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Die Presse Unabhängige Tageszeitung für Österreich Wien, am 21.01.2021, 312x/Jahr, Seite: 14 Druckauflage: 57 885, Größe: 70,15%, easyAPQ: _ Auftr.: 8420, Clip: 13343066, SB: Ischgl
„Lockdown? Es war richtig, die Lifte zu öffnen!“ Ski. Peter Schröcksnadel prangert Österreichs Impfstrategie an, „weil Häftlinge vor Sportlern und Künstlern drankommen“, hält Fotos mit Lift-Drängeleien für „bewusst gestreut“, freut sich auf Kitzbühel ohne Fans und bestätigt seinen ÖSV-Rückzug. VON MARKKU DATLER
Die Presse: Kitzbühel erlebt jetzt drei Speedbewerbe, muss bei den Hahnenkamm-Rennen aber auf Publikum verzichten. Sind Sie glücklich mit dieser Situation? Peter Schröcksnadel: Ich bin insofern glücklich, weil es vom ÖSV geschafft worden ist, alle Sorgen und Ängste rund um diese Rennen auszuräumen. Mit der englischen Virusmutante waren Bedenken aufgekommen, es seien zu viele Rennen, zu viel Risiko. Na gut, wir haben die Slaloms also in die Flachau verlegt und tollen Sport gesehen. Jetzt erwarten wir zwei Abfahrten und einen Super-G in Kitzbühel, und es werden wieder tolle Rennen sein. Auf Kitzbühel schaut die ganze Welt, da darf man sich keinen Fehler erlauben oder sich ein schlechtes Image einhandeln. Damit kehrt Kitzbühel doch auch zu den Wurzeln zurück. Hahnenkamm „unplugged“ quasi, ganz ohne Society-Events. Kitzbühel hat einen Mythos. Das eine sind Rennen, das andere ist das Highlife nach dem Event oder rund um die Piste. Jetzt geht es nur um den Sport, ja. Und im Gegenzug sind auch die TV-Quoten ungeheuer hoch. Sport ist die perfekte Ablenkung, ob Fußball oder Ski – er hat einen hohen Stellenwert in unserer Gesellschaft. Und es wird auch einmal ohne Party gut gehen. Haben die Vorfälle in Ischgl oder jetzt dicht gedrängt stehende Menschenmassen vor Liftanlagen während des Lockdowns dazu geführt, dass Skifahren unsympathisch geworden ist? Warum man so denkt, weiß ich nicht. Was festzustellen war in diesem Lockdown, ist, dass der Skisport stärker ist denn je. Mit all den Hindernissen, mit Masken in Gondeln und am Schlepplift. Und die Leute lassen sich nicht abhalten. Diese Kraft ist enorm. Und die Bilder, auf denen sich die Massen drängen? Die sind bewusst fotografiert und gestreut worden! Weil es nur ganz wenige Gebiete gab, wo Leute angestanden sind, rund um Wien, oder bei Linz. Wenn man da schräg hineinfotografiert, schaut es dicht aus, obwohl es sicher gut organisiert war. Und der Rest Österreichs? Da war alles leer! Und das sind 98 Prozent der Skigebiete. Die bleiben für die Einheimischen geöffnet. Als wichtiges Zeichen, dass es weitergeht.
Hannes Reichelt kam über die Streif geflogen. Der Veteran, 40 und Kitz-Sieger 2014, war im ersten Abfahrtstraining schnellster ÖSV-Fahrer. [ AFP ]
Sie verstehen aber das Unverständnis, weil Seilbahnen aufsperren durften, Schulen jedoch zu bleiben mussten? Ich sage auch, dass Schulen schleunigst geöffnet gehören. Nur muss es im Sinne der Sicherheit und Gesundheit vertretbar sein. Aber im Freien, was soll dir denn da passieren? Beim Anstellen, da passiert nichts! Auch in der Gondel nicht, weil sie nur sieben bis acht Minuten fährt. Ich habe da von keinem einzigen Infektionsherd gehört. Wenn man alles immer nur reduziert auf einzelne Problemzonen, dann finde ich das nicht in Ordnung. Innen ist es halt wieder etwas anderes als in der freien Natur. Die Entscheidung, die Lifte zu öffnen, war richtig. Sie fordern, ÖSV-Fahrer vorzureihen bei der Covid-Impfung. Warum? Stimmt Ihre Aussage mit „Häftlingen statt Sportlern“? Ja, die stimmt. Das kritisiere ich vehement. Das verstehe ich überhaupt nicht, ich ziehe aber auch Künstler in diese Betrachtung mit ein. Wenn du probst, eine Veranstaltung wäre – da stehen auch alle eng beieinander. Ich finde, Sportler und Künstler sollten vorgereiht werden, diese Sparten erfüllen einen wichtigen Part in der Gesellschaft. Unsere Läufer sind gefährdet, weil sie auch in der Weltgeschichte herumgondeln. Und so-
wohl Künstler als auch Sportler erfüllen eine Vorbildrolle. Die hat ein Häftling nicht. Oder doch? Wenn sich ein Vorbild impfen lässt, würde bei vielen auch die Skepsis vor der Impfung sinken. Das ÖSV-Team hat sich in dieser Saison gefangen. Es gab Erfolge, Siegertypen und . . . . . . wir sind gut drauf, die Burschen in Form. Das Training hat gepasst, die Mannschaft ist stark. Im Slalom gewinnen wir mit Manuel Feller, in Flachau war sein erster Sieg. In Speedrennen haben wir mit Matthias Mayer oder Vincent Kriechmayr zwei Topfahrer. Der Riesentorlauf ist halt weiterhin leider eine Baustelle. In den Kerndisziplinen sind wir wieder gut. Was bedeutet das für die Ski-WM in Cortina? Das bleibt abzuwarten. Dass sie in Cortina (ab 8. Februar, Anm.) überhaupt stattfinden kann, davon
ZUR PERSON
Peter Schröcksnadel, 79, ist seit 1990 ÖSVPräsident. Er besitzt die Sitour Management GmbH, ist 50,3-prozentiger Anteilhaber von Feratel Technologies AG. Im Juni [ APA] 2021 tritt er als ÖSV-Chef ab.
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gehe ich jetzt einmal aus, ist ein Verdient der Blasen-Systeme, mit denen man im Skiweltcup arbeitet. Da darf keiner hinein ohne negativen Test! Außerhalb, das haben wir immer wieder gesehen, gibt es Ansteckungen. Aber die kommen nicht mehr ins System zurück, weil sie getestet werden.
Kitzbühel-Auftakt: Das freundliche Gesicht der Streif
Sehen Sie einen Impfneid in Österreich? Nein. Jetzt gibt es einen Engpass, aber binnen weniger Monate wird es mehr Impfstoff geben als Menschen, die impfen gehen wollen.
Kitzbühel. Die Abfahrtselite musste im Zielraum klarstellen, dass es sich hier immer noch um die Streif handle. Denn was Renndirektor Hannes Trinkl angekündigt hatte, war beim ersten Training für die Hahnenkamm-Abfahrten (Freitag und Samstag) zu sehen: eine ruhigere Piste als in den Vorjahren. „Nicht so schwierig“, meinte Kitzbühel-Champion Dominik Paris. Abfahrtskugel-Gewinner Beat Feuz erklärte: „Es war schon gröber.“ Die schnellsten Zeiten fuhr das US-Duo Ryan Cochran-Siegle und Travis Ganong. Und im Ziel herrschte coronabedingt Stille, ohne Tribüne, ohne VIP-Zelt. Vincent Kriechmayr hatte beim Besichtigen gar kurz die Orientierung verