handelt es sich bei der Musik, wie Bourdieu (1982: 41, 42) sagt, um „die am meisten vergeistigte aller Geisteskünste“. Denn sie "verkörpert die radikalste, die umfassendste Gestalt jener Verleugnung der Welt, zumal der gesellschaftlichen, welche das bürgerliche Ethos allen Kunstformen abverlangt“ (ebd.: 42). Ande4 Am

Institut für Publizistik und Medienwissenschaft der Universität Zürich sind im Bereich der Medienrezeptions- und -wirkungsforschung verschiedene Ergebnisse in Bezug auf die psychologische Komponente des Musikkonsums publiziert worden. So konnte gezeigt werden, dass Musik zum MoodManagement nicht primär rational eingesetzt wird: Häufig dient sie in schwierigen Situationen nicht der Verbesserung schlechter Laune oder der Verdrängung von Trauer, sondern wird als Stimmungsverstärker eingesetzt (Schramm 2005). 5 In Deutschland gehören schätzungsweise nur 20% aller Jugendlichen einer Jugendszene an (Spiegel 2009).

3


1

EINLEITUNG

rerseits spielt die soziale Komponente beim Musikgeschmack eine deutlich wichtigere Rolle als beispielsweise bei der Lektüre von Büchern. So sind gewisse Subkulturen und Jugendszenen klar an einer bestimmten Musikrichtung orientiert und stellen diese - verknüpft mit anderen Aspekten - ins Zentrum ihres Lebensstils (Hebdige 1979, Thornton 1996). Zu nennen sind die Hip-Hop-, die Punk-, aber auch die noch relativ junge Emo-Szene (Lena 2006, Williams 2006, Rickman & Solomon 2007). Die stark alltagsstrukturierende Funktion der Musik, besonders bei Jugendlichen, zeigt sich auch darin, dass ein beträchtlicher Teil der Freizeit mit musikzentrierten oder musiknahen Aktivitäten verbracht wird und dass Musikhören zu den beliebtesten Hobbys gehört (Statista 2009a, b)6 . Schliesslich kommt die persönliche Motivlage als Erklärung für die Themenwahl der Lizentiatsarbeit hinzu. In der vorherigen Forschungsarbeit habe ich mich mit der Lebensstilforschung und der Homogenität und Heterogenität expressiver Muster - besonders des Freizeitverhaltens - in Haushalten auseinandergesetzt (Lutz 2009). Dabei ergab sich die Problematik der Vieldimensionalität und Komplexität eines so breit gefassten Begriffs, wie es der Lebensstil ist. Die Operationalisierung der Stile in jener Arbeit war, z. T. aufgrund der Datenlage, etwas unbefriedigend und liess mich mit dem Wunsch zurück, mit besser geeigneten Daten tiefer in einen kultursoziologisch relevanten Bereich der Lebensführung einzutauchen. In der spezifischeren und leichter fassbaren Konzeption des Geschmacks im Vergleich zum Lebensstil kommt eine gesellschaftliche Dimension zum Tragen, die zu meinem Bedauern damals unreflektiert blieb. Somit bot es sich an, in einer leicht anders gelagerten, aber doch zum vorherigen Thema nicht völlig bezugsfreien Lizentiatsarbeit genau diese Aspekte auszuarbeiten und mit solidem empirischem Material einer eingehenden Überprüfung zu unterziehen... Und wem das alles als Begründung noch nicht genügt, dem seien die folgenden Seiten zur Lektüre empfohlen, um sich selbst ein Urteil zu bilden. Mir jedenfalls hat die Verfassung der Arbeit (grösstenteils7 ) Spass gemacht und mancher Satz klang wie Musik in meinen Ohren. Aufbau der Arbeit Diese Arbeit gliedert sich in sechs Kapitel. Nach der Einleitung legt der theoretische Teil die Grundlage für die später präsentierten Hypothesen und die empirische Untersuchung. Kapitel 2 ist in vier Abschnitte unterteilt: Zunächst werden die wichtigsten Begriffe der Arbeit aufgeschlüsselt und definiert. Zentral figurieren hier die Termini des Genres, des Geschmacks und der symbolischen Grenzziehung 6 Laut

Shell-Jugendstudie ist Musikhören in Deutschland noch vor Fernsehen und sich mit Freunden treffen die beliebteste Freizeitaktivität bei den 12-25 Jährigen und auch in der repräsentativen Typologie der Wünsche Umfrage rangieren Radio hören und CDs, MP3, Kasetten hören sehr weit oben (ebd.). 7 Ein exploratives Strukturgleichungsmodell ergab einen Anteilswert von 0.9, d. h. zu 90% hat mir die Arbeit Spass gemacht. Das zugehörige Modell ist leider im Zuge der Festplattenformatierung verloren gegangen und kann weder im Anhang dieser Arbeit noch sonstwo eingesehen werden... Sorry.

4


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EINLEITUNG

(2.1). Abschnitt 2 reflektiert sodann Ansätze, die sich mit Determinanten der Breite musikalischer Präferenzen auseinandergesetzt haben. Spezielles Augenmerk wird auf den Zusammenhang von Alter und Musikgeschmack gelegt und die sozialpsychologisch ausgerichtete Theorie unter dem Stichwort der open-earedness (Hargreaves 1982) kommt zur Sprache (2.2). Abschnitt 3, der sich der Zusammensetzung des Musikgeschmacks widmet und den Hauptteil des zweiten Kapitels ausmacht, ergänzt und konstrastiert die psychologische Perspektive aus Abschnitt 2 mit soziologischen Theoriesträngen und Forschungsergebnissen. Behandelt werden die Distinktionstheorie Bourdieus (2.3.1), die Omnivores-These von Peterson (2.3.2) sowie diskursive, subkulturelle und der Jugendforschung entnommene Ansätze zur symbolischen Grenzziehung (2.3.3). Im letzten Abschnitt versuche ich eine Synthese der unterschiedlichen Zugangsweisen zur Breite und Zusammensetzung des Musikgeschmacks: Die tablature des goûts musicaux (Glevarec und Pinet 2009) bietet sich als ein Modell an, das sowohl als Reflexionsgrundlage und Zusammenfassung der gewonnenen Erkenntnisse als auch als Anregung für die Formulierung von Forschungshypothesen dient (2.4). Kapitel 3 behandelt die Forschungsfragen und bringt die aus den Theorien abgeleiteten Hypothesen vor. In Kapitel 4 präsentiere und reflektiere ich die Daten der Untersuchung, bespreche die verwendeten Methoden und gehe auf die Operationalisierung zentraler Konstrukte und Variablen ein. Im ersten Abschnitt „Datengrundlage“ thematisiere ich die Datensammlung, die Problematiken dabei und die Spezifika der Online-Community last.fm. Der Datensatz wird mit seinen Variablen zusammenfassend dargestellt und das Stichprobenverfahren erläutert (4.1). In Abschnitt 2 werden die multivariaten Verfahren, die zur Beantwortung der Hypothesen hinzugezogen wurden soweit notwendig erklärt (4.2). Schliesslich behandle ich die Messbarmachung der beiden zentralen Konstrukte „Musikalische Geschmacksbreite“ und „Zusammensetzung des Musikgeschmacks“ (4.3). Das fünfte Kapitel, welches den zentralen Teil dieser Arbeit ausmacht, beinhaltet die Forschungsergebnisse zu den Hypothesen und sieht diese mit Hinblick auf die Theorie diskutiert. Es ist seinerseits in zwei Teile gegliedert. Zunächst gehe ich auf die Forschungsfragen zur musikalischen Geschmacksbreite ein. Nach der Präsentation erster deskriptiver Befunde werden die Hypothesen nacheinander widerlegt oder (vorläufig) bestätigt (5.1). Der gleiche Ablauf kommt bei der Zusammenstellung des Musikgeschmacks zum Tragen. Auch hier folgen die Hypothesen der deskriptiven Analyse (5.2). Im Schlusskapitel fasse ich die Ergebnisse der Arbeit zusammen und ordne sie in den theoretischen und empirischen Kontext ein. Methodische und konzeptionelle Limitationen werden thematisiert und Anknüpfungspunkte für weitere Forschung geliefert. Zuletzt schliesse ich den Rahmen der Arbeit mit einem reflexiven Bezug zur Einleitung.

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2 Theorie So ähnlich wie in Träumen oder in bestimmten Kunstformen gewisse Dinge nicht einfach bloss Dinge waren, sondern immer auch noch für etwas anderes standen, das man jedoch nicht eindeutig benennen konnte. David Foster Wallace

In diesem Kapitel wird das theoretische Grundverständnis für die Betrachtung von musikalischer Geschmacksbreite (Abschnitt 2.2) und symbolischer Grenzziehung (2.3) gelegt. In einem ersten Schritt sollen aber zentrale Konzepte der Arbeit definiert werden (2.1). Zum Schluss des Kapitels werden die theoretischen Erkenntnisse gesammelt und mit Hinblick auf die darauf folgenden Hypothesen synthetisiert (2.4).

2.1 De nition und Spezi zierung des Untersuchungsgegenstands Eine tragende Rolle im weiteren Verlauf der Arbeit wird dem Begriff des Genres zukommen, denn eine Möglichkeit einen breiten Musikgeschmack aufzuweisen, besteht darin Musik vieler Genres zu hören8 . Was aber kann man sich darunter genau vorstellen? Welche Grenzen bestehen zwischen verschiedenen Genres und wie werden sie gezogen? Wie werden kulturelle Objekte einem Genre zugeordnet? All diese Fragen bedürfen der definitorischen Klärung. In der Alltagssprache dürfte mit Genre eine Art und Weise der Gestaltung gemeint sein, die kulturelle Güter zu einer Klasse zusammenfasst, also gegen innen vereint und gegen aussen abgrenzt. Dies kann auf verschiedene Arten geschehen, aber als primäres Kriterium wird in der Musik oft die Form angesehen: Rapmusik zeichnet sich durch Sprechgesang und den Einsatz von Samples aus, im Rock werden traditionellerweise relativ kurze Stücke mit der Instrumentierung „Bassgitarre - E-Gitarre - Drums“ sowie charakteristisch melodiösem Gesang vorgetragen. Die Einteilung reflektiert dann einen spezifischen Stil, also auf welche Art und Weise der musikalische Inhalt dargestellt wird. Der Alltagsbegriff ist jedoch ergänzungsbedürftig, denn ein Genre ist mehr als ein Stil oder eine Form eines Kunstwerkes. In der wissenschaftlichen Literatur lassen sich drei Dimensionen ausmachen, anhand derer Kunst8 Ausser

Acht gelassen werden dadurch freilich die genreinternen Heterogenitäten und möglichen Differenzierungen in der Breite der Genres selbst. So kann ein Heavy Metal Fan, der nur dieses eine Genre hört, aber innerhalb der Stilrichtung offen gegenüber den verschiedensten Formen und Variationen ist, einen ebenso breiten Musikgeschmack aufweisen wie ein Hörer elektronischer Musik, klassischer Musik, Folk und Rap, der sich jedoch innerhalb dieser Stile nur einen einzigen Künstler rausgreift oder ganz selektiv Subgenres herauspickt. Siehe dazu mehr in Abschnitt 2.3.

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werke in Genres eingeteilt werden können (Diaz-Bone 2002: 158): die Form, das Thema oder der Inhalt und das Publikum. Je nach Fokus der Theorie oder empirischer Herangehensweise werden andere Aspekte betont. Di Maggio (1987) geht z. B. stark auf den sozialen Aspekt ein, also auf das Publikum. Seine Ansetzung des Genrebegriffs geschieht sozialstrukturell und reflektiert sowohl die Produktions- als auch die Rezeptionsbedingungen kultureller Güter. Genres seien inhaltlich und formal nicht kohärent genug, damit diese Dimensionen als Einteilungsgrundlage dienen könnten. Erst im sozialen Zusammenhang entfalten sie ihre Wirkung und die Deutungen unterscheiden sich je nach Situation und räumlichen sowie zeitlichem Rahmen. So dienen kulturelle Güter und Genres als Markierer des Geschmacks und erlauben Identifikation und Distinktion (dazu mehr in Abschnitt 2.3): „I consider processes by which genre distinctions are created, ritualized, and eroded, and processes by which tastes are produced as part of the sense-making and boundary-defining activities of social groups.“ (ebd.: 441) Eine solche makrosoziologische Genretheorie, die die formalen und inhaltlichen Merkmale weitgehend ausblendet, greift jedoch in verschiedener Hinsicht zu kurz. Zum einen kann nicht abgestritten werden, dass auch formale Kriterien in die Genrebildung mit hineinspielen, zum anderen müssen die sozialen Mechanismen, mittels derer Genrekonstruktionen wirken, genauer beleuchtet werden. Das geschieht bei Crane (1992), indem sie Techniken, soziale Rollen und besondere Qualitäten berücksichtigt. All diese Aspekte werden über die Medien diskursiv als Genrewissen mitaktualisiert (Diaz-Bone 2002: 160). Einen besonderen Stellenwert nehmen dabei künstlerische Konventionen ein (Becker 2008), die sich ihrerseits in zwei verschiedene Ebenen unterteilen lassen: stilistische Konventionen und evaluative Konventionen. Durch die Berücksichtigung diskursiver Komponenten bei der Bildung von Genres, also durch die Integration evaluativer Komponenten in den Modellrahmen, wird die Kontingenz und situative Bedingtheit klassifizierender Begriffe, z. B. der Genres, erst offensichtlich. Diaz-Bone unterscheidet in Anlehnung an Crane ästhetische Formen von ästhetischen Schemata. Erstere stellen dabei „die künstlerischen Konventionen und Formen, die in einer Kulturwelt über die Zeit hervorgebracht worden sind“ (Diaz- Bone 2002: 162) dar, letztere geben die Diskurse wieder, mit denen diese Formen „reflektiert und [...] problematisiert werden“ (ebd.). Erst durch die Verknüpfung und Inbezugsetzung der Formen mit den Schemata werden die Genres ästhetisiert und gewinnen Wirkkraft. Die folgende Tabelle fast die Unterscheidung von Formen und Schemata zusammen. Die diskursive Komponente spielt beim Wandel von Genres eine wichtige Rolle. Dementsprechend ist sie bei der Bewegung von Genres durch den Raum der Lebensstile - als Paradebeispiel kann die Aufwertung des Jazz’ genannt werden (Lopes 2002) - stets mitzuberücksichtigen, will man eine ganzheitliche Perspektive der Genredynamiken haben.

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Tabelle 1: Differenzierung von Formen und Schemata

Ästhetischer Aspekt

enthalten in

Kulturelle Formen (Harmonien, Kompositionen, Stil)

kulturellen Materialien (Musiken, Bildern, Texten)

Schemata (Oppositionen, Semantiken für Bewertung, Beurteilung, Begründung)

distinktiven Diskursen Quelle: Diaz-Bone (2002: 164)

Zusammenfassend wird unter einem Genre in dieser Arbeit Folgendes verstanden: Ein konzeptionelles Werkzeug zur Klassifizierung kultureller Produkte, das künstlerische Ausdrucksweisen beschreibt und damit sowohl für die Künstler selbst als auch für ihre Netzwerke und ihr Publikum handlungsleitend und identitätstiftend wirkt (Lena & Peterson 2008: 697). Ein weiterer Begriff, der der definitorischen Klärung bedarf, ist der Geschmack. Während seine Bedeutung ursprünglich auf einen Sinneseindruck verweist und das Schmecken als körperlichen und kognitiven Akt werturteilsfrei in sich enthält, spielt seine normative und moralische Komponente in der Entstehungsphase - im 18. Jahrhundert - auch im Zusammenhang mit Musik eine entscheidende Rolle (Gebesmair 2001: 25-29). Durch das Aufkommen des Bürgertums, besonders in den städtischen Gebieten, etablierten sich Diskussionen um Werke der Musik und der bildenden Kunst, die relativ losgelöst von religiösen und politischen Zwängen stattfinden konnten. „Es formierten sich nicht nur gesellschaftliche ’Klassen’, die sich gegenseitig eines schlechten Geschmacks bezichtigten, sondern zuerst einmal geographische Regionen, die in Abgrenzung zueinander definiert waren. [...] Und in der Tat ist in den Auseinandersetzungen bis ins 19. Jahrhundert immer wieder vom Geschmack mit Bezug auf eine spezifische Nation die Rede: vom französischen ’gout’ oder von italienischer ’Art’, von deutschen, aber auch von den in den jungen slawischen Staaten entstehenden Stilen.“ (ebd.: 29) Prägend für die weitere Diskussion im Bereich der Ästhetik und in Bezug auf die Beantwortung der Frage, was denn der Geschmack sei, sollte Immanuel Kant mit seiner dritten grossen Kritik werden. Es würde zu weit führen hier die philosophische Konstruktion des (Geschmack)Begriffs in der „Kritik der Urteilskraft“ zu rekonstruieren (vgl. Frackowiak 1994 für

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eine begriffsgeschichtliche Herleitung). Zentral ist jedoch die strikte Trennung von „interesselosem Wohlgefallen“ als Ausdruck dessen „was gefällt“ und dem „Interesse der Sinne“, also dem, „was vergnügt“ (Bourdieu 1982: 82). Aus diesen Überlegungen folgt dann die Definition des Geschmacks als „das Beurteilungsvermögen eines Gegenstands oder eine Vorstellungsart durch ein Wohlgefallen, oder Missfallen, ohne alles Interesse.“ (Kant 1963: 79, zitiert nach Gebesmair 2001: 34) Die Vorstellung des Geschmacks als persönliches Urteilsvermögen und Ausdruck subjektiver Erfahrung dürfte heute weit verbreitet sein9 . Sie ist aber nicht vollständig und referiert auf einen philosophischen Gedanken, der mit dem Alltagswissen und der gesellschaftlichen Erfahrung bricht. Was Geschmack hier - d. h. im sozialen Kontext - genau bedeutet wird etwas klarer, wenn man sich vor Augen führt, welche Assoziationen verschiedene Adjektive zum Geschmack in sich tragen: geschmackvoll, geschmacklos, geschmacksneutral oder geschmäcklerisch. Stets schwingt eine latente Wertung mit und es zeigt sich, dass der Geschmack als Zeichen und Markierer stark gesellschaftlich konstruiert ist. Am deutlichsten kommt dies bei Bourdieu (1982) zum Ausdruck, wie wir noch sehen werden. Als Arbeitsdefinition scheint mir ein empirischer Geschmacksbegriff sinnvoll, der vom oben skizzierten Konzept der Urteilsfähigkeit Abstand nimmt und die Vorlieben und Abneigungen der Individuen beschreibend thematisiert: „Taste in this sense is the fact or condition of liking or preferring something [...] A taste for something just is the subjective pleasure that one takes in it.“ (Baer 2010: Abschnitt 6) Der Musikgeschmack, der eine Unterart des Geschmacks darstellt, trägt soziale Implikationen mit sich und unterscheidet sich dadurch vom in der Psychologie häufig verwendeten Terminus der musikalischen Präferenzen (Gebesmair 2001: 47). „Im Begriff ’Musikgeschmack’ kommt eben der Aspekt der sozialen Zuordnung und Abgrenzung zum Ausdruck [...]“ (ebd.: 48)10 . Ein letzter wichtiger Begriff, der definiert werden muss, ist die symbolische Grenzziehung. Der Ausdruck stammt aus der amerikanischen Soziologie und wurde wesentlich von Michèle Lamont geprägt (Lamont 1992, Lamont & Molnar 2002). Neben der symbolischen Grenzziehung werden zwei weitere Formen angesprochen: moralische und soziale11 Grenzziehung. Erstere dreht sich um Einordnungen zu moralischen Fragen und Standards, also wie man sich z. B. in Bezug auf Ehrlichkeit, Arbeitsethik und Integrität im Vergleich zu anderen Leuten beurteilt und von ihnen abgrenzt (Lamont 1992: 4). Letztere bezieht sich auf unterschiedli9 Dies

zeigt sich beispielsweise in Interviews, wo es den Leuten schwer fällt ihren Geschmack in Worte zu fassen und wo die Wahrung der Individualität stets betont wird (vgl. Muggleton 2000), z. B. durch Sätze wie „Das gefällt mir einfach“. 10 Aus stilistischen Gründen wird im Laufe der Arbeit der Begriff der musikalischen Präferenzen z. T. synonym mit dem des Musikgeschmacks verwendet. Die Bedeutung wird dabei jedoch - wenn nicht anders vermerkt - stets diejenige des Musikgeschmacks sein. 11 Diese Form wird von Lamont (1992: 4) auch „sozioökonomische Grenzziehung“ genannt.

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che Positionen im sozialen Raum und läuft entlang soziologisch relevanten Merkmalen wie Alter, Bildung, Herkunft, Einkommen oder Vermögen: Es geht also um die Verteilung gesellschaftlicher Ressourcen und die daran anschliessenden Verortungen. Symbolische Grenzen schliesslich werden definiert als „conceptual distinctions made by social actors to categorize objects, people, practices, and even time and space“ (Lamont & Molnar 2002: 168). Sie erlauben es uns durch distinktive Akte eine spezifische Identität auszubilden, indem wir Elemente in unser Leben integrieren, die zu uns passen, und uns von Unpassendem distanzieren. Durch die Kategorisierung von Gütern, z. B. Musik, Kunst oder Einrichtungsgegenständen, oder Labeling von Personen - „Punk“, „Szeni“, „Langweilerin“ - werden symbolische Grenzen erschaffen, gegeneinander ausgespielt und verstärkt. Über die Einbindung in verschiedene Gruppen und die multiple Kreuzung sozialer Kreise (Simmel 1992) sind wir dauernd mit speziellen, z. T. sich gegenseitig widersprechenden, Grenzen konfrontiert und beteiligen uns an symbolischer Grenzziehung (Lamont 1992: 10). Somit sind symbolische Grenzen eng mit sozialen Grenzen verknüpft und stehen in einem Bedingungsverhältnis mit ihnen, indem sie als Voraussetzung für sie dienen: Damit soziale Grenzen wirksam werden, müssen ihnen symbolische Markierungen und Abgrenzungen vorausgehen12 . In der Musik spiegelt sich die Grenzziehung insbesondere in Szeneidentitäten und -distinktionen, Genreeinteilungen, medialen Diskursen und Abneigungen oder Affinitäten gegenüber bestimmten Bands und Künstlerinnen wider, wie wir noch sehen werden (Thornton 1996, Diaz-Bone 2002, Bryson 1996).

2.2 Breite des Musikgeschmacks Bei der Frage nach der Breite des Musikgeschmacks hat die sozialpsychologische Forschung mit dem Konzept der open-earedness (Hargreaves 1982) einen Ausgangspunkt für die empirische Untersuchung musikalischer Präferenzen gelegt. Sie beschreibt die Offenheit gegenüber unterschiedlichen Stilen und Kompositionen und kann im Rahmen standardisierter Umfragen oder Experimente mit dem „klingenden Fragebogen“ (Karbusicky 1975) erhoben werden: Die Probanden bekommen verschiedene Musikausschnitte vorgespielt, die anhand unterschiedlicher Merkmale variiert werden können, z. B. nach Genre, Komplexität oder Tempo. Anschliessend geben die Untersuchungsteilnehmerinnen ihre Präferenzen auf einer Likert-Skala an (hat mir gar nicht gefallen - hat mir sehr gefallen). Die open-earedness lässt sich ermitteln, indem die Präferenzen für verschiedene Musikstile summiert werden. 12 Wenn

beispielsweise weisse Mittelschichtsangehörige in den USA sich symbolisch von Angehörigen anderer Ethnien abzugrenzen versuchen, z. B. über die Namensgebung, Konsumpraktiken und Propagierung spezieller Werte („Arbeitsethos, Fleiss“), wird die Hautfarbe oder die Herkunft zum Kriterium sozialer Ungleichheit und damit zu einer sozialen Grenze.

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Bei hoher Zustimmung zu verschiedenen Genres und der positiven Bewertung ganz unterschiedlicher Musik, ist von einem „offenen Ohr“ die Rede: Die Person weist eine hohe musikalische Toleranz auf. Zu den Geschmacksurteilen fragen die Versuchsleiter auch soziodemographische Merkmale ab, die in der Analyse mit dem jeweiligen open-earedness Score in Zusammenhang gebracht werden. So hat Hargreaves herausgefunden, dass die Toleranz gegenüber verschiedenen Musikformen stark altersabhängig ist (ebd., North & Hargreaves 2008). Während in der Pubertät noch ein enges Spektrum an gemochter Musik vorherrscht, verbreitert sich der Geschmack danach, d. h. im jungen Erwachsenenalter ist die grösste open-earedness festzustellen. Später nimmt die Offenheit wieder ab, so dass Alter und openearedness umgekehrt u-förmig zusammenhängen. Die folgende Grafik13 zeigt den Zusammenhang auf14 :

Abbildung 1: Zusammenhang zwischen Alter und musikalischer Geschmacksbreite

Problematisch bei diesem Konzept sind besonders die methodischen Grenzen und die damit einhergehende Alltagsferne (North & Hargreaves 2008: 107). So ist die open-earedness nicht mit der musikalischen Geschmacksbreite gleichzusetzen. Bei letzterer handelt es sich um eine manifeste Äusserung des Geschmacks, die im individuellen und gesellschaftlichen Leben einer Person verankert ist und somit im Alltag konkret zum Ausdruck kommt. Die open-earedness gibt jedoch nur auf der Einstellungsebene an, ob einem ein bestimmtes Sam13 Alle

Abbildungen sind, wenn nicht anders deklariert, eigene Darstellungen. Zahlen geben beispielhafte Altersjahre an. 12 markiert die Pubertätsphase, wo die musikalische Geschmacksbreite relativ gering ist, aber ansteigt, 24 markiert den Höhepunkt der Phase der Postadoleszenz und 40 steht für das Erwachsenenalter.

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ple gefällt. Zu bedenken gilt es dabei, dass die vorgespielten Stücke losgelöst vom gesellschaftlichen Kontext in der isolierten Befragungs- oder Experimentsituation beurteilt werden. Möglicherweise handelt es sich also um Stücke, die den Probanden gefallen, die sie aber aus bestimmten Gründen, wie Restriktionen, fehlender Zugang, sozialer Druck etc. trotzdem nicht hören. Andererseits konsumieren sie im Privatleben Songs, die sie nicht mögen, aber trotzdem irgendwie aufschnappen. Hinzu kommen die bei Befragungen oft vorhandenen Effekte der sozialen Erwünschtheit, der Beeinflussung durch den Interviewer oder der Akquieszenz, um nur ein paar wenige zu nennen (Diekmann 1995: 382-403). Diese können zu einem verzerrten Urteil führen, das mit dem Verhalten in Alltagssituationen nicht deckungsgleich ist. Während also die musikalische Geschmacksbreite, so wie sie in dieser Arbeit aufgefasst wird, angibt, was man hört, ist die open-earedness ein Indikator dafür, was einem gefällt. Trotzdem bildet sie einen guten Ausgangspunkt zur Formulierung der Hypothesen, da sich anhand ihrer Resultate der latente Musikgeschmack als Ausdruck dessen, was einem gefällt, und der manifeste Musikgeschmack, als Hörverhalten im gesellschaftlichen Kontext, vergleichen lassen. Es wird sich zeigen, ob sich die Ergebnisse, die bei der open-earedness gefunden wurden auch für die musikalische Geschmacksbreite gültig sind. Weitere Alterseffekte bezüglich musikalischen Präferenzen betreffen die Entstehungsphase der gehörten Musik (Holbrook & Schindler 1989). Musikhörende bevorzugen Songs, die in ihrer Jugendphase aktuell waren oder sind, d. h. dann weit oben in den Charts rangierten, gegenüber älterer oder neuerer Musik. Gemäss diesen Befunden stellen die Postadoleszenz und das junge Erwachsenenalter entscheidende Perioden für die Ausbildung des Musikgeschmacks und dementsprechend auch für die musikalische Geschmacksbreite dar. Auch hier ist der Zusammenhang zwischen dem Alter und der abhängigen Variablen umgekehrt u-förmig, nur handelt es sich bei der zu erklärenden Grösse nicht um die Geschmacksbreite, sondern um die musikalische Präferenz. Als mögliche Erklärungsfaktoren für die Befunde sehen die Autoren Gruppendruck, Medienkonsum und auch die Vertrautheit mit den popkulturellen Mustern in der postadoleszenten Lebensphase (ebd.: 123, 124). Weil sich die Resultate auf die Popmusik - und darin auf den engen Bereich von Charthits - beschränken, bleibt die Frage, ob ähnliche Effekte auch für ein breiteres Spektrum von Musik zutreffen. So würden wir erwarten, dass Leute, die in den 1940er Jahren geboren werden auch heute noch besonders häufig Musik der 60s hören, solche die in den 1950er zur Welt gekommen wären erfolgreichen Bands und Artists aus den 70s besonders zugeneigt usw. Ob dies auch für die Schweiz und am Computer gehörte Musik zutrifft, wird eine zu beantwortende Frage sein.

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2.3 Zusammenstellung des Musikgeschmacks mit besonderem Fokus auf symbolische Grenzziehung Die Zusammenstellung des Musikgeschmacks ist letztlich nur schwer von der musikalischen Geschmacksbreite zu trennen. Wie verschiedene Genres, Bands und Künstlerinnen kombiniert werden, wirkt sich auch darauf aus, wie breit ein Geschmack ist. Dieser Abschnitt erweitert deshalb die vorher gestellte Frage „Wie viele (Sub)Genres oder Künstler hört eine Person?“ wie folgt: „In welcher Zusammenstellung von (Sub)Genres oder Künstlern hört eine Person Musik?“ (van Eijck 2001: 1170) Hier müssen die feldspezifischen Wertigkeiten der musikalischen Güter betrachtet werden, schliesslich können (Sub)Genres und Künstler in ihrer gesellschaftlichen Wahrnehmung je nach Feld unterschiedlich gelagert sein (Bourdieu 1993, 1999). Dementsprechend wahrscheinlich oder unwahrscheinlich ist eine Kombination verschiedener Stile, Bands oder Künstler in spezifischen gesellschaftlichen Settings. Es bieten sich deshalb soziologische Modelle zur Erklärung der Komposition des Musikgeschmacks an. Die tablature des goûts musicaux von Glevarec und Pinet (2009) dient mir als theoretischer Aufhänger für die Betrachtung der Zusammenstellung des Musikgeschmacks. Im Gegensatz zum Konzept der open-earedness handelt es sich hier um einen soziologischen Zugang. Da sich die beiden französischen Autoren in ihrem Aufsatz eingehend mit zwei zentralen Theorien der Kultur- und Musiksoziologie - der Omnivores-These von Richard Peterson und der Distinktionstheorie von Pierre Bourdieu - auseinandersetzen, diese Ansätze jeweils kritisch hinterfragen und ein eigenes Modell vorschlagen, das zumindest in Frankreich besser in der Lage ist die aktuelle empirische Realität in Bezug auf musikalische Präferenzen zu fassen als die beiden genannten, bietet es sich an dieses neue Konzept als Grundlage heranzuziehen. Der kultursoziologisch wenig bewanderte Leser soll dabei die theoretische Herleitung der tablature nachvollziehen können. Es ist deshalb unverzichtbar, sowohl Bourdieus (1982) Konzept der Distinktion (Unterabschnitt 2.3.1) als auch Petersons (1992, Peterson & Kern 1996) Omnivores-These (2.3.2) zu besprechen. Die angedeuteten und auf der Makroebene angesiedelten Modelle müssen ferner durch eine mikrosoziologische Fundierung der Organisationsprinzipien von Genres ergänzt werden (Sonnett 2004: 248). Dies geschieht im dritten Unterabschnitt (2.3.3) durch die Präsentation verschiedener Zugriffe auf das Phänomen der symbolischen Grenzziehung. Thematisiert werden diskurstheoretische Ansätze, in denen genrespezifische Diskurse15 zur Sprache kommen (Diaz-Bone 2002), die Integration in Szenen und Subkulturen (Muggleton 2000, 15 Gemeint

ist die Szeneliteratur, z. B. Musikzeitschriften oder Fanzines, wo die Genres ihre Werte und distinktiven Funktionen zugeschrieben bekommen.

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Hebdige 1979, Thornton 1996) sowie zusätzliche verstreute Zugänge aus der Jugendforschung und der mikrosoziologisch-qualitativ ausgerichteten Kultursoziologie. Die zwei musiksoziologischen Perspektiven, wie sie stichprobenartig in den Unterabschnitten 2.3.1 und 2.3.2 vs. 2.3.3 zur Geltung kommen, äussern sich in unterschiedlichen empirischen Methoden: „Research on musical boundaries already reflects these two directions. One approach uses survey data to investigate patterns of inclusiveness and exclusiveness in musical tastes. Another uses historical and qualitative methods to develop understandings of the cultural mechanisms organizing cultural tastes, and recent studies work on integrating these approaches.“ (Sonnett 2004: 248) Die beiden Seite der Medaille können also in einem weiteren Schritt auf ein weisses Blatt graviert und zusammen betrachtet werden. Allerdings ist die urpsprüngliche Trennung analytisch und idealtypisch, denn sowohl bei Bourdieu (1982) und der Omnivores-These als auch im heterogenen Feld der mikrosoziologischen Subkultur-, Szene-, Diskurs und Grenzziehungsansätze finden sich Ergänzungen durch den jeweils anderen Zugang16 . Die Kombination von Struktur- und Handlungsebene wurde denn auch schon mehrfach erfolgreich umgesetzt und soll für diese Arbeit inspirierend wirken (vgl. Katz-Gerro 1999, Warde et al. 2008, van Eijck 2001 oder Bennett et al. 2008).

2.3.1 Pierre Bourdieus Distinktionstheorie als Ausgangslage Ein zentrales Momentum in Pierre Bourdieus Gesellschaftstheorie stellt zweifellos die Distinktion dar. In seinem wegweisenden kultursoziologischen Klassiker „Die feinen Unterschiede“ ist dieses soziale Phänomen nicht umsonst im französischen Original titelgebend: „Die Entdeckung der grossen empirischen Untersuchung der habituell strukturierten Lebensstile in der französischen Gesellschaft der 60er und 70er Jahre ist der Mechanismus der Distinktion. Materialreich demonstriert Bourdieu, wie sich die sozialen Unterschiede im Bereich des Geschmacks fortsetzen.“ (Diaz-Bone 2002: 31) Indem kulturelle Güter in der Bewertung und Rezeption mit unterschiedlichen ästhetischen Urteilen belegt werden, erhalten sie distinktiven Wert17 . Bekannt sind die Beispiele 16 Bei Bourdieu (1982) geschieht dies beispielsweise durch das Einfügen von Interviewfragmenten, Aussschnit-

ten aus Zeitschriftenartikeln oder Fotos und bei Thornton (1996) und Rief (2009) durch die Betrachtung repräsentativer statistischer Daten zum Unterhaltungs-, Club und Nightlifesektor. 17 Diese Komponente der sozialen Wirklichkeit spiegelt die latente Ebene der Einschätzungen und Werurteile wider und entspricht dem, was Bourdieu in seinem Habituskonzept als „Wahrnehmungs- und Denkschemata“ bezeichnet (Bourdieu 1987: 112).

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zur Bewertung abstrakter Kunst: Je nach kulturellem Kapital und sozialer Herkunft des Betrachters werden Kunstwerke unterschiedlich gedeutet. Für die Automechanikerin oder den Bauer aus der unteren Klasse steht eher die funktionale und handwerkliche Komponente im Vordergrund. Ein Bild sollte gefallen und man sollte darin das Können der Malerin erkennen. Im Gegensatz dazu werden Personen, die über ein hohes Kapitalvolumen verfügen und durch die schulische und familiäre Ausbildung speziell viel kulturelles Kapital angehäuft haben - also eher in der rive gauche angesiedelt sind, geht man auf den sozialen Raum Bourdieus (1982) zurück - das gleiche Bild stärker unter formalen oder kontextspezifischen Gesichtspunkten reflektieren. Aber nicht nur die ästhetische Reflexion eines kulturellen Guts unterscheidet sich je nach sozialem Hintergrund, sondern auch die konkrete Wahl der Objekte, die zu einem passen18 . Denn die Strukturierung des sozialen Raums sorgt dafür, dass die Individuen mit erhöhter Wahrscheinlichkeit distinktiv konnotierte kulturelle Güter wählen, die nahe bei ihnen liegen und damit vertraut wirken. Somit wird der soziale Raum vom Raum der Lebensstile überlagert, wo die kulturellen Güter als Komponente der Lebensstile durch die Integration in den Alltag praktischen Wert erlangen. Es gibt also Praktiken und Güter, welche für die gesellschaftliche Position einer Person im sozialen Raum angemessen sind und die deshalb selbstverständlich gewählt werden und solche die nicht passen und die man aussen vor lässt. Bezeichnenderweise fasst der Wählende selbst diesen Wahlakt als subjektiven Ausdruck der Freiheit - des persönlichen und höchstindividuellen Geschmacks - auf und nicht als strukturierte gesellschaftliche Zuordnung. Die Unbewusstheit und durch Inkorporation erzeugte Selbsverständlichkeit gesellschaftlicher Praxis kommt im Konzept des Habitus zum Ausdruck, dem Bindeglied zwischen dem Raum der sozialen Positionen und dem Raum der Lebensstile. „Als einverleibte, zur Natur gewordene und damit als solche vergessene Geschichte ist der Habitus wirkende Präsenz der gesamten Vergangenheit, die ihn erzeugt hat“. (Bourdieu 1987: 105) An anderer Stelle ist vom Habitus als „zur Tugend gemachten Not“ die Rede (ebd.: 100, 101). Im unbewussten Gespür für die positionale Angemessenheit und Zweckmässigkeit der Dinge, insbesondere der kulturellen Güter, kommt eine Konfiguration zur Geltung, die in der deutschen Übersetzung des englischen „sense of one’s place“ (Goffman 1951: 297) nur unzureichend wiedergegeben werden kann. Auch Musik lässt sich zu den Gütern kulturellen Konsums zählen und distinktive Wertigkeiten sind in unterschiedlichen Werken und Künstlern inkorporiert. Bourdieu zeigt auf, dass Personen aus der herrschenden Klasse bessere Kenntnisse im Bereich der Hochkultur und Avantgarde aufweisen und deutlich häufiger solche Musik mögen als Leute aus dem 18 Diese

Komponente der sozialen Wirklichkeit spiegelt die manifeste Ebene der Handlungen und Praktiken wider und entspricht dem, was Bourdieu in seinem Habituskonzept als „Handlungsschemata“ bezeichnet (Bourdieu 1987: 112)

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Kleinbürgertum oder der unteren Klasse (Bourdieu 1982: 34-36, 54-57). Der Musikgeschmack ist also klassenabhängig und steht in Homologie zu den Ressourcen, die eine Person aufweist. Die Kapitalstruktur und das Kapitalvolumen bestimmen gemäss dieser Vorstellung weitgehend darüber, welche Musik wir präferieren und mit welchen Genres wir uns nicht vertraut fühlen (Emmisson 2003). In Bourdieus Theorie wird strikt zwischen Hochkultur und Populärkultur unterschieden. In Bezug auf die Zusammenstellung des Musikgeschmacks ist eine unbeschwerte Mischung von Genres aufgrund der starken Kopplung musikalischer Präferenzen mit der Position im sozialen Raum und der damit einhergehenden Hieararchisierung der Musikrichtungen somit unwahrscheinlich. Erwartungsgemäss finden wir spezifische Muster, je nachdem wo im sozialen Raum wir uns befinden: In der herrschenden Klasse konsumiert man hochkulturelle Musik - also Werke der Klassik und z. T. auch avantgardistischer Strömungen des Jazz - und grenzt sich strikt gegenüber Formen der populären Kultur ab. In der beherrschten Klasse ist man der Populärkultur zugeneigt und weiss mit der Hochkultur wenig anzufangen. In der mittleren Klasse legt man ein prätentiöses Verhalten an den Tag und versucht die herrschende Klasse nachzuahmen, jedoch ohne grossen Erfolg, da diese immer wieder neue Distinktionen hervorbringt und sich so stets abzugrenzen vermag. In Bourdieus Gesellschaftsportrait Frankreichs in den 1960er Jahren stehen Ravel und Bach für den legitimen Geschmack, Vivaldi mit den Vier Jahreszeiten für den prätentiösen und die populären Chansonniers, insbesondere Guétary, für den Notwendigkeitsgeschmack (Bourdieu 1982: 37). Etwas überspitzt kann die Bourdieu’sche Distinktionstheorie mit Hinblick auf die Zusammenestellung des Musikgeschmacks wie folgt umrissen werden: Jeder hört das, was ihm aufgrund seiner gesellschaftlichen Position zugewiesen wird und die Zuweisungen sind eindeutig, weil Stile - Hochkultur vs. Populärkultur - und Künstler - Ravel vs. Guétary - symbolisch aufgeladen und damit hierarchisch angeordnet sind. Die Genregrenzen sind strikt und ihre Überschreitung stellt eher die Ausnahme als die Regel dar. Musikalische Geschmacksmuster oder Cluster müssten sich also leicht erkennen lassen und wären trennscharf19 .

2.3.2 Richard Petersons Omnivores-These Der amerikanische Kultursoziologe Richard Peterson stellte 1992 in seinem Aufsatz „Understanding audience segmentation: from elite and mass to omnivore and univore“ und in einem mit Kern veröffentlichten Paper (Peterson & Kern 1996) die Homologiethese von Bourdieu in Frage. In der empirischen Analyse amerikanischer Survey-Daten kommt er zu 19 Hinzugefügt

werden muss, dass die Daten zu „den feinen Unterschieden“ aus den 1960er Jahren stammen und die Musikindustrie zu jener Zeit anders gegliedert war und nicht über die gleiche Angebotspalette wie heute verfügte (Glevarec & Pinet 2009: 616).

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anderen Ergebnissen als der berühmte französische Kultursoziologe. So wie Bourdieu zwischen hierarchischen Geschmacksformen - legitimer Geschmack, prätentiöser Geschmack und Notwendigkeitsgeschmack (Müller 1992: 325-341) - unterscheidet, trennt Peterson high brow und low brow Genres: Während sich die statushohen Omnivoren durch ein breites Spektrum gehörter Genres und besonders durch ein Überschreiten der Grenze von high brow und low brow auszeichnen, konzentrieren sich die statusniedrigen Personen häufig auf einzelne low brow Genres. Dieses Modell lässt sich grafisch mit einer umgekehrten Pyramide veranschaulichen: Im oberen Bereich hören die Omnivoren eine breite Palette von Musikrichtungen (sowohl high brow als auch low brow), im unteren Bereich spezialisieren sich die Univoren auf ganz bestimmte Genres (Otte 2008: 7). Im Anschluss an die Formulierung der Omnivores-These widmete sich eine Flut von Veröffentlichungen deren empirischer Überprüfung in verschiedenen Ländern, für verschiedene Medien und mit unterschiedlichen Datensätzen (vgl. in letzter Zeit Warde & Gayo-Cal 2009, Tampubolon 2008, Lizardo & Skiles 2009, Coulangeon & Lemel 2007, Rössel 2006a, Van Rees et al. 1999 oder Peterson 2005 für einen Überblick). Die Ergebnisse fallen gemischt aus und eine eindeutige Bestätigung und v. a. Übertragbarkeit der These auf andere Kontexte als den amerikanischen Kulturraum lassen sich nicht erkennen. Rössel (2006a: 270) stellt z. B. in seiner Untersuchung zum Filmgeschmack und zu Kinobesuchen fest: „Auch wenn daher die Übertragbarkeit der Idee von Peterson und Kern nicht so deutlich zurückgewiesen werden kann, wie von Neuhoff (2001) vermutet, so sprechen die Ergebnisse nicht für einen deutlichen - die Allesfresser-These bestätigenden - Unterschied zwischen hochkulturinteressierten Personen und anderen Personengruppen in Deutschland.“ Auch aus komparativer Perspektive sind die Befunde nicht eindeutig. So unterscheidet sich der Fernsehkonsum in manchen Ländern zwischen den Statusgruppen kaum, in anderen hingegen zeigen die Statusprivilegierten ein „snobbistisches“ Konsumverhalten, indem sie Genres ablehnen, die der Populärkultur zugeschrieben werden können und insgesamt ein weniger breites Genrespektrum aufweisen als ihr statusniedrigen Landesgenossen (Lizardo & Skiles 2009). Dies betrifft Dänemark, Luxemburg, Frankreich und Österreich. Mit national unterschiedlich ausgestalteten Mediensystemen wird ein möglicher Erklärungfaktor herausgestrichen, der sich vermittelnd auf den Zusammenhang von Status und TV-Geschmack auswirkt: In stärker kommerzialisierten und privatisierten Mediensystemen legen die Leute ein snobbistischeres Konsumverhalten an den Tag als in weniger profitorientierten. Die exemplarischen Ergebnisse verdeutlichen, dass noch viele Fragen in der Omnivorizitäts-Debatte ungeklärt sind: Neben dem kurz angeschnittenen komparativen Defizit sind auch methodische Unklarheiten und gesellschaftliche Konsequenzen eines breiten Musikgeschmacks20 zu 20 Dieser

Punkt betrifft die Frage, ob und inwieweit der Musikgeschmack als soziales Strategem im Sinne wirk-

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nennen (Warde & Gayo-Cal 2009: 120). Bevor also eine gesellschaftsübergreifende oder gar allgemeingültige kultursoziologische Diagnose im Sinne von „Die Omnivoren sind die neuen Snobs“ gestellt werden kann, sollten diese Probleme aus dem Weg geräumt werden. Auf die methodischen Aspekte der Diskussion werde ich später bei der Operationalisierung der Konstrukte ausführlicher eingehen, aber im Groben lassen sich zwei Vorstellungen dessen, was eine Allesfresserin ausmacht, feststellen: Sie hört viele Genres und sie überschreitet die symbolische Grenze von high brow und low brow, d. h. sie hört nicht nur hochkulturelle, anspruchsvolle oder populäre „seichte“ Musik, sondern kombiniert diese Spektren. Die beiden Verständnisse werden auch als Omnivorousness by Volume und Omnivorousness by Composition bezeichnet (Warde & Gayo-Cal 2009). Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die Begriffe: Tabelle 2: Formen der Omnivorizität

Omnivorousness Volume Begriff Operationalisierung Kernidee Verbreitung

by

Geschmacksbreite Anzahl gehörter Genres Statushohe hören viele Genres Viele Studien, zunehmend

Omnivorousness by Composition Zusammenstellung des Geschmacks Überschreitung symbolischer Grenzen Statushohe überschreiten Grenzen Einige Studien

Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Warde & Gayo-Cal (2009)

Während sich die Literatur im Zusammenhang mit der Omnivores-These wesentlich mit der musikalischen Geschmacksbreite und der Überschreitung der Grenzen von high brow und low brow in Abhängigkeit des Status befasst, sind vereinzelt auch Ansätze erkennbar über diese Schwerpunkte hinauszugehen und die Zusammensetzung musikalischer Präferenzen anzuschauen. Besonders hervorgetan hat sich hier van Eijck (2001). Er stellt denn auch ein Defizit der Peterson’schen und an ihn anschliessenden Empirie in genau diesem Bereich fest: „Although Peterson ardently argued for a thorough and ongoing study of patterns of cultural choice, the omnivore-univore thesis has little to say about the way in which consumers combine cultural products.“ (ebd.: 1166, Hervorhebung im Originial) In van Eijcks empirischer Analyse werden vier Geschmacksmuster, so genannte taste patterns, entdeckt, die sich in ähnlicher Form in Schulzes (1992) alltagsästhetischen Schemata wiederfinden: pop, high brow, folk und new omnivore. Die letzte Ausprägung stellt dabei eine Kombimächtigen Kapitals überhaupt zum Einsatz kommt, d. h. wie mit kulturellen Präferenzen Distinktionsgewinne erzielt werden können.

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nation von pop und high brow dar, liegt damit nahe beim Verständnis symbolischer Grenzüberschreitung, wie es in der Omnivores-These zum Ausdruck kommt. Das new omnivore Muster ist positiv von der Bildung abhängig und eher bei Männern als bei Frauen zu finden. Von der sozialen Lagerung dürfte diese Geschmacksausprägung also dem nahe kommen was Schulze (ebd.: 312-321) mit dem „Selbstverwirklichungsmilieu“ umschreibt oder bei anderen Autoren unter dem Begriff der „neuen Mittelklasse“ figuriert (Savage et al. 1992, Wynne & O’Connor 1998). In dieser Bevölkerungsgruppe werden symbolische Grenzen mit grösserer Selbstverständlichkeit überschritten, als dies anderswo der Fall ist. Dementsprechend breit gelagert fällt hier die kulturelle Kompetenz und auch der Musikgeschmack aus. Im Anschluss an Peterson versucht die amerikanische Soziologin Bettany Bryson herauszufinden, ob die Allesfresser wirklich so offen gegenüber verschiedenen Genres sind oder ob die musikalische Toleranz eher selektiv ausfällt, indem gewisse Stile komplett abgelehnt werden. Der Titel ihres vielzitierten Aufsatzes „Anything but heavy metal“ bringt die Exklusion einzelner Genres im Musikgeschmack auf den Punkt. Die Autorin fragt sich, ob es Musikrichtungen gibt, die von vielen überhaupt nicht gemocht werden, also sozusagen verfemte Genres, und ob soziale Muster die musikalischen Abneigungen erklären können. Die Befunde sind eindeutig: Aversionen gegenüber bestimmten Musikstilen sind weit verbreitet und nicht etwa die Ausnahme. Rap wird z. B. von 65% aller Befragten (gar) nicht gemocht und beim Heavy Metal sind es sogar knapp drei Viertel, die (gar) nichts mit dieser Musikrichtung anfangen können (Bryson 1997: 143). Weil in vielen Studien zur Omnivores-These jeweils nur untersucht wurde, welche und wieviele Genres eine Person hört, nicht aber, wie stark die Affinität oder die Aversionen ausfallen, konnten Genreabneigungen nicht ermittelt werden. Denn das Nichthören eine Genres bedeutet nicht automatisch seine Ablehnung. Genau so gut könnte der Nichthörerin das Genre egal sein oder vielleicht mag sie es sogar, präferiert aber andere Stile oder hat aus unterschiedlichen Gründen keine Möglichkeit solche Musik zu konsumieren. Erst bei der Berücksichtigung von Abneigungen wird der vollständigen Zusammenstellung des Musikgeschmacks Rechnung getragen. Auch die musikalischen Allesfresser zeigen dabei systematische Aversionen und sind nur selektiv offen gegenüber Formen populärer Musik. Die Stile, mit denen die Omnivoren21 am wenigsten anfangen können, sind gleichzeitig - vom durchschnittlichen Bildungsniveau der Hörerschaft her gesehen - am weitesten von ihnen entfernt. Es handelt sich um die traditionell eher den tieferen sozialen Schichten zuzuordnenden Richtungen Country, Rap, Heavy Metal und Gospel. Die symbolische Grenzziehung und Distinktion macht also auch vor den Offensten nicht Halt. 21 Bei Bryson werden alle Personen, die wenige Genres ablehnen zu den Allesfressern gezählt. Durchschnittlich

lehnen die Befragten in ihrer Untersuchung sechs Genres ab - bei 18 Antwortmöglichkeiten (Bryson 1996: 888-889).

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THEORIE Bei den statustiefen Univoren hingegen werden die Grenzen deutlicher gezogen und Ab-

neigungen stärker markiert als bei den Allesfresserinnen (Bryson 1997). Dabei spielen Abgrenzungen verschiedener Art eine Rolle. In den USA sind neben der angesprochenen Bildungsvariablen als Dimension des Status22 besonders ethnische und regionale Kriterien wichtig. Die Präferenzunterschiede für Country zwischen tiefgebildeten Weissen und Nichtweissen, d. h. insbesondere Schwarzen und Hispanics, sind beispielsweise deutlich höher als zwischen hochgebildeten Weissen und Angehörigen anderer Ethnizitäten. Gleiches gilt für die regionale Herkunft. Auch hier weisen tief gebildete Personen aus unterschiedlichen Regionen - Norden und Süden in diesem Fall - deutlich höhere Diskrepanzen auf als hoch gebildete. Hinzu kommt, dass die Wahrscheinlichkeit bestimmte Genres nicht zu mögen für bildungstiefe Schichten fast durchwegs grösser ist als für bildungshohe, auch unter Kontrolle der üblichen soziodemographischen Kontrollvariablen23 . Insgesamt ziehen die Univoren also stärkere symbolische Grenzen und sind wenig offen gegenüber einer Vielzahl von Genres. Zudem - und dieser Punkt ist entscheidend - wählen sie ihre Genres entlang klar erkennbarer sozialstruktureller Linien, wie eben Ethnizität, Alter und Geschlecht, was in Übereinstimmung mit Bourdieu auf die gesellschaftliche Prägung des Musikgeschmacks hindeutet und einer freien, interesse- und gleichsam schwerelosen Wahl widerspricht. Die Aussagen der Omnivores-These in Bezug auf die Zusammensetzung des Musikgeschmacks können wie folgt zusammengefasst werden: Es zeigt sich ein komplexeres Bild als bei Bourdieu, aber die Statusabhängigkeit der musikalischen Präferenzen ist weiterhin gegeben. Symbolische Grenzüberschreiterinnen finden sich entweder bei Statusprivilegierten (Peterson 1992, Peterson & Kern 1996) oder bei der neuen Mittelklasse (Van Eijck 2001, Savage et al. 1992, Wynne & O’Connor 1998) bzw. im Selbstverwirklichungsmilieu (Schulze 1992). Dabei werden bis auf wenige Ausnahmen lediglich die Grenzen von Hochkultur und populärer Kultur - oder von high brow und low brow thematisiert - nicht jedoch popkulturinterne Differenzierungen (Parzer 2008). Dieses Defizit bedarf der Revidierung.

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diesem Punkt kommt erneut der Bourdieu’sche Homologiegedanke zum Ausdruck. Die statustiefen Univoren mögen von allen Genres insbesondere hochkulturelle nicht. 23 Die einzige Ausnahme bildet das Genre Country. Hier haben Tiefgebildete eine grössere Chance die Musikrichtung zu mögen als Hochgebildete. Vergleichbare Resultate liegen für die Schweiz nicht vor, doch drängt sich in Anbetracht der Lebensstilforschung und der darin gefundenen bzw. definierten Cluster - Schulzes (1992) „Trivialschema“, Klocke & Lücks (2001: 58) „Häuslicher Harmonietyp“ oder Ottes (2004) „Traditioneller Arbeiter“ - die Vermutung auf, dass auch für deutsche Volksmusik und für schweizerdeutsche Lieder analoge Effekte auftreten.

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2.3.3 Symbolische Grenzziehung: Diskurstheoretische Zugänge und Erkenntnisse aus der Subkultur-, Szene- und Jugendforschung Einen Zugang diskursiver Natur zum Musikgeschmack und insbesondere zur symbolischen Grenzziehung wählt Diaz-Bone (2002). Er untersucht den Heavy Metal- und Technodiskurs in zwei der meistgelesenen Fachzeitschriften im jeweiligen Feld, der Raveline im Techno und dem Hammer im Heavy Metal. Mit der Diskursanalyse gelingt es ihm die subkulturellen Werte und Bereichslogiken festzumachen. Während im Heavy Metal die schweisstreibende Arbeit, das Ethos des Handwerks und die kontinuierliche und stetige Entwicklung im Rahmen der gängigen Formen und Konventionen im Zentrum steht, ist der selbständige unternehmerische und tüftelnde DJ im Heimstudio, der sein Werk auch kommerziell verwerten möchte und die Menge im Club zum Tanzen bringt, der Prototyp der Technoszene. Diese einander diametral gegenüberstehenden Idealvorstellungen werden durch die Fachzeitschriften immer wieder aufs Neue hervorgebracht oder diskursiviert und erreichen den Konsumenten in beträchtlicher Auflage (Schmutz 2009). Die Grenzziehung zwischen den verschiedenen Musikgenres und ihre stetige Reproduktion im Szenehandeln der beteiligten Akteure kann nicht aufgrund sozialer Kriterien allein erklärt werden - z. B. aufgrund der ländlichen Herkunft, der Familienstruktur oder der Einbindung in einen bestimmten Schultyp der Hörerinnen eine Musikstils -, sondern die vermittelnde Praxis diskursiver Akteure muss stets mitreflektiert werden. Die Bourdieu’schen Räume des Lebensstils und der gesellschaftlichen Positionen bedürfen also der Ergänzung durch einen dritten Raum: den Diskursraum24 . Interviews mit Bands und DJs, Konzertberichte und CD-Rezensionen in den Fachzeitschriften unterscheiden sich je nach Genrekontext beträchtlich und tragen dadurch erheblich zur Grenzziehung zwischen Diskursprovinzen, Szenen oder Subkulturen bei. Während geschlossene und normativ stark geladene Diskurse auf eher univore - vielleicht jedoch genreintern differenzierte - musikalische Präferenzen der an ihnen beteiligten Produzentinnen und Konsumenten hindeuten, ermöglichen offene Diskursräume und ein nicht stark festgelegtes Set an Szenemustern, Werten und Normen in ihnen vielfältige, grenzüberschreitende Geschmacksmuster. Die Offenheit eines musikalischen Diskurses ist jedoch empirisch nur schwer zu ermitteln. Die Konsequenzen der Integration diskursspezifischer Aspekte für die Zusammenstellung des Musikgeschmacks sind somit nicht eindeutig aus der Theorie oder bisherigen Untersuchungen ableitbar. Eine fundierte Grundlage zur Untersuchung der symbolischen Geschlossenheit und Offenheit von Genres bietet jedoch die Sammlung, Analyse und Verdichtung der verstreuten 24 Bei

Bourdieu wird dieser Raum lediglich in der Feldtheorie berücksichtigt, nicht aber in den „Feinen Unterschieden“. So lässt sich denn die Ausarbeitung des „Raums der Werke“ (Bourdieu 1999) als Versuch auffassen genau so einen Diskursraum zu konstruieren.

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und heterogenen Literatur im Bereich Szeneentwicklungen, Musikgeschichte - z. B. im Zusammenhang mit der Entwicklung von Künstlerkollektiven (Becker 2008, Lopes 2002) - und Milieustudien bis hin zur Integration von Zeitungs- oder Zeitschriftenartikeln (Lena & Peterson 2008). Diese Synthese der Literatur lässt folgende Phasen erkennen, die Subgenres typischerweise der Reihe nach durchlaufen: Avant-Garde, Scene-Based, Industry-Based und Traditionalist. Die (Sub)Genres wandeln sich also über die Zeit hinweg und werden in den unterschiedlichen Phasen (genre forms genannt) von unterschiedlichen Akteuren getragen. Die folgende Abbildung gibt einen Überblick über die einzelen Phasen und ihre zentralen Merkmale.

Abbildung 2: Genreformen und ihre Merkmale (Lena & Peterson 2008: 702) Je nach Phase sind unterschiedliche symbolische Grenzziehungen zu erwarten. So dürften bei den Scene-Based und den Traditionalist Genres striktere und restriktivere Ingroup/Outgroup Identifikationen vorherrschen als bei der offenen, experimentellen Avant-Garde und den industriell-orientieren und dadurch breit und inklusiv gehaltenen Industry Based Genres. Die Grenzziehung funktioniert in den beiden erstgenannten genre forms nach Prinzipien, die sich sowohl auf der genreübergreifenden als auch auf der genreinternen Ebene restriktiv auf den Musikgeschmack auswirken. Deshalb ziehen traditionelle und szenebasierte Genres strikte symbolische Grenzen und sehen sich stärker isoliert als die Avantgardeund Industrieformen. Wie aus Abbildung 2 ersichtlich wird, haben die Mitgliederinnen der jeweiligen Formen anders geartete „Feindbilder“. Während bei den szenbasierten Formen die Abgrenzung gegen andere Musikrichtungen zu einer relativ geringen genreübergreifenden Differenzierung führt und somit eine schmale musikalische Geschmacksbreite - gemessen an der Anzahl gehörter Genres - impliziert, sind bei den traditionellen Formen noch uniformere oder eindeutigere Identifikationen zu erwarten. Denn bei letzteren legt man besonders genreintern Wert auf Konformität und sanktioniert Abweichler dementsprechend.

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Die strikte symbolische Grenzziehung bei den traditionellen Formen führt zu einer eindeutig veortbaren, und nicht sehr vielschichtigen Zusammenstellung des Musikgeschmacks. In der empirischen Untersuchung ergäben sich dann bei den klar traditionell veortbaren Subgenres wenig Überschneidungen mit Subgenres des gleichen übergeordneten Genres. Problematisch an der Konzeption der Genreformen und der damit einhergehenden Phasenhaftigkeit einzelner Subgenres ist die Tatsache, dass sich die betrachteten Richtungen gleichzeitig mehreren Phasen zugeordnet sehen können. Das Subgenre West Coast Gangsta Rap hat z. B. die Transformation Avant-Garde - Scene Based - Industry-Based durchlaufen und innerhalb des Spektrums finden sich heterogene Anhängerschaften. Hinzu kommt die unterschiedliche lokale Verbreitung der einzelnen Formen und die heterogene Grösse ihres Publikums: Manche Formen können auf eine relativ verstreute und breite Hörerschaft zurückgreifen, andere sind jedoch stark regional konzentriert und begrenzt. Mikrosoziologische Versuche der Fundierung symbolischer Grenzziehung, und somit der Zusammenstellung des Geschmacks, finden sich in der Szene- und Subkulturforschung, beispielweise bei Muggleton (2000) oder Thornton (1996). Hier werden die Involvierten in qualitativen Interviews zu ihrer Identität und zu dem, was ihrer Meinung nach ihre Zugehörigkeit zur Szene ausmacht, befragt. So entstehen facettenreiche Bilder, die zeigen, dass der Akt der symbolischen Grenzziehung oftmals durch Ambivalenzen, Unsicherheiten und ein bewusstes Spiel mit den Grenzen gekennzeichnet ist: Einerseits fühlt man sich zugehörig, andererseits möchte man nicht ins enge Korsett der Typisierung gedrängt werden (Muggleton 2000: 55-79). Oft betonen die Interviewten auch ihre Offenheit gegenüber einer Vielzahl von Stilen, trotz Szenezugehörigkeit (ebd.: 70, 71). Somit drängt sich die Vermutung auf, dass musikalische Offenheit ein szenübergreifendes Kapital darstellt. Ähnlich wie bei der OmnivoresThese stellt sich dann aber die Frage, ob die Präferenzen und Abneigungen nicht selektiv sind und ob genreinterne Hierarchien diese Toleranz nicht ein Stück weit in den Schatten stellen (Bryson 1996). Aufgrund der Heterogenität der Szenen und Subkulturen und der Vielfalt an verstreuten empirischen Befunden im Feld ergibt sich das Desiderat einer Zusammenfassung oder übergeordneten Szene- und Subkulturtheorie, die spezifisch auf symbolische Grenzziehung abzielt. Hier gibt es wenige Versuche einer Synthese der Erkenntnisse: „To date, no one has published a systematic analysis of the characteristic forms that music-making communities take or how they change over time. Instead, historical surveys of popular music focus attention on charismatic performers, analyze works within the canon, and identify cultural factors that promote the growth of music genres [...]. In addition, hundreds of social scientists have stu-

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THEORIE died the structure of particular popular-music communities and the social contexts that shape them.“ (Lena & Peterson 2008: 697, 698) Umso begrüssenswerter sind denn auch die seltenen Versuche der Konzeptionalisierung,

zumeist aus den Cultural Studies und vom Center for Contemporary Cultural Studies (CCCS) in Birmingham. Obwohl z. B. Thornton (1996) ihr Augenmerk primär auf die Londoner Raveund Technoszene richtet, bietet ihr Begriff des subkulturellen Kapitals die Möglichkeit der Übertragbarkeit auf andere Subkulturen. Dieses eng an Bourdieus Verständnis kulturellen Kapitals angelehnte Konzept umfasst verschiedene Facetten: Zum einen geht es um Hipness und Szenewissen, also um die inkorporierte Dimension kulturellen Kapitals, zum anderen auch um objektiviertes Kapital in der Form von Plattensammlungen, passenden Kleidern oder Frisuren (ebd.: 11). Im Gegensatz zum kulturellen kann das subkulturelle Kapital jedoch nur im begrenzten Rahmen der Szene Gültigkeit erheben und wirkmächtig werden. Dort aber ist die Möglichkeit der Umwandlung in andere Kapitalformen gegeben und so lassen sich bei geschicktem Einsatz der Ressource materielle oder soziale Aufstiegspotentiale realisieren. Nicht selten zahlt sich subkulturelles Kapital aus, wie das Beispiel erfolgreicher DJs oder Musik- und Stylejournalisten zeigt. In Hinblick auf den Musikgeschmack bildet das subkulturelle Kapital eine genreinterne Distinktionsachse, die wesentlich zur Strukturierung der Szenen in Insider vs. Outsider und Alternative vs. Mainstream beiträgt (ebd.: 92 ff., Otte 2008: 15-18). So spiegeln sich in den Unterscheidungen zwischen MF Doom und 50 Cent, Pantha du Prince und Scooter, Stockhausen und Vivaldi, Deerhoof und Bon Jovi oder auch Sunn O))) und Manowar zwei genreübergreifende Bedeutungsgehalte wider, deren jeweilige Kenntnis und Wertschätzung zu einem grossen Teil - neben soziodemographischen Faktoren wie Alter und Geschlecht - durch die ungleiche Ausstattung des Publikums mit subkulturellem Kapital erklärt werden kann: auf der einen Seite die Kennerinnen und subkulturell gebildeten Insider auf der anderen Seite der blasse, etwas plumpe und auf die Distinktionsmechanismen pfeifende Mainstream. Zwar ist diese Trennung hoffnungslos überspitzt dargestellt25 , aber sie soll die Aufmerksamkeit auf einen in der kultursoziologischen Tradition viel zu wenig beachteten wunden Punkt legen, nämlich die genreübergreifenden, aber insbesondere genreintern gültigen Differenzierungsstrategien und -praktiken. Denn die MF Doom, Pantha du Prince, Stockhausen, Deerhoof und Sunn O))) Fans dürften untereinander homologer sein als mit den Fans am anderen Ende des Mainstream/Insider-Spektrums innerhalb der Genres Rap, elektro25 Daneben

gibt es denn auch eine Vielzahl von Sängerinnen und Bands, deren Beurteilung fast durchs Band positiv oder negativ ausfällt, die also kaum Distinktionspotential in sich tragen. Oft handelt es sich dabei um „Klassiker“: Im Popbereich sind z. B. die Beatles und Michael Jackson zu nennen, im Rap Run DMC oder im Indie-Bereich Sonic Youth.

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nische Musik, klassische Musik, Rock und Metal. Symbolische Grenzziehung findet damit nicht nur zwischen Genres statt, sondern auch und insbesondere innerhalb von ihnen (Parzer 2008: 132-135). Thornton stellt für die Reflexion solcher genreinternter Dynamiken eine ausgezeichnete Bezugsquelle dar und bietet ein Set an geeigneten Begriffe für ihre Analyse. Demnach lassen sich im Zusammenhang mit subkulturellem Kapital drei oppositionelle Diskurslinien und wirkkfräftige Gegensatzpaare zeichnen (Rief 2009: 10): • Authentizität vs. Aufgesetztheit • Underground vs. Medien • Hip vs. Mainstream Szeneinsiderinnen versuchen sich z. B. mit authentischen Symbolen und Praktiken vom Mainstream abzugrenzen. Unter Mainstream wird jedoch nicht ein einheitliches Bild subsumiert, sondern es kursieren verschiedene Vorstellungen davon, je nach Szene oder Subkultur. Während im Hip-Hop beispielsweise die Lyrics ein wichtiges Differenzierungskriterium zwischen Underground und Charts darstellen (Lena 2006) und Insider sich von unglaubwürdigen (Stichwort credibility) und unechten (Stichwort realness) „Posern“ abzugrenzen versuchen, diente in der englischen Rave-Szene die Mecca Disco-Kette mit ihrer Klientel und dem eng an sie gebundenen Sound als Idealtypus des Mainstreams. Mit eingängigen Stereotypen, die die Aufgesetztheit zu evozieren suchen, markieren die Szeneinvolvierten ihre Positionen: „the oft-repeated, almost universally accepted stereotype of the chartpop disco was that it was a place where ’Sharon and Tracy dance around their handbags’. This crowd was considered unhip and unsophisticated.“ (Thornton 1996: 99) Auch der zweite Punkt - also die Unterscheidung Underground vs. Medien - ist es wert kurz diskutiert zu werden. Thornton betont, dass ein Verständnis der Subkulturen und Szenen ohne die Betrachtung der Rolle der Medien nicht möglich sei. Sie widmet denn auch ein ganzes Kapitel von Club Cultures diesem Thema (ebd.: 116-162). Ihre Untersuchung beschreibt, wie Subkulturen und Medien in einer eigentümlichen Beziehung stehen: „The media do not just represent but participate in the assembly, demarcation and development of music cultures.“ (ebd.: 160) Die Kenntnis und der richtige Umgang mit Medien machen einen grossen Teil des Szenewissens aus (Otte 2008: 16) und die Szenemitglieder gebrauchen ihr subkulturelles Kapital um sich hier zu verorten und abzugrenzen. Das kann beispielsweise durch die Lektüre von Fanzines oder den Konsum von Nischensendungen im Radio positiv geschehen, aber auch negativ, z. B. durch die Kritik an Berichten der Massenmedien. Wenn man das Internet als Medium begreift, dürften mediale Aspekte bei der Identitätsausbildung von Subkulturen und damit einhergehend der symbolischen Grenzziehung in den letzten Jahren

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noch an Bedeutung gewonnen haben (Williams 2006). Thornton geht so weit und schreibt, dass Subkulturen erst durch das Labeling von aussen eine eigene Identität ausbilden und sich somit als solche überhaupt verstehen. „Given this scenario, I am forced to conclude that subcultures are best defined as social groups that have been labelled as such.“ (Thornton 1996: 162) Die Medien spielen bei diesem Etikettierungsprozess eine zentrale Rolle, wie zahlreiche historische Beispiele zeigen26 . Weitere Anknüpfungspunkte im Bereich der symbolischen Grenzziehung finden sich in der Jugendforschung. Da sich Jugendliche besonders stark der Populärkultur zuwenden und Musik bei ihnen einen grossen Stellenwert einnimmt, sind sie wertvolle Untersuchungssubjekte für die Musiksoziologie. Verschiedene Aufsätze und Mongraphien zum Musikgeschmack konzentrieren sich denn auch ausschliesslich oder insbesondere auf junge Leute (vgl. Tanner et al. 2008, Mulder et al. 2006, Bennett 2000, 2001). Im Gegensatz zu früher ist nicht mehr Rock, sondern Rap das dominierende Genre bei Teenagern (Spiegel 2009). „We are currently witnessing a revolution in musical taste - because rap has now eclipsed rock as the musical choice of today’s teenagers.“ (Tanner et al. 2008: 121) Daneben können aber ganz verschiedene Genres für sich in Anspruch nehmen Anhängerinnen bei einer beträchtlichen Zahl von Jugendlichen zu finden. Bei kanadischen HighSchool Schülern aus Toronto halten sich auch bei Reggae, Techno und Pop die Zuneigung und Abneigung in etwa die Waage. Bei hochkulturellen und rockorientierten Genres (Heavy Metal, Alternative) hingegen liegt die Ablehnungsrate deutlich höher als bei den zuvor genannten. Zwei Drittel bis drei Viertel aller Befragten mögen keinen Jazz, keine klassische Musik, keine traditionelle Musik und keine rockorientierten Genres (ebd.: 129). Ob diese Ergebnisse der Sozialstruktur der Grossstadt Toronto geschuldet sind oder ob bei Jugendlichen aus anderen Settings ähnliche Resultate zutage treten, bleibt eine offene Frage. Je nach unterschiedlicher Präferenzneigung zu den einzelnen Genres können jedenfalls spezifische Hörstile oder Geschmacksmuster herausgearbeitet werden, wie sie für die Zusammenstellung des Musikggeschmacks charakteristisch sind. Die gewonnenen Gruppen entsprechen in etwa taste patterns (van Eijck 2001), taste publics (Gans 1989) oder Clustern (Bennett 2008) und stellen übergeordnete musikalische Schemata dar. Während die Gruppen bei grossen, repräsentativen Umfragen zum Kulturverhalten und zu musikalischen Präferenzen relativ unspezifisch und grob sind27 , bietet sich bei Jugendlichen die Möglichkeit feinere Cluster 26 Die

Kette reicht von Künstlergruppen, wie den Impressionisten, die ihre Bezeichnung von einer negativen Zeitungsrezension übernahmen, bis hin zu Musikszenen. In den britischen Punk- und Rave-Szenen trug die Berichterstattung in den Massenmedien wesentlich zur Ausbildung einer eigenen Identität bei. 27 Van Eijck (2001) macht zum Beispiel nur vier Schemata fest, bei Bourdieu (1982) sind es drei Geschmäcker und bei Gans (1989) gar nur zwei Formen: Hochkultur und Populärkultur.

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zu bilden. Dies geschieht bei Tanner et al. (2008), indem sieben Gruppen unterschieden werden: Club Kids, Black Stylists, New Traditionalists, Hard Rockers, Musical Abstainers, Ethnic Culturalists und Musical Omnivores. Zu einer ähnlichen Einteilung kommen Mulder et al. (2006) bei einer vergleichbaren Stichprobe holländischer High-School Schüler. Sie finden ebenfalls sieben Cluster und benennen sie: Middle-of-the-road, Urban, Exclusive Rock, Rock-pop, Elitist, Omnivores und Low Involved. Bis auf die Club Kids und Ethnic Culturalists, die bei Mulder et al. keine Entsprechung finden und den Rock-pop und Middle-of-the-road Mustern, die bei Tanner et al. nicht in ähnlicher Form vorkommen, lassen sich in zwei unterschiedlichen Kontexten folgende fünf Geschmackskulturen festmachen: Black Music, (Hard) Rock, Hochkultur (Traditionalisten, Elitisten), Alleshörerinnen (Omnivores) und Abstinente bzw. Wenighörer. Auch in Australien zeigen sich bei Lehramtstudenten im Alter von 18-25 die genannten Muster, wobei Rap und Black Music im Vergleich mit den allerdings etwas jüngeren kanadischen Jugendlichen deutlich unterrepräsentiert sind (De Vries 2006). Diese Resultate deuten darauf hin, dass es international verbreitete und zu einem grossen Teil isomorphe musikalische Konsumcluster gibt. Die schweizerische last.fm-Community sollte in diser Hinsicht keine Ausnahme sein. Die in diesem Abschnitt präsentierten Theoriestränge können folgendermassen zusammengefasst werden: Im Gegensatz zur Omnivores-These und zu Bourdieus Distinktionstheorie beschäftigten sich die Diskurs-, Szene- und Grenzziehungsansätze mit Identitäten und Zugehörigkeiten auf der Individualebene sowie spezifischen Diskursen auf der Mesoebene. Die Zusammensetzung des Musikgeschmacks vollzieht sich durch die Beschäftigung mit den Symbolen und Praktiken unterschiedlicher Diskurse und durch die Ivolviertheit in peer groups, Szenen und Subkulturen. Dieser Fokus auf das Individuum und die oft qualitativen Forschungsmethoden erlauben es genreinterne Differenzierungen festzumachen. Dabei spielt subkulturelles oder szenespezifisches Kapital eine zentrale Rolle, denn je nach unterschiedlicher Ausstattung damit werden andere Grenzen gezogen. Wichtige genreinterne Distinktionsachsen stellen die Unterscheidungen von Mainstream vs. Alternative, Underground Medien vs. Massen- oder Mainstream-Medien sowie Authentizität (realness) vs. Aufgesetztheit (Posertum, fakeness, phoniness) dar28 . Die negativ aufgeladenen Kontrastbegriffe enthalten oftmals stereotype Idealbilder, die in der Wirklichkeit selten in dieser Form anzutreffen sind. Sie dienen aber als Identitätsmarkierer und stellen somit wichtige symbolische Grenzen dar. Das Ausgeschlossene, von dem man sich dezidiert abgrenzt, macht also einen 28 Eine

zusätzliche symbolische Grenze, die besonders von Bourdieu (1999) herausgearbeitet wird und in der Hochkultur von grosser Bedeutung ist, stellt die Unterscheidung „Avantgarde - konventionelle Kunst“ dar. Da für die Betrachtung solcher Dynamiken die Ausstattung der Kulturproduzenten und -rezipienten mit kulturellem Kapital zentral ist und in dieser Arbeit keine entsprechenden Daten bereitstehen, wird diese symbolische Grenze nur am Rande thematisiert.

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wesentlichen Teil des Musikgeschmacks aus und sollte bei dessen Analyse mitberücksichtigt werden, sei es auf genreübergreifender Ebene oder genreintern.

2.4 Zusammenfassung der theoretischen Grundlagen: Ein integrales Modell des Musikgeschmacks? Glevarec und Pinet (2009) greifen die musiksoziologischen Erkenntnisse in Zusammenhang mit der in Frankreich zentralen Distinktionstheorie Pierre Bourdieus und der daran anschliessenden Debatte um die Omnivores-These auf, reflektieren die beiden Ansätze kritisch und präsentieren schliesslich ein eigenes soziologisches Modell des Musikgeschmacks. Dieses wird an französischen Umfragedaten überprüft und dient als Anknüpfungspunkt zur Entwicklung von Hypothesen im Rahmen dieser Lizentiatsarbeit. Im Gegensatz zu Bourdieu und Peterson gehen Glevarec und Pinet nicht von einer strengen Hierarchisierung der Genres aus29 , sondern sehen diese als gleichwertig nebeneinander gestellt. Evidenz für den zunehmenden Verlust der Deutungshoheit hochkultureller Genres erkennen sie an verschiedenen Stellen: Zum einen zeigt die empirische Untersuchung, dass junge Leute praktisch keine klassische Musik hören. Die Dominanz der popkulturellen Genres bei den jüngeren Kohorten ist - was die Omnivores-These in Frage stellt - nicht statusbedingt, d. h. auch in den höchsten Bildungsschichten wird so gut wie keine hochkulturelle Musik gehört. Erst mit zunehmenden Alter finden sich häufiger Allesfresser, definiert als Leute, welche die symbolischen Grenzen von populärer Kultur und Hochkultur überschreiten. Zum anderen wird auch in institutionellen Settings wie der Schule die strikte Trennung von Hochkultur und Popkultur zunehmend fragwürdig. Als Beispiel bringen die Autoren die Curiccula der französischen Gymnasien. In den letzten Jahren wurden im Musikunterricht mehr und mehr Werke in den Lehrplan aufgenommen, die nicht eindeutig der Hochkultur zuzuordnen sind. Die Bezüge reichen vom Jazz, der mit Edward Heymans Body and Soul vertreten ist, über Weltmusik (Musik in Bali und Java und Vertretung der chinesischen Komponistin Xu Yi) bis hin zu Jimi Hendrix, als Vertreter des Rock und somit der Populärmusik. Wenn die Dichotomie „Hochkultur - populäre Kultur“ keine gesellschaftliche Wirkkraft mehr besitzt und auch durch die Institutionen nicht mehr so stark wie früher markiert wird, müssen andere Erklärungsmodelle her. Die tablature des goûts musicaux ist so eines, denn es vereinigt sowohl genreinterne Hierarchien in sich als auch die Möglichkeit seinen Geschmack genreübergreifend zusammenzustellen. Abbildung 4 gibt das Modell wieder und 29 Bourdieus Beschreibung des (Musik)Geschmacks als Klassengeschmack enthält schon in der Benennung der

Formen - „legitimer Geschmack“, prätentiöser Geschmack, „Notwendigkeitsgeschmack“ - eine eindeutige (vertikale) Gliederungsvorstellung. Petersons Unterscheidung von high brow und low brow impliziert ebenfalls eine normative Wertigkeit der Genres.

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stellt es den Vorstellungen von Bourdieu (Abbildung 3) und Peterson (Abbildung 2) gegenüber. Musikalische Geschmacksbreite

Kapitalstruktur

Omnivore

Obere Klasse Status

Hochkultur

Einfache Klassik

Untere Klasse

Univore

Kapitalvolumen

Pop, Chanson

Abbildung 3: Musikgeschmack nach Bourdieu

Abbildung 2: Musikgeschmack nach Peterson

Genreübergreifende Differenzierung

Pop

Jazz

Rap

Rock

Klassik...

Interne Differenzierung Alternative - Mainstream Investitionsniveau Subkulturelles Kapital

Abbildung 4: Musikgeschmack nach der tablature des goûts musicaux von Glevarec & Pinet

Möglich werden die so genannten archipels de goûts, die Geschmacksmustern oder taste patterns (van Eijck 2001) ähneln. Darunter kann man sich Geschmackszusammenstellungen vorstellen, die sich sowohl genreinterner als auch genreübergreifender Konstruktionslogiken bedienen. Wie genau diese Geschmacksmuster aussehen, ist letztlich eine empirische Frage. Glevarec und Pinet zeigen eine mögliche Fassung anhand einer Cluster- und Korrespondenzanalyse. Sie finden acht archipels, die allerdings eher traditionellen Genres gleichen als übergreifenden Kombinationen. Nicht überraschend kommt die teilweise Übereinstimmung mit den zuvor dargestellten Gruppen aus der Jugendforschung (Unterabschnitt

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2.3.3, Seite 27) . Werden die Cluster mit den soziodemographischen Variablen in Verbindung gebracht, so zeigt sich das bekannte Bild: Jazz und klassische Musik wird vorwiegend von älteren Personen gehört, elektronische Musik und Rap von jüngeren. Daneben existiert eine Affinität der 30-39 jährigen und höher gebildeten Männer für Rock und Chanson und es gibt eine Gruppe, die überhaupt keine Musik mag und ihre Anhängerschaft vorwiegend bei Pensionierten rekrutiert. Der Mehrwert der tablature liegt allerdings nicht so sehr in der empirischen Überprüfung, sondern in der theoretischen Konzeptionalisierung und Herleitung, denn an dieses Schema anlehnend kann in der Folge eine Kapitaltheorie des Musikgeschmacks formuliert werden, die sowohl genrübergreifende als auch genreinterne Differenzierungen zu erklären versucht. Diese Theorie geht davon aus, dass drei Untersorten kulturellen Kapitals zur Erklärung musikalischer Präferenzen besonders fruchtbar sind. Neben dem institutionalisierten kulturellen Kapital, in dem sich die Bildungsabhängigkeit musikalischen Konsums widerspiegelt, tragen auch das multikulturelle Kapital (Bryson 1996) und das subkulturelle Kapital (Thornton 1996) einer Person zun Musikgeschmack bei. Während das subkulturelle oder szenespezifische Kapital als Distinktionskriterium Unterschiede innerhalb eines Genres zur Geltung bringt, sorgt das multikulturelle Kapital dafür, dass genreübergreifende Realisationen des Geschmacks zustande kommen. Das subkulturelle Kapital wurde bereits im letzten Abschnitt besprochen, aber das letztgenannte Konzept bedarf einer kurzen Erläuterung. Es reflektiert die immer noch nicht ausreichend beantwortete Frage, ob musikalische und kulturelle Offenheit als neue Form kulturellen Kapitals gesehen werden können. Bryson (1996) bejaht und liefert mit dem Begriff des „multikulturellen Kapitals“ das Schlagwort dazu. Im Gegensatz zu traditionellem kulturellen Kapital, das seine begrifflichen Wurzeln in Frankreich hat und stark mit dem dortigen gesellschaftlichen Kontext verknüpft ist, spielt multikulturelles Kapital in den USA eine wichtige Rolle, besonders in der oberen Mittelschicht (Lamont 1992). Es lässt sich am besten als Prestige beschreiben, das einer grossen kulturellen Geschmacksbreite und Toleranz entspringt: „the social prestige afforded by familiarity with a range of cultural styles that is both broad and predictably exclusive.“ (Bryson 1996: 888) Durch multikulturelles Kapital kann man sich zwar nicht so direkt wie mit subkulturellem Kapital Vorteile in sozialer und ökonomischer Hinsicht verschaffen, dafür geniesst es eine breitere Anerkennung, ist also - um den Vergleich mit einer Devise zu ziehen - in vielen Ländern anerkannt, weist aber im Gegenzug weniger Kaufkraft in einem einzelnen Land auf. Wer einen schweren Rucksack an multikulturellem Kapital mit sich trägt, kann in vielen Situationen mitreden und hält sich somit ein potentiell grosses Netzwerk offen (Lizardo 2006), das zu einem späteren Umstand auch Vorteile ökonomischer Art mit sich bringen kann (Otte 2008: 6). Hinzu kommt, dass Musik ein

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wichtiges informelles Gesprächsthema darstellt, besonders wenn sich Personen kennenlernen, und dass sich der Musikgeschmack in Situationen mit wenig Informationen über die Interaktionspartnerin gut als Indikator für die Beurteilung der ganzen Persönlichkeit eignet (Rentfrow & Gosling 2005). Ganz im Sinne des Doppelcharakters des Habitus als „strukturierte Struktur (opus operatum)“ und „strukturierende Struktur (modus operandi)“ (Bourdieu 1982: 279), steht der strukturierenden Funktion des Musikgeschmacks seine soziale Strukturiertheit gegenüber: Kulturelle und musikalische Präferenzen werden neben dem Alter, dem Geschlecht (Christenson & Peterson 1988), der Bildung, dem Status, dem Medienzugang, der zeitlichen Investition in die Suche oder Rechercheaufwand (Mark 1998) und noch einer weiteren Reihe von Variablen, die sich im kulturellen Kapital sowie in psychologischen, persönlichen Motiven (Rentfrow & Gosling 2003) widerspiegeln, auch vom Freundes- und Bekanntenkreis beeinflusst: Ein breites und diverses Netzwerk wirkt sich positiv auf die kulturelle Kompetenz und Toleranz aus (Erickson 1996). Das Modell auf der nächsten Seite versucht diese Kapitaltheorie des Musikgeschmacks grafisch zu veranschaulichen. Auf der linken Seite befinden sich Wirkkräfte, die den Musikgeschmack als strukturierende Faktoren beeinflussen und somit für seine Strukturiertheit sorgen. Auf der rechten Seite wird die strukturierende Wirkung des Musikgeschmacks selbst thematisiert, indem dieser als Einsatz und Ressource - je nach Feld und dort wertvollem symbolischen Kapital (SyK) - Einfluss auf das soziale (SoK) und mithin auch ökonomische Kapital (ÖK) nehmen kann. Das kulturelle Kapital (KK) wird seinerseits aus zwei Quellen gespeist: der sozialen Herkunft in Form des Familienhintergrunds, der Bildung und des Berufsprestiges der Eltern einerseits und der Schule andererseits. Während eine hochkulturelle oder bildungsbürgerliche Herkunft tendenziell mit objektiviertem und inkorporiertem kulturellen Kapital einhergeht, sorgt die Schule für die Verteilung des institutionalisierten Kapitals in Form von Bildungsabschlüssen und Titeln. Hinzu kommen die beiden besprochenen Formen des subkulturellen und multikulturellen Kapitals, die in Szenen und spezifischen Situationen eingesetzt werden und sich positiv auf die musikalische Geschmacksbreite auswirken. In Bezug auf die Zusammensetzung des Musikgeschmacks trägt die Gesamtheit des kulturellen Kapitals zur Verfeinerung und Ausdifferenzierung der Kenntnisse bei und geht somit mit dem situativ angepassten Einsatz des (Musik)Wissens als Ressource einher. Um die Stärke des Einflusses der einzelnen Faktoren auf die Breite und Zusammensetzung des Musikgeschmacks zu überprüfen, bräuchte es zusätzliche Informationen zum kulturellen Kapital, zu den Motiven des Musikhörens und zum Netzwerk. In dieser Arbeit können nur Alters- und Geschlechtseffekte sowie - bedingt - Netzwerkeffekte untersucht werden. Dafür birgt die hier gebrauchte Datenbasis im Gegensatz zu Umfragedaten den Vorteil eines sehr soliden Instruments für

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Motive Netzwerk

ÖK

+/+

Alter

-/+/-

+

Musikgeschmack

Feldspezifik

+

Genreeffekte

Geschlecht

+

SyK

+

KK

SoK subkulturell, multikulturell, institutionalisiert

objektiviert, inkorporiert +

Herkunft

Schule

Abbildung 5: Integrales Modell des Musikgeschmacks

den Musikgeschmack selbst. Die Blackbox „Musikgeschmack“, die im Zentrum des präsentierten multifaktoriellen Modells steht, kann somit solide aufgeschlüsselt werden. Näheres dazu werden wir im nächsten Kapitel erfahren. Um das skizzierte Kapitalmodell des Musikgeschmacks in seiner Ganzheit zu überprüfen, braucht es ausserdem die Verbindung qualitativer und quantitativer Methoden. Erstere eignen sich zur Untersuchung der strukturierenden Wirkung des Musikgeschmacks (vgl. Parzer 2008, Ollivier 2008), also der rechten Seite in der obigen Abbildung, letztere für die Sichtbarmachung seiner Strukturiertheit (linke Seite). Ein solcher Methodenmix kann hier leider nur angedeutet werden, bietet aber Anschlussfähigkeit für zukünftige empirische Arbeiten. Die dargestellten theoretischen Grundpositionen verdeutlichen die zweifellos gegebene

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soziologische Relevanz der Thematik. Und obwohl in der kultursoziologischen Forschung der letzten 30 Jahre viele Erkenntnisse über Breite und Zusammensetzung des Musikgeschmacks gewonnen wurden, lassen sich an verschiedenen Stellen Forschungsdefizite ausmachen. Zahlreiche Aspekte der symbolischen Grenzziehung und der Zusammenstellung musikalischer Präferenzen sind bislang nicht vollständig geklärt. Dies betrifft besonders genreinterne Prozesse, bis hin zur unterschiedlichen Relevanz von Bands, Künstlern oder Songs in Alltagskontexten (DeNora 2000). Während sich die klassische Trennung von Hochkultur und Populärkultur zunehmend ihrer sozialen Basis entzogen sieht, und besonders bei den jüngeren Kohorten eine Hegemonie der Genres populärer Musik durch alle sozialen Lagen hinweg konstatiert werden muss, tun sich neue Grenzlinien auf und verdrängen mehr und mehr die alte, zu starre Dichotomie von Hochkultur und Populärkultur (Parzer 2008). In Anbetracht der popkulturellen Vielfalt und deren Vormacht insbesondere bei den jungen und technikaffinen Generationen gilt es die feinen Unterschiede noch weiter zu verfeinern und die Nahrung der Allesfresser genauer nach ihrer Zusammensetzung, nach ihrem Nährstoffgehalt und nach ihrer stärkenden oder schwächenden Wirkung hin zu untersuchen. Eine Soziologie des Musikgeschmacks muss sich von groben, undifferenzierten Genrezusammenwürfen verabschieden und stattdessen auf das eingehen, was die Leute wirklich tun: Songs hören, Bands hören, DJs hören, Subgenres hören, vielleicht auch einzelne Genres als Ganzes hören, über Alben sprechen, musikalisches Wissen als Strategie einsetzen oder einfach als Genussmittel.

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3 Forschungsfragen und Hypothesen Zwei Forschungsfragen stehen im Zentrum der Lizentiatsarbeit: Wovon hängt die musikalische Geschmacksbreite der last.fm Profile in der Schweiz ab? und Wie setzt sich der Musikgeschmack der last.fm Profile in der Schweiz genremässig zusammen?. Die Fragen orientieren sich an der im Titel und Theorieteil gemachten Trennung von „Breite des Musikgeschmacks“ und „Zusammensetzung des Musikgeschmacks“ und umfassen jeweils einzelne zielgerichtete Hypothesen, die aus der Theorie oder empirischen Untersuchungen abgeleitet werden. Während die ersten drei Hypothesen relativ strikt auf den ersten Teil des Titels der Arbeit verweisen, nehmen sich die übrigen fünf Hypothesen mehr Freiheit heraus und versuchen auf primär explorativer Basis symbolische Grenzziehungen auszumachen. Damit behandeln sie den zweiten Aspekt des Titels der Arbeit (symbolische Grenzziehung). Folgende Hypothesen lassen sich in Bezug auf die musikalische Geschmacksbreite formulieren: • Das Alter und die musikalische Geschmacksbreite hängen umgekehrt u-förmig zusammen. (H1) • Je grösser das soziale Kapital im Internet, desto breiter der Musikgeschmack. (H2) • Gegenüber Musik, die in der späten Jugend und in der frühen Erwachsenenphase aktuell war, weist man höhere musikalische Toleranz auf als gegenüber Klängen, die vorher oder nachher aktuell waren. (H3) Theoretisch stützen sich diese Hypothesen auf die sozialpsychologische Forschung zur open-earedness (Hargreaves 1982), auf die Verlinkung von Netzwerken und Geschmack (Mark 1998, Lizardo 2006) sowie auf Untersuchungsergebnisse von Holbrook & Schindler (1989). Folgende Hypothesen lassen sich aus den Theorien zur symbolischen Grenzziehung und zur Zusammenstellung des Musikgeschmacks herausfiltern. Sie beziehen sich nicht mehr, wie bei der musikalischen Geschmacksbreite (H1-H3), auf eine Vielzahl von Genres und auf eine übergeordnete abhängige Variable, sondern versuchen mittels mehrerer Mikrohypothesen soziologische Kompositionseffekte des Musikgeschmacks festzumachen: • Ein breites Spektrum an gehörten Genres geht mit einer geringen genreinternen Differenzierung einher. Wenige gehörte Genres bedeuten dagegen geringe genreinterne Spezialisierung und hohe Differenzierung innerhalb der Musikrichtung. (H4) Diese Hypothese stützt sich auf die Überlegungen zu den Genreformen (Lena & Peterson 2008) und auf die tablature des goûts musicaux (Glevarec & Pinet 2009).

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FORSCHUNGSFRAGEN UND HYPOTHESEN • Hochkultur und Populärkultur lassen sich symbolisch und sozialstrukturell klar unterscheiden. Mit zunehmendem Alter steigt der Anteil an hochkulturellen Genres im Vergleich zu populärkulturellen Genres im Musikgeschmack. (H5) Diese Hypothese wird aus der Distinktionstheorie (Bourdieu 1982) und aus der Omnivores-These (Peterson 1992) abgeleitet, wo Genres hierarchisch angeordnet sind und sich relativ klar unterscheiden lassen. • Frauen hören häufiger Sängerinnen als Männer, d. h. sie weisen höhere Anteile female artists in ihrem Musikgeschmack auf als Männer. Diese haben ihrerseits die höheren Anteile male artists. (H6) Diese Hypothese sieht sich von den wenigen Studien inspiriert, die Geschlechtseffekte bei musikalischem und kulturellem Geschmack erforschen (Christenson & Peterson 1988, Schmutz 2009) • Genreinterne symbolische Grenzziehung vollzieht sich entlang der Achse „Mainstream - Alternative“. (H7) Hier berufe ich mich auf die Subkultur- und Szeneansätze, besonders auf Thornton (1996). Ebenfalls präsent sind diskurstheoretische Zugänge, die symbolische Grenzziehung festzumachen versuchen (Diaz-Bone 2002, Schmutz 2009). • Rapmusik ist das dominante Genre bei der jüngeren Hörerschaft. (H8) Gestützt wird Hypothese 8 von empirischen Befunden aus der Jugendforschung (Tanner et al. 2008, Mulder et al. 2006).

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4 Datengrundlage, Methode und Operationalisierung In diesem Kapitel präsentiere ich die Daten der Untersuchung (Abschnitt 4.1) und dokumentiere die verwendeten statistischen Verfahren (4.2) sowie die Operationalisierung der zentralen Konstrukte (4.3).

4.1 Datengrundlage Die verwendeten Daten habe ich vom 22. November 2009 bis 3. Dezember 2009 selbst übers Internet erhoben. Es wurde also kein vorgefertigter Datensatz zur Beantwortung der Forschungsfragen herangezogen. Eine Reihe von Gründen war dafür ausschlaggebend: An erster Stelle steht die Tatsache, dass es sich bei den verwendeten protokollierten Daten um ein natürliches Forschungsinstrument handelt und die Informationen standardisiert und einheitlich sind30 . Somit entfallen Interviewer- und Erinnerungseffekte, die selbst bei den sorgfältigsten Umfragen unvermeidbar sind (Lewis et al. 2008: 331). Bisherige Untersuchungen zum Musikgeschmack in der Schweiz wurden zudem mit Umfragedaten durchgeführt, die oft nur unzureichende Informationen zu musikalischen Präferenzen bereitstellen. Das schweizerische Haushaltspanel z. B. enthält die Frage, wie oft jemand Musik macht31 , nicht aber wie oft man diese konsumiert, geschweige denn welche Genres man bevorzugt. Eine vom BFS durchgeführte Studie fragt zwar Genrepräferenzen ab, die Kategorien sind jedoch sehr fragwürdig und v. a. im Bereich der Populärkultur unglücklich gewählt. So wurden z. B. Rock und Pop als Stil zusammengefasst und der bei Jugendlichen äusserst beliebte und eine eigenständige Jugendkultur ausbildende Hip-Hop wurde der Kategorie „Dance, Techno, House“ zugeordnet (BFS 2009: 15). In anderen Ländern existieren zwar umfangreichere Datensätze mit Items zum Musikgeschmack, z. B. die Outfit 4 Studie in Deutschland (Otte 2008: 9), der General Social Survey 1993 in den USA und die Daten aus der Untersuchung von Bennett et al. (2008) in Grossbritannien, diese sind aber entweder schon relativ alt, wiederum zu unspezifisch oder nur schwer zugänglich. Da musikalische Präferenzen auch international selten auf mehrstufigen Skalen, sondern meistens auf dichotomer Basis („Hören Sie Jazz: Ja - Nein?“ oder „Bitte kreuzen Sie alle Musikstile an, die sie regelmässig hören?“) abgefragt werden, ist die Ermittlung der Breite und Zusammensetzung des Musikgeschmacks bei Umfragedaten mit einem grossen Informationsverlust verbunden: Zum einen ist nämlich unbekannt, einen wie grossen Anteil das ange30 Zur

ausführlichen Besprechung der Vor- und Nachteile nicht-reaktiver Daten siehe Parzer (2008: 103-113). genaue Frage und die dazugehörigen Antworten lauten: „Ich zähle jetzt verschiedene Freizeitaktivitäten auf. Sagen Sie mir bitte, wie häufig Sie in Ihrer Freizeit die Beschäftigungen machen. Musizieren, z. B. selber ein Instrument spielen, Singen.“ (Swisspanel 2010)

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kreuzte Genre an der Gesamtheit der gehörten Musik ausmacht32 , zum anderen weiss man auch nicht genau, was die Leute unter einem Genre verstehen bzw. ob sie den jeweiligen Begriff überhaupt kennen33 . Ein breiter Musikgeschmack kommt für die Befragte schnell und ungezwungen zustande: Sie kreuzt einfach möglichst viele Genres an. Bei mehrstufigen Skalen kann zusätzlich eine Präferenzintensität angegeben werden. Im Gegensatz zur dichotomen Abfrage stellt diese Form einen Informationsgewinn dar, da auch Abneigungen berücksichtigt werden (Bryson 1996, 1997). Wesentliche Defizite bleiben aber auch hier: So geben die Präferenzen nur Auskunft über die Geschmacksneigung, bilden also die latente Dimension ab, sagen jedoch wenig über das tatsächliche Hörverhalten aus (Chan & Goldthorpe 2007: 3). Erneut spielen vielfältige Verzerrungsfaktoren mit hinein und so kann die angegebene (latente) musikalische Geschmacksbreite im Gegensatz zur tatsächlichen als Anzahl gehörter und nicht nur gemochter Musikrichtungen auf beide Seiten hin verzerrt sein: sowohl zu eng als auch zu breit. Ausserdem treten bei der Zusammensetzung des Musikgeschmacks u. U. falsche Verbindungen und Analogien auf. Dies geschieht beispielsweise, wenn negativ konnotierte Genres selektiv schlechter bewertet werden als angesehene, obwohl sich diese Bewertung nicht im Hörverhalten widerspiegelt. Es kann zu einem Hochkulturbias kommen, so dass klassische Musik beliebter und Schlager unbeliebter ist als in Wirklichkeit - d. h. im richtigen Hörverhalten. Das sich daraus ergebende Bild des Zusammenspiels der Musikrichtungen entspricht dann nicht der sozialen Realität. Solche Probleme lassen sich mit natürlichen Daten lösen. Es handelt sich dabei um protokollierte Informationen, die das tatsächliche und nicht das angegebene Verhalten aufzeichnen. Beispiele dafür sind Tonband- oder Videoaufnahmen, wie sie in der Ethnomethodologie verwendet werden (Francis & Hester 2004: 25). Es bot sich an, selbst solche Prozessdaten zu erheben, zumal das Internet dazu ausgezeichnete und bisher nur wenig genutzte Möglichkeiten bereitstellt. Die Daten kommen von der Homepage last.fm34 , einer Community-Site, die sich speziell der Musik verschrieben hat. Im Zentrum steht das Kennenlernen neuer Musik und das Interesse an Personen mit einem ähnlichen Geschmack. Last.fm bietet viele unterschiedliche Funktionen und Applikationen, u. a. das Schicken von Nachrichten, der Zugang zu allen anderen Profilen, das Schliessen von Freundschaften, den Austausch über Bands und musikalische Themen in Diskussions32 So

kann eine Person einmal im Monat das Volksmusik-Radio einschalten und bei der Befragung trotzdem „Ja“ angeben, obwohl dieses Genre prozentual gesehen vielleicht nur 2% ihrer gehörten Musik ausmacht. 33 Obwohl bei Fragen zum Hörverhalten und zu den Genrepräferenzen meist eine Kategorie „Weiss nicht“ oder „Ist mir nicht bekannt“ angekreuzt werden kann, dürften verschiedene Effekte dazu führen, dass es bei den Angaben Verzerrungen selektiver Art gibt, z. B. in der Form von Ja-Angaben bei Items, die man eigentlich nicht kennt oder Nein-Angaben bei Items, die man falsch beurteilt, aber eigentlich hört. 34 Für einen ersten Überblick über die Website eignet sich der Wikipedia-Eintrag zur Homepage gut (Wikipedia 2009). Die eigentliche Homepage ist unter www.last.fm abrufbar.

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gruppen und Foren, das Kategorisieren von Musik (wie wir noch sehen werden eine wichtige Funktion für diese Arbeit), einen Kalender mit Konzertbesuchen, das Berechnen musikrelevanter Statistiken und vor allem das Scrobbeln. Das letztgenannte Prinzip bildet die Basis für die Ermittlung des Musikgeschmacks und wird deshalb etwas genauer erläutert. Unter Scrobbeln kann man sich das automatische Hochladen gehörter Titel vorstellen. Es handelt sich um die Protokollierung der am Computer durch einen Media-Player gehörten Songs35 . Damit dies geschehen kann, muss der User ein kleines Programm namens Audioscrobbler runterladen und auf seinem PC installieren. Durch die Eingabe des Usernamens bei der Registrierung des Programms werden die im Media-Player abgespielten Titel mit dem Profil des Users verknüpft und dort automatisch gespeichert. Die Tabellen mit den gehörten Künstlern und Bands sind dann an zentraler Stelle im Profil in standardisiertem Layout dargestellt. Die Abbildung unten zeigt ein last.fm Profil.

Abbildung 6: Last.fm Profilkopf

Das zentrale Erkennungszeichen auf last.fm ist der Username, der entsprechend gross und prominent dargestellt wird. Er ist einzigartig und erlaubt die problemose Identifikation jedes Community-Mitglieds. Wie man sieht, kann die Userin ein Foto auf ihr Profil hochladen, wobei nicht jeder Teilnehmende diese Möglichkeit wahrnimmt und auch eine beträchtliche Zahl unspezifischer Fotos gewählt wird, z. B. von Landschaften oder Comicfiguren. Viele, aber nicht alle Userinnen geben ihr Alter, ihr Geschlecht und ihr Land an. Diese Angaben erscheinen dann ganz oben, direkt neben dem Foto und unterhalb des Usernamens. Aus35 „Hört

ein Nutzer von Last.fm einen Musiktitel, so wird dessen Bezeichnung (Titelzeile und Interpret) an Last.fm übertragen und dort im Nutzerprofil gespeichert und anderweitig statistisch ausgewertet. Diesen Übertragungsvorgang bezeichnet Last.fm als ’scrobbeln’.“ (Wikipedia 2009)

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serdem wird standardmässig die musikalische Kompatabilität angezeigt, also wie stark der eigene Musikgeschmack mit demjenigen der Userin übereinstimmt. Unter dem Bild bieten sich weitere Optionen an: Man kann dem Mitglied z. B. eine Nachricht schreiben oder sie als Freundin hinzufügen. In jedem Profil werden sodann die kürzlich gehörten Tracks, die Freunde, geplanten Konzerte und Gruppen angegeben (siehe nächste Abbildung).

Abbildung 7: Last.fm Profil weitere Informationen

In diesem Fall ist die Userin kein Mitglied einer Gruppe, sonst würde die entsprechende Information nämlich direkt unter den Freunden angezeigt. Sie besucht aber zwei Konzerte in der nahen Zukunft36 . Auch prominente Vertreter der Musikbibliothek werden aufgelistet. Zudem besteht die Option, selbst musikalische Einteilungen vorzunehmen, indem man Musikstücke und Künstler tagt. Die verwendeten Tags werden im Profil angezeigt. In diesem Fall hat die Userin eine Band als canadian markiert. Last.fm zählt alle auf der Homepage vergebenen Tags automatisch und die am meisten verwendeten dienen als Orientierungshilfe bei der Musiksuche, indem sie angeben welchen Stil die last.fm Benutzer der Musik einer Gruppe oder Künstlerin zuordnen. Schliesslich können auch die geliebten Songs eingesehen werden, denn als User hat man die Möglichkeit Songs, die man mag als loved track zu markieren. Ein Kernelement des Profils bilden die Tabellen mit der gescrobbelten Musik. Wie unten ersichtlich, werden alle gescrobbelten Bands aufgelistet und gezählt. Anhand der gehörten Titel und Bands ergibt sich somit ein musikalisches Portrait der Userin, das automatisch mit ähnlichen Profilen - den Nachbarn - in Verbindung gebracht wird und somit indirekt die Entdeckung unbekannter Musik erlaubt. Es lassen sich verschiedene Zeiträume angeben, für die 36 Datum

der Verfassung dieser Zeilen: Mitte Dezember 2009.

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die Tabellen mit der gehörten (gescrobbelten) Musik einsehbar sind. So können die Gruppen und Künstler der letzten sieben Tage genauso analysiert werden, wie die Charts des ganzen letzten Jahres oder der kompletten Verweildauer auf last.fm. Diese Daten ermöglichen also die Beobachtung der musikalischen Entwicklung über die Zeit hinweg und könnten für Längsschnittstudien verwendet werden.

Abbildung 8: Beispiel Musiktabelle der meist gehörten Bands

Die Tabellen bilden die Ausgangslage für die Ermittlung der Genrepräferenzen und somit des Musikgeschmacks. In ihnen spiegelt sich die gehörte Musik wider, also das effektive Hörverhalten der Userinnen auf last.fm. Allerdings wird ein Teil der gehörten Musik nicht gescrobbelt, dann nämlich, wenn keine Verbindung zum Internet besteht oder wenn man Musik mit einem Media-Player hört, für den man Audioscrobbler nicht heruntergeladen hat. Die Tabellen und Statistiken bilden also nur einen Ausschnitt der total gehörten Musik einer Person ab, der je nach Person unterschiedlich gross ist. Diese Einschränkung sollte die Leserin bei der Betrachtung der Resulate im Hinterkopf behalten. Aufgrund der lockeren Lizenzen und Nutzungsbedingungen von last.fm bietet sich die

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Möglichkeit, die Daten für nichtkommerzielle Zwecke zu nutzen37 . Eine weitere Art gehörte Songs zu speichern ist das last.fm-spezifische Radio. Dort kann man einen Band- oder Künstlernamen eingeben und es werden ähnliche Songs gespielt, womit sich einfach neue Musik entdecken lässt. Auch genrespezifische Radiokonfigurationen sind möglich, so dass man z. B. Songs im Bereich Singer/Songwriter oder Soul hören kann. Da die Radiofunktion für kleinere Länder wie die Schweiz jedoch konstenpflichtig ist und nur eine Minderheit aller Mitgliederinnen den Service abonniert hat, wurde der Grossteil der tabellierten und hier analysierten Musik gescrobbelt, also am Media-Player gehört. Für die Lizentiatsarbeit wurden die Daten mittels so genannter Feeds gesammelt (siehe Abbildung 8, kleiner Button in der rechten oberen Bildhälfte). Dabei werden die 50 meist gehörten Bands und die jeweilige absolute Häufigkeit als XML-File downloadbar gemacht. Die Tabelle mit den gehörten Künstlern wird also automatisch in Datenform gebracht. Die soziodemographischen Variablen „Alter“ und „Geschlecht“ habe ich bei der Datengewinnung über das Suchverfahren gesammelt. Da die Homepage keine Zufallsauswahl aller Userinnen für ein einzelnes Land erlaubt, bzw. maximal 400 Personen aufs Mal angibt und die Listung intransparent ist, habe ich ein Quotenverfahren zur Auswahl der Stichprobe angewandt. In einem ersten Schritt wurden über das Suchfenster für jedes Altersjahr und jede Geschlechtsausprägung die schweizerischen last.fm User gesucht (siehe Abbildung unten). Im nächsten Schritt wurden von den angezeigten Suchergebnissen per Zufallsauswahl zehn Profile ausgewählt. Somit standen pro Altersjahr jeweils zehn Frauen und zehn Männer zur Verfügung. Als letztes Kriterium verlangte ich von den Daten, dass die gewählten Personen mindestens 1000 Songs gehört haben müssen, eine Zahl, ab der eine genrebasierte Analyse des Musikgeschmacks sinnvoll ist. Da in den Altersjahren ab ca. 40 nicht mehr durchgehend zehn oder mehr Profile vorhanden waren, die diese Bedingung erfüllten, wurden dort alle Userinnen38 gesampelt. Um im gesamten Datensatz gleich viele Männer wie Frauen zu haben, wurden in den tiefen Jahren Userinnen nachgesampelt. Somit sind von 16-36 mehr Frauen als Männer im Datensatz, und ab 37 mehr Männer. Insgesamt sind für die Schweiz 876 Fälle zusammengekommen, die angesichts des Suchvorgangs und aufgrund der altersmässigen Streuung die Vielfalt der Profile auf last.fm einigermassen wiedergeben dürften. Auch erhoben wurden die Variablen „Anzahl Freunde“, „Anzahl Gruppen“, „Bild“ und „total gescrobbelte Songs“ (später einfach „Songs“ genannt). Die beiden ersten werden ge37 Die

Nutzungsbedingungen können unter http://www.last.fm/api/tos eingesehen werden. Problem betraf praktisch ausschliesslich Frauen, d. h. bei den Altersjahrgängen 1970 und darunter war ein starker Männerüberschuss festzustellen, so dass in den Daten bei den älteren Personen deutlich mehr Männer als Frauen vertreten sind. Im Anhang findet sich eine Kreuztabelle, in der die Geschlechtsverteilung nach Alter ersichtlich wird.

38 Dieses

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DATENGRUNDLAGE, METHODE UND OPERATIONALISIERUNG

Abbildung 9: User-Suchfunktion auf last.fm

braucht um ein Netzwerk- oder Sozialkapitalmass zu bilden, das für Hypothese 2 als unabhängige Variable figuriert. „Bild“ und „Songs“ können als Proxy für die Aktivität und das Involvement auf last.fm betrachtet werden. Die Variable „Bild“ weist drei Ausprägungen auf: 0 die Userin hat kein Profilbild hochgeladen, 1 - der User hat zwar ein Profilbild hochgeladen, dieses ist aber kein Selbstportrait, 2 - die Userin hat ein Bild von sich selbst hochgeladen. Tabelle 21 im Anhang .2 gibt eine Übersicht über die erhobenen Merkmale39 .

4.2 Methoden Die verwendeten Methoden sind quantitativ-hypothesenprüfender, deskriptiver und teilweise auch explorativer Natur. Es kommen sowohl uni- als auch bivariate und multivariate Herangehensweisen vor. Bei den uni- und bivariaten Statistiken, die v. a. deskriptiven Zwecken dienen, greife ich auf einfache Häufigkeitsauszählungen, Lage- und Streuungsmasse sowie Korrelationsmasse zurück. Da es sich bei den Genreanteilen um metrisch skalierte Werte handelt, wird der Pearson’s Korrelationskoeffizient als geeignetes Zusammenhangsmass herangezogen. Seine Berechnung40 und Interpretation werden hier nicht näher erläu39 Für

eine genauere Beschreibung der metrischen Variablen mit Lage- und Streuungsmassen siehe ebenfalls Anhang .2, Tabelle 22 40 Der Vollständigkeit halber: Die Formel lautet r = cov (X ,Y ) . s (X )∗s (Y )

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DATENGRUNDLAGE, METHODE UND OPERATIONALISIERUNG

tert, da die Verwendung in den Sozialwissenschaften weit verbreitet ist und seine Kenntnis zum statistischen Grundwissen gehört. Bei nominalem Skalenniveau stütze ich mich auf χ 2 basierte Masse, deren Gebrauch im Kontext der jeweiligen Hypothesen erläutert wird. Bei den multivariaten und primär hypothesenprüfenden Verfahren kommt mit der linearen Regression eine in den Sozialwissenschaften häufig gebrauchte Prozedur zur Anwendung. Dabei schätzt ein Statistikprogramm den linearen Zusammenhang zwischen den erhobenen unabhängigen Variablen und der abängigen Grösse, versucht also Kausaleffekte festzumachen (Kohler & Kreuter 2008: 188-192, Backhaus et al. 2006: 46). Die folgende Gleichung zeigt den Funktionszusammenhang für die Regressionen in dieser Arbeit:

yˆ = α + β1 ∗ a l t e r + β2 ∗ a l t e r 2 + β3 ∗ a l t e r g e s c hl e c ht + β4 ∗ b i l d 1 + β5 ∗ b i l d 2 + β6 ∗ g e s c hl e c ht + β7 ∗ g r u p p e n + β8 ∗ f r e u n d e + β9 ∗ son g s Je nach Hypothese unterscheidet sich die geschätzte abhängige Variable yˆ , die unabhängigen Variablen bleiben aber die gleichen. Für die Hypothesen zur musikalischen Geschmacksbreite wurden OLS-Regressionen mit den abhängigen Variablen „Konzentration des Musikgeschmacks“, „Anzahl gehörter Genres“ und „Gleichheit der Genreanteile“ gerechnet. Bei der Zusammensetzung des Musikgeschmacks sind die Genreanteile die zu erklärende Grösse. In den Tabellen werden jeweils die unstandardisierten Koeffizienten mit robusten Standardfehlern angegeben41 . Im zweiten Abschnitt des Resultateteils, wo es darum geht Kompositionseffekte des Musikgeschmacks zu entdecken, kommen explorative Verfahren zum Zuge. Bei manchen Hypothesen stütze ich mich auf die Beschreibung und Analyse von Profilen mit speziellen Merkmalen, bei Hypothese 4 werden z. B. Personen betrachtet, die einen genremässig sehr breiten oder sehr schmalen Musikgeschmack aufweisen. Wo nötig werden die verwendeten Methoden an entsprechender Stelle direkt bei den Befunden besprochen.

4.3 Operationalisierung Für die Beantwortung der Forschungsfragen und zur Untersuchung der Hypothesen mit den bestehenden Daten, müssen insbesondere zwei Konstrukte messbar gemacht werden: die Breite des Musikgeschmacks und die Zusammensetzung des Musikgeschmacks. Die Operationalisierung der beiden Konzepte wird gesondert erläutert. 41 Die

Umsetzung der Analysen mit entsprechender SPSS- und STATA-Syntax wird auf der CD dokumentiert, die dieser Arbeit beigefügt ist.

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DATENGRUNDLAGE, METHODE UND OPERATIONALISIERUNG

4.3.1 Operationalisierung der Breite des Musikgeschmacks Die Breite des Musikgeschmacks wird in der empirischen Sozialforschung oft mittels der Anzahl gehörter, gemochter oder tolerierter Genres gemessen (vgl. Warde et al. 2008, Bryson 1996, Coulangeon & Lemel 2007, Lizardo & Skiles 2009). Dieses Verfahren spiegelt sich im Begriff der Omnivorousness by Volume wider (Warde & Gayo-Cal 2009, siehe auch Tabelle 2 im Unterabschnitt 2.3.2) und spielt besonders in Studien zur Omnivores-These eine wichtige Rolle. Je mehr Genres eine Person hört - oder besser gesagt: angibt zu hören -, desto breiter ist ihr Musikgeschmack. Diese Operationalisierung weist eine Reihe von Problemen auf, z. T. befragungstechnischer Art, wie bei der Beschreibung der Datengrundlage ersichtlich wurde, z. T. auch operationaler Art (Peterson 2005: 263-266). Wie oben schon erwähnt, lassen sich viele Probleme befragungstechnischer Natur durch prozessgenerierte Daten lösen. Was bleibt, sind die Überlegungen operationaler Art, konkret die Frage, ob die Anzahl gehörter Genres tatsächlich ein valides Messinstrument für die musikalische Geschmacksbreite darstellt. Es kann argumentiert werden, dass ein genrespezifisches Mass die einzige Möglichkeit ist, solche Effekte im begrenzten Raum, den musikspezifische Fragen in breit angelegten sozialstrukturellen Umfragen überhaupt eingeräumt bekommen, zu messen. Als Kontrast dazu bieten sich spezifisch für musikalische Geschmackseffekte konstruierte kultursoziologische Studien an. Bei Bourdieu (1982) wurde nicht auf der Ebene von Genres, sondern anhand einzelner musikalischer Werke versucht musikalische Präferenzen festzumachen. Im Gegensatz zu späteren Studien konzentrierte sich die Untersuchung aber nicht auf die musikalische Geschmacksbreite, sondern die soziale Bedingtheit, besonders die Klassenspezifik, des Geschmacks. Spätere Studien (Warde & Gayo-Cal 2009, Warde et al. 2008) nutzen ein ähnliches Instrumentarium, beschränken sich aber nicht auf musikalische Items, sondern fragen die Leute nach der Kenntnis einer Vielzahl von kulturellen Gütern. Sowohl musikalische Subgenres (z. B. Modern Jazz oder Electronic dance music, including techno and house) als auch einzelne Stücke (z. B. Mahler Symphony no. 5, Kind of blue oder Wonderwall) werden nach Präferenz und Kenntnis abgefragt. Die Gesamtheit aller gemochten Items gibt dann die kulturelle Geschmacksbreite wieder. Auf last.fm existieren verschiedene Möglichkeiten den Eklektizismus, die musikalische Toleranz oder die Breite des Musikgeschmacks zu messen42 . Die meisten Verfahren beruhen 42 Die

Gruppe last.fm stats widmet sich der Konstruktion, Sammlung und Besprechung von Applikationen, die sich mit Musikstatistik beschäftigen. Auf http://www.last.fm/group/Stats findet sich eine Vielzahl von Tools zur Berechnung von Kennwerten und Ausgabe von Grafiken, welche das Musikprofil - d. h. die gehörten Songs und Bands - übersichtsartig darstellen oder bestimmmte Aspekte des Musikgeschmacks betonen. So kann man sich mit dem Mainstream-O-Meter die (Un)Gewöhnlichkeit des eigenen Geschmacks im Vergleich zum Mainstream-Geschmack auf last.fm ausgeben lassen oder mit der Songs per Day Applikation die durchschnittliche Anzahl gehörter Songs pro Tag abfragen. Weitere Tools befassen sich mit musikalischen

44


4

DATENGRUNDLAGE, METHODE UND OPERATIONALISIERUNG

auf der Varianz der Anzahl gespielter Titel in den Top50, also auf der Hörhäufigkeit und Verteilung der Bands und Künstlerinnen. Steht auf Platz 1 als meist gehörte Band z. B. Radiohead mit 1000 gespielten Titeln und auf Platz 50 Mozart mit gerade mal 10 Titeln gäben diese Statistiken eine geringe musikalische Geschmacksbreite an. Hätte ein User jedoch 1000 Titel von 50 Cent auf dem ersten Platz und 800 Songs von Ludacris auf Platz 50 gehört - und dazwischen sehr homogene Musik aus der Sparte Chartrap -, dann zeigten die Statistiken trotzdem sehr hohe Werte bei den Masszahlen an, obwohl so ein Geschmack kaum als breit gelten dürfte. Die so erstellten Statistiken (OMR, AEP) sind also unempfindlich gegenüber stilistischen Merkmalen und musikalischen Genres und beruhen nur auf numerischen Verfahren, die die Konzentration des Hörverhaltens in Bezug auf die Verteilung der gehörten Künstler abbilden. Deshalb werden die Kennzahlen AEP und OMR43 im weiteren Verlauf der Arbeit nur ergänzend als Mass für die musikalische Geschmacksbreite herangezogen. In dieser Arbeit benutze ich Konzentrationsmasse, wie sie in der Industrieökonomik zur Ermittlung der Konzentration von Märkten und der Bestimmung der Monopolmacht einzelner Unternehmen herangezogen werden, als Operationalisierung der musikalischen Geschmacksbreite. Der Musikgeschmack der Personen wird dabei als Markt betrachtet und die Genres stellen die beteiligten Unternehmen dar. Je nach gewähltem Konzentrationsmass und Anzahl und Marktanteil der Unternehmen oder Genres fällt der Indexwert hoch oder tief aus. Ein geeignetes Mass zur Bestimmung der Konzentration oder Diversität des Musikgeschmacks sollte standardisiert, einfach und informationsreich sein. Der HerfindahlHirschmann Index (HH) erfüllt diese Kriterien. Seine Berechnung gestaltet sich nach der folgenden Formel (Coulter 1989: 67, 69ff.):

HH =

n X

Pi2

i =1

Pi steht dabei für die relativen Anteile der einzelnen Marktteilnemer oder Musikgenres. Je ungleicher die Marktanteile verteilt sind, desto grösser fällt der Wert des HH Index’ aus (unter Konstanthaltung der Anzahl Marktteilnehmer), d. h. die Marktkonzentration ist positiv mit der Differenz der Marktanteile korreliert. Bei Gleichverteilung der Marktanteile führen zusätzliche Marktteilnehmer zu einer Verringerung des Indexwertes, d. h. die Marktkonzentration ist negativ mit der Anzahl Marktteilnehmer korreliert, sofern diese Anteile grösser als Nachbarn, z. B. mit der Frage, ob diese vom Durchschnittsalter und Geschlecht her zu einem „passen“, oder mit Grafiken über den Zeitverlauf hinweg (Group Tag Cloud) 43 AEP ist auf http://www.davethemoonman.com/lastfm/aep.php dokumentiert. OMR wird nicht sauber beschrieben. Für die wenigen vorhandenen Informationen siehe: http://www.last.fm/user/piratepl/journal/2009/01/07/2dpiql_omr_calculation_methods

45


4

DATENGRUNDLAGE, METHODE UND OPERATIONALISIERUNG

0 aufweisen44 . Da im Folgenden stets die gleiche Anzahl an Genres für alle Personen vorausgesetzt wird, stellt die Nichtberücksichtigung von 0-Anteilen jedoch kein Vergleichsproblem dar. Der Wertebereich von HH liegt zwischen

1 k

und 1, wobei

1 k

für minimale und 1 für ma-

ximale Konzentration steht, d. h. eine Marktteilnehmerin verfügt in letzterem Fall über den kompletten Markt. Wir befänden uns hier in einer Monopolsituation. Übertragen auf den Musikgeschmack hört ein Monopolist nur ein Genre, z. B. nur Reggae oder nur Schlager. Ein solcher Hörer entspräche dem Univoren, der sich nur von einer Nahrungssorte ernährt. Das Gegenteil davon, also die perfekte Allesfresserin, erhält man, wenn eine Person jedes Genre zu gleichen Anteilen hört. Bei zehn Genres nimmt HH dann den Minimalwert 0.1 an und bei 20 Genres 0.05. Damit die Polarität des Index’ in die gewünschte Richtung zeigt, wurde er umgepolt, denn hohe Werte sollten für einen breiten und wenig konzentrierten Musikgeschmack stehen. Dazu subtrahiert man HH von 1, so dass der umgepolte HH Index entsteht (UHH):

UHH = 1 − HH = 1 −

n X

Pi2

i =1

Ein zweites Mass der Geschmacksbreite kommt aus der soziologischen Ungleichheitsforschung, wo es darum geht die Gleichmässigkeit der Ressourcenverteilung - z. B. von Einkommen oder Vermögen - in einer Gesellschaft zu messen. Mayer’s Index of Uniformity (M) stellt einen geeigneten Indikator für diese Aufgabe dar, weil er sowohl die Ungleichheit als auch die Konzentration misst, einfach und standardisiert ist und die Informationen der Daten gut braucht (Coulter 1989: 39). Die standardisierte Formel, die im Folgenden gebraucht wird, sieht so aus:

P M =1−

(Pi − 1/K )2 1 − 1/K

Die Masszahl ist für die vorhandenen Daten gut geeignet, weil sie Anteilswerte verwendet, so wie sie bei den Genreanteilen vorkommen. Im Gegensatz zu HH berücksichtigt M die Ausprägungen aller Kategorien, also auch 0-Anteile.

1 k

stellt dabei den durchschnittlichen

relativen Anteil über alle Kategorien hinweg dar. In einer Kommunalwahl mit drei Parteien 44 Bei

der Betrachtung der Marktkonzentration macht es durchaus Sinn 0-Anteile nicht zu berücksichtigen, da Anbieter ohne Markanteil nicht überlebensfähig sind. „Components that are totally deprived are totally excluded. Remember, however, that Herfindahl and Hirschmann intended HH as a measure of concentration, not inequality. A component without any units is a component without any concentration of units, so HH is operationally true to its originators’ conceptualization.“ (Coulter 1989: 72)

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DATENGRUNDLAGE, METHODE UND OPERATIONALISIERUNG

A, B und C, in der Partei A 60% der Stimmen erhält, B 30% und C 10%, beträgt 1 3

( 60%+30%+10% 3

resp.

0.6+0.3+0.1 ). 3

1 k

33.3% oder

K gibt die Anzahl Gruppen oder Untersuchungseinheiten wie-

der, wobei diese nominal skaliert sind. Es kann sich also um Parteien, Bevölkerungsgruppen oder auch um Musikgenres handeln. Pi steht für die relativen Häufigkeiten oder Anteile der jeweiligen Gruppe. Im Parteibeispiel wäre P1 60%, P2 30% und P3 10%. Je grösser M ausfällt, desto gleicher ist die Verteilung und desto geringer die Konzentration. In unserem Beispiel ergibt sich ein Wert von 0.81, was für eine gleichförmige Verteilung spricht. Bei Hinzunahme von 0-Anteilen verringert sich die Gleichheit der Verteilung. Kommt bei der betrachteten Lokalwahl eine vierte Partei D hinzu, die keine einzige Stimme erhält, ergibt sich ein Wert von 0.79. Die Berücksichtigung von 0-Anteilen zeigt sich auch darin, dass die Anzahl gehörter Genres und M positiv korrelieren. Das standardisierte M nimmt den Minimalwert 0 bei kompletter Ungleichverteilung oder Konzentration der Anteile und unendlich vielen 0-Anteilen an, den Maximalwert 1 bei kompletter Gleichverteilung, egal wie viele Kategorien es gibt. Im Beispiel mit drei Parteien resultiert ein M von 1, wenn jede Partei genau ein Drittel aller Stimmen auf sich vereinigt. Als kleinst möglichen Wert erhalten wir

2 3

(1 − (1−1/3)

2 −(0−1/3)2 −(0−1/3)2

1−1/3

).

Im Falle des Hinzukommens der Partei D mit ihrem 0-Anteil sinkt der Minimalwert von M auf 0.5 und bei 18 Musikgenres, wie sie in dieser Arbeit erstellt wurden, liegt er bei 0.11. Ausprägungen von M sollten also stets in Relation zum Minimum interpretiert werden, genauso wie dies bei UHH der Fall ist. Um das Konzentrationsmass HH und das Gleichheitsmass M zu berechnen, müssen die Genreanteile am Musikgeschmack jedes Users (Pi ) bestimmt werden. Dabei habe ich das folgende mehrstufige Verfahren angewandt: Zunächst wurden für die Top50-Liste der gehörten Künstler die 20 meist gebrauchten Tags automatisch generiert und festgehalten. Unter Tags kann man sich Etikettierungen der Musik einer Band oder Künstlerin vorstellen. Meistens handelt es sich dabei um Genres und Subgenres, seltener auch um geographische (italian, greek, brazil oder japanese) epochenspezifische (60s, 80s, 00s) oder geschlechtsbezogene Bezeichnungen (female artists, male artists). Die last.fm-User vergeben die Tags selbst und die am häufigsten verwendeten sind beim Portrait einer Musikerin einsehbar (siehe Abbildung 10 auf der nächsten Seite). Durch dieses Verfahren, also durch die Einteilung der Musik durch die Hörer selbst, kann sicher gestellt werden, dass die Genrebezeichnungen einigermassen adäquat sind (Atton 2009: 56). Die Tags liessen sich mit einer Applikation ermitteln und zählen, die es erlaubt für jede last.fm Userin anhand ihres Namens die entsprechenden Informationen zu generieren45 . Zu den einzelnen Tags werden zusätzlich die Prozentzahlen angegeben, also wieviele 45 Die

Applikation OMR ist auf http://omr.musiqum.net/generate.php abrufbar... wenn sie sich nicht gerade wie so oft während der Lizentiatsarbeit - in Wartung befindet.

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DATENGRUNDLAGE, METHODE UND OPERATIONALISIERUNG

Abbildung 10: Tags bei Frédéric Chopin

Prozent aller Tags in den Top50 die genannten Markierungen ausmachen. Im untenstehenden Beispiel eines Users wird das Prinzip klarer: Von den 50 am meisten gespielten Bands und Artists lassen sich viele mit der Bezeichnung „Rock“ umschreiben. Ferner gehört ein beträchtlicher Teil - zumindest in der Beurteilung der last.fm-Community - den Richtungen „Pop“, „Alternative“ und „Metal“ an. Schliesslich scheint die gehörte Musik eher neueren Datums zu sein und auch einen Teil weibliche Künstler zu umfassen, wie die Tags 80s, 90s und female vocalists vermuten lassen. Tabelle 3: Beispiel Top20-Tags der gehörten Musik eines Users mit Prozentzahlen

Tags 1-5 rock pop alternative metal electronic

% 11.68 7.35 7.10 6.59 5.95

Tags 6-10 hard rock alternative rock classic rock dance indie

%

Tags 11-15

%

5.78 5.74 5.65 5.34 4.95

punk heavy metal 80s emo 90s

4.38 3.84 3.71 3.58 3.41

Tags 16-20 male vocalists punk rock house female vocalists indie rock

% 3.15 3.10 3.03 2.84 2.79

Quelle: eigene Darstellung

Bei der Analyse der Bands bestätigt sich das rocklastige Bild: Zu oberst rangieren AC/DC mit 1450 gespielten Titeln, gefolgt von HIM (887) und Guns ’n’ Roses (728). Für den Popanteil dürften u. a. Enya, Madonna und James Blunt verantwortlich sein und auch der Metalanteil lässt sich durch Bands wie Slipknot, Iron Maiden oder System of a Down leicht erklären. Wie das zufällig ausgewählte Beispiel zeigt, geben die Top20-Tags die gehörte Musik ziemlich adäquat wieder und vermögen das stilistische Spektrum der 50 am meisten gehörten Bands

48


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DATENGRUNDLAGE, METHODE UND OPERATIONALISIERUNG

und Künstlerinnen einigermassen zu repräsentieren. Da es für die meistgehörten Bands und Artists mehr Tags gibt als in den Top20 angegeben werden können, bleibt jeweils eine Restmenge, die als einzelne kleine Prozentzahlen aufsummiert doch eine beträchtlichen Anteil aller Tags ausmacht. Diese Residualkategorie wird von der OMR-Applikation als other angegeben und kann für jede Musikhörerin berechnet werden, indem die aufsummierten Prozentzahlen oder Tagcounts von 100 subtrahiert werden. Im Folgenden gilt es zu beachten, dass bei den Berechnungen zu den Genreanteilen jeweils nicht die volle Bandbreite aller Tags berücksichtigt werden konnte. Die Verwendung der Top20-Tagliste und nicht etwa der Top50- oder Top100-Tagliste, die auch verfügbar sind, ist der Übersichtlichkeit und Beschränkung aus Wesentliche geschuldet. Eine weitergehende Liste an Tags brächte nur noch marginalen Informationsgewinn, denn je geringer die Tagcounts, desto ausgefallener, exotischer und willkürlicher werden die Kategorisierungen und desto schwerer fällt dann eine Genreverortung. In einem weiteren Schritt wurden die Tags in Genres umcodiert. Dies geschah für alle Tags, die eine eindeutige Zuordnung zulassen. Bei der Einteilung der Tags in musikalische Genres habe ich mich an bisherigen Studien und an der besprochenen Literatur im Bereich Subkulturen, Szenen und Jugendforschung orientiert und besonders den popkulturellen Diskurs und dessen Zusammenfassungen, Einordnungen und Verschachtelungen angeschaut (Bennett 2000, 2001, Lena & Peterson 2008). Bei Unklarheiten orientierte ich mich zudem an den Beschreibungen auf last.fm, so dass ein Grossteil aller Tags in Genres umcodiert werden konnte46 . Diejenigen, die keine Zuordnung zuliessen, konnten bei der Recodierung nicht weiter berücksichtigt werden und bilden damit die Residualkategorie „Rest“. Folgende Genres liessen sich anhand der Daten bilden: Rock, Rap, Elektronische Musik, Klassische Musik, Pop, (Heavy) Metal, Jazz, World, Country & Folk, Punk & Ska & Hardcore, Schlager, Reggae, Deutsche Volksmusik & Schlager, Soul & R’n’B & Funk & Blues, Indie & Alternative, Gothic & Darkwave, Female Vocalists, Other: Hörbuch & Podcast & Soundtrack & TV sowie Christliche Musik & Gospel. Die Hinzunahme von stilistisch nicht oder nur schwer einzuordnenden Kategorien, wie z. B. 80s, female artists, easy listening oder christian, zur Residualkategorie „Other“ erschien wenig ratsam, da diese sonst zu heterogen geworden wäre. Nach der Umcodierung der Tags in Genres wurden die Prozentanteile, also die Tagcounts, für jedes Genre aufsummiert. So liess sich der Anteil jedes Genres am Musikgeschmack des jeweiligen Hörers festmachen, also beispielsweise der Rockanteil, der Jazzanteil, der Klassikanteil, der Soulanteil etc. Mit diesen Genreanteilen wurden sodann das Konzentrationsmass HH und das Gleichheitsmass M konstruiert.

46 Die

vollständige Liste der Umcodierungen findet sich in Anhang .1

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DATENGRUNDLAGE, METHODE UND OPERATIONALISIERUNG

4.3.2 Operationalisierung der Zusammensetzung des Musikgeschmacks Die Zusammensetzung des Musikgeschmacks ist noch schwieriger empirisch festzumachen als die Breite, da hier zusätzliche Verzerrungsfaktoren mit hinein spielen können und viele Kombinationen möglich sind. In der musiksoziologischen Forschung wird oft das Überschreiten der symbolischen Grenze von Hochkultur und Populärkultur als entscheidendes Differenzierungskriterium betrachtet. Diese Messung spiegelt sich im Begriff der Omnivorousness by Composition wider (Warde & Gayo-Cal 2009, siehe auch Tabelle 2 auf Seite 18). Meist werden dann Grenzüberschreiter von Nicht-Grenzüberschreitern unterschieden. Darüberhinaus bieten Konstruktionen übergeordneter Schemata, taste publics oder taste patterns durch Cluster- und Korrespondenzanalysen oder ähnliche multivariate Verfahren eine Möglichkeit Muster und Abgrenzungen zu erkennen. Auch in dieser Arbeit drängt sich eine genre- und subgenrebasierte Operationalisierung auf. Es geht insbesondere darum intraindividuelle Kompositionsmuster festzumachen (Lahire 2008) und Genreaussagen im Stile von „im Durchschnitt beträgt der Rockanteil am Musikgeschmack 20%“ oder „die Streuung des Rapanteils am Musikgeschmack ist grösser als diejenige des Metalanteils“47 zu treffen. Mit den Genreanteilen, deren Konstruktion im vorigen Unterabschnitt erläutert wurde, lassen sich Korrelationen rechnen, so dass ersichtlich wird, welche Genres zusammenpassen oder weit voneinander entfernt liegen. Stark negative Korrelationen stehen für klare symbolische Grenzen zwischen den Genres, stark positive für Affinitäten. In letzterem Fall werden die Musikrichtungen häufig kombiniert, d. h zusammen gehört. Für die unterschiedlichen Hypothesen zur Zusammensetzung des Musikgeschmacks existieren jeweils unterschiedliche abhängige oder interessierende Variablen. Teilweise handelt es sich um einzelne Genres, zum Teil um mehrere Genres, Tags oder Differenzierungen. Um die genreinterne Differenzierung zu messen, wurden bei Hypothese 4 Tags und Bandpräferenzen auffälliger Profile genauer unter die Lupe genommen. Da die Tags oft Subgenres markieren, eignen sie sich gut zur Analyse des Hörverhaltens innerhalb von einzelnen Genres. Bei Hypothese 5 wurden Personen analysiert, die viel hochkulturelle Musik hören, also Klassik und Jazz. Operationalisiert wird diese Musik über die Tags. Hier kommen die gleichen Vorgehensweisen wie bei Hypothese 4 zur Anwendung, indem explorativ erkundet wird, ob sich spezielle Merkmale der Hörerinnen feststellen lassen. Die auffälligen oder extremen Profile habe ich anhand der gehörten Bands oder mittels Zusatzinformationen wie Gruppenmitgliedschaften, Shouts oder Eigenkommentaren untersucht. Das Verfahren sollte 47 Das

hiesse dann - rein hypothetisch - z. B., dass sich Rap eher zur Ergänzung des Musikgeschmacks eignet als Metal und dass letzteres Genre in homogenerer Häufigkeit gehört würde, dass also klarere Muster festzustellen sind, im Sinne von „ganz oder gar nicht“.

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4

DATENGRUNDLAGE, METHODE UND OPERATIONALISIERUNG

Mechanismen der Kategorisierung und Verortung, besonders aber der Abgrenzung, festmachen. Hypothese 6 geht auf das geschlechtsspezifische Hörverhalten ein. Dabei muss ein Indikator für das Geschlecht der gehörten Musikerin oder Band gefunden werden. Das Tag female artist eignet sich für diese Aufgabe, da es einigermassen häufig vergeben wird und bei manchen Hörenden in den Top20-Tags vorkommt. Erneut werden Personen, die hohe Anteile FA aufweisen, auf ihre spezifischen Profilmerkmale hin untersucht. Zur Überprüfung der vorletzten Hypothese habe ich die Unterscheidung und den Vergleich der beiden Genres „Rock“ und „Indie“ gewählt. Rock lässt sich als Mainstream-Ausprägung gitarrenfokussierter Musik begreifen, Indie als Alternative-Ausprägung. Die Untersuchung der beiden Richtungen soll eine spezifische genreinterne Differenzierungsachse in den Vordergrund rücken. Es werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den symbolischen Grenzen zu den übrigen Genres und den soziale Grenzen in Form der Soziodemographie der Hörenden gesucht und veranschaulicht. Die Bestimmung der dafür nötigen Rock- und Indieanteile gestaltet sich nach dem oben beschriebenen Vorgehen. Bei Hypothese 8 untersuche ich schliesslich Userinnen, die jung sind und grosse Rapanteile in ihrem Musikgeschmack aufweisen. Erneut habe ich die Genreanteile als Operationalisierung für die Präferenzen gewählt. Hohe Rapanteile im Musikgeschmack verweisen auf eine Rapaffinität. Das Fehlen solcher Tags zeigt dagegen eine Indifferenz oder gar Abneigung an.

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5 Resultate und Diskussion „Ich kann euch sagen, warum es ganz schwer ist, Indie auf einen klaren Nenner zu bringen: Die Bands, die man allgemein dort einordnet, verbinden völlig unterschiedliche Genres miteinander also wollen auch garnicht in irgendeine vorgegebene Schublade. Allgemein kann ich nur empfehlen Genres und Begriffe nicht als unveränderbar zu verstehen, sondern einfach mal auf den Wortsinn zu achten und sich selbst was basteln.“ „Indieaner grenzen sich in sogenannten Reservaten vom System des (scheinbar) weisen Mannes ab!" „für mich ist indie pavement. alles was wie pavement klingt ist also indie.“ Antworten auf die Frage „Was ist Indie?“ auf plattentests.de

In diesem Kapitel werden zunächst die Hypothesen zur musikalischen Geschmacksbreite überprüft (Abschnitt 5.1). Anschliessend kommen die Ergebnisse zur Zusammensetzung des Musikgeschmacks zur Sprache (5.2).

5.1 Resultate zur musikalischen Geschmacksbreite

5.1.1 Deskriptive Befunde Wie in Kapitel 3 ersichtlich wurde, befinden sich im Datensatz gleich viele Frauen wie Männer. Die altersmässige Streuung zeigt eine Überrepräsentation junger Leute an und die Anzahl Freunde liegt deutlich tiefer als bei nicht auf Musik spezialisierten Community-Sites, besonders facebook.com (Lewis et al. 2008: 333). Die abhängige Variable „musikalische Geschmacksbreite“, gemessen mit dem umgepolten Herfindahl-Hirschmann Index (UHH) und Mayer’s Uniformitätsmass (M), ist nicht normalverteilt, sondern linksschief. Das Histogramm auf der folgenden Seite veranschaulicht die Streuung von UHH. Sehr tiefe Werte werden selten erreicht und selbst solche unter 0.7 sind eine Ausnahme. Es gibt also viele Leute mit relativ breitem Musikgeschmack und wenige mit schmalem. Diese Konzentration auf die oberen Bereiche ist bei UHH stärker ausgeprägt als bei M48 . Der Grund dafür dürfte in der Konstruktionslogik der Masse liegen. Betrachtet man die Anzahl gehörter 48 Siehe dazu den Anhang, wo weitere Masse zur musikalischen Geschmacksbreite und Zusammensetzung des

Musikgeschmacks dokumentiert sind.

52


5

RESULTATE UND DISKUSSION

Abbildung 11: Histogramm Geschmackskonzentration UHH

Genres, operationalisiert als diejenigen Genres, die über die Top20-Tags hinweg einen Anteil grösser als 0 aufweisen, so sieht man ein etwas anderes Bild.

Abbildung 12: Anzahl gehörter Genres mit Taganteilen grösser als 0

Diese Variable ist annähernd normalverteilt, mit einem Minimum von 1, also einem perfekt univoren Hörverhalten, und einem Maximum von 10 von 18 möglichen Genres. Die meisten Userinnen hören zwischen vier und acht Genres, mit einem Modus von 6 und einem arithmetischen Mittelwert von 6.1 Die Standardabweichung beträgt 1.5, also ca. zwei Drittel der untersuchten Profile liegen im Bereich 4.5 bis 7.5 gehörte Genres, was bedeutet,

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5

RESULTATE UND DISKUSSION

dass die Streuung relativ gering ist und dass extreme Univoren eher die Ausnahme als die Regel auf last.fm darstellen.

5.1.2 Hypothese 1: Alter und musikalische Geschmacksbreite Die bivariate Korrelation zwischen Alter und musikalischer Geschmacksbreite ist mit 0.27 zwar nicht besonders hoch, aber stark signifikant von 0 verschieden. Je älter eine Person, desto weniger konzentriert sind ihre Genreanteile und somit ihr Musikgeschmack. Im Streudiagramm zeigt sich der leicht positive Zusammenhang für das Konzentrationsmass UHH.

Abbildung 13: Zusammenhang Alter und musikalische Geschmacksbreite (UHH)

Als nächstes wurden die bivariaten Analysen durch lineare Regressionen ergänzt um auf Drittvariableneinfluss zu kontrollieren. Zur Überprüfung des von der Hypothese erwarteten umgekehrt u-förmigen Effekts habe ich das Alter quadriert. Die sich ergebende Multikollinearität zwischen Alter und quadriertem Alter liess sich durch die Standardisierung der Variablen beseitigen, so dass nur noch schwache und unkritische Beeinflussung der unabhängigen Grössen untereinander besteht49 . Nach dem Bruttomodell (1) wurden die vorhandenen Kontrollvariablen eingefügt (2). Als abhängige Variable figuriert in den ersten beiden Modellen UHH, also die umgepolte Kon49 Siehe dazu die tolerance- und VIF-Tabelle im Anhang .4. Alle weiteren Voraussetzungsprüfungen der Regres-

sionen sind ebenfalls dort zu finden.

54


5

RESULTATE UND DISKUSSION

Tabelle 4: OLS Regression Musikalische Geschmacksbreite auf Alter und andere Variablen

Al t e r Al t e r 2

(1) UHH

(2) UHH

(3) Genres

(4) M

0.0015***

0.0010***

-0.0164**

-0.0016***

(0.0002)

(0.0003)

(0.0080)

(0.0005)

0.0000

0.0000

-0.0014***

-0.0001***

(0.0000)

(0.0000)

(0.0004)

(0.0000)

0.0012***

0.0248**

0.0018**

(0.0004)

(0.0104)

(0.0105)

-0.0064

0.0738

0.0116

(0.0078)

(0.1700)

(0.0105)

-0.0088

-0.0206

0.0015

(0.0076)

(0.1640)

(0.0102)

-0.0135***

-0.0682

-0.0058

(0.0050)

(0.1110)

(0.0068)

0.0010**

0.0095

0.0006

(0.0004)

(0.0080)

(0.0005)

-0.0005***

-0.0071*

-0.0005**

(0.0002)

(0.0041)

(0.0002)

-0.0001

0.0050*

0.0002*

(0.0001)

(0.0026)

(0.0001)

0.8470***

0.8630***

6.2290***

0.7940***

(0.0031)

(0.0082)

(0.1650)

(0.0104)

876 0.071

876 0.100

876 0.032

876 0.051

Al t e r ∗ G e s c hl e c ht Bi l d (Ref.: Kein Bild) Se l b s t por t r a i t G e s c hl e c ht (Ref.: Frau) Gr u ppen Fre u nd e Son g s K ons t a n t e

N R2

Unstandardisierte Koeffizienten, Robuste Standardfehler in Klammern Quelle: eigene Darstellung *** p<0.01, ** p<0.05, * p<0.1

zentration des Musikgeschmacks. Ein positives Vorzeichen beim Alterskoeffizienten bedeutet einen weniger konzentrierten Musikgeschmack mit jedem Jahr, ein negativer Koeffizient impliziert zunehmende Konzentration. Allerdings beziehen sich die Werte in allen kontrollierten Modellen mit Interaktionseffekt auf die Geschlechts-Referenzkategorie, in unserem Fall die Frauen (Kohler & Kreuter 2008: 34). Der globale Alterseffekt berechnet sich als Mittelwert von Alterskoeffizient und Alterskoeffizient + Interaktionseffekt. Bei UHH bezieht sich z. B. der Wert 0.0010 bei der unabhängigen Variable „Alter“ auf die Frauen, 0.0022 (0.0010 +

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5

RESULTATE UND DISKUSSION

Interaktionseffekt) auf die Männer und der globale Alterseffekt entspräche 0.0016: Mit jedem Altersjahr steigt die Gleichverteilung der Genreanteile, und zwar bei Männern und Frauen, wenn auch unterschiedlich stark. Beim quadrierten Alter steht ein negativer Wert für den gesuchten umgekehrt u-förmigen Verlauf. Dann tritt nämlich ein Sättigungseffekt ein und die Steigung des Zusammenhangs „Alter - musikalische Geschmacksbreite“ nimmt mit zunehmendem x ab und kann sogar negativ werden, wie es H1 fordert. Positive Effekte sind dagegen ein Indiz für nicht mehr linear steigende Geschmacksbreite mit dem Alter, sondern für quadratische oder sogar exponentielle Zunahmen, also eine Verstärkung statt Abschwächung des Zusammenhangs. Im dritten Schritt berücksichtige ich die Anzahl gehörter Genres als abhängige Variable (3) und im vierten Modell verwende ich schliesslich das Gleichheitsmass M, das von der Konstruktionslogik her eine Mischung von UHH und den gezählten Genres darstellt, da es sowohl 0-Anteile als auch die Konzentration der Verteilung beachtet. Die Tabelle auf der vorherigen Seite beinhaltet die unstandardisierten Koeffizienten für die vier Modelle. Wie man sieht, ist die Erklärungskraft der unabhängigen Variablen sehr gering. Nur maximal 10% der Streuung der abhängigen Variable werden duch die erklärenden Grössen aufgeschlüsselt. Trotzdem ist der Alterseffekt für alle berücksichtigten abhängigen Variablen signifikant von 0 verschieden, mindestens auf dem 5%-Niveau. Dies zeigt, dass ein unterschiedliches Hörverhalten und eine andere Zusammenstellung von Genres je nach Alter auftreten, d. h. dass der Musikgeschmack altersabhängig ist. Im Gegensatz zum Bruttomodell ohne Kontrollvariablen verliert der Einfluss an Stärke, wenn die Kontrollvariablen hinzukommen (Modell 1 vs. Modell 2). Somit ist der Alterseffekt nicht „rein“ oder allgemeingültig, sondern zu einem beträchtlichen Teil über andere Grössen vermittelt. Eine intervenierende Variable stellt das Geschlecht dar, denn der Interaktionseffekt von Alter und Geschlecht ist stark signifikant. Es bestehen also für Frauen und Männer unterschiedliche Alterseffekte. Die Grafik auf der folgenden Seite veranschaulicht die Alterseinflüsse auf die musikalische Geschmacksbreite getrennt für Männer und Frauen. Trotz der unterschiedlichen Altersverteilung von Frauen und Männern in der Stichprobe lassen sich Effekte erkennen, die nicht aufs Sampling allein zurückzuführen sind. So ist die Streuung der musikalischen Geschmacksbreite für Männer grösser als für Frauen, selbst wenn man aufs Alter kontrolliert. Das Bild bestätigt sich bei der Betrachtung der Standarabweichungen für die umgepolte Konzentration des Musikgeschmacks (UHH). Während Männer einen Wert von 0.73 haben, ist die Streuung bei den Frauen mit 0.63 deutlich tiefer. Der Test auf Varianzhomogenität bestätigt dieses Bild und die Nullhypothese, dass Frauen und Männer die gleiche Standardabweichung aufweisen, kann mit 1%iger Fehlerwahrscheinlichkeit verworfen werden. Bei Männern gibt es also ein weniger einheitliches Hörverhalten in

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5

RESULTATE UND DISKUSSION

Abbildung 14: Zusammenhang Alter und Konzentration des Musikgeschmacks (UHH) getrennt für Frauen und Männer

Bezug auf Genrepräferenzen als bei Frauen: Ein Teil der männlichen last-fm User ist univor veranlagt und bevorzugt wenige Nahrungssorten, ein anderer Teil dagegen allesfresserisch, besonders im höheren Alter. Diese Erkenntnis deckt sich mit den Resultaten von Glevarec & Pinet (2009), die ebenfalls hauptsächlich bei den älteren Kohorten omnivores Hörverhalten orten. Bei den Userinnen dagegen fällt die Streuung geringer aus und wir finden unabhängig vom Alter weniger Ausreisserinnen gegen unten und oben mit sehr konzentriertem oder extrem gleich verteiltem Geschmack. Das positive Vorzeichen und die starke Signifikanz des Interaktionseffekts bei Modell (2) untermauern das Gesagte und beweisen, dass der Alterseffekt bei den Frauen schwächer ausfällt als bei den Männern. Dem Alterskoeffzienten nach zu urteilen, der sich auf die Referenzkategorie der Frauen bezieht, ist die Steigung bei den Userinnen allerdings weiterhin stark signifikant und positv, wenn auch nur halb so gross wie bei den männlichen Usern. Zudem beträgt der Unterschied der Varianzaufklärung 10% zwischen Frauen und Männern, wie die geschlechtsgetrennte Berechnung der Regressionsmodelle verdeutlicht. Während im weiblichen Regressionsmodell mit allen erhobenen unabhängigen Variablen 5% der Streuung von UHH aufgeklärt werden, sind es bei den Männern 15%. Bei den Frauen ist die musikalische Geschmacksbreite, gemessen an der Konzentration, unbestimmter und weniger von den betrachteten Grössen, insbesondere Alter und Netzwerk, abhängig als bei Männern.

57


5

RESULTATE UND DISKUSSION Gleichzeitig existiert eine Geschlechtsgleichheit der Mittelwerte bei der musikalischen

Geschmacksbreite, denn kontrollierte Geschlechtseffekte sind nur für die reine Konzentration des Musikgeschmacks UHH, nicht aber für die Anzahl gehörte Genres und die Kombination von Konzentration und Breite (M) ersichtlich. Frauen und Männer haben global gesehen die gleich breiten Präferenzen, obwohl es zwischen den abhängigen Konstrukten zu unterscheiden gilt. Weibliche Userinnen hören ihre bevorzugten Genres zwar geballter, also ungleichmässiger verteilt, sind aber nicht selektiver in ihrer Wahl als männliche User. Dynamiken, die dafür mitverantwortlich sind, werden wir im nächsten Abschnitt bei der Betrachtung der Zusammensetzung des Musikgeschmacks finden. Das unterschiedliche Vorzeichen für die abhängigen Variablen kommt auf den ersten Blick überraschend. Während die Konzentration des Musikgeschmacks mit zunehmenden Alter sinkt, d. h. ein weniger stark auf bestimmte Genres ausgerichtetes Hörverhalten zu beobachten ist, und sich dieser Effekt auch nicht abschwächt - denn das quadrierte Alter spielt in den ersten beiden Modellen keine Rolle -, deutet der negative Koeffizient bei der Anzahl Genres und beim Gleichheitsmass M auf eine sinkende musikalische Geschmacksbreite mit jedem Altersjahr hin. Zudem sorgt der negative quadratische Term für eine Verstärkung des Zusammenhangs bei älteren Userinnen. Sie hören also noch weniger Genres als mit dem linearen Effekt voraussgesagt, so dass sich die Kurve leicht nach unten biegt. Allerdings verliert dieser Effekt seine Biegung, sobald man die extremen Ausreisser nach unten ausschliesst. Offenbar stellen die Konzentration des Musikgeschmacks als Ungleichverteilung der Genreanteile und die Breite als Anzahl gehörter Genres verschiedene Konzepte dar, die es zu trennen gilt. Bestätigt wird dies durch die ebenfalls gerechneten, aber hier nicht aufgeführten Regressionen mit den last.fm spezifischen reinen Konzentrationsmassen AEP und OMR50 : Wie bei UHH stellen sich die Alterskoeffizienten als leicht positiv heraus, d. h. auch beim Hörverhalten auf Bandebene - und nicht mehr auf Genreebene - wirkt sich das Alter positiv auf die Geschmacksgleichheit aus, obwohl die Effekte nichtlinear sind und sich zunehmend abschwächen, so dass hier annähernd ein umgekehrt u-förmiger Zusammenhang herauskommt. Deshalb, und in Anbetracht der weiter oben erzielten Erkenntnisse, kann die Hypothese nicht pauschal angenommen oder abgelehnt werden. Stattdessen wirkt sich das Alter differenziert auf die musikalische Geschmacksbreite aus, je nachdem, ob es sich dabei um die Anzahl oder Konzentration der gehörten Genres handelt. Zunehmende Altersmilde führt zu einer Gleichbehandlung der „musikalischen Freunde“, aber auch zu grösserer Selektivität. Um den Vergleich mit einem Freundeskreis zu ziehen, wobei die Genres Freunde darstellen: Ältere Leute haben zwar weniger Freunde als ihre jüngeren Zeitgenossen, behandeln diese 50 Diese

Regressionen sind in der beigelegten Syntax vermerkt.

58


5

RESULTATE UND DISKUSSION

aber untereinander gleicher: Sie laden ihre drei Freunde je zweimal pro Jahr einzeln zum Essen, zum Bowling und zum Konzert ein. Unsere jüngeren Hörerinnen haben zwar sechs Freundinnen, drei davon kennen sie aber nur oberflächlich und unternehmen fast nie was mit ihnen. Was die anderen drei betrifft, so gehen sie mit einer von ihnen zweimal pro Jahr essen und anschliessend auch noch zum Bowling. Mit den beiden anderen besuchen sie gemeinsam die zwei Konzerte. In diesen unterschiedlichen Mustern spiegeln sich überspitzt gesagt jugendliche Differenziertheit und Probiermentalität auf der einen Seite und altersweise Stabilität und Abgeklärtheit wider.

5.1.3 Hypothese 2: Sozialkapital und musikalische Geschmacksbreite Für die Operationalisierung des Sozialkapitals wurden die Variablen „Freunde“ und „Gruppen“ berücksichtigt. Diese korrelieren stark untereinander (Pearson’s Korrelationskoeffizient von 0.71), was darauf schliessen lässt, dass es sich um ähnliche Konzepte handelt, die mit der Aktivität auf last.fm in Zusammenhang stehen: Je mehr Zeit man auf der Homepage verbringt, desto eher tritt man in Gruppen ein oder schliesst Freundschaften. Obwohl die Anzahl total gescrobbelter Songs, also die Variable „Songs“ in den Regressionsmodellen, nur ein unzureichender Indikator für die Aktivität und das zeitliche Investitionsniveau in last.fm darstellt, zeigen die beträchtlichen und stark signifikanten Korrelationen dieser Variable mit der Anzahl Freunde (0.39) und Gruppen (0.37), dass sich die Involviertheit in einem breiteren Netzwerk und häufigeren Gruppenmitgliedschaften äussert. Gemäss bivariater Korrelation existiert aber kein Zusammenhang zwischen Sozialkapital und Breite des Musikgeschmacks und auch der Scatterplot erlaubt keine Schlüsse auf den Effekt der Anzahl Freunde auf die musikalische Geschmacksbreite. Höchstens heteroskedastische Tendenzen sind erkennbar (siehe Abbildung 15 auf der nächsten Seite). Das Gleiche gilt bei der Berücksichtigung der Anzahl gehörter Genres als abhängiger Variabe oder der Verwendung des Gleichheitsmasses (M) statt des Konzentrationsmasses. Auch hier sind die bivariaten Zusammenhänge allesamt unter 0.1 und nicht signifikant von 0 verschieden. Als Indiz für einen Zusammenhang zwischen dem Sozialkapital im Internet und der musikalischen Geschmacksbreite kann jedoch die Regression aus dem vorherigen Unterabschnitt gewertet werden. Wie aus Tabelle 4 auf Seite 55 ersichtlich wird, sind die Koeffizienten zur Anzahl Freunde und zur Anzahl Gruppen signifikant von 0 verschieden, wenn auch nicht sehr stark und auf unterschiedlichem Niveau. Den stärksten Einfluss finden wir bei UHH als abhängiger Variable, also der Konzentration. Je mehr Freunde auf last.fm ein User hat, desto weniger diversifiziert ist sein Musikgeschmack. Dies betrifft alle abhängigen Variablen, d. h. verschiedene Fassungen des Konzepts musikalische Geschmacksbreite.

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5

RESULTATE UND DISKUSSION

Abbildung 15: Zusammenhang Freunde und musikalische Geschmacksbreite (UHH) ohne extreme Ausreisser

So wird auch deutlich, dass Leute mit vielen Freunden keineswegs übermässig viele Genres hören. Die Ausreisserinnen in Bezug auf die Anzahl Freunde bewegen sich alle im Mittelfeld mit fünf bis sieben gehörten Genres, während Personen ohne Freunde eine grosse Varianz in ihrer musikalischen Geschmacksbreite aufweisen. Das heteroskedastische Bild zeigt sich für alle betrachteten Indikatoren der Breite des Musikgeschmacks und spricht damit für die Allgemeingültigkeit des Befundes. Möglicherweise versuchen Leute mit einem gewöhnlichen oder durchschnittlichen Geschmack vielfältige Anschlüsse an verschiedene Netzwerke zu schaffen, was ihnen auch gelingt, während Personen mit sehr schmalen oder breiten Präferenzen selektiver in der Wahl ihrer Freunde sind. Bei omnivoren Hörern steht vermutlich auch nicht so sehr die soziale Funktion von last.fm im Vordergrund, sondern die informative und investigative. Der negative Koeffizient in der Regression widerspricht der formulierten Hypothese, die behauptet, dass das Netzwerk und die musikalische Geschmacksbreite positiv zusammenhängen. Hypothese 2 muss somit verworfen werfen: Das soziale Kapital oder Netzwerk auf der Community-Site übt keinen positiven, sondern einen negativen Einfluss auf die Breite des Musikgeschmacks aus. Unter Umständen schliessen viele User Freundschaften mit Leuten, die einen sehr ähnlichen Musikgeschmack haben, wodurch musikalische Empfehlungen häufiger konfirmatorischen Charakter annähmen als explorativen. So geben vielleicht

60


5

RESULTATE UND DISKUSSION

Metal- oder Jazz-Fans mit einem grossen, aber geschmackshomogenen Netzwerk einander (Insider)Tipps, die vorwiegend innerhalb des Genres zu verorten sind und damit nicht als Geschmackserweiterung im Sinne eines Genreverständnisses der open-earedness betrachtet werden können. Die Empfehlungen wirken dann als Bestätigung der Vorliebe für die bevorzugte Musik. In einem weiteren Schritt gälte es nicht nur die Breite des Netzwerks zu überprüfen, sondern auch seine Beschaffenheit. Dies könnte mittels Homogenitätsmassen, z. B. in Bezug auf den Wohnort (Sprache), Alter, Geschlecht und weitere Charakteristika der Freunde geschehen. Dann wären Aussagen möglich wie: „Je grösser die altersmässige und geographische Streuung des Freundeskreises auf last.fm, desto grösser die musikalische Geschmacksbreite“ oder „Je gleichmässiger die Geschlechtsverteilung der Freunde, desto grösser die musikalische Geschmacksbreite“. Eine solche Analyse beleuchtet den Zusammenhang zwischen dem Netzwerk und der musikalischen Geschmacksbreite eingehend und trägt dazu bei, Geschmacks- und Sozialkapitaleffekte im Internet und deren Verbindung besser zu verstehen.

5.1.4 Hypothese 3: Alter der Musik und Präferenz Laut dieser Hypothese hören wir bevorzugt Musik, die im Jugendalter aktuell war oder ist. Die ältesten Personen im Datensatz (55-64 Jährige), die etwa zwischen 1945 und 1955 geboren wurden, müssten höhere Anteile 60s aufweisen als die späteren Geburtskohorten und zwischen 1956 und 1965 geborene last.fm Userinnen (heute 45-54 Jahre alt) hörten besonders viel Musik mit dem 70s Tag usw. Die Hypothese wurde überprüft, indem ich die Tags für die Jahrzehnte - 60s, 70s, 80s, 90s, 00s - mit dem Alter in Verbindung brachte. Ähnlich wie bei den Genreanteilen stehen die Dekadenangaben in Relation mit den übrigen Tags der Top50 Bands und Artists. Weist eine Userin beispielsweise den Wert 6 bei 80s auf, bedeutet dies, dass von den Tags der 50 meist gehörten Künstlerinnen und Bands 6% 80s sind. Ob das viel oder wenig ist, ergibt sich erst aus dem Zusammenhang der Daten und aus der Kenntnis der übrigen Taghäufigkeiten. In Tabelle 5 sehen wir die Dekadenangeben und ihr durchschnittliches Vorkommen mit Streuung und Maxima. Das Minimum beträgt für alle abgebildeten Tags 0, also kein Hören von Musik aus der entsprechenden Zeit. 80s ist das am häufigsten gebrauchte Tag, was sowohl vom höchsten Mittelwert als auch vom grössten Maximum verdeutlicht wird. Offenbar hat Musik aus diesem Jahrzehnt den spezifischsten Charakter und geht am eindeutigsten als eigenständige stilistische Kategorie durch. Sonst wird neuere Musik eher epochen- oder zeitspezifisch eingeordnet als alte, ob-

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5

RESULTATE UND DISKUSSION

Tabelle 5: Beschreibung der Tags 60s, 70s, 80s, 90s und 00s

Mittelwert

Standardabweichung

Maximum

0.21 0.34 1.31 0.78 0.90

0.91 1.08 2.20 1.43 1.44

6.73 6.01 11.10 6.71 4.27

Anteil 60s Anteil 70s Anteil 80s Anteil 90s Anteil 00s N = 876

Quelle: eigene Darstellung

wohl die absoluten Zahlen damit zu tun haben dürften, dass insgesamt mehr neue als alte Musik auf last.fm gehört wird. In der folgenden Tabelle sieht man den Zusammenhang zwischen dem Alter der Personen und dem Alter der gehörten Musik. Tabelle 6: Kreuztabelle Alter der User und Alter der Musik mit Zeilenprozenten

Alterskategorie 16 bis 20

60s Nein Ja 129 4

70s Nein Ja 127 6

80s Nein Ja 103 30

90s Nein Ja 108 25

%

Total 133

96.99

3.01

95.49

4.51

77.44

22.56

81.20

18.80

100

21 bis 30

252

21

240

33

186

87

199

74

273

%

92.31

7.69

87.91

12.09

68.13

31.87

72.89

27.11

100

31 bis 40

218

17

209

26

157

78

174

61

235

%

92.77

7.23

88.94

11.06

66.81

33.19

74.04

25.96

100

41 bis 50

131

2

124

9

100

33

107

26

133

%

98.50

1.50

93.23

6.77

75.19

24.81

80.45

19.55

100

96

6

95

7

69

33

77

25

102

94.12

5.88

93.14

6.86

67.65

32.35

75.49

24.51

100

51 bis 64 %

Total

826

50

795

81

615

261

665

211

876

%

94.29

5.71

90.75

9.25

70.21

29.79

75.91

24.09

100

Quelle: eigene Darstellung

Mit angegeben werden die Zeilenprozente, also wieviele Prozent der jeweiligen Altersgruppe über Tags aus den obenstehenden Dekaden verfügen. „Nein“ steht für eine Person ohne so getagte Musik in ihren Top50, „Ja“ für eine mit. Der Kürze halber wurden die Randhäufigkeiten nicht für jede Zeitangabe aufgeführt, sondern nur einmal in der Spalte ganz rechts. Die gelb markierten Felder sollten jeweils die höchsten Prozentzahlen aufweisen, d. h. dies sind die Zellen, die laut Hypothese am besten besetzt sein müssten. Die rot markierten Felder stellen dagegen die Zellen dar, die tatsächlich über den höchsten Höreranteil von

62


5

RESULTATE UND DISKUSSION

Musik aus der jeweiligen Dekade verfügen. Bei den Jahrzehntangaben ohne rote Felder fallen die von der Hypothese postulierten mit den tatsächlichen Modalkategorien zusammen, was für eine Bestätigung spricht. Dies ist bei den neueren Tags 80s und 90s der Fall. Bei Musik aus den 00s, die hier aus Platzgründen nicht aufgeführt wird, zeigen sich keine bemerkenswerten Alterseffekte, d. h. jede Altersgruppe hört ungefähr gleich viel neue Musik. Knapp 30% der untersuchten User hat eine solche Markierung in seinen Top20-Tags, fast gleich viele also wie bei 80s. Im Vergleich dieser Befunde mit den Resultaten aus Tabelle 5, ergibt sich ein konzentrierteres oder geballteres Hörverhalten von 80s Musik gegenüber 00s. Bemerkenswert ist auch der sprunghafte Anstieg der Anzahl Hörerinnen von 70s auf 80s. Der totale Unterschied beträgt hier 20%, ist also ziemlich drastisch: Auf last.fm tummeln sich demnach mehr Liebhaber neuer Musik als alter und der Übergang von 60s und 70s zu 80s und neueren Klängen stellt eine symbolische Grenze dar, die sich im Hörverhalten klar abgebildet sieht. Es wäre interessant herauszufinden, inwieweit sich diese Kluft auch ausserhalb von last.fm beobachten lässt und mit welchen Identitäten, Abneigungen oder Referenzen die jeweiligen Dekaden behaftet sind. Eine solche Analyse der symbolischen Ladung einzelner Epochen würde aber qualitativ-ethnographische Zugänge erfordern (Grazian 2004: 202, 203) und übersteigt damit den Fokus dieser Arbeit. Bestätigt wird der Schnitt auch durch die bivariaten Korrelationen der Dekadenanteile. Benachbarte Tags korrelieren erwartungsgemäss stärker positiv als nicht benachbarte, aber bei älterer Musik fallen die Werte ungleich höher aus als bei neuen. So weisen 60s und 70s ein Pearson’s r von 0.58 auf und 70s und 80s korrelieren mit 0.42. Signifikant negative Korrelationen finden sich fast ausschliesslich bei 00s, also neuer Musik. Dabei nehmen die Werte aber nicht stetig ab, je weiter man in die Vergangenheit geht, sondern die striktesten Grenzen bestehen zwischen 00s und 80s, gefolgt von 70s und erst dann 60s. Zudem hören die 21-30 Jährigen in drei von vier Fällen am meisten epochenspezifische Musik. Das sind genau die Leute, für die sich die Hypothese besonders interessiert, denn sie befinden sich in der Postadoleszenz, der Phase also, während der sich der Musikgeschmack entscheidend ausprägt und sich danach kaum noch verändert (Holbrook & Schindler 1989). Die hier aufgeführten Zahlen widersprechen dem und legen den Schluss nahe, dass in der Postadoleszenz die grösste epochenspezifische Offenheit herrscht. Keinesfalls beschränken sich die 21-30 Jährigen nur auf aktuelle oder nicht allzu alte Musik. Vielmehr sind sie diejenigen, die am stärksten in der Tiefe der musikalischen Vergangenheit graben und aktuelle Musik dabei nicht vernachlässigen. Um genaue Zeiteffekte festzumachen, bräuchte es Längsschnitt- oder Paneldaten. Ob sich das Nachlassen dieses „archivarischen“ Explorationsinteresses tatsächlich aufgrund von Alterseffekten abspielt oder ob nicht eher Periodeneffekte dafür verantwortlich sind, kann mit dieser Datenbasis nicht überprüft werden.

63


5

RESULTATE UND DISKUSSION Um die auf den ersten Blick gegen die Hypothese sprechenden Resultate aus der Kreuz-

tabelle genauer zu untersuchen, wurden χ 2 -basierte Zusammenhangsmasse und Tests berechnet. Der Test ist für die obenstehende Kreuztabelle zwar problematisch, weil er aufgrund des nominalen Skalenniveaus der verwendeten Tags keinen Schluss auf die Richtung des Zusammenhangs zulässt und gewisse Zellen Häufigkeiten unter 5 aufweisen, wird aber trotzdem verwendet. Je stärker die beobachteten von den erwarteten Häufigkeiten abweichen, desto grösser fällt der χ 2 -Wert aus und desto stärker kann die Nullhypothese, dass kein Zusammenhang zwischen den Variablen besteht, verworfen werden. In unserem Fall bewegen sich alle p-Werte über 0.05, sind also höchstens auf dem 10%-Niveau signifikant. Dabei steigen die χ 2 -Werte mit zunehmendem Alter der Musik: Bei 60s und 70s liegen sie bei 9, bei 80s betragen sie 7, bei 90s 5 und bei 00s 4. Die abnehmende Differenz zwischen beobachteten und erwarteten Häufigkeiten lässt auf zunehmende Indeterminiertheit der Musik durch das Alter schliessen. Ältere Musik differenziert stärker und lässt striktere Grenzen zu als neuere. Es sind aber nicht die älteren Leute über 40, die sich für diesen Zusammenhang verantwortlich zeigen, sondern die 21-40-Jährigen. Auch das χ 2 -basierte Zusammenhangsmass Cramer’s V, das Werte von 0 bis 1 annehmen kann (Kühnel & Krebs 2001: 356), bestätigt diese Tendenz. Obwohl keine Korrelation 0.1 überschreitet, sind die Kennzahlen bei der älteren Musik am höchsten. Auch diese Hypothese muss zumindest teilweise verworfen werden. Nur für die 80er- und 90er-Jahre sind leichte Tendenzen erkennbar, die die aufgestellte Behauptung bestätigen. Userinnen aus den Altersgruppen 21-30 und 31-40 konsumieren häufiger in ihrer Postadoleszenz aktuelle Klänge als ältere und jüngere Untersuchte. Die 21-30 Jährigen offenbaren dabei die grösste epochenspezifische Offenheit. Sie hören Musik unterschiedlicher Dekaden und schrecken deutlich seltener vor älterer Musik zurück als ihre Hörgenossinnen im Alter von 16-20. In der Postadoleszenz wird demnach am ehesten mit verschieden alten Sounds experimentiert. Danach scheint es aber nicht zu einer Fokussierung auf genau diese Musik zu kommen, denn auch in gehobenem Alter bevorzugt man auf last.fm aktuelle Musik gegenüber älteren Sounds. Indessen gilt es im Hinterkopf zu behalten, dass es sich hier um das tatsächliche Hörverhalten handelt und nicht etwa um musikalische Präferenz, wie sie im Offline-Kontext bei der hier zentral referierten Studie (Holbrook & Schindler 1989) abgefragt wurde. Zudem bestehen die Tags nur zu einem geringen Teil aus epochenspezifischen Einteilungen, womit klar wird, dass die zeitmässige Einordnung kultureller Güter lediglich eine Nebendimension und keine Hauptachse der Distinktion im Internet darstellt.

64


5

RESULTATE UND DISKUSSION

5.2 Resultate zur Zusammensetzung des Musikgeschmacks und symbolischen Grenzziehung

5.2.1 Deskriptive Befunde Nach der Überprüfung der Hypothesen zur musikalischen Geschmacksbreite kann nun die Zusammensetzung des Musikgeschmacks in Angriff genommen werden. Bei den Genreanteilen weist last.fm in der Schweiz eine sehr rock- und indiezentrierte Hörerschaft auf. Tabelle 22 im Anhang beschreibt die anteilsmässige Verteilung aller Genres über alle untersuchten Userinnen hinweg mit den jeweiligen Durchschnittswerten und Standardabweichungen und Abbildung 16 veranschaulicht die Verteilung ausgewählter Genres.

Abbildung 16: Verteilung der Genreanteile für Rock, elektronische Musik, Pop und Jazz

Auch elektronische Musik, Pop und Punk sind gut vertreten. Im Gegensatz dazu hört nur ein geringer Teil der untersuchten Personen klassische Musik51 , Rap oder Jazz. Das schlechte Abschneiden von Rap und Black Music allgemein erstaunt, zumal diese Musikrichtungen bei der jüngeren Bevölkerung grosse Beliebtheit geniessen. Die Daten weisen also im Vergleich 51 Siehe

Abbildung 18 im Anhang für die anteilsmässige Verteilung weiterer Genres.

65


5

RESULTATE UND DISKUSSION

zur Gesamtbevölkerung einen selektiven Bias auf, der rockähnliche Genres überrepräsentiert und dadurch zustande kommt, dass last.fm Musikinteressierte aus diesem Lager eher anzieht als solche aus anderen Richtungen. Den ähnlich hohen Maximalwerten bei allen Genres nach zu urteilen, existieren aber durchaus Hörer, die einzelne, auf last.fm weniger stark vertretene, Genres intensiv hören. Obwohl z. B. drei Viertel aller Profile überhaupt kein Rap hört, macht dieses Genre bei einzelnen Userinnen den Grossteil der gehörten Musik aus52 . Um zu überprüfen, wie die Genres untereinander zusammenhängen, habe ich Korrelationen mit den jeweiligen Genreanteilen berechnet. Tabelle 7: Korrelationen der Genres untereinander

Rap Elektro Klassik Pop Metal Jazz World Country

Rock

Rap

Elektro

Klassik

Pop

Metal

Jazz

World

-0.24*** -0.41*** -0.08** 0.12*** 0.18*** -0.21*** -0.14*** -0.02

0.01 -0.06* -0.10*** -0.10*** -0.07** -0.03 -0.17***

-0.05 -0.11*** -0.24*** 0.01 -0.06* -0.22***

-0.06* -0.05 0.04 0.01 -0.02

-0.35*** -0.07** 0.02 0.06*

-0.05 -0.07* -0.17***

0.04 -0.04

0.03

Quelle: eigene Darstellung

*** p<0.01, ** p<0.05, * p<0.1 N = 876, gelb markierte Felder: |r|>0.2

Die auffälligsten Werte zeigen sich zwischen Rock und elektronischer Musik, Metal und elektronischer Musik, Pop und Metal sowie Rock und Rap. Die negativen Ausprägungen deuten auf eine Aversion hin, die in der unterschiedlichen Produktionslogik begründet liegen könnte: auf der einen Seite der am Handwerk orientierte Gestus des Rocks, bei dem die Band im Zentrum des Interesses steht, auf der anderen die Individualität, Synthetik und Tüftlermentalität elektronischer Musik (Diaz-Bone 2002). Die im Theorieteil angetroffene Grenzziehung sieht sich also bestätigt. Klassische Musik weist dagegen mit keinem der anderen Genres hohe Korrelationen auf, was auf ihren Charakter als inklusives und nicht exklusives Genre schliessen lässt: Auf last.fm scheint das Hören hochkultureller Musik kein Distinktionsinstrument zu sein, was der Bour52 Bei

allen Anteilen muss berücksichtigt werden, dass erstens nicht alle Tags der Top50-Künstler in den Top20 Tags abgebildet sind und zweitens nicht alle generierten Tags in Genres recodiert werden konnten. Die Restmenge an nicht beschriebenen Anteilen ist im Anhang ersichtlich und reicht von 2% (fast perfekte Beschreibung des Musikgeschmacks durch die gebildeten Genres) bis zu 81% (sehr schlechte Beschreibung des Musikgeschmacks durch die gebildeten Genres) mit einem Mittelwert von 29%, d. h. durchschnittlich konnten 70% der gehörten Top50 Bands und Künstlerinnen mit den Genres abgebildet werden.

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5

RESULTATE UND DISKUSSION

dieu’schen (1982) Konzeption des Musikgeschmacks widerspricht. Auch Rap und in abgeschwächter Form Pop sind keine eindeutig exklusiven Genres, wie die tiefen, aber z. T. noch signifikanten Korrelationen mit den übrigen Richtungen andeuten. Im Gegensatz dazu gestalten sich die Grenzen zwischen Metal und anderen Genres als trennscharf. Besonders die stark negative Korrelation mit Pop fällt ins Auge, aber auch von elektronischer Musik grenzt man sich dezidiert ab. Insgesamt offenbaren diese ersten Korrelationen drei grobe Muster: rocklastige Genres (Rock, Metal), elektronisch beeinflusste Genres (Rap, elektronische Musik) und übrige, eher inklusive Genres (Pop, World, Jazz, Klassische Musik). In der nächsten Tabelle sehen wir die Korrelationen zwischen weiteren Genres, die jedoch geringere Anteile auf sich vereinigen. Man kann diesbezüglich auch von Nischengenres sprechen. Tabelle 8: Korrelationen der Genres untereinander (Fortsetzung)

Punk Schlager Reggae Soul Gothic FA Christlich

Country

Punk

Schlager

Reggae

Soul

Gothic

FA

-0.17*** -0.01 -0.01 -0.00 -0.10*** 0.09** -0.03

-0.04 0.04 -0.25*** -0.04 -0.14*** 0.02

-0.02 -0.01 -0.03 -0.03 -0.01

0.03 -0.04 -0.05 -0.02

-0.11*** 0.12*** -0.01

-0.01 -0.01

-0.02

*** p<0.01, ** p<0.05, * p<0.1, FA = Female Artists

Quelle: eigene Darstellung

N = 876, gelb markierte Felder: |r|>0.2

Entsprechend sind hier weniger klare Effekte ersichtlich als vorher bei den Hauptgenres. Mit einem Wert von -0.25 stossen sich Soul und Punk am stärksten ab und auch Punk und Country sowie Female Artists (FA) und Punk sind negativ korreliert, mit einer Signifikanz, die mindestens auf dem 1%-Niveau von Null verschieden ist. Überraschenderweise gibt es zwischen der szenebasierten Musik Gothic und den anderen Genres keine übermässig hohen negativen Korrelationen. Trotz ausschliesslich negativer Werte - was auf Exklusivität hindeutet - sind nur die Verhältnisse zu Soul und Country signifikant, nicht aber zu Reggae und Schlager (inkl. Mundart). Allerdings hören im Sample auch nur wenige Personen Gothic, denn der durchschnittliche Anteil dieser Musikrichtung am Musikgeschmack beträgt 0.75%. Weitere relativ hohe Korrelationen betreffen die Musikrichtung Indie. Diese Zusammenhänge werden anschliessend gesondert betrachtet (siehe Unterabschnitt 5.2.5 zu Hypothese 7). Um die Soziodemographie der Genres zu untersuchen, habe ich Korrelationen zwischen den Genreanteilen und den erhobenen metrischen Variablen „Alter“, „Freunde“, „Gruppen“

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RESULTATE UND DISKUSSION

und „gespielte Songs“ berechnet. Die Werte fallen grösstenteils gering aus und die stärksten Korrelationen lassen sich beim Alter ausmachen. Rap, Pop, Jazz, Klassische Musik, Soul, Indie und Metal kovariieren mittelstark und signifikant mit dem Alter. Dabei weisen Jazz, Klassische Musik und Soul (inklusive Blues, Funk und R’n’B) eine eher ältere Hörerschaft auf, die übrigen genannten Genres eine jüngere. Am stärksten ausgeprägt sind die positiven Alterseffekte für Jazz mit einem Pearson’s Koeffizienten von 0.30 und Soul (0.23), die negativen für Indie (-0.36), Punk (-0.35) und Rap (-0.23). Etwas überraschend kommen die zwar immer noch negativen, aber nicht sehr starken Korrelationen bei den Genres Metal und Gothic. Hier hätte man aufgrund der Jugendzentriertheit der beiden Subkulturen auf höhere Korrelationen schliessen können, aber offensichtlich gibt es einige ältere Semester, die sich mit diesen Musikrichtungen beschäftigen. Bei der Anzahl Freunde sind die Korrelationen deutlich geringer als beim Alter. Lediglich Pop verfügt über einen absoluten Wert grösser als 0.1. Bemerkenswerterweise ist dieser negativ, so dass viele Freunde mit einem geringen Anteil Pop im Musikgeschmack einhergehen oder umgekehrt: Ein grosser Popanteil geht mit wenigen Freunden einher. Demnach haben sich Userinnen mit einem breiten Netzwerk und viel auf last.fm vebrachter Zeit zunehmend von Mainstream-Musik entfernt oder besetzen (Nischen)Genres, die nicht chartorientiert sind. Ich möchte diese Tendenz mit dem Schlagwort der „Musikexperten-These“ umschreiben. Sie besagt, dass sich auf last.fm viele User tummeln, die sich ganz gezielt für nicht chartorientierte Sounds interessieren und dort Expertenwissen anhäufen, das sowohl mit zeitlicher Investition und dem Austausch über die bevorzugte Musik als auch mit der Akkumulation von Sozialkapital in Form von Freunden auf der Homepage einhergeht. In diesem Zusammenhang kann in Anlehnung an Thornton (1996) und Rössels und Brombergers (2009: 496, 497) Erläuterungen über die Spezifik kulturellen Kapitals auch von internetspezifischem subkulturellem Kapital gesprochen werden. Die unterschiedliche Logik des Onlineund Offline-Musikkonsums - zu einem beträchtlichen Teil wohl durch Selbstselektionsprozesse begründet - ist auch in den last.fm Charts ersichtlich, also den Songs, Bands und Artists, die über alle Länder-, Alters- und Geschlechtsgrenzen hinweg auf last.fm am meisten gehört werden. Obwohl gewisse Parallelen der Charts53 zu den Billboard Charts nicht ausbleiben, äussert sich v. a. bei den Bands - und weniger bei den Songs - die unterschiedliche Konsumtionslogik. Hier bestätigt sich nämlich das rock- und indielastige Bild, wie es für die schweizer Hörerschaft festgestellt wurde. Mit den Beatles, Radiohead, The Killers oder Vampire Weekend rangieren Bands weit oben, die genau diesem Spektrum zuzordnen sind. Auch die beträchtliche Anzahl „toter“ Profile dürfte für den negativen Zusammenhang zwischen 53 Die last.fm Charts lassen sich auf http://www.last.fm/charts einsehen und können für verschiedene Zeiträu-

me betrachtet werden.

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RESULTATE UND DISKUSSION

poplastigem Musikgeschmack und Community-Freunden mitverantwortlich sein. Gemeint sind damit User, die ihr Profil schon lange nicht mehr besucht haben oder deren Aktivität auf last.fm nur probeweiser und vorübergehender Natur war, die sich also kaum mit den last.fm spezifischen Recherchemöglichkeiten auseinandersgesetzt haben und sich eher aus Neugier dort anmeldeten. Die hier skizzierte Expertismus-These steht aber in einem kleinen Widerspruch zur im vorherigen Abschnitt gemachten Beobachtung, dass sich Personen mit sehr grossem Netzwerk weder durch einen besonders breiten noch durch einen sehr spezifischen Musikgeschmack auszeichnen, sondern im Mittelfeld aller Beobachtungen anzusiedeln sind. Was die Zusammensetzung des Geschmacks anbelangt, hören die Ausreisser nach oben in Bezug auf die Anzahl Freunde weniger poporientierte Musik als der Durchschnitt, wie zuvor ersichtlich wurde. Damit sind sie weder Omnivores by Volume noch Omnivores by Taste, falls man das Überschreiten der Grenze von Mainstream und Alternative als Ausprägung der Omnivorousness by Taste auffasst. Verdeutlicht wird hiermit, wie die unterschiedliche Konzeptionen musikalischer Toleranz zu unterschiedlichen Schlüssen führen: Ein genremässig breiter oder gleichmässig verteilter Geschmack geht nicht automatisch mit dem Überschreiten symbolisch relevanter distinktiver Grenzen einher. Die Mitgliedschaft in Gruppen wirkt sich dagegen nicht bedeutend auf die Genrepräferenzen aus. Alle Korrelationen zwischen dieser Variable und den Genreanteilen sind sehr schwach ausgeprägt und bis auf diejenigen mit Pop und Metal nicht signifikant. Erneut fällt die negative Ausprägung zwischen dem Popanteil und der Anzahl Gruppen ins Auge. Hier wirken wohl die gleichen Kräfte wie bei den Freunden, womit verfestigt wird, dass ein grosses soziales Netzwerk auf der Homepage zwar mit einer Präferenz für weniger chartorientierten Sound einhergeht, aber weder mit einem besonders breiten Geschmack noch mit einem Verständnis die symbolische Grenze von Mainstream und Alternative unbekümmert zu überschreiten. Um die bivariaten Ergebnisse auf ihre Gültigkeit im multivariaten Fall hin zu überprüfen, wurden lineare Regressionen der einzelnen Genreanteile auf die vorhandenen unabhängigen Variablen gerechnet. In Tabelle 9 auf der nächsten Seite sind die unstandardisierten Koeffizienten für die ersten acht Genres angegeben. Regressionen für die restlichen Genres finden sich entweder im Anhang in Tabelle 24 (Seite 115) oder in den Unterabschnitten zu den einzelnen Hypothesen. Wie aus Tabelle 9 ersichtlich wird, sind die Alters- und Geschlechtskoeffizienten für fast alle Genres signifikant von 0 verschieden. Genrepräferenzen sind also teilweise von soziodemographischen Merkmalen abhängig, was die gesellschaftliche Unstrukturiertheit des Musikgeschmacks widerlegt und sich mit den Befunden aus der bisherigen Forschung deckt: Auch im Internet setzen sich soziale Geschmackseffekte fort und werden keineswegs nivel-

69


70 876 0.124

(0.822)

(0.985)

876 0.028

0.849

(0.000)

(0.000)

11.640***

-0.012

(0.535)

(0.608)

0.022

2.462***

1.433**

0.257 (0.877)

(0.982)

(0.903)

(1.016)

-0.666

-0.155

(0.023)

(0.018)

0.241

-0.019

(0.068)

(0.040)

-0.032

0.0513

(0.062)

-0.006

-0.217***

(0.060)

(0.002)

(0.002)

0.119**

0.007***

(0.027)

(0.042)

0.000

-0.087**

-0.052

Rap

876 0.084

(1.576)

12.020***

(0.000)

-0.039*

(1.073)

1.960**

(1.531)

2.366

(1.559)

2.373

(0.037)

0.064*

(0.069)

-0.072

(0.088)

-0.085

(0.004)

0.025***

(0.065)

0.214***

Elektro

*** p<0.01, ** p<0.05, * p<0.1

Unstandardisierte Koeffizienten, Robuste Standardfehler in Klammern

N R2

K on s t a n t e

Son g s

G e s c hl e c ht (Ref.: Frau)

Se l b s t por t r a i t

Bi l d (Ref.: Kein Bild)

Fr e u nd e

Gr u ppen

Al t e r ∗ G e s c hl e c ht

Al t e r 2

Al t e r

Rock

876 0.069

(0.419)

0.553

(0.000)

-0.005

(0.175)

-0.172

(0.445)

-0.458

(0.489)

0.216

(0.008)

0.008

(0.011)

-0.009

(0.023)

-0.017

(0.002)

0.003***

(0.016)

0.049***

Klassik

876 0.100

(0.469)

7.570***

(0.000)

0.013*

(0.321)

-0.800***

(0.495)

-0.777*

(0.490)

-0.694

(0.013)

-0.027**

(0.024)

0.005

(0.034)

0.090***

(0.001)

-0.003***

(0.026)

0.053**

Pop

876 0.102

(0.684)

0.366

(0.000)

0.029*

(0.650)

876 0.102

(0.661)

1.890***

(0.000)

0.013

(0.464)

0.132

(0.703)

0.0352

(0.687)

-0.210

(0.014)

0.020

(0.029)

-0.045

(0.055)

0.010

(0.002)

0.004***

(0.040)

0.124***

Jazz

876 0.022

(0.445)

0.768*

(0.000)

0.000

(0.380)

-0.131

(0.410)

0.279

(0.417)

-0.033

(0.007)

-0.001

(0.013)

-0.004

(0.042)

-0.046

(0.001)

0.001

(0.034)

0.070**

World

Quelle: eigene Darstellung

1.750**

(0.741)

1.200

(0.729)

0.109

(0.026)

-0.004

(0.064)

0.015

(0.075)

-0.211***

(0.003)

0.011***

(0.046)

-0.133***

Metal

Tabelle 9: OLS Regression Genreanteile auf Alter und andere Variablen

5 RESULTATE UND DISKUSSION


5

RESULTATE UND DISKUSSION

liert. Die Einflusskraft des quadrierten Alters verdeutlicht die Nichtlinearität der Alterseffekte und damit die Verstärkung oder Abschwächung von Genrepräferenzen mit zusätzlichen Lebensjahren. Bis auf Pop sind alle quadrierten Alterseffekte positiv, d. h. die Regressionskurve verläuft in den meisten fällen konvex, sei es nun mit positiver oder negativer Steigung. Jugendzentrierte Genres werden zwar mit zunehmendem Alter seltener gehört, die Abnahme ist aber ihrerseits abnehmend, d. h. es bestehen keine starren und strengen Dichotomien. Beim Geschlechtseffekt wird deutlich, dass es Unterschiede zwischen Frauen und Männern gibt, bzw. Genres, die eher männlich konnotiert sind und solche, die eher von Frauen gehört werden. Da Geschlecht als Dummy in die Regression aufgenommen wurde, lassen sich die Koeffizienten als kontrollierte Mittelwertsdifferenzen interpretieren: Eine Frau mit der gleichen Anzahl Freunde und Gruppen, der identischen Bildausprägung, dem selben Alter und gleich vielen gespielten Songs wie ein entsprechender Mann hört z. B. fast 2.5% weniger Rap und 2% weniger elektronische Musik in den Top50 als dieser. Umgekehrt hört der Mann weniger Pop und auch ein kleines bisschen weniger klassische Musik als seine musikalische Zwillingsschwester. Aufgrund der Überrepräsentation und Stärke der positiven und damit männlichen Geschlechtseffekte ist davon auszugehen, dass die Frauen bei anderen Genres punkten, schliesslich summieren sich die Anteile auf 100 auf, d. h. die Unterschiede gleichen sich am Schluss über die Geschlechter hinweg aus. Der Interaktionseffekt von Alter und Geschlecht deutet weitere Genreeinflüsse an. Es existieren unterschiedliche Alterseffekte für Männer und Frauen bei Rock, Rap, Pop und Metal. Ein positives Vorzeichen bedeutet dabei einen grösseren Effekt bei Männern als bei Frauen, ein negatives einen kleineren. Beispielsweise „wächst“ der Popanteil sowohl bei den Hörerinnen - wie der positive und signifikante Alterskoeffizient von 0.053 anzeigt - als auch bei den Hörern (0.053 + Interaktionseffekt = 0.143) mit jedem Jahr, aber für letztere trifft das stärker zu als für erstere. Die Zunahme chartorientierter Sounds mit dem Alter geht mit einem nachlassenden Interesse für extreme, aussergewöhnliche oder alternativ konnotierte Genres und Bands einher und lässt sich allenfalls lebenszyklisch begründen. Ältere Leute interessieren sich nicht mehr in gleichem Masse für Musik wie ihre jungen Zeitgenossen, was sich auch in der Untervertretung älterer Userinnen auf last.fm äussert - z. T. sicherlich begründet durch die technologischen und motivationalen Barrieren des Internets (Zillien 2006, Van Dijk 2005). Rock verhält sich gleich wie Pop, insofern als auch hier der Alterseffekt bei Usern grösser ausfällt als bei Userinnen, obgleich er insgesamt gering und nicht signifikant ist. Bei Metal ist es umgekehrt: Hier nimmt der Anteil mit zunehmendem Alter ab, für Männer jedoch stärker als für Frauen. Bei den weiblichen Userinnen sind die Unterschiede im Metalanteil zwischen älteren und jungen Hörerinnen damit geringer als bei männlichen Usern, was auf ein stärker segmentiertes Bild bei letzteren hinweist. Gleiches gilt für Rap,

71


5

RESULTATE UND DISKUSSION

denn die Alters- und Geschlechtseffekte sowie deren Interaktion sind identisch für Rap und Metal. Obwohl die Genres untereinander negativ korreliert sind und symbolische Grenzen zwischen ihnen bestehen, teilen sie ein geschlechts- und altersmässig ähnliches Publikum. Symbolische Grenzen manifestieren sich demnach nicht zwangsläufig in sozialen Grenzziehungen, was die Wichtigkeit der Berücksichtigung diskursiver Aspekte unterstreicht und eine Einbeziehung des Diskursraums bei der Analyse kultureller Güter nahelegt (vgl. DiazBone 2002). Vergleicht man diese Ergebnisse mit dem von Bryson (1996) gezogenen Schluss, dass Rap und Heavy Metal die beiden Musikrichtungen sind, die von den Omnivoren am stärksten abgelehnt werden und gleichzeitig eine durchschnittlich weniger gebildete Hörerschaft aufweisen als die meisten anderen Genres, so überrascht die Homologie aber kaum mehr. Die Anzahl Freunde hat nur auf den Popanteil einen signifikanten Einfluss, nicht jedoch auf die übrigen Genres. Das bestätigt das Bild der bivariaten Korrelationen. Wie oben spielen die Gruppenmitgliedschaften keine Rolle und auch die gespielten Songs als Indikator für die Aktivität auf last.fm bleiben ohne Einfluss auf die Genrepräferenzen: Es gibt also keine Genres, die speziell bei Viel- oder für Wenighörern beliebt sind. Wenig relevant für die hier betrachteten Genreanteile ist schliesslich die Selbstpräsentation in Form des Bildes. Keine Musikrichtung zeichnet sich durch das Vorhandensein eines besonders offenherzigen oder bedeckten Darstellungsmodus’ aus, wie die allesamt nicht oder kaum signifikanten und sehr geringen Koeffizienten bei den Variablen „Bild“ und „Selbstportrait“ klar machen. Alles in allem demonstrieren die deskriptiven Befunde, dass der Musikgeschmack teilweise von soziodemographischen Variablen abhängig ist. Allerdings lässt sich nur ein kleiner Anteil der gehörten Musik mit den betrachteten Variablen erklären. Um höhere Erklärungsgewinne zu erzielen, müssten zusätzlich Variablen des kulturellen Kapitals sowie Motive und Restriktionen des Musikhörens berücksichtigt werden. Da ich die Genres untereinander bis jetzt nur oberflächlich untersucht und mit ihrer Hörerschaft in Verbindung gebracht habe, kommen in den folgenden Unterabschnitten einzelne zielgerichtete Hypothesen zur Sprache. So soll die Zusammenstellung des Musikgeschmacks genauer beleuchtet werden, wobei es insbesondere darum geht die in den Korrelationen zwischen den Genres angedeuteten symbolischen Grenzen zu verstehen und Logiken der Zusammenstellung des Musikgeschmacks nachzuvollziehen.

72


5

RESULTATE UND DISKUSSION

5.2.2 Hypothese 4: GenreĂźbergreifende und genreinterne Di erenzierung Um diese Hypothese zu ĂźberprĂźfen wurden die Ausreisser nach oben und unten, d. h. Personen mit besonders vielen und besonders wenigen gehĂśrten Genres, auf die Zusammenstellung ihres Musikgeschmacks hin untersucht. Als Ausreisserin nach unten oder extreme Univore definiere ich eine Userin, die maximal zwei Genres hĂśrt und einen M Wert von kleiner als 0.7 aufweist. ZwĂślf Personen erfĂźllen diese Kriterien. Im Gegensatz dazu bezeichne ich einen User, der mindestens neun Genres hĂśrt und zudem ein M von grĂśsser 0.9 hat als Ausreisser nach oben. Dieses Kriterium erfĂźllen 18 Personen, so dass insgesamt 30 Leute fĂźr diese Hypothese zur VerfĂźgung stehen. Die extremen Unvioren sind entweder Elektro-, Rock-, Metal-, Jazz-, Gothic- oder PunkhĂśrer. Die Hälfte der betrachteten User ist elektronischer Musik zugeneigt, gefolgt von Jazz mit zwei Usern und den restlichen genannten Genres mit je einer betrachteten HĂśrerin. Keine ausschliesslich gehĂśrten Genres sind Pop, Indie, Rap, klassische Musik und Soul, obwohl letzteres Genre mit Jazz zusammen eine semi-univore Kombination ausbildet, ebenso wie Rock mit Metal. Elektronische Musik wird am seltensten mit irgendeinem anderen Genre kombiniert, tritt also am häufigsten als singuläres Genre auf. Vier von sechs ElektroUnivoren hĂśren kein anderes Genre nebendran. Wie stark differenziert ist nun der Musikgeschmack der Univoren innerhalb ihrer Genres? Spezialisieren sie sich auf wenige Subgenres oder nutzen sie das volle Spektrum der Musik des Genres? Bei elektronischer Musik hiesse das z. B., dass die User von Ambient, Ăźber House, Trance, Electropop und Minimal vielen Spielarten offen gegenĂźber ständen. Um diese Hypothesen zu ĂźberprĂźfen, wurden die Tags und dazugehĂśrigen Prozentzahlen der Univoren untersucht und mit den gehĂśrten Bands und Artists gegengeprĂźft. Zuerst einmal lassen sich verschiedene Formen elektronischer Univorizität feststellen. Tabelle 10 auf der nächsten Seite zeigt acht der zwĂślf extremen Ausreisser nach unten und die gehĂśrte Musik nach Tags. Wie ersichtlich wird, sind bei der elektronischen Musik im Groben drei Muster erkennbar: Trance-orientierte HĂśrer (28, 37, 854), Chillout und Ambient (30, 39) sowie Minimal (9). Ein durchgehend genreintern-omnivores Muster, das die unterschiedlichen Spielarten elektronischer Musik auf sich vereinigt, ist nicht auszumachen. Am ehesten lässt sich aber Userin 854 so charakterisieren, auch was die Ausgeglichenheit der Tagcounts angeht, also die Konzentration der betrachteten Subgenres. Beim Jazz verfĂźgt die erste HĂśrerin (es handelt sich um zwei Frauen) Ăźber einen etwas differenzierteren Geschmack in Bezug auf die gehĂśrten Subgenres als die zweite. Beide sind sich aber relativ ähnlich, denn auch bei Userin 31 folgen die Tags fusion und blues auf den nächsten Rängen, die hier der Ăœbersichtlichkeit wegen

73


5

RESULTATE UND DISKUSSION

Tabelle 10: Tags der Ausreisser nach unten: Extreme Univore (Auswahl)

Elektronische Univoren 30 37 39

Jazz Univoren 11 31

User

9

Tag1

minimal trance

el.

psytrance ambient el.

jazz

jazz

(19.8)

(16.8)

(14.1)

(17.5)

(18.9)

(19.1)

techno

el.

chillout goa

chillout psytrance fusion

piano

(14.9)

(10.1)

(12.3)

(11.7)

(8.2)

(6.9)

(10.2)

el.

dance

ambient psych.

el.

pr. tr.

funk

j. p.

(12.5)

(7.9)

(11.6)

(9.8)

(6.6)

(5.4)

(8.8)

downtempo

minimal

bebop

bebop

(6.3)

(5.2)

(5.4)

blues

instr.

(5.1)

(5.1)

Tag2 Tag3 Tag4

Tag5

28

(9.8) (9.1)

minimal pr. tr. techno (7.1)

electro- psy. nica (8.9)

(12.1)

(10.1)

electronica

electronica

(5.0)

(5.6)

(15.5)

tr.

854 (12.4)

(7.3)

idm

el.

(7.6)

(8.2)

psychill electro(6.5) nica (5.9)

Tagcounts in Klammern, el. = electronic, pr. tr. = progressive trance, psych. = psychedelic, psy. tr. = psychedelic trance, j. p. = jazz piano, N = 8

Quelle: eigene Darstellung

nicht abgebildet werden. Tabelle 10 lässt damit erahnen, dass die extremen Univoren keineswegs automatisch eine grosse genreinterne Differenzierung aufweisen, sondern sich innerhalb der Genres weiter auf wenige Richtungen spezialisieren. Die breit gefassten Überbegriffe electronic und electronica lassen sich aber nicht genau einordnen und könnten verschiedene Spektren elektronischer Musik beinhalten. Dann fiele die genreinterne Differenzierung doch stärker aus, als auf den ersten Blick vermutet. Die Analyse der Tags muss also noch weiter verfeinert werden, um völlige Klarheit zu erhalten. Dies geschieht durch die Betrachtung der am meisten gehörten Bands und Artists. Erst wenn hier eine gewisse Einheitlichkeit über die obersten Ränge hinweg herrscht, kann von einer grossen genreinternen Spezialisierung die Rede sein. Eine solche künstlerbasierte Analyse erfordert jedoch die genaue Kenntnis der jeweiligen Genres, Subgenres und darin ablaufender Distinktions- und Zuordnungsvorgänge und müsste die Spielregeln des entsprechenden Feldes (Bourdieu 1993) berücksichtigen, etwas was über den Fokus dieser Arbeit hinausgeht. Als illustrierende Beispiele werden deshalb nur zwei Univoren zwei Omnivoren gegenübergestellt. So soll demonstriert werden, wie sich verschiedene Hörgewohnheiten in den Tagmustern niederschlagen und wie unterschiedlich die Zusammenstellung des Musikgeschmacks ausfallen kann, obwohl sie auf den ersten Blick genremässig ähnlich erscheint. Als Illustration habe ich die beiden Jazz-Univoren gewählt. Die Ergebnisse dieser künstlerbasierten Analyse finden sich weiter unten, im direkten Vergleich mit den Omnivoren.

74


5

RESULTATE UND DISKUSSION Um die gesehenen Resultate in den Kontext der Hypothese zu stellen, werden zunächst

aber die extremen Omnivoren thematisiert. Sie weisen laut Hypothese eine deutlich oberflächlichere und weniger differenzierte genreinterne Tagstruktur auf als ihre wählerischen Fress- oder Hörkollegen. Zur Überprüfung der Behauptung bin ich wiederum zuerst auf die Tags, dann selektiv auf die Künstler eingegangen. Das von der Hypothese gezeichnete Bild bestätigt sich in der Analyse. Am besten lässt sich dies an den elektronischen Genres erkennen: Obwohl alle 18 betrachteten omnivoren Profile elektronische Musik konsumieren, vereinigen nur wenige Userinnen spezielle Subgenre-Tags, wie house, trance oder minimal, auf sich und die meisten untersuchten Personen verfügen lediglich über die Kategorie electronic oder electro, die sie als Hörerinnen elektronischer Musik ausweist. Ähnlich sieht es bei rockzentrierten Spielarten aus. Hier dominieren ebenfalls unspezifische, übergeordnete Tags, wie sie vorwiegend mit etablierten Bands und Mainstream-Künstlerinnen einhergehen. In der folgenden Tabelle werden Allesfresser aufgeführt, die viel Jazz und elektronische Musik hören, um den Kontrast mit den oben betrachteten Univoren zu verdeutlichen. Zudem sind weitere exemplarische omnivore Profile gelistet. Tabelle 11: Tags der Ausreisser nach oben: Extreme Omnivore (Auswahl)

User

205

652

257

304

Tag1

jazz

jazz

pop

mundart reggae

(9.9)

(9.2)

(9.0)

(11.5)

(13.1)

s.-s.

f.a.

f.a.

folk

(6.8)

(8.2)

(9.0)

(9.7)

rock

pop

rock

(6.2)

(8.2)

(8.0)

indie

rock

(6.1)

Tag2 Tag3 Tag4 Tag5

844

613

320

306

587

soundtrack hip-hop

rock

rock

(8.5)

(7.3)

(10.6)

(10.3)

dub

ambient

french

pop

alt.

(8.9)

(6.3)

(7.1)

(8.4)

(7.8)

pop

rock

el.

reggae

alt.

indie

(8.7)

(7.4)

(6.2)

(7.0)

(7.9)

(7.0)

s.-s.

rock

punk

instr.

pop

indie

s.-s.

(8.1)

(8.0)

(8.2)

(6.9)

(6.1)

(6.9)

(6.5)

(6.9)

el.

s.-s

folk

s.-s

alt.

rock

hip hop

jazz

jazz

(6.1)

(7.0)

(6.8)

(7.0)

(6.8)

(6.1)

(6.0)

(5.5)

(6.4)

Tagcounts in Klammern, s.-s. = singer-songwriter, f.a. = female artists, alt. = alternative, el. = electronic, instr. = instrumental, N = 9

Quelle: eigene Darstellung

Auf den ersten Blick erkennt man, dass die Tags weniger spezifisch sind als bei den extremen Univoren. Die beiden Jazz-Omnivoren 205 und 652 verfügen z. B. über kein Subgenre in ihren Top5-Tags und auch bei den Top10-Tags taucht keine genauere Bezeichnung auf - im Gegensatz zu vorher, wo wir Formen wie bebop oder jazz piano beobachten konnten. Auch die elektronischen Omnivoren 613 und - mit Abstrichen - 844 fallen nicht durch übermässig differenzierte Markierungen auf, obwohl sich mit dub zumindest ein klares Subgenre in den Top5 befindet. Ferner ist das Tag pop bei den Omnivoren reichlich vertreten, im Gegensatz zu den Univoren, wo man die Mainstream-Markierung vergeblich sucht: Von den 18

75


5

RESULTATE UND DISKUSSION

Omnivoren hört nur ein einziger überhaupt keine Musik, die als pop getagt wurde in seinen Top50-Bands und Artists. In Bezug auf die Hypothese lässt sich vorsichtig - denn für den endgültigen Schluss bräuchte es die Feinanalyse von deutlich mehr Profilen - darauf schliessen, dass die Allesfresser oberflächlich durch die Genres hüpfen und sich oft repräsentative und bekannte Künstler herauspicken statt in die Tiefe zu graben. Der folgende Vergleich der Jazz-Univoren mit den Jazz-Omnivoren in Bezug auf die gehörten Bands und Künstlerinnen zeigt genauer auf, inwiefern dies der Fall ist. Zunächst ist nicht ersichtlich, woher die Omnivoren ihren Jazz-Anteil beziehen. Bei genauerem Hinschauen lüftet sich das Geheimnis und es wird deutlich, dass insbesondere weibliche Solo-Sängerinnen wie Diana Krall, Norah Jones, Melody Gardot, Madeleine Peyroux, Billie Holiday oder Nina Simone diesen Anteil ausmachen, allesamt Künstlerinnen, die an der Schnittstelle von Jazz mit anderen Genres stehen - sei es Pop, Country oder Blues und Soul. „Reinen“, instrumentalen Jazz sucht man bei diesen beiden Usern vergeblich. Im Gegensatz dazu zeichnen sich die Univoren durch eine weitgehende Abwesenheit vokalen Jazz’ aus. Sie konsumieren fast ausschliesslich das, was man landläufig mit dem Etikett Jazz versehen würde: Bill Evans, Miles Davis, Thelonious Monk, Dave Brubeck oder Keith Jarrett. Während die ersten Plätze hier für die Klassiker reserviert sind, folgen auf den hinteren Rängen zeitgenössische Jazz-Musiker, wie Gonzalo Rubalcaba, Michael Brecker oder das Esbjörn Svensson Trio. Es ist also eine relativ klare (Rang)Ordnung ersichtlich: Zuerst die Klassiker, dann das, was Bourdieu „avantgardistische Strömungen“ nennt. Demgegenüber zeichnen sich die Omnivoren durch ein „wildes Durcheinandergewürfel“ ihrer Jazz-Musik aus. Manche Jazz-Künstlerinnen erscheinen weit vorne, manche im Mittelfeld der Top50, andere im hinteren Bereich. Es ist jedenfalls keine eindeutige Clusterung oder Ordnung erkennbar, was den ergänzenden und oberflächlicheren Konsumstil im Vergleich mit den Univoren untermauert. Diese Hypothese kann nicht vollständig abgelehnt werden. Obwohl sich einige Aspekte bestätigt haben, treffen andere nicht zu: Während die Omnivoren tatsächlich einen Musikgeschmack mit geringer genreinterner Differenzierung aufweisen - z. T. begründet durch die Untersuchungsanlage in der Form eines restringierten Datensatzes - und sich dieser Teil der Hypothese bestätigt sieht, spezialisieren sich auch die Univoren genreintern. Am Beispiel der elektronischen Musik konnte ich aufzeigen, dass sie dezidierte Spezialisierungen treffen, indem sie sich z. B. bewusst auf Minimal oder Trance fokussieren und andere Spielarten elektronischer Musik vernachlässigen. Beim Jazz, wo eine Unterteilung des Genres in weitere trennscharfe Subgenres schwer fällt, stellt offenbar die Differenz von rein instrumentaler und damit mehr dem Ideal der Improvisation und des Jams verpflichteter Musik und Vocal

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5

RESULTATE UND DISKUSSION

Jazz, wie er im Studio produziert und mit anderen Genres gemischt wird, eine bedeutende symbolische Grenze dar. Während die Omnivoren eher - auch über Genregrenzen hinweg an bekannten Künstlern interessiert sind, spezialisieren sich die univoren Jazz-Kennerinnen auf instrumentalen Jazz.

5.2.3 Hypothese 5: Hochkultur vs. Populärkultur Gemäss dieser Hypothese sind Hochkultur und Populärkultur symbolisch und sozialstrukturell klar unterscheidbar und v. a. ältere Leute hören hochkulturelle Musik, während Populärkultur den jüngeren Kohorten zuzuordnen ist. Als Hochkultur werden die Genres „Klassische Musik“ und „Jazz“ verstanden. Wie die Regression aus Unterabschnitt 5.2.1 klar macht, stechen die hochkulturellen Genres nur altersmässig aus den übrigen Richtungen heraus. Sowohl klassische Musik als auch Jazz zeichnen sich durch ein älteres Publikum aus als alle übrigen dort betrachteten Genres mit Ausnahme elektronischer Musik. Der positive quadrierte Alterseffekt bei beiden Musikrichtungen bedeuet - verglichen mit der linearen Zunahme - einen übererwartet häufigen Konsum mit jedem zusätzlichen Lebensjahr, so dass der Funktionszusammenhang konvex ausfällt. Offenbar differenzieren sich ältere last.fm Nutzer, so dass es eine gewisse Dichotomität gibt: Bis etwa 30 hören die betrachteten Personen wenig hochkulturelle Genres, dann fängt das Interesse aber relativ schnell und sprunghaft an. Eine sonstige spezielle Position der Hochkulturgenres - z. B. in Bezug auf Freunde oder Aktivitätsniveau auf last.fm - kann nicht erkannt werden. Dies steht wahrscheinlich mit der Datenbasis im Zusammenhang, zumal Indikatoren des kulturellen Kapitals auf last.fm nicht abgefragt werden und hochkulturelle Musik allgemein untervertreten ist: Der durchschnittliche Anteil klassischer Musik am Musikgeschmack beträgt gerade mal 0.5%, derjenige von Jazz 2.5%. Zudem stellt sich bei klassischer Musik das Problem, dass die Tags differenziert, um nicht zu sagen zerfasert und oft genug völlig willkürlich sind. Franz Schubert wird z. B. von classical, über romantic und piano auch mit 19th century, classic rock (sic), indie, dead, gay, baroque und jazz umschrieben. Bei populärkultureller Musik ist die Beliebigkeit deutlich tiefer und die Kategorien erscheinen treffender. Des Weiteren wird klassische Musik oft schlecht beschriftet und das eindeutige „Band - Songtitel“-Schema, wie es in der populären Musik bei der Wiedergabe durch den Media-Player Standard ist, lässt sich nur schwer reproduzieren, weil Komponist und Interpret (Orchester, Dirigent) meist nicht identisch sind und manchmal das eine, manchmal das andere in den Vordergrund gerückt werden soll. Dies verringert das Identifikationspotential klassischer Musik auf last.fm weiter, denn aufgrund der uneinheitlichen Beschriftung der Musik tauchen Komponisten oder Interpreten, die von der Hörhäufikgeit in die Top50

77


5

RESULTATE UND DISKUSSION

gehörten nicht dort auf und fallen aus der Analyse raus. Trotzdem konsumieren vereinzelte Hörerinnen viel klassische Musik und Jazz. Diese User möchte ich genauer betrachten. Insgesamt sieben Profile haben sowohl einen Jazz- als auch einen Klassikanteil, der über 5% liegt, 22 User einen Klassikanteil über 5%, nicht aber einen entsprechenden Jazzanteil, und 126 Personen überschreiten zwar bei Jazz nicht aber klassischer Musik die 5%-Hürde. Diese Häufigkeiten legen nahe, dass klassische Musik und Jazz nicht allzu häufig kombiniert werden und damit unabhängig voneinander stehen. Von einer einheitlichen Hochkultur aus Klassik und Jazz kann im last.fm Kontext nicht die Rede sein. Die sieben Kombinierer von Jazz und klassischer Musik sind zwischen 32 und 58 Jahre alt, geschlechtsmässig gleich verteilt, mit vier Männern und drei Frauen, haben mindestens einen Freund auf last.fm und hören neben klassischer Musik und Jazz zwischen zwei und sieben zusätzliche Genres. Die maximal gehörte Anzahl Genres der betrachteten Personen beträgt also 9, die minimale 4, mit zwei Modi von 7 und 8 (je zwei Personen). Während ihre Konzentration des Musikgeschmacks gering ist - die Mehrheit verfügt über ein UHH von deutlich über 0.9 -, zeigen die mittelhohen M Werte eine nicht allzu hohe oder tiefe musikalische Geschmacksbreite an. Wiederum bestätigt sich die in den Korrelationen bereits manifestierte Tendenz, dass klassische Musik und Jazz auf last.fm nicht exklusive, sondern ergänzende Genres darstellen und die analytische Trennung von high brow und low brow keine entscheidende Rolle für die Zusammensetzung des Musikgeschmacks spielt. Somit sieht sich die last.fm spezifische Omnivorizität nicht primär mit der Überschreitung der Grenze von Populärkultur und Hochkultur konfrontiert, sondern stützt sich vorwiegend auf andere Bezüge. Immer wenn symbolisch besonders aufgeladene und strikte Grenzen überschritten werden, sei es indem z. B. elektronische Musik mit Rock kombiniert wird oder indem bei Liebhaberinnen alternativer und avantgardistischer Musik eine Auseinandersetzung mit Chartsound stattfindet, kommt diese durch die Zugänge des Internets wesentlich mitgetragene Allesfresserei zur Geltung. Die verschiedenen Formen der Omnivorousness by Composition laufen entlang unterschiedlicher Achsen, von denen diejenige des Status, wie er in der Kultursoziologie so zentral thematisiert wurde, nur eine von mehreren darstellt (Han 2003: 453). Hinzu kommen die Zeitachse (Klassiker vs. Avantgarde), die angesprochene genreinterne Differenzierungsachse (Alternative vs. Mainstream) und weitere manifeste Trennungen geographischer (einheimische Volksmusik vs. internationale Popmusik) oder vielleicht auch geschlechtlicher Natur (Sängerinnen vs. Sänger). Eine empirisch fundierte Theorie symbolischer Grenzziehung sollte diese Mehrdimensionalität berücksichtigen. Zwei der sieben betrachteten Userinnen sind subscriber, haben also das last.fm Radio abonniert. Auch die Anzahl gespielter Titel lässt kein herausstechendes Muster erkennen,

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5

RESULTATE UND DISKUSSION

wobei Wenighörer bzw. weniger Aktive leicht übervertreten sind. Fünf der sieben Hochkulturellen haben weniger als 10000 Titel gescrobbelt, die restlichen beiden bewegen sich über dem Durchschnitt, der 12600 abgespielte Songs beträgt. In Bezug auf die Selbstpräsentation, wie sie durch das Bild bzw. Selbstportrait eingefangen werden soll, und die Anzahl Gruppenmitgliedschaften offenbaren sich die hochkulturell Orientierten ebenfalls nicht aussergewöhnlich. Auffällig ist dagegen die Tatsache, dass sich die betrachteten Profile eher selbst exponieren, als dies in der Gesamtheit der Profile auftritt: Sie geben ihren Vor- und/oder Nachnamen an oder haben zusätzliche Kommentare in der About me Spalte. Auf vier Profilen sind die Namen klar ersichtlich, so dass auf die Identität ausserhalb des Netzes geschlossen werden kann und ein männlicher User schreibt, er sei Psychiater oder Psychoanalyst von Beruf, obwohl er seinen Namen nicht angibt. Betrachtet man ferner die ausschliesslichen Klassikkonsumentinnen, als User, die einen Anteil von über 10%54 auf sich vereinigen und wenig Jazz hören, so bleiben gerade mal zehn Profile übrig. Davon geben neun ihren vollen Namen oder ihren Vornamen an, wobei in zwei Fällen angezweifelt werden kann, ob die Angaben stimmen. Trotzdem erstaunt dieses Resultat, in Anbetracht der Tatsache, dass bei den jüngeren last.fm Usern sehr wenige ihren Namen nennen. Eigenbeschreibungen sind dagegen seltener vorhanden als bei den Jazz- und Klassik-Hochkulturorientierten. Eine weibliche Userin gibt ihre Berufsbezeichnung an - Landwirtin - und ein männlicher User führt ein Tagebuch, hat jedoch nur einen Eintrag verfasst. Offenbar legen die Klassik-Hochkulturellen ein etwas anderes Selbstpräsentationsverständnis an den Tag als die übrigen und v. a. jüngeren User. Dieses Verständnis orientiert sich, wie die Befunde jedoch nur oberflächlich andeuten, an Offline-Praxisaspekten mit eindeutiger Identifizierbarkeit. Tabelle 12 auf der nächsten Seite beleuchtet die genaue Zusammenstellung des Musikgeschmacks der Jazz- und Klassikhörerinnen. Keineswegs beschränken sich die hochkulturell Orientierten auf klassische Musik und Jazz, denn daneben konsumieren sie weitere Genres. Die Tags eletronica bzw. electronic und instrumental fallen dabei am stärksten ins Gewicht. So wie die Jazz-Univoren im vorigen Unterabschnitt bevorzugen die hier betrachteten User instrumentale gegenüber vokaler Musik. Unterstrichen wird dieser Schluss durch die an erster Stelle stehenden Tags piano und brass band, die ebenfalls dem instrumentalen Spektrum zuzuordnen sind. Bei den reinen Klassikhörerinnen ohne Jazz, deren Tags hier nicht aufgeführt werden, aber in der Syntax betrachtet werden können, ist dieses Bild noch deutlicher: Hier sind praktisch keine vokalen Tags mehr zu finden und auch Pop ist kaum vertreten. Stattdessen tauchen ungewöhnliche Markierungen wie lesser known yet streamable artists, bach performance oder historically informed performance auf, die auf die oben angesprochene Fragmentiertheit der Klassiktags verweisen. Sehr selten kommt bei den reinen Klas54 Angesichts

der oben genannten Probleme in Bezug auf klassische Musik auf last.fm ist das schon viel.

79


5

RESULTATE UND DISKUSSION

Tabelle 12: Tags der Hochkulturinteressierten mit Interesse für Jazz und Klassische Musik

User

16

Tag1 Tag2 Tag3 Tag4 Tag5

40

42

406

412

586

652

electronic jazz

classical

piano

pop

b. b.

jazz

(10.0)

(18.8)

(8.7)

(10.0)

(10.3)

(14.4)

(9.2)

classical

classical

electronic s.-s.

rock

st.

fem. voc.

(8.9)

(11.1)

(8.3)

(8.1)

(9.1)

(12.4)

(8.2)

ambient

piano

jazz

instr.

fem. voc.

instr.

pop

(8.5)

(7.6)

(7.6)

(6.5)

(8.4)

(6.3)

(8.2)

electro.

instr.

instr.

rock

jazz

jazz.

rock

(7.0)

(6.9)

(6.8)

(6.0)

(7.0)

(6.3)

(8.1)

jazz

guitar

chillout

classical

s.-s.

(6.9)

(6.5)

(5.8)

classic rock (6.1)

classical

(7.0)

(6.1)

(5.8)

Tagcounts in Klammern, s.-s. = singer-songwriter, fem. voc. = female vocalists, electro. = electronica instr. = instrumental, st. = soundtrack, b. b. = brass band, N = 7

Quelle: eigene Darstellung

sikhörern das opera Tag vor und bei den Kombiniererinnen von Jazz und klassischer Musik sucht man dieses Label vergeblich. Wenn überhaupt klassische Musik über last.fm gescrobbelt wird, dann handelt es sich um instrumentale Klänge, so dass diese hochkulturinterne Grenze durchaus relevant scheint und sich der eingehenderen Betrachtung würdig erweisen dürfte. Die in diesem Unterabschnitt vorgebrachte Evidenz reicht nicht aus, um die Hypothese zu bestätigen. Auf last.fm lassen sich die hochkulturellen Genres und deren Hörerinnen nicht eindeutig von anderen, der Popkultur zuzuordnenden, Musikrichtungen unterscheiden. Die wenig ausgeprägten symbolischen Grenzen zu den anderen Genres, wie sie sich in den schwachen Korrelationen manifestieren, schlagen sich kaum in sozialen Grenzen nieder. Obwohl sich klassische Musik mit einem Durchschnittsalter der Konsumenten55 von 42.5, also fast zehn Jahre mehr als das Mittel des Datensatzes, und Jazz (Durchschnittsalter 37.5) etwas von den übrigen Genres abheben, genügen diese Differenzierungen nicht, um von einer separaten Logik zu sprechen. Die Einzelprofilanalyse hat jedoch ergeben, dass Personen, die sowohl Jazz als auch klassische Musik konsumieren, eher bereit sind sich zu exponieren, beispielsweise mit ihrem wirklichen Namen oder aufschlussreichen Eigenkommentaren. Zudem deutet sich eine symbolisch relevante Trennung von instrumentaler und vokaler Musik an. Jazz- und Klassik-Konsumentinnen - beides grossteils gesangslose Musikrichtungen - ergänzen ihren Musikgeschmack häufig durch primär instrumentale (Sub)Genres. 55 Um

das Durchschnittsalter der Genres zu berechnen, wurden alle Personen berücksichtigt, bei denen die entsprechende Musikrichtung Anteile grösser als 0 ausmacht. Sobald jemand also irgendeine Band oder einen Künstler in den Top50 hat, der es mit einem entsprechenden Tag in die Top20-Tagliste geschafft hat, wird das Genre und somit die Hörerin gezählt.

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5

RESULTATE UND DISKUSSION

5.2.4 Hypothese 6: Frauen hören häu ger Female Artists als Männer Laut dieser Hypothese zeigen sich geschlechtsspezifische Künstlerpräferenzen je nach Geschlecht der Hörenden: Frauen hören häufiger female artists (FA) als Männer, letztere öfter male artists. Weil der Anteil male artists hörender Profile sehr gering ist und diese Kategorisierung ganz im Gegensatz zu FA auf last.fm keine grössere Beachtung findet, konzentriere ich mich bei der Überprüfung vorwiegend auf die Kategorie der weiblichen Künstlerinnen. Eine erste Kreuztabelle offenbart keine eklatanten Hörunterschiede zwischen Frauen und Männern in Bezug auf FA (siehe Tabelle 13 weiter unten). Jeweils etwa zehn Prozent aller Userinnen und User haben ein geschlechtsbezogenes Tag in ihren Top20-Markierungen. Bei den Frauen liegt der Anteil 2.5% höher, was einem totalen Weiblichkeitsüberschuss von elf Hörerinnen entspricht. Auch der χ 2 -Test ergibt keinen signifikanten Unterschied zwischen beobachteten und erwarteten Häufigkeiten und widerlegt damit einen Geschlechtseinfluss auf die Künstlerpräferenzen. Wie sieht es aber anteilsmässig aus? Konsumieren FAHörerinnen mehr solche Musik als ihre männlichen Hörgenossen? Der t-Test auf Mittelwertdifferenz verneint dies eindeutig. Es ist kein bedeutender Unterschied zwischen Männern und Frauen in ihrer Hörintensität festzustellen, wie ebenfalls aus der folgenden Tabelle ersichtlich wird. Tabelle 13: Kreuztabelle Geschlecht der User und Konsum von Female Artists mit Durchschnittswerten, Standardabweichung und Maxima der FA-Anteile

Nein

Ja

Durchschnitt

Stdabw.

Maximum

Total

0.45 0.39 -

1.46 1.44 -

11.74 8.85 -

438

0.42 -

1.45 -

11.74 -

876

Frau

392

46

%

89.50

10.50

Mann

403

35

%

92.01

7.99

Total

795

81

%

90.75

9.25

100

438 100

100

Quelle: eigene Darstellung

Wie wir aus dem deskriptiven Teil zur Zusammenstellung des Musikgeschmacks in Unterabschnitt 5.2.1 gesehen haben, sind die Korrelationen von FA mit den übrigen Nischengenres schwach ausgeprägt. Am ehesten erkennt man eine Identifikation mit Soul und Country und am deutlichsten fällt die Abgrenzung von Punk aus. Ob sich daraus eine Maskulinität des Punkgenres ableiten lässt, bleibt offen. Jedenfalls stände dieser Schluss in Einklang mit Untersuchungen aus den Cultural Studies (vgl. Hebdige 1979), die bei der Rock ’n’ Roll- und Punkszene v. a. männliche Beteiligung orteten und ein Szene-Involvement bei Frauen selte-

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RESULTATE UND DISKUSSION

ner thematisieren konnten (Willis 1978, Bannister 2006, vgl. auch Otte 2008: 16 zum unterschiedlichen Engagement von Männern und Frauen in Jugend- und Clubszenen). Weibliche Aspekte wurden am CCCR marginalisiert, was auch Kritik an den klassischen Autoren und ihren Studien (Hall & Jefferson 1986, Willis 1978, Hebdige 1979) auslöste und zur Postulierung einer weiblich geprägten bedroom-culture führte (McRobbie 1993). Aus dieser Perspektive gälte es zu fragen, ob sich die Verlagerung subkultureller Aspekte ins Internet (Williams 2006) als Ausweitung dieser bedroom-culture und damit Feminisierung sozialer Praxis verstehen lässt oder als eigenständige Entwicklung. Die empirischen Befunde deuten eher auf letzteres hin: „[...] a new type of subculturalist is emerging - one whose subcultural participation is limited to the internet.“ (ebd.: 173) Bei den Hauptgenres kovariiert FA am stärksten mit Pop, und zwar positiv. Das Pearson’s r beträgt 0.27 und ist damit eines der höchsten im gesamten Datensatz. Offenbar sind diese beiden „Genres“ - falls man bei FA von einem eigenen Genre sprechen kann - nahe beieinander und weisen Parallelen auf. Die explorative Durchschau einiger bekannter Popkünstlerinnen wie Madonna, Britney Spears, Lady Gaga oder Rihanna zeigt denn auch, dass diese an prominenter Stelle mit dem Etikett female vocalists oder female artists getagt wurden. Bei bekannten männlichen Popsängern ist das geschlechtsspezifische Tagen weniger verbreitet. Michael Jackson oder Lionel Richie werden beispielsweise selten als male artist getagt. Neuere populäre Sänger, wie Robbie Williams oder Justin Timberlake, sehen sich zwar als male vocalist markiert, jedoch nicht so häufig wie ähnlich gelagerte Sängerinnen. Bei Musikerinnen wählen die Userinnen demnach andere Differenzierungen als bei Musikern, womit das Geschlecht des Produzenten durchaus eine Rolle bei der Einordnung von Musik spielt. Die unterschiedliche Betonung der Geschlechtsidentität bei Frauen und Männern gilt es zu hinterfragen und mit den Produktionsprozessen der Musik in Verbindung zu bringen; inwiefern geschlechtsbezogene Identitäten für die Künstler selbst Relevanz geniessen, bzw. ob die hier angedeuteten Trennungen für sie selbst erkennbar und handlungsleitend sind, stellen anregende Forschungsfragen dar, die meines Wissens noch der Beantwortung harren. Um die Profile der FA-Hörer genauer bestimmen zu können, wurden diese separat betrachtet. Während nur bei einer einzigen Hörerin mehr als 10% der Top20-Tags einen Geschlechtsbezug aufweisen, sind es immerhin 31 Personen, die mehr als 5% ihrer meist gehörten Musik als female artist benannt sehen. Im Durchschnittsalter, der Anzahl Freunde und der Mitgliedschaft in Gruppen unterscheiden sie sich nicht gravierend vom Mittel auf last.fm. Obwohl sie zwar ein etwas schmaleres Netzwerk aufweisen und geringfügig älter sind, fallen sie nicht auffällig aus dem Rahmen. Die Regression im Anhang (Tabelle 24 auf Seite 115) macht aber deutlich, wie der Interaktionseffekt und der quadrierte Alterseffekt auf das Hörverhalten wirken: Bei den Männern fällt die Alterswirkung deutlich grösser aus als

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5

RESULTATE UND DISKUSSION

bei den Frauen. Der Konsum von FA hängt bei letzteren überhaupt nicht vom Alter ab, denn der Koeffizient - der sich auf die Referenzkategorie der weiblichen Userinnen bezieht - beträgt 0. Männliche Profile entwickeln dagegen mit zunehmendem Lebensalter eine Vorliebe für die FA-Kategorie. Das stärkere Ansteigen bei den Männern könnte mit der steigenden Präferenz für weichere Musik - und damit oft auch für Mainstream-Klänge oder weibliche Sängerinnen, wie sie durch FA eingefangen werden - erklärt werden. Bei männlichen Usern fiele die Spannweite in der Härte damit grösser aus und veränderte sich stärker mit dem Alter als bei weiblichen. Wie die Analyse der Tags der Ausreisser mit mehr als 5% FA-Anteil zeigt, kommt die Bezeichnung female vocalists mit Abstand am häufigsten in unmittelbarer Nähe von pop vor. Auch mit den Tags singer/songwriter und folk bestehen Parallelen. Schliesslich ist auch das Black Music-Genre „Soul und R’n’B“ in der Umgebung von FA zu finden. Bei der Durchsicht der am häufigsten gehörten Bands und Artists verdeutlicht sich das hier gezeichnete Bild. Auf Platz 1 der Top50 meist gehörten Acts befinden sich bei den 31 erwähnten Hörern lediglich vier Sänger und auch auf den folgenden Rängen dominieren klar die weiblichen Künstlerinnen. Ähnlich wie bei klassischer Musik geben Userinnen, die viel FA hören häufig ihren richtigen Namen an. 23 der 31 betrachteten Profile tun dies. Zudem ergibt die lineare Regression mit den erhobenen unabhängigen Variablen einen negativen Einfluss der Bildvariablen auf die FA-Anteile, der stark signifikant von 0 verschieden ist. Im Vergleich zur Referenzkategorie „Kein Bild“ hören Personen mit einem Bild deutlich seltener Musik weiblicher Sängerinnen. Die gleichen Differenzen sind bei „Selbstportrait“ ersichtlich: Auch hier deutet sich ein beträchtliches Gefälle zwischen Usern ohne und mit Bild an. Die Selbstpräsentation mit dem eigenen Namen stellt also eine andere identitätsrepräsentative Erklärungsdimension dar als die visuelle Darstellung durch ein aussagekräftiges Foto und es gilt die Konzepte zu trennen. Obwohl der Einfluss der visuellen Selbstpräsentation auf die Präferenz für FA nicht unmittelbar erklärbar ist, lassen sich verschiedene AdhocÜberlegungen ableiten: Zum einen könnten sich weniger exponierte und gleichzeitg introvertierte User softere Musik reinziehen, zum anderen investieren sie vermutlich weniger Zeit in die Pflege ihres Profils und Online-Netzwerks und verfügen deshalb über einen poporientierten radiokompatiblen Geschmack mit vielen Sängerinnen, die sowohl dem Pop- als auch dem FA-Bereich zugeordnet werden. Schliesslich sprechen andere nur dem verwegenen und analytisch-reinen Denker - der ich zu meinem grossen Bedauern nicht bin - zugängliche Gründe dafür. In dieser Form kann die Hypothese verworfen werden. Das Geschlecht des Musikkonsumenten wirkt sich nicht auf die Präferenz für männliche oder weibliche Künstlerinnen aus. Aus der Überprüfung lassen sich aber verschiedene Anschlussüberlegungen anbringen.

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RESULTATE UND DISKUSSION

Dass die deutlich stärkere Betonung weiblicher Musikeridentität im Gegensatz zur männlichen nicht mit einer Überrepräsentation weiblicher Künstlerinnen im Musikgeschmack einhergeht, versteht sich von selbst und wird u. a. von Schmutz’ (2009) Befunden erhärtet. Er demonstriert, wie die Verbreitung des Internets keineswegs zur Einebnung maskuliner Dominanz in der Musikberichterstattung geführt hat: Nach wie vor nehmen Zeitungsberichte über männliche Musiker den grössten Teil der Feuilleton-Spalten ein und auch in den Charts ist eine Überrepräsentation männlicher Künstler zu konstatieren (Dowd et al. 2005). „Thus, as musical hierarchies shift, social boundaries based on gender are reproduced, with male actors receiving the most media attention in the central genres of the musical field.“ (Schmutz 2009: 299) Erst die gesonderte künstlerbasierte Analyse der meist gehörten Bands und Artists erhärtet, wie die Geschlechtsverhältnisse auf last.fm genau aussehen und beantwortet die Frage, ob sich die symbolische Grenze der Kategorisierung in der manifesten Verhaltensäusserung widerspiegelt. Konkret ginge es darum zu zählen, wieviele Prozent der gehörten Titel von Frauen, Männern oder gemischten Ensembles stammen. Diese Zahlen ergäben im Vergleich mit den Tag-Häufigkeiten und dem Geschlecht der Userinnen das wirkliche Bild sozialer Gender-Repräsentationen aus last.fm. Es ist anzunehmen, dass sich die stärkere Betonung weiblicher Identität aus der Aussenseiter-Rolle ergibt, die Frauen in der Musikwelt immer noch zukommt. Zudem könnte die symbolisch-diskursive Komponente, wie sie durch die Markierung der Musik zum Ausdruck kommt, durch die Feldspezifik des Internets beeinflusst sein.

5.2.5 Hypothese 7: Alternative vs. Mainstream Diese Hypothese versucht Effekte der genreinternen Differenzierung festzumachen und fragt danach, wie innerhalb von Genres symbolische Grenzen gezogen werden. Hier interessiert besonders die Grenzziehung zwischen Indie und Rock, da diese Genres stilistische Ähnlichkeiten aufweisen und eine Trennung nach rein inhaltlichen und formalen Kriterien schwer fällt56 . Zieht man die Definition im Theorieteil heran, haben wir es bei Rock und Indie aber streng genommen mit zwei unterschiedlichen Genres zu tun: Es handelt sich um Musikrichtungen, die sich primär in Bezug aufs Publikum und auf das Selbstverständnis der Musikerinnen unterscheiden. Mit etwas Abstraktionsvermögen können Rock als MainstreamAusprägung gitarrenorientierter Musik und Indie als Alternative-Ausprägung als Beispiel der Unterscheidung „Mainstream - Alternative“ betrachtet werden, obwohl dieses Spektrum viel differenzierter ausfällt, als es mit den beiden Genrekategorien abgebildet werden kann (Hib56 Beiden

ist die Fokussierung auf die Live-Performance und das Konzept der Band gemein. Zudem steht sowohl beim Rock als auch beim Indie - den man vielleicht am ehesten als eine spezielle Spielart oder Unterform des Rock betrachten könnte - die E-Gitarre im Zentrum der Songs (Bannister 2006: 69).

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RESULTATE UND DISKUSSION

bett 2005). Aufgrund der Datenlage bieten sich diese Formen gut an, um interne Differenzierungsprozesse aufzuzeigen. Genauso gut hätte ich ähnliche Unterscheidungen in der elektronischen Musik als Grundlage für die Untersuchung genreinterner Differenzierung nehmen können oder Underground Rap vs. Gangsta Rap und Chartrap, aber hier bestand die Problematik darin, dass elektronische Musik und Rap auf last.fm in der Schweiz untervertreten sind und bei der vorhandenen Datenbasis Zufallseffekte mit hinein gespielt hätten. Wie wir im deskriptiven Teil gesehen haben, bestehen zwischen Rock und elektronischer Musik strikte Grenzen: Last.fm-User mit hohen Rockanteilen in ihrem Musikgeschmack hören selten elektronische Musik und umgekehrt. Mit -0.41 haben wir es bei dieser Korrelation mit der stärksten von allen zu tun. Überraschenderweise zeigen sich zwischen Indie und elektronischer Musik nicht annähernd so starke Zusammenhänge. Wie aus der folgenden Tabelle ersichtlich wird, ist der Effekt schwach, obwohl auf dem 5%-Level von 0 verschieden. Diese Erkenntnis bezeugt, dass die Grenzen zwischen Indie und elektronischer Musik keinesfalls so strikt sind wie zwischen Rock und elektronischer Musik. Tabelle 14: Korrelation Indie- und Rockanteile mit anderen Genres

Indie Rock

Indie Rock

Rock

Rap

Elektro

Klassik

Pop

Metal

Jazz

World

0.13 -

-0.18 -0.24

-0.08 -0.41

-0.17 -0.08

-0.07 0.12

-0.19 0.18

-0.31 -0.21

-0.21 -0.14

Country

Punk

Schlager

Reggae

Soul

Gothic

FA

0.10 n. s.

0.27 0.21

-0.12 n. s.

-0.08 n. s.

-0.35 -0.10

-0.11 n. s.

-0.12 -0.14

Alle angezeigten Korrelationen mindestens auf 5% Niveau signifikant, n. s. = nicht signifikant N = 876, gelb markierte Felder: bedeutende Differenzen

Quelle: eigene Darstellung

Gleichzeitig sind sich Indie und Rock weniger ähnlich, als man auf den ersten Blick annehmen könnte. Die Korrelation gestaltet sich zwar positiv, ist aber mit 0.13 nicht übermässig stark. Die grössten Unterschiede zwischen den beiden Genres sehen wir in ihrem Verhältnis zu Pop und Metal. Bei beiden Korrelationen fällt das unterschiedliche Vorzeichen in den Blick. Während Rock mit Pop positiv korreliert ist, steht Indie in einem negativen Verhältnis. Indiehörer, die gleichzeitig Pop hören sind also deutlich unwahrscheinlicher als Rockhörerinnen mit einer Schwäche für Pop. Hier kommt die im Theorieteil besprochene Unterscheidung von Mainstream und Alternative zur Geltung: Die Indiehörerinnen widersetzen sich in ihrem Geschmack einer Kombination dieser Spektren, indem sie sich von Pop abgrenzen,

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RESULTATE UND DISKUSSION

die Rockhörer durch die Ablehnung des eher alternativ konnotierten Genres der elektronischen Musik. Geht man davon aus, dass sich Pop als chartorientierte Musik klar dem Mainstream zuordnen lässt, so macht das unterschiedliche Vorzeichen durchaus Sinn. Ähnlich sieht es bei Metal aus: Hier ziehen indiezentrierte Hörer symbolische Grenzen, die Rockaffine nicht ziehen. Als Rock getagte Musik ist einerseits näher bei Pop und Metal, andererseits weiter entfernt von elektronischer Musik als Indie. Eine bedeutende Differenz lässt sich auch in Bezug auf klassische Musik erkennen. Die leichte bis mittelhohe negative Korrelation zwischen Indie und klassischer Musik deutet eine seltenere Kombination dieser beiden Musikrichtungen an, als man aufgrund ihrer Position im sozialen Raum annehmen könnte. Bemerkenswert ist zudem die starke Grenze zwischen Indie und den traditionell schwarzen Genres Jazz und Soul. Hier sind die Verhältnisse - relativ gesehen zu allen betrachteten Korrelationen - beträchtlich, und zwar negativ: Jemand, der Indie und Alternative zugeneigt ist, hört wenig Soul und Jazz und Jazz-Liebhaberinnen und Soul-Fans können mit Indie wenig anfangen. Auch innerhalb weniger chartorientierter Musik existieren damit grosse Unterschiede und symbolische Grenzen, die sich wohl an verschiedenen Produktionslogiken orientieren und auch ethnisch aufgeladen sind. Indie steht seinerseits mit Punk in einem Symbioseverhältnis. Dies dürfte mit der jungen Klientel und Gitarrenfokussiertheit beider Genres zu tun haben. Zudem betont sowohl Indie als auch Punk die DIY-Ethik und beide Richtungen sind weiss und besonders mit britischem Musikschaffen und Hintergrund konnotiert (Bannister 2006). Diese Charakteristika teilt die Musikrichtung mit Rock, der auch mit Punk positiv kovariiert. Die negative Korrelation beider Genres mit dem FA-Tag zeigt an, dass die Musikrichtungen auf der Produktionsseite eher männerdominiert sind. Was die Dekadenangaben angeht, so ist nur eine Korrelation signifikant von 0 verschieden, nämlich diejenige zwischen Indie und 70s. Alle anderen Werte liegen sehr nahe bei 0, womit weder Rock noch Indie eine besonders epochenspezifische Musikrichtung ist. Um die Soziodemographie der Hörerschaft von Rock und Indie besser zu verstehen, habe ich Korrelationen mit den metrischen Variablen im Datensatz und den erwähnten Genres gerechnet. Auf Anhieb fällt der Altersunterschied der beiden Musikrichtungen auf. Während das Alter und der Indieanteil mit einem Pearson’s r von -0.36 im Rahmen des Datensatzes und der darin vorkommenden Korrelationen gesehen stark negativ korreliert sind und der Indieanteil im Musikgeschmack mit jedem Altersjahr abnimmt, stellt Rock ein Genre für ältere Leute dar. Denn hier steigt der Anteil mit der Zeit, obwohl die Korrelation mit 0.08 nicht allzu hoch ausfällt und nur auf dem 5%-Signifikanzniveau von 0 verschieden ist. Die Altersunterschiede zwischen Rock und Indie decken sich mit Ottes (2008: 11) Differenzierung von „älterem“ und „neuerem Rock“ und lassen auf eine kontextunabhängige Gültigkeit der Ko-

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RESULTATE UND DISKUSSION

hortengrenze als symbolisch relevantes Prinzip schliessen. In Bezug auf die Anzahl Freunde, die Gruppenmitgliedschaften und die gespielten Songs sind keine relevanten Effekte festzustellen, weil alle Korrelationen sowohl bei Rock als auch bei Indie nahe bei 0 liegen. Tabelle 15 enthält die kontrollierten Effekte und beschreibt damit die soziale Strukturiertheit der beiden Genres. Tabelle 15: OLS Regression Rock- und Indieanteile auf Alter und andere Variablen

Al t e r Al t e r 2 Al t e r ∗ G e s c hl e c ht Gr u ppen Fre u nd e Bi l d (Ref.: kein Bild) Se l b s t por t r a i t G e s c hl e c ht (Ref.: Frau) Son g s K on s t a n t e

N R2

Indie

Rock

-0.428***

-0.052

(0.064)

(0.042)

-0.018***

0.000

(0.003)

(0.002)

0.290***

0.119**

(0.082)

(0.060)

-0.029

-0.006

(0.062)

(0.040)

0.015

-0.032

(0.036)

(0.018)

2.824**

0.241

(1.350)

(1.016)

1.147

-0.666

(1.285)

(0.982)

-4.321***

1.433**

(0.917)

(0.608)

0.017

0.022

(0.000)

(0.000)

20.90***

11.640***

(1.342)

(0.985)

876 0.204

876 0.028

*** p<0.01, ** p<0.05, * p<0.1 Robuste Standardfehler in Klammern Quelle: eigene Darstellung

Ähnlich wie das Alter differenziert auch das Geschlecht die Musikrichtungen Rock und Indie stark. Wie die geschlechtsgetrennte Berechnung des Mittelwertes demonstriert, un-

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RESULTATE UND DISKUSSION

terscheiden sich Männer und Frauen um nicht weniger als 8.4% beim durchschnittlichen Indieanteil - und zwar zugunsten der Frauen. Frauen im Sample hören also deutlich mehr Indie als Männer. Bereinigt man den Geschlechtseffekt um das Alter und die übrigen erhobenen Variablen, ist die Differenz im Indieanteil zwischen Frauen und Männern mit 4.3% nur noch halb so gross, aber immer noch beträchtlich. Der deutliche Männerüberschuss, den fast alle Genres aufweisen, wird praktisch im Alleingang von Indie wettgemacht. Im Gegensatz zu empirischen Befunden, die v. a. bei Männern szenespezifisches Kapital orteten (Otte 2008: 16) oder Indie als eher männerlastige Musikrichtung betrachteten (ebd.: 11, Bannister 2006), deuten diese Ergebnisse an, dass im Internet andere Regeln gelten als beim Ausgehen oder subkulturellen Engagement, denn last.fm zieht viele junge Frauen an, die Alternative und Indie hören. Wie bei der vorherigen Hypothese können verschiedene Mutmassungen über das Zustandekommen des Unterschieds angestellt werden. Szenetheoretisch lässt sich mit der Verlagerung subkultureller Aspekte ins Internet und der bedroom-culture argumentieren (McRobbie 1993, Williams 2006): Demnach haben weibliche Jugendliche mit Online-Foren und Community-Sites eine Möglichkeit gefunden ihr bisher eher privat gelebtes und daher - von der empirischen Forschung - kaum beobachtetes Szeneinteresse und -wissen manifest einzubringen und offenzulegen. Eine andere, bedeutend näher liegende Erklärung hat mit der Datenbasis und Selektionsaspekten zu tun. Wie im vorherigen Kapitel erläutert, lassen das Sampleverfahren und die nicht genaue bekannte last.fm-Grundgesamtheit nur sehr vorsichtige Schlüsse auf Praktiken ausserhalb des Netzes zu. Zwar liegt die Konzentration des Musikgeschmacks der angemeldeten Männer tiefer als diejenige der Frauen - wohl entscheidend verursacht durch die Musikrichtung Indie -, aber dieser Befund könnte über die Anmeldungsentscheidung vermittelt sein: Weil die Vertrautheit mit computer- und internetspezifischem Wissen sowohl bildungs- als auch alters- und geschlechtsabhängig ist (Zillien 2006: 225, Marr 2005: 141-143), meldet sich bei den Männern vermutlich eine bildungsmässig breiter gestreute Hörerschaft auf last.fm an als bei den Frauen. Bei letzteren sind es wohl hauptsächlich Hochgebildete, zum grossen Teil Studentinnen oder sich noch in der Ausbildung Befindliche. Damit haben wir es mit einem relativ homogenen Sample zu tun, in dem sich Indie grosser Beliebtheit erfreut. Die altersmässig breitere Streuung der Männer, wie sie beim Suchvorgang zum Ausdruck kam, trägt ihr Übriges zur heterogeneren Mischung im Gegensatz zu den Frauen auf der Community-Site bei. Schliesslich lassen sich zeitgeschichtliche Faktoren als Erklärungsgrundlage hinzuziehen. Nach dieser Adhoc-Hypothese haben sich die Rezeptionsstrukturen von Rock und Indie in den letzten Jahren verändert. Im Alter von 16-20 und in der frühen Erwachsenenphase hätte Indie besonders bei den Frauen viele neue Hörerinnen erreicht, die sich mit zunehmendem Alter aber relativ schnell anderen

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5

RESULTATE UND DISKUSSION

Musikrichtungen zuwenden. Als mögliche theoretische Erklärung für den Unterschied zwischen dem Online- und Offline-Verhalten oder die geschlechtsmässig bedingte Selektion bietet sich die Differenz von „Hochkostensituationen“ und „Niedrigkostensituationen“ an (Rössel 2006b: 458). Während die Anmeldung auf einer Community-Site wie last.fm mit geringem Aufwand verbunden ist und damit eine Niedrigkostensituation darstellt, handelt es sich beim längerfristigen und zeitintensiven Szeneengagement um eine Hochkostensituation. Dort spielen Zugangs- und Ressourcenfragen stark mit hinein und so können sich die traditionell männlich konnotierten Normen und Werte über die Zeit hinweg halten. Eine Bestätigung dieser Vermutung in der Form eines systematischen Vergleichs zwischen Online- und Offline-Praxisaspekten brächte einiges an Erkenntnisgewinn. Was das Alter angeht, bestätigen sich die unterschiedlichen Einflüsse, die bei der bivariaten Korrelation zutage traten, in der Kontrolle durch die Regression teilweise. Indie ist bei jüngeren Userinnen beliebt, Rock dagegen global gesehen nur schwach altersabhängig. Allerdings gilt es hier nach Geschlecht zu differenzieren: Die leicht positive Korrelation zwischen dem Alter und dem Rockanteil, die oben angeführt wurde, ensteht ausschliesslich aufgrund der Männer. Bei ihnen wirken sich zusätzliche Lebensjahre signifikant positiv auf den Konsum von Rockmusik aus, bei den Hörerinnen dagegen nicht. Letztere hören unabhängig von ihrem Alter weniger Rock als Männer, dies dafür aber auf konstantem Niveau, d. h. ohne Veränderung über die Zeit hinweg. Während sich der Alterseffekt bei Rock linear gestaltet und keine Vergrösserung oder Verkleinerung mit jedem Jahr zu beobachten ist, sinken die Anteile bei Indie konkav: Ältere Leute hören weniger Indie, als dies unter linearer Abnahme vermutet werden könnte. Zugleich deutet der Interaktionseffekt eine Parallelität der Altersund Geschlechtskombinationen für beide Musikrichtungen an. Sowohl die Mainstream- als auch die Alternative-Form weisen grössere Alterseffekte für Männer als für Frauen auf. Bei Indie-Hörerinnen lässt die Präferenz für ihre Lieblingsmusik schnell nach, bei Indie-Hörern ist die Vorliebe etwas nachhaltiger. Ein letzter bedeutender Effekt in der obigen Regression betrifft das Bild. Während die visuelle Selbstpräsentation bei den meisten übrigen Genres keinen signifikanten Einfluss auf den Höranteil ausübt, spielt diese Variable bei Indie eine Rolle, denn der durchschnittliche Indieanteil zwischen Usern mit und ohne Bild beträgt fast 3% und ist auf dem 5%-Niveau signifikant. Damit deutet sich eine offenere Selbstdarstellung bei Indiekonsumenten an, als es bei den übrigen Musikrichtungen der Fall ist. Da sich auf last.fm viele Rock- und Indiehörerinnen tummeln, könnte dieses Resultat durch eine „natürliche Geborgenheit“ in einem vertrauten Habitat begründet sein: Unter seinesgleichen ist man eher bereit sich zu exponieren als in einer fremden Umgebung, die last.fm beispielsweise für chartorientierte Sounds und

89


5

RESULTATE UND DISKUSSION

FA-Hörer darstellt. Schliesslich sticht der Unterschied in der erklärten Varianz zwischen den beiden Genres ins Auge. Er bedeutet eine ungleiche Determiniertheit der Hörerschaft, so dass Rock eine breitere, übergeordnetere und sozialstrukturell weniger fassbare Musikrichtung als Indie darstellt. Von allen in dieser Arbeit betrachteten Genres ist Indie dasjenige mit dem grössten R 2 . Einerseits hat dies sicherlich mit dem Datensatz und dem Charakter von last.fm als indielastige Community zu tun, andererseits spricht einiges dafür, dass solche Strukturiertheiten in abgeschwächter Form auch ausserhalb des Netzes zutage treten. Wir dürften auch dort symbolische Grenzen antreffen, die sich in sozialen Grenzen manifestieren, so wie das hier der Fall ist.

Rock Indie

Ältere und männliche Hörerschaft

Junge und weibliche Hörerschaft

Mainstream

Alternative

Abrenzung: Elektronische Musik

Abgrenzung: Black Music

Abbildung 17: Unterschiede zwischen Rock und Indie auf last.fm

Abbildung 17 veranschaulicht die in den Daten angetroffenen symbolischen und sozialen Grenzen zwischen Rock und Indie. Ein Teil der unterschiedlichen Logik ist wohl auf die Recodierung zurückzuführen, denn die Rockgenres umfassen v. a. ältere Formen gitarrenorientierter Musik (classic rock, glam rock und progressive rock), während Indie eher mit stilistisch neuerem Schaffen einhergeht57 . Zusammenfassend sehe ich diese Hypothese als bestätigt an. Es gilt aber im Hinterkopf zu behalten, dass sie lediglich beispielhaft an einer auf last.fm populären Genreunterscheidung überprüft wurde. Eine tiefgreifendere Bestätigung erfordert die Analyse anderer Genrekontexte, z. B. im Rap oder in der elektronischen Musik. Kombiniert mit den lose angedeuteten 57 So

lässt sich die Entstehung der meisten von mir dort eingeordneten Tags - grunge, britpop, post-rock oder post-punk - eindeutig in die 80er und 90er Jahre des letzten Jahrhunderts verorten, während die Rockgenres früher entstanden.

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5

RESULTATE UND DISKUSSION

Befunden zu Hypothese 5 (Hochkultur vs. Populärkultur) und Hypothese 6 (FA) sieht sich die Multidimensionalität musikalischer Distinktion bestätigt. Die Achse „Mainstream - Alternative“ spielt im Internet zwar eine Rolle, wird aber teilweise von anderen Kriterien - z. B. der Zeitdimension - überlagert und kontrolliert. In der zukünftigen Untersuchung sollte herausgearbeitet werden, wie stark diese Interpenetration ausgeprägt ist. Zudem müsste man klären, ob die gefundene sozialstrukturelle Trennung ihrerseits strukturierend wirkt, z. B. in der Form von Freundeskreisen, Geschmackskulturen oder gar sozialer Schliessung. Im skizzierten multidimensionalen Modell des Musikgeschmacks müsste also einerseits die Feldspezifik der "Mainstream - Alternative“ Unterscheidung berücksichtigt werden, andererseits sollten die manifesten Verhaltensweisen mit dem sozialen Kontext verknüpft und die diskursiven Ladungen über qualitative Verfahren ergründet werden (vgl. Atton 2009). Das dem Kapitel vorangestellte Zitat aus einem Musikforum macht nämlich klar, wie vielfältig und verschiedenartig gesellschaftliche Akteure musikalische Kategorien auffassen und in ihren Alltag einbringen.

5.2.6 Hypothese 8: Rap ist das dominante Musikgenre bei der jungen Bevölkerung Tanner et al. (2008: 121) sagen, dass Rap heute das dominante Genre bei den Jugendlichen ist und Rock damit abgelöst hat. Sind diese Ergebnisse auch für last.fm in der Schweiz haltbar? Wie die deskriptive Analyse verdeutlicht, wird Rap selten ergänzend gehört. Fast 80% aller untersuchten Profile hat kein entsprechendes Tag in seinen Top20, hört also sehr wenig oder gar keinen Rap. Die übrigen 20% verteilen sich relativ gleichförmig auf Anteile von 1% bis 50%. Mit elf Profilen mit einem Rapanteil grösser 40% vereinigen nur wenige Profile univore oder quasi-univore Hörmuster auf sich. Damit wird die zuvor schon angetönte Marginalisierung dieser Musikrichtung - und von Black Music allgemein - auf last.fm bestätigt, wenn auch bei der jungen Hörerschaft weniger stark als bei der älteren. Auffällig ist die identische Verteilung von Metal und Rap auf last.fm (siehe Abbildung 18 im Anhang). Beide Musikrichtungen stellen die gleich hohe Anzahl Nichthörer und auch bei den Hörerinnen deckt sich das Muster fast perfekt. Die in den Korrelationen zwischen beiden Genres gefundene symbolische Grenze geht also weder mit einer sozialstrukturellen noch mit einer (hör)verhaltensmässigen Trennung einher. Auch hier könnte sich die Integration von bereichsspezifischen Diskursen in den Analyserahmen lohnen. Um die in der Hypothese angesprochene Jugendlichkeit des Rap zu überprüfen, wurden die 16-20-jährigen Userinnen gesondert betrachtet. Als Referenzkategorie dient die nächstgelegene Altersgruppe der 21-30-Jährigen. Von den 133 16-20-Jährigen haben 46 Personen

91


5

RESULTATE UND DISKUSSION

mindestens ein rapbezogenes Tag in ihren Top20. Mit rund einem Drittel der Alterskategorie ist das anteilsmässig deutlich mehr als im gesamten Datensatz. Der durchschnittliche Rapanteil bei den 16-20 Jährigen beträgt 6.5% und liegt damit 4% über dem Gesamtwert. Bei den 46 Raphörern beträgt der Durchschnitt 18.8%. Exklusive Raphörerinnen sind also ebenso selten wie ergänzende. Tabelle 16: Kreuztabelle Alter der User und Konsum von Rap mit Durchschnittswerten, Standardabweichung und Maxima der Rapanteile am Musikgeschmack

Nein 16 bis 20

Ja

Durchschnitt

Stdabw.

Maximum

Total

6.50 3.24 -

12.36 8.64 -

50.65 54.21 -

133

4.31 -

10.11 -

54.21 -

382

87

46

%

65.41

34.59

21 bis 30

179

70

%

71.89

28.11

Total

266

116

%

69.63

30.37

100

273 100

100

Quelle: eigene Darstellung

Von denjenigen, die fast ausschliesslich Rap hören und einen Anteil von mehr als 40% aufweisen, sind auffällig viele männlich: nur eine Frau befindet sich unter den elf Usern, für die dies zutrifft. Auch altersmässig bilden die Rap-Univoren eine homogene Gruppe, denn alle Betrachteten sind jünger als 30, mit einem Maximalalter von 28 und einem arithmetischen Mittel von 22. Die relative Jugendlichkeit des Rap-Genres lässt sich kaum bestreiten. Die Regression in Tabelle 9 (Seite 70) bestätigt die Jugendlichkeit, denn der Alterseffekt ist für Frauen und Männer stark signifikant von 0 verschieden und negativ ausgeprägt. Weil der Rapanteil bei Männern schneller abnimmt als bei Frauen und der kontrollierte Geschlechtsunterschied eindeutig zugunsten der männlichen Profile ausfällt, kann die Hypothese nicht in gleichem Mass für beide Geschlechter verworfen werden. Bei den jüngeren männlichen Usern stellt Rap ein wichtiges Genre dar. Nach Indie, Metal und Rock ist es die viertbeliebteste Musikrichtung, wobei die Abstände nicht allzu gross ausfallen. Eine eindeutige Hegemonie einer bestimmten Musikrichtung ist somit nicht zu konstatieren, so dass die ursprüngliche Hypothese folgendermassen modifiziert werden kann: „Rap gehört zusammen mit anderen Genres zu den dominanten Musikformen bei der jungen männlichen Hörerschaft.“ Allerdings stehen viele gitarrenlastige Richtungen weit oben, so dass auf der Ebene der Metagenres oder taste patterns ein anderes Bild zu zeichnen ist. Hier dominieren auch bei den Jüngsten rockorientierte Richtungen und Black Music läuft unter ferner Liefen. Ganz anders als bei den männlichen Usern sieht es bei den Userinnen in der Altersgruppe der 16-20Jährigen aus: Hier ist eindeutig Indie das Genre der ersten Wahl und Rap verfügt über klaren

92


5

RESULTATE UND DISKUSSION

Nischenstatus. Somit muss die Hypothese für junge Frauen vollständig verworfen werden. Tabelle 17: Beliebteste Genres bei den 16-20 Jährigen nach Geschlecht

Rang

Männer

Frauen

1 2 3 4 5 6 7

Indie (16.21) Metal (13.68) Rock (12.30) Rap (10.84) Punk (10.66) Elektronische Musik (4.40) Pop (3.31)

Indie (21.44) Rock (13.33) Punk (8.40) Metal (7.62) Pop (5.46) Elektronische Musik (5.28) Rap (3.88)

N = 876, durchschnittliche Genreanteile in Klammern Quelle: Eigene Darstellung

Wie stellen die Rap-Univoren ihren Musikgeschmack zusammen und in welchen subgenreund genrebasierten Mischungen erhärten sich die oben aufgeführten Makroresultate auf der Mikroebene, d. h. wie wirken sich die symbolischen Grenzen geschmackskonstituierend auf die Präferenzen einzelner Individuen aus? Um dieser Frage nachzugehen und damit den Stellenwert von Rap bei den jüngeren Usern genauer zu ermitteln, habe ich ein vergleichendes Verfahren gewählt und dabei Soul- und Rap-Vielhörerinnen einander gegenübergestellt: Weil die Musikrichtung Soul in dieser Arbeit von Rap getrennt wurde und somit von einer einheitlichen Black Music nicht die Rede sein kann, möchte ich kurz auf die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der beiden Genres eingehen. Es wäre schliesslich möglich, dass die Hypothese in abgeschwächter Form für Black Music zutrifft und die Berücksichtigung der rapnahen Tags rnb und soul Erkenntnisgewinne über die Konsummuster der last.fm Userinnen zuliesse. Am besten manifestieren sich die Grenzen zwischen den beiden Musikrichtungen in den Tags und Künstlerpräferenzen. Wie Tabelle 18 auf der nächsten Seite andeutet, sind Rap und Soul symbolisch unterscheidbar, obwohl Überlappungen bestehen. Bestätigt wird dieser Befund auch durch die mittelhohe Korrelation von 0.15 zwischen den beiden Genres. Während die Rap-Univoren58 - mit der Ausnahme von reggae und rnb - über keine rapfremden (Sub)Genres in ihren Top5-Tags verfügen, offenbaren die Soul-Affinen59 ein differenzierteres Bild. Sie kombinieren Soul sowohl mit der anderen Black Music Richtung (Rap) als auch 58 Als

Kriterium für Rap-Univorizität wurde die oben angesprochene 40% Hürde gewählt, womit elf Hörer dieser Gruppe angehören. 59 Hier liegt die Hürde mit 25% etwas tiefer, weil Soul-Tags seltener mit hohen Anteilen vorkommen als RapTags. Insgesamt neun Profile erfüllen das Kriterium.

93


5

RESULTATE UND DISKUSSION

Tabelle 18: Tags ausgewählter Black Music Interessierter

Rap Univoren 313 404

User

1

7

29

Tag1

hip-hop

hip-hop

hip-hop

rap

(22.2)

(18.2)

(17.1)

(15.2)

hip hop

rap

rap

(15.8)

(16.8)

(14.5)

rap

hip hop

(10.6)

658

719

hip-hop

hip-hop

rap

(17.2)

(16.1)

(18.6)

hip-hop

rap

rap

hip-hop

(14.8)

(13.7)

(13.3)

(16.5)

hip hop

hip hop.

hip

hip hop

hip hop

(11.7)

(11.1)

(11.1)

(11.0)

(10.6)

(12.5)

un. h-h.

hiphop

hiphop

rnb

un. h-h.

hiphop

gan. rap

(9.1)

(6.0)

(5.6)

(7.0)

(6.5)

(4.9)

(6.6)

reggae

un. h-h.

un. h-h.

gan. rap

jazz

gan. rap

hiphop

(5.3)

(5.6)

(5.3)

(5.5)

(4.7)

(4.3)

(5.9)

User

34

79

134

Soul Univoren 186 570

614

623

Tag1

funk

soul

soul

blues

funk

hip-hop

rnb

(17.4)

(12.2)

(12.7)

(23.7)

(9.7)

(12.6)

(12.3)

soul

rnb

jazz

rock

pop

soul

soul

(14.4)

(7.5)

(12.2)

(7.9)

(8.6)

(12.1)

(11.9)

jazz

hip-hop

rnb

jazz

soul

hip hop

pop

(12.4)

(7.3)

(6.5)

(7.1)

(8.6)

(7.0)

(6.5)

el.

jazz

chillout

bl. rock

jazz

rnb

hip-hop

(6.0)

(6.6)

(6.4)

(6.6)

(7.6)

(7.0)

(6.5)

nu jazz

fem. voc.

funk

cl.

rock

rap

fem. voc.

(5.4)

(5.7)

(6.0)

(5.6)

(7.2)

(7.0)

(6.1)

Tag2 Tag3 Tag4 Tag5

Tag2 Tag3 Tag4 Tag5

rock

hop

Tagcounts in Klammern, und. h-h. = underground hip-hop, gan. rap = gangsta rap, el. = electronic, fem. voc. = female vocalists, bl. rock = blues rock, cl. rock = classic rock, N = 14

Quelle: eigene Darstellung

mit eher weiss konnotierten Genres, wie elektronischer Musik oder klassischem Rock. Mit FA und Pop sind zudem mainstreamlastige Genres weit oben in der Präferenzliste. Innerhalb von Soul bestehen distinktive Konnotationen, die durch das Zusammennehmen verschiedener Subgenres in eine übergeordnete Kategorie verloren gehen: So weisen die Tags soul und rnb Affinitäten mit Rap auf, was sich im Kombinieren der Markierungen bei den Usern 79, 614 und 623 äussert. Im Gegensatz dazu zeichnen sich Hörerinnen von Blues und Funk durch die Abwesenheit von Rap-Tags aus. Gleichzeitig konsumieren sie Jazz und Rock - zwei Richtungen, die bei den Rap-Univoren und auch bei den R’n’B- und Soul-Orientierten fehlen. Damit bestätigt sich die im vorherigen Unterabschnitt bei Hypothese 7 gefundene interne Trennung nach der Altersachse auch für Black Music. Auf der einen Seite finden wir mit Rap

94


5

RESULTATE UND DISKUSSION

und R’n’B zwei bei der jüngeren Hörerschaft anzusiedelnde Genres, auf der anderen Seite stehen mit Funk und Blues zwei bei älteren Leuten beliebte Richtungen. Die Soul-Kategorie stellt ein Mittelding dar, da sie bei den unterschiedlichen hier betrachteten Black MusicFormen Anschluss findet und sich nicht eindeutig verorten lässt. Innerhalb der jüngeren Ausprägung mit Rap und R’n’B finden sich geschlechtsspezifische Ladungen. Die Männer sind eher Rap-Liebhaber, die Frauen dagegen R’n’B-Freundinnen. Letzteres verdeutlicht sich in der Tatsache, dass von den 14 Personen mit einem Soulanteil grösser als 20% nur die weiblichen Profile überhaupt über das rnb Tag verfügen. Mit Hinblick auf die zuvor konstatierte Dominanz von Rock und Indie auf last.fm kann von einer Bestätigung der Hypothese insgesamt nicht die Rede sein. Obwohl die hier betrachtete Hörerschaft aufgrund der Altersgrenze von 16 Jahren auf last.fm nicht eindeutig mit der jüngeren Stichprobe von Tanner et al. (2008) vergleichbar ist, hätten doch höhere Rapanteile in der jüngsten Kohorte erwartet werden können. Stattdessen stellt die Analyse Rap auf eine Ebene mit Metal, denn beides sind Genres, die selten ergänzend gehört werden und damit als Nischenrichtungen fungieren. Andererseits wäre es naiv aus den Daten zu folgern, dass Indie das dominante Genre bei der jungen Bevölkerung darstellt. Für last.fm in der Schweiz mag dies - besonders bei den weiblichen Userinnen - zutreffen, aber ausserhalb dieses begrenzten Rahmens sind die Resultate kaum haltbar. Vielmehr drängt sich der Schluss auf, dass keine Dominanz einzelner Genres herrscht, sondern ein Nebeneinander mit gelegentlichen Mischungen. Jüngere Userinnen sind dabei durchaus selektiv, was die Wahl spezifischer Genres angeht und Vorbehalte gegenüber anderen Gruppen äussern sich in den z. T. strikten symbolischen Grenzen. Um Hypothese 8 eingehender zu überprüfen, könnten in Zukunft spezielle Samples bestehend aus lediglich 16-18-Jährigen gesammelt werden.

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6 Schluss Diese Lizentiatsarbeit hat gezeigt, dass sich symbolische Grenzziehungen im Internet nicht völlig anders gestalten als im Offline-Kontext. Es gilt jedoch gewichtige Unterschiede zu vermerken, die sich in der vollständigen oder teilweisen Widerlegung aller Hypothesen ausser einer manifestieren. Wie in der folgenden Tabelle ersichtlich wird, konnte nur Hypothese 7 komplett bestätigt werden. Drei Behauptungen wurden in Aspekten widerlegt, teilweise aber auch bestätigt, und vier musste ich ganz verwerfen. Auf die zentralen Befunde der Arbeit und ihre theoretischen Implikationen möchte ich nun eingehen. Tabelle 19: Übersicht über die überprüften Hypothesen

Resultat p

H1 p /X

H2 X

H3 p /X

= Bestätigung, X = Widerlegung,

H4 p /X p

H5

H6

X

X

H7 p

H8 X

/ X = teilweise Bestätigung

Die musikalische Geschmacksbreite ist auf last.fm zwar altersabhängig, aber der Zusammenhang gestaltet sich nicht umgekehrt u-förmig, wie erwartet. Während ältere User einen weniger konzentrierten Musikgeschmack aufweisen als ihre jüngeren Hörgenossinnen, sind sie gleichzeitig selektiver. Kurz, sie hören weniger Genres, behandeln diese untereinander aber ähnlicher. Im gemischten Effekt, wie er durch Mayer’s Index of Uniformity eingefangen wird, überwiegt der Selektivitätsaspekt, denn hier bleibt ein negativer Regressionskoeffizient beim Alter60 . Versteht man unter einem breiten Musikgeschmack also die Präferenz für viele Genres, so sinkt der Eklektizismus mit jedem Jahr, wenn auch nicht stark. Mögliche Gründe dafür könnten lebenszyklischer oder netzwerkbezogener Art sein: Mit zunehmendem Alter spielt Musik im Freundeskreis nicht mehr die gleiche Rolle und es treten andere Belange, wie Arbeit, Familie oder Altersheim in den Vordergrund. Vollständig widerlegt wurde der angenommene positive Zusammenhang zwischen dem Netzwerk im Internet und der musikalischen Geschmacksbreite. Personen mit vielen Freunden oder Gruppenmitgliedschaften verfügen keineswegs über einen aussergewöhnlich breiten Musikgeschmack. Im Gegenteil: Das Sozialkapital wirkt sich negativ auf die betrachteten Geschmacksindikatoren aus. Mit der konfirmatorischen Natur von Geschmacksnetzwerken habe ich einen möglichen Grund für diese Tendenz vorgebracht. Eine wichtiger Schluss, den die Untersuchung nahelegt, lautet: „Don’t forget gender!“ Analysiert man musikalische Präferenzen und Geschmackseffekte, muss das Geschlecht als er60 Die

Brutto-Modelle für die anderen abhängigen Variablen der musikalischen Geschmacksbreite (Anzahl gehörte Genres, M, OMR und AEP) finden sich in Anhang .3 in Tabelle 25

96


6

SCHLUSS

klärende Variable berücksichtigt werden (Ollivier et al. 2009: 457). So sind etwa bei Frauen die Alterseffekte z. T. anders gelagert als bei Männern und auch in Bezug auf die Genrepräferenzen zeigen sich mitunter beträchtliche Geschlechtsunterschiede: Am meisten fällt der häufige und intensive Indie-Konsum weiblicher last.fm Userinnen auf. Im Lichte bisheriger Untersuchungen ausserhalb des Netzes erstaunt dieses Resultat, weil es genau anders gerichtet ist, als in der Subkultur-, Szene- und Jugendforschung angezeigt. Hier hat man nämlich angenommen, dass sich männliche Szenemitglieder mehr am Underground orientieren, während Frauen eher dem Mainstream zugeneigt sind (Thornton 1996). Betrachtet man Indie als alternative Musikrichtung, deren Kenntnis subkulturelles Kapital verlangt, so ist fraglich, ob im Internet dieselben Logiken gelten wie z. B. in der Partyszene, bei Konzerten oder beim Plattenkauf. Mit der Unterscheidung von „Hochkostensituationen“ und „Niedrigkostensituationen“ (Rössel 2006b: 458) liegt eine plausible Erklärung für die erwähnten Differenzen vor. Was die Zusammensetzung des Musikgeschmacks und symbolische Grenzziehung betrifft, so deuten sich viele fliessende Übergänge an. Die stärkste Spaltung besteht zwischen Rockmusik und elektronischer Musik. Im Gegensatz dazu gestalten sich die Beziehungen zwischen Indie und elektronischer Musik freundlicher. Kombiniert mit der schwachen Korrelation von Rock und Indie untereinander, kann man mit einiger Berechtigung von zwei eigenständigen Genres sprechen. Bei Black Music - besonders Soul, Funk und Blues - sind die Zusammenhänge genau umgekehrt wie bei elektronischer Musik: Hier bestehen grössere Affinitäten zu Rock als zu Indie. In der detaillierten Analyse der Omnivoren offenbart sich, dass sie oft oberflächlich durch die Genres wandeln und selten spezifische, genau verortbare Subgenres hören. Gleichzeitig sind aber auch die meisten Univoren nicht mit der vollen Bandbreite ganzer Genres vertraut. Wie die Taganalyse demonstriert, picken sie sich selektiv Subgenres heraus und vernachlässigen andere Spielarten. Die Spezialisierung und Fokussierung widerspricht der formulierten Hypothese, die damit verworfen werden musste. Bei der zukünftigen umfragebasierten Untersuchung von Genrepräferenzen sollte der genreinternen Differenziertheit Rechnung getragen werden, z. B. indem Kategorien für Subgenres angegeben werden oder die Probanden innerhalb der Genres ihre bevorzugten Subgenres aufschreiben können. Das Kategorisieren von Musik geschieht vielfältig, kreativ und losgelöst von analytischen Trennungen. Es orientiert sich neben stilistischen Kriterien besonders an der Zeit-und Geschlechtsdimension, z. T. auch an geographischen Trennungen und der Unterscheidung von Mainstream vs. Alternative. In Zukunft gilt es diese symbolischen Grenzen in Anbetracht der Zentralität des Hierarchieprinzips mit seiner Gliederung in high brow und low brow vermehrt zu thematisieren. Erste Schritte einer solchen Analyse fördern folgende Resultate zu-

97


6

SCHLUSS

tage: Ältere Musik differenziert die Hörerschaft stärker als neuere und die geschlechtsbezogene Kennzeichnung der Musikeridentität ist eher für weibliche Künstlerinnen als für männliche Sänger zu konstatieren. Bei allen betrachteten Resultaten sollte man aber bedenken, dass es sich bei der gezogenen Stichprobe um ein speziell gelagertes Publikum handelt. Einerseits sind musikinteressierte, technikaffine, junge und vermutlich auch gut gebildete Personen im Vergleich zur Gesamtbevölkerung auf last.fm übervertreten, andererseits ist die Hörerschaft, wie wir gesehen haben, sehr rock- und indiezentriert. Strömungen der Black Music und klassische Musik werden dagegen marginalisiert. Darüberhinaus umfasst die Gesamtheit aller angemeldeten last.fm User - zumindest in der Schweiz - mehr Männer als Frauen, was die Vergleichbarkeit mit musiksoziologischen Studien weiter schmälert. Neben diesen verzerrenden Limitationen, die die Stichprobe betreffen, besteht auch das Problem der ungenügenden Abfrage persönlicher Daten. Weder Indikatoren zum kulturellen Kapital noch Angaben zum ökonomischen Kapital oder zum Offline-Netzwerk sind auf der betrachteten Community-Site verfügbar. Dementsprechend schwach ausgeprägt war denn auch die Erklärungskraft der Regressionsmodelle. Bei Hinzunahme zusätzlicher Informationen, wie Schulbildung, familiäre Herkunft, Zeitgestaltung, Medienkonsum oder Motive des Musikhörens hätte sicherlich mehr Varianzaufklärung in der Breite und genremässigen Zusammensetzung des Musikgeschmacks erreicht werden können. Im Anschluss an diese Arbeit gälte es also die im Theorieteil skizzierte Multidimensionalität des Musikgeschmacks und die vielfältigen auf ihn wirkenden Einflüsse gezielter zu fassen, im besten Fall mit einem eigens dafür konstruierten Fragebogen. Eine Möglichkeit die soziale Strukturiertheit des Musikkonsums zu ergründen, besteht darin, die gesampelten Userinnen zu kontaktieren und persönlich zu befragen oder sie einen Online-Fragebogen ausfüllen zu lassen, in dem die fehlenden Daten erhoben werden. Es ist allerdings unsicher, ob eine befriedigende Rücklaufquote erreicht wird, da viele User unregelmässig und mit geringem Involvement auf last.fm aktiv sind. Schwerer fällt es, die strukturierende Wirkung des Musikgeschmacks zu erforschen: Welche Vorteile bringt der Eklektizismus und die Kenntnis eines breiten Spektrums populärer Musik? Ist es nicht besser sich auf wenige (Sub)Genres zu konzentrieren, sich dort aber gut auszukennen? Wie wird der Musikgeschmack als Ressource eingesetzt? Wie gestaltet sich die Thematisierung musikalischer Präferenzen in verschiedenen sozialen Feldern? Um diese Aspekte herauszuarbeiten, braucht es qualitative Methoden wie die Diskursanalyse oder narrative Interviews (Diaz-Bone 2002, Schmutz 2009). So könnten beispielsweise ausgewählte Diskussionsgruppen und Foren auf last.fm untersucht und mit den daran beteiligten Akteuren in Verbindung gebracht werden.

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6

SCHLUSS Weitere Möglichkeiten die Datenbasis last.fm für soziologische Analysen zu nutzen61 , lie-

gen im komparativen Bereich. Denkbar sind Ländervergleiche, die z. B. folgende Fragen beantworten: Unterscheidet sich die musikalische Geschmacksbreite und die Zusammensetzung des Musikgeschmacks je nach nationalem Kontext? Sind in manchen Ländern höhere Quoten einheimischer Musik zu verzeichnen als in anderen, d. h. hören beispielsweise Schweden prozentual mehr schwedische Musik als Schweizerinnen schweizerische Musik? Wie unterscheiden sich die Freunde und Anzahl Gruppen auf last.fm je nach Land? Schliesslich eignet sich last.fm ausgezeichnet für Netzwerkanalysen, denn die eingebaute Funktion der musikalischen Nachbarn erlaubt es Geschmacksnetzwerke festzumachen. Dabei lässt sich ermitteln, inwieweit die musikalischen Freunde mit richtigen Freunden ausserhalb des Internets übereinstimmen, d. h. wie geschlossen oder offen Präferenzgruppen sind. Auch Hypothesen zur Homophilie sind relativ leicht zu überprüfen, beispielsweise die Frage, ob musikalische Nachbarn geschlechts- und altersmässig homogene Gruppen bilden oder heterogen zusammengewürfelt sind. All diese angedeuteten Potentiale lassen die Vielzahl und thematische Breite der offenen Fragen erahnen. Die theoretische Ausrichtung sollte aber stets im Hinterkopf behalten werden, denn mit der Distinktionstheorie Pierre Bourdieus, der Omnivores-These und den Subkultur- und Szeneansätzen bestehen wertvolle Fundamente, auf die es sich aufzubauen lohnt. Erst mit Bezug auf diese kultursoziologischen Herangehensweisen lassen sich die Resultate der Arbeit sinnvoll interpretieren. So zeigt sich, dass die strenge Unterteilung von Hochkultur und Populärkultur, wie sie von Bourdieu gemacht und auch bei der OmnivoresThese beibehalten wird, im Online-Kontext der Musik-Community last.fm nicht haltbar ist. Die Eigenheiten von klassischer Musik reichen nicht aus, um eine spezifische Distinktionsachse zu erkennen. Noch weniger ist dies bei Jazz der Fall, so dass die Genres gleichwertig nebeneinander stehen, wie von der tablature des goûts musicaux (Glevarec & Pinet 2009) postuliert. Stattdessen deutet die Differenz von vokaler und instrumentaler Musik eine wichtige symbolische Grenze an, die die ursprüngliche Trennung von high brow und low brow teilweise überdeckt und bei unterschiedlichen Musikrichtungen - auch populärkultureller Färbung - trennscharf wirkt. Gleichzeitig kann die Entkopplungsthese, wonach musikalische Präferenzen und die Sozialstruktur unabhängig voneinander stehen und sich jeder seinen Geschmack nach Gutdünken zusammenstellt oder -bastelt (Polhemus 1994), auch im Internet verworfen werden. Es gibt sehr wohl gesellschaftliche Strukturierungseffekte nach Alter und Geschlecht, auch 61 Erste

Versuche und Ergebnisse liegen bereits vor, sind aber nicht systematisiert und in Theoriezusammenhang gebracht. Für die entsprechende Diskussion siehe: http://www.last.fm/group/Last.fm+Research und http://www.last.fm/group/Sociologists+on+last.fm

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6

SCHLUSS

wenn sie nicht durchgehend stark ausgeprägt sind, oder eben „fein“, um die Bourdieu’sche Terminologie zu verwenden. Innerhalb der populären Musik bestehen dabei symbolische Grenzen, die sich teilweise in sozialen Grenzen niederschlagen. Allerdings muss das nicht immer der Fall sein, wie das Beispiel Rap und Metal verdeutlicht hat. Des Weiteren werden soziale Wandlungsprozesse - hier des Musikgeschmacks - mit den besprochenen kultursoziologischen Theorien im Hinterkopf adäquat verständlich und soziologisch interpretierbar. Der Theoriebezug ermöglicht eine Reflexion und Interpretation der Forschungsergebnisse, die bei einem rein datengetriebenen empirizistischen Vorgehen verloren gingen. Nicht umsonst sind die drei in dieser Arbeit zentralen soziologischen Verständnisse des Musikgeschmacks (siehe Abbildung 2-4, Seite 29) durch einen Zeitabstand von jeweils 15-20 Jahren gekennzeichnet: Mit der Veränderung der Sozialstruktur und neuen technologischen Möglichkeiten ergeben sich auch veränderte Beschreibungen sozialer Prozesse und damit andere theoretische Modelle. Obwohl die genannten datentechnischen Probleme die direkte Vergleichbarkeit mit den soziologischen Konzepten und den in Anschluss an sie erzielten Befunden erschweren, ist doch eine gewisse Linie in der zeitlichen Entwicklung festzuhalten. Während Bourdieus Portrait des 1960er Jahre Frankreichs eine klassenspezifische und ökonomisch und kulturell zum grossen Teil determinierte Ausprägung des Geschmacks ortet und Petersons Omnivores-These die hierarchische Ordnung etwas lockert, aber gleichzeitig eine klare Statusabhängigkeit beibehält, spiegelt die Konzeption von Glevarec & Pinet einen weiteren Schritt wider. Dieses Modell entspricht den in den Daten gefundenen Ergebnissen und scheint für das Internet einen Gewinn an Erklärungskraft bereit zu stellen. Reflektiert man die in der Einleitung angedeutete gesteigerte Relevanz symbolischer und diskursiver Aspekte sozialer Praxis und stellt die zentralen Befunde der Arbeit in diesen Erfahrungszusammenhang, so kann im Musikbereich - im Gegensatz zum dort erwähnten EDating (Illouz 2006) - ein vorsichtig positives Fazit gezogen werden. Die Internetplattform last.fm sorgt für einen spielerisch-interaktiven Umgang mit Musik und kann eingerastete soziale Differenzierungen zumindest auflockern, wie die Beteiligung von weiblichen Akteuren an der Indie Musikrichtung klar macht. Auch die Kategorisierung der Musik durch die beteiligten Hörerinnen selbst ist positiv zu bewerten. Denn dabei stülpen nicht aussenstehende Akteure oder Wissenschaftler ihre Bedeutungsgehalte der Praxis über, sondern die Praxis spricht gleichsam selbst. „Man muss der Praxis eine Logik zuerkennen, die anders ist als die Logik der Logik, damit man der Praxis nicht mehr Logik abverlangt, als sie zu bieten hat.“ (Bourdieu 1987: 157) Durch die Berücksichtigung der Deutungsschemata der Individuen selbst lässt sich der „Theoretisierungseffekt“ vermeiden und es treten Aspekte hervor, die sich sonst der „theoretischen Erfassung entziehen“ (ebd.). Als Beispiel ist das geschlechtsbe-

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6

SCHLUSS

zogene Tagen der Musik zu nennen, das bei rein formal-stilistischer Reflexion wahrscheinlich vergessen worden wäre. Schliesslich kommt der erfreuliche Befund hinzu, dass sich das Musikinteresse und die Hörpräferenzen nicht quasi-deterministisch durch das Alter der Hörer und der Musik bestimmt sehen. Jüngere User beschäftigen sich genauso mit älterer Musik, wie ältere Userinnen aktueller Musik zugeneigt sind. Von altersbedingten Vorurteilen, Misstrauen oder gar generationeller Segregation ist auf last.fm wenig zu spüren. So, und nun genug gelabert und wie versprochen die in der Danksagung angetönte Liste. Zuvor aber möchte ich mit einem Zitat schliessen, das die Unbestimmtheit, Ambivalenz und Unergründlichkeit der Musik - und damit einen ihrer zentralen Reize - auf den Punkt bringt. Robert Walser62 , der sich in dieser Hinsicht zu David Foster Wallaces Worten auf Seite 6 gesellt, schrieb einmal: „Die Worte über die Kunst da oben muss man nur nicht ernst nehmen. Sie treffen so gewiss nicht zu, als mich heute noch kein Ton getroffen hat. Mir fehlt etwas, wenn ich keine Musik höre, und wenn ich Musik höre, fehlt mir erst recht etwas. Dies ist das Beste, was ich über Musik zu sagen weiss.“ Dem bleibt nur noch mit dem gleichen Autor anzufügen: „Und damit basta.“

62 Gemeint ist der Schriftsteller Robert Walser (http://en.wikipedia.org/wiki/Robert_Walser_(writer)) und nicht

der Musikwissenschaftler Robert Walser (http://en.wikipedia.org/wiki/Robert_Walser_(musicologist)) - der vielleicht auch gut in den Zusammenhang gepasst hätte.

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110


Anhang .1 Einteilung der Tags in Genres

Tabelle 20: Einteilung der Tags in Genres Genre

Tags

Rock

rock, classic rock, glam rock, hard rock, progressive rock rap, hip hop, hip-hop, gangsta rap, underground hiphop, swiss hip-hop electro, electronica, electronic, house, trance, techno, trip-hop, dub, dubstep, dance, idm, minimal techno, minmal, chillout, downtempo, ambient classic, classical, opera, baroque, renaissance, classical organ music pop, chanson, chanson francaise, easy listening, fahrstuhlmusik, oldies metal, heavy metal, death metal, melodic death metal, black metal, speed metal, power metal, folk metal, doom metal, trash metal, hair metal, metalcore, nu metal, pagan metal jazz, smooth jazz, nu jazz, acid jazz, contemporary jazz, free jazz, vocal jazz, jazz piano, saxophone, bebop, jazz fusion latin, bachata, brasil, brazilian, african, world music, balkan, spanish, greek, celtic, serbian, albanian, samba, japanese, russian, korean, belgian, greek, portuguese country, bluegrass, folk, modern country, acoustic, altcountry punk, punk rock, ska, deutschpunk, hardcore, emo, screamo schlager, volksmusik, mundart, schweizerdeutsch reggae, dancehall, ragga, roots reggae soul, rnb, funk, blues, chicago blues indie, indie rock, indie pop, alternative, alternative rock, grunge, britpop, brit, post-punk, post-rock, posthardcore gothic, gothic metal, goth, industrial, darkwave, ebm female, female volcalists, female vocalist, female vocal, female voice soundtrack, podcast, audiobook, tv, film score christian, worship, christian rock, praise and worship, gospel

Rap, Hip-Hop Elektronische Musik

Klassische Musik Pop (Heavy) Metal

Jazz

World Music, Latin

Country, Bluegrass, Folk Punk, Ska Schlager, Volksmusik, Mundart Reggae Soul, Funk, Blues, R’n’B Indie, Alternative

Gothic, Darkwave, Industrial Female Vocalists Hörbuch, Podcast, Soundtrack, TV Christliche Musik, Gospel

111


.2 Beschreibung der Stichprobe

Tabelle 21: Beschreibung der Stichprobe Absolute H채ufigkeit

Prozent

Geschlecht Mann Frau Gesamt

438 438 876

50.0 50.0 100

Alter 16 bis 20 21 bis 30 31 bis 40 41 bis 50 51 bis 64 Gesamt

133 273 235 133 102 876

15.2 31.2 26.8 15.2 11.6 100

Anzahl Freunde Keine 1 bis 5 6 bis 10 11 bis 20 21 bis 50 Mehr als 50 Gesamt

251 325 124 97 60 19 876

28.7 37.1 14.2 11.1 6.8 2.2 100

Anzahl Gruppen Keine 1 bis 5 6 bis 20 Mehr als 20 Gesamt

529 247 77 23 876

60.4 28.2 8.8 2.6 100

Bild Kein Bild Bild (kein Selbstportrait) Selbstportrait Gesamt

103 315 458 876

11.8 36.0 52.3 100

112


Tabelle 22: Beschreibung der metrischen Variablen im Datensatz

Alter Anzahl Freunde Anzahl Gruppen Gespielte Songs Rockanteil Rapanteil Elektroanteil Klassikanteil Popanteil Metalanteil Jazzanteil Worldanteil Countryanteil Punkanteil Schlageranteil Reggaeanteil Soulanteil Indieanteil Gothicanteil Femaleanteil Anteil Other Anteil Gospel Restanteil

Mittelwert

Stdabw.

Minimum

Maximum

N

33.416 7.721 2.697 12600.364 12.357 2.592 11.246 0.535 6.178 3.416 2.667 0.837 3.214 3.606 0.388 0.434 3.008 18.7 0.736 0.418 0.417 0.212 29.038

11.846 17.978 8.994 21133.477 7.932 7.422 13.603 3.118 4.17 9.468 6.26 3.706 4.886 6.71 2.674 2.331 5.232 13.792 3.792 1.445 2.222 2.547 11.664

16 0 0 1000 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 2.353

64 273 151 343153 42.018 54.214 68.185 40.357 27.112 61.046 55.96 36.744 46.645 39.763 39.727 43.859 45.186 54.497 42.898 11.743 37.355 49.739 81.256

876 876 876 876 876 876 876 876 876 876 876 876 876 876 876 876 876 876 876 876 876 876 876

Tabelle 23: Kreuztabelle Altersgruppen und Geschlecht: Verteilung des Geschlechts nach Alter

Frau

Mann

Total

16 bis 20 21 bis 30 31 bis 40 41 bis 50 51 bis 64

83 173 135 33 14

50 100 100 100 88

133 273 235 133 102

Total

438

438

876

113


Abbildung 18: Verteilung der Genreanteile f端r Rap, Metal, Country, World, Indie, Soul, Punk und Klassische Musik

114


115 876 0.174

(0.735)

(0.582)

876 0.071

2.507***

(0.000)

(0.000)

3.583***

0.009

(0.440)

0.006

1.064**

(0.394)

(0.755)

-1.560***

-0.795

(0.559)

(0.771)

(0.609)

-0.205

-0.515

(0.020)

(0.009)

0.089

0.006

(0.035)

(0.019)

-0.011

-0.062*

(0.045)

0.041**

-0.062

0.058

(0.002)

(0.002)

(0.046)

0.009***

(0.032)

(0.036)

0.002

-0.241***

0.053

Punk

876 0.029

(0.306)

0.437

(0.000)

-0.005**

(0.292)

-0.029

(0.362)

-0.050

(0.297)

-0.329

(0.002)

-0.000

(0.004)

-0.002

(0.047)

-0.016

(0.001)

0.002

(0.034))

0.032

Schlager

*** p<0.01, ** p<0.05, * p<0.1

Unstandardisierte Koeffizienten, Robuste Standardfehler in Klammern

N R2

K on s t a n t e

Son g s

G e s c hl e c ht (Ref.: Frau)

Se l b s t por t r a i t

Bi l d (Ref.: Kein Bild)

Fre u nd e

Gr u ppen

Al t e r ∗ G e s c hl e c ht

Al t e r 2

Al t e r

Country

876 0.010

(0.120)

0.028

(0.000)

0.001

(0.186)

0.240

(0.168)

0.364**

(0.139)

0.290**

(0.005)

-0.009*

(0.015)

0.014

(0.014)

0.001

(0.000)

0.000

(0.011)

-0.016

Reggae

876 0.059

(0.606)

2.653***

(0.000)

0.012

(0.406)

0.135

(0.560)

-0.070

(0.617)

-0.075

(0.011)

0.006

(0.027)

-0.021

(0.040)

0.059

(0.001)

0.001

(0.032)

0.053**

Soul

876 0.015

(0.223)

0.530**

(0.000)

-0.006

(0.270)

-0.233

(0.192)

0.346*

(0.266)

0.335

(0.012)

0.005

(0.024)

0.016

(0.023)

-0.002

(0.001)

0.000

(0.022)

-0.026

Gothic

876 0.036

(0.246)

1.077***

(0.000)

-0.003*

(0.101)

-0.155

(0.244)

-0.525**

(0.243)

-0.625**

(0.004)

-0.006

(0.012)

0.015

(0.008)

0.020**

(0.000)

-0.001**

(0.007)

0.000

FA

876 0.020

(0.277)

0.771***

(0.000)

0.002

(0.163)

-0.043

(0.270)

-0.362

(0.302)

-0.085

(0.006)

-0.009

(0.019)

0.029

(0.010)

0.000

(0.000)

-0.001***

(0.008)

-0.001

Other

Quelle: eigene Darstellung

Tabelle 24: OLS Regression Ăźbrige Genreanteile auf Alter und andere Variablen


.3 Beschreibung der abhängigen Variablen Musikalische Geschmacksbreite mit Brutto-Regressionen

Abbildung 19: Verteilung Geschmacksgleichheit M und Hörkonzentration nach OMR und AEP

Tabelle 25: Brutto-Modelle der übrigen OLS Regressionen Musikalische Geschmacksbreite auf Alter

Al t e r Al t e r 2 K on s t a n t e N R2

Genres

M

OMR

AEP

-0.0025

-0.0006**

0.3120***

0.0214***

(0.0046)

(0.0003)

(0.0948)

(0.0047)

-0.0011***

-0.0001***

-0.0304***

-0.0005

(0.0003)

(0.0000)

(0.0070)

(0.0004)

6.258***

0.798***

105.000***

2.770***

(0.0709)

(0.0039)

(1.3490)

(0.0658)

876 0.017

876 0.028

876 0.024

873 0.025

Robuste Standardfehler in Klammern *** p<0.01, ** p<0.05, * p<0.1

116

Quelle: eigene Darstellung


.4 Voraussetzungprüfungen der OLS Regressionen

Multikollinearität Da alle OLS Regressionen, bis auf das Brutto Modell zu Hypothese 1, die gleichen unabhängigen Variablen beinhalten, unterscheiden sich die Multikollinearitäts-Statistiken zwischen den Regressionen nicht. Deshalb wird hier nur eine Tabelle aufgeführt. Je nach Quelle werden VIF-Werte ab 5 oder 10 als kritisch betrachtet. Tabelle 26: VIF und Tolerance Werte für alle Regressionen

Unabhängige Variable

VIF

Tolerance ( V 1I F )

Alter * Geschlecht Alter Selbstportrait Bild Freunde Gruppen Alter2 Geschlecht Songs

3.89 3.62 2.72 2.71 2.15 2.10 1.54 1.25 1.23

0.256791 0.276514 0.367183 0.369501 0.464143 0.475928 0.649328 0.799845 0.811603

Normalverteilung der Residuen Obwohl die Verletzung der Normalverteilungsannahme keinen verzerrenden Einfluss auf die Koeffizienten selbst ausübt, gilt es diese Annahme zu überprüfen, da die Schätzverfahren (F-Test, Standardfehler und damit einhergehend: p-Wert und Signifikanzniveau) sonst fehlerbehaftet und bei wenigen Beobachtungen (N < 40) ungültig sein können (Backhaus et al. 2006: 92-94). Für die Prüfung wurde der Shapiro-Wilk Test auf Normalverteilung verwendet (UCLA 2010). Der p-Wert dieses Tests geht von der Annahme aus, dass die untersuchte Grösse (in diesem Fall die Residuen) in der Grundgesamtheit normalverteilt ist. Tiefe p-Werte nahe bei 0 - sprechen für eine Widerlegung der Nullhypothese, die besagt, dass Normalverteilung herrscht: In unserem Fall sind die Residuen eindeutig nicht normalverteilt, denn die p-Werte liegen sehr nahe bei 0. Die Verletzung der Annahme stellt aber kein gravierendes Problem dar, da die Fallzahl mit 876 ausreichend gross für konsistente Schätzungen ist und zudem robuste Standardfehler verwendet wurden.

117


Tabelle 27: Shapiro-Wilk Test auf Normalverteilung der Residuen

Abhängige Variable der Regression

Empirisches Z

Signifikanz

7.31 4.37 0.05 9.61 7.98 13.00 10.82 14.54 7.79 13.34 13.31 14.49 5.074

0.000 0.000 0.821 0.000 0.000 0.000 0.000 0.000 0.000 0.000 0.000 0.000 0.000

UHH Brutto (1) UHH Kontrolliert (2) Anzahl Genres (3) Mayer’s Index Of Uniformity (4) Rockanteil Rapanteil Elektroanteil Klassikanteil Popanteil Metalanteil Jazzanteil Countryanteil Indieanteil

Linearität und Ausreisserdiagnostik Die Linearität des Zusammenhangs der Regressoren auf den Regressanden kann grafisch überprüft werden. Hier wurden die interessierenden metrischen Variablen in Zusammenhang mit den Residuen der jeweiligen Regression gebracht. Nichtlineare Streuung in solchen Scatterplots deutet auf die Verletzung der Linearitätsannahme hin (UCLA 2010). Wie die Abbildungen auf der folgenden Seite zeigen, sind die Zusammenhänge teilweise eher quadratisch als linear, besonders was die abhängige Variable Mayer’s Index of Uniformity (M) anbelangt. Als Lösung bieten sich die Transformation von Variablen und die Aufnahme quadratischer oder kubischer Terme an (Kohler & Kreuter 2008: 215). Dies wurde durch die Berücksichtigung des quadrierten Alters realisiert. Nicht quadriert wurde die Anzahl Freunde. Ein entsprechender explorativer Versuch ergab keine bedeutende Verbesserung der Erklärungskraft und der Modellparameter. Deshalb und aus Mulitkollinearitätsgründen wurde auf die Aufnahme weiterer quadratischer oder gar kubischer Ausdrücke verzichtet. Für die Genreregressionen wurde die Linearität ebenfalls überprüft, aber aus Platz- und Relevanzgründen nicht dokumentiert. Die entsprechenden Diagnosen sind aber in der Syntax vermerkt. Da keine extremen Ausreisser in Bezug auf die abhängigen Variablen vorhanden waren, entschied ich mich gegen den Ausschluss von Leuten.

118


Abbildung 20: Streudiagramme metrische unabhängige Variablen Alter und Freunde auf Residuen. Abhängige Variablen von links oben nach rechts unten: UHH, Anzahl gehörte Genres, M, UHH, Anzahl gehörte Genres, M

119


Vollständigkeit des Modells und Autokorrelation Aufgrund der restringierten Datenlage kann nicht ausgeschlossen werden, dass erklärungskräftige Variablen in der Modellspezifikation fehlen. Der Omitted Variables-Test (OV-Test) versucht solche Fehlspezifikationen festzumachen (UCLA 2010). Tiefe p-Werte - nahe bei 0 deuten eine Unvollständigkeit des Modells und damit Unterspezifikation an. Für die durchgeführten Regressionen sind die Werte in der folgenden Tabelle ersichtlich. Es zeigt sich, dass verschiedene Regressionen unterspezifiziert sind, besonders was die Genreanteile angeht. Fehlende erklärungskräftige Informationen zum kulturellen Kapital, den Restriktionen und Motiven des Musikkonsums wurden im Laufe der Arbeit reflektiert. Sie führten vermutlich zu einer Verbesserung der Testergebnisse. Autokorrelation stellt dagegen kein Problem dar, da es sich nicht um Zeitreihendaten handelt und die Beobachtungen aufgrund der Zufallsauswahl zum grossen Teil unabhängig voneinander sind (keine Klumpenstichproben o. ä., Kohler & Kreuter 2008: 227-228). Tabelle 28: OV-Test auf Vollständigkeit des Modells

Abhängige Variable der Regression UHH Brutto (1) UHH Kontrolliert (2) Anzahl Genres (3) Mayer’s Index Of Uniformity (4) Rockanteil Rapanteil Elektroanteil Klassikanteil Popanteil Metalanteil Jazzanteil Countryanteil Indieanteil

120

F-Wert

Signifikanz

3.93 0.99 1.50 1.34 0.80 10.30 3.10 5.50 8.74 7.43 3.68 4.97 6.19

0.0201 0.3956 0.2128 0.2599 0.4928 0.0000 0.0262 0.0010 0.0000 0.0001 0.0118 0.0020 0.0004


Heteroskedastizität Um auf Varianzhomogenität zu testen, habe ich den Breusch-Pagan Test verwendet (UCLA 2010). Tabelle 29 zeigt die χ 2 -Werte und die dazugehörigen Signifikanzen. Die Nullhypothese lautet: „Es besteht konstante Varianz über die Ausprägungen von x hinweg“ und bei hohen χ 2 -Werten muss die Nullhypothese der Homoskedastizität mit geringer Fehlerwahrscheinlichkeit verworfen werden, womit wir Heteroskedastizität haben. Wie sich zeigt, sind fast alle Regressionen heteroskedastisch, z. T. sehr stark. Deshalb wurden bei den entsprechenden Hypothesen robuste Standardfehler geschätzt, so dass die inferenzstatistischen Ergebnisse nicht verfälscht sind. Tabelle 29: Breusch-Pagan Test auf Heteroskedastizität für jede untersuchte Hypothese

Abhängige Variable der Regression UHH Brutto (1) UHH Kontrolliert (2) Anzahl Genres (3) Mayer’s Index Of Uniformity (4) Rockanteil Rapanteil Elektroanteil Klassikanteil Popanteil Metalanteil Jazzanteil Countryanteil Indieanteil

121

χ2

Signifikanz

0.00 2.36 0.05 29.09 27.59 865.42 51.36 2226.11 19.40 464.04 710.07 246.83 23.63

0.978 0.125 0.821 0.000 0.000 0.000 0.000 0.000 0.000 0.000 0.000 0.000 0.000


.5 Anlage 1: CD Auf der beigelegten CD befinden sich folgende Dinge: • Der Datensatz als STATA- und SPSS-File • Die einzelnen gesammelten Daten im XML-Format und in teilaggregierten EXCELFiles: Somit kann der komplette Datensammlungsprozess nachvollzogen werden • Die SPSS-Syntax zur Recodierung der Tags in Genreanteile • Die STATA-Syntax mit den in der Arbeit gerechneten Modellen und Statistiken • Diese Arbeit als latex-File

.6 Anlage 2: Lebenslauf .7 Anlage 3: Eigenständigkeitserklärung

122


Lebenslauf Christoph Lutz

Persönliche Informationen Name

Christoph Wolfgang Lutz

Geburtsdatum

09.12.1985

Geburtsort

Sankt Gallen

Bürgerort

Altstätten

Ausbildung Seit 2004

Studium der Soziologie, Wirtschaftswissenschaften (Schwerpunkt Management & Economics) und Publizistikwissenschaft an der Universität Zürich

1998-2004

Gymnasium mit Schwerpunkt Latein in Mörschwil, Sankt Gallen

Berufstätigkeit Seit 2009

Redakteur bei der Studentenzeitschrift „Studiversum“

Seit 2007

Freie redaktionelle Mitarbeit im Ressort Regionalkultur der Zeitschrift „Zürcher Oberländer“

2009-2010

Mitarbeit bei den IPMZ-Projekten „Evaluation Kinderfernsehen“ und „Migrantenkinderprojekt“ am Lehrstuhl von Prof. Dr. Heinz Bonfadelli

2008-2010

Tutor für Statistik am Lehrstuhl von Prof. Dr. Marc Szydlik

2008-2009

Mitarbeit beim NCCR-Projekt 22 zu kulturellen Einflüssen auf die Medienberichterstattung (Prof. Dr. Frank Esser): Tätigkeit als Codierer „FAZ“ und „Rheinische Post“

2006-2008

Tätigkeit als Nachhilfelehrer

Sprachkenntnisse Deutsch

Muttersprache

Englisch

Sehr gute Kenntnisse in Schrift und Sprache

Französisch

Gute Kenntnisse in Schrift und Sprache

Spanisch

Grundkenntnisse in Schrift und Sprache

Latein

Kenntnisse in Schrift


Universität Zürich Philosophische Fakultät

Selbstständigkeitserklärung zur wissenschaftlichen Arbeit am Soziologischen Institut der Universität Zürich

Originalarbeit Ich erkläre ausdrücklich, dass es sich bei der von mir eingereichten schriftlichen Arbeit mit dem Titel .......................................................................................................................................... .......................................................................................................................................... um eine von mir selbst und ohne unerlaubte Beihilfe sowie in eigenen Worten verfasste Originalarbeit handelt. Sofern es sich dabei um eine Arbeit von mehreren Verfasserinnen oder Verfassern handelt, bestätige ich, dass die entsprechenden Teile der Arbeit korrekt und klar gekennzeichnet und der jeweiligen Autorin oder dem jeweiligen Autor eindeutig zuzuordnen sind. Ich bestätige überdies, dass die Arbeit als Ganze oder in Teilen weder bereits einmal zur Abgeltung anderer Studienleistungen an der Universität Zürich oder an einer anderen Universität oder Ausbildungseinrichtung eingereicht worden ist noch inskünftig durch mein Zutun als Abgeltung einer weiteren Studienleistung eingereicht werden wird. Verwendung von Quellen Ich erkläre ausdrücklich, dass ich sämtliche in der oben genannten Arbeit enthaltenen Bezüge auf fremde Quellen (einschliesslich Tabellen, Grafiken u. Ä.) als solche kenntlich gemacht habe. Insbesondere bestätige ich, dass ich ausnahmslos und nach bestem Wissen sowohl bei wörtlich übernommenen Aussagen (Zitaten) als auch bei in eigenen Worten wiedergegebenen Aussagen anderer Autorinnen oder Autoren (Paraphrasen) die Urheberschaft angegeben habe. Sanktionen Ich nehme zur Kenntnis, dass Arbeiten, welche die Grundsätze der Selbstständigkeitserklärung verletzen – insbesondere solche, die Zitate oder Paraphrasen ohne Herkunftsangaben enthalten –, als Plagiat betrachtet werden und die entsprechenden rechtlichen und disziplinarischen Konsequenzen nach sich ziehen können (gemäss §§ 7ff der Disziplinarordnung der Universität Zürich sowie § 36 der Rahmenordnung für das Studium in den Bachelor- und Master-Studiengängen der Philosophischen Fakultät der Universität Zürich). Ich bestätige mit meiner Unterschrift die Richtigkeit dieser Angaben. Name:

Vorname:

Matrikelnummer: Datum:

Unterschrift:


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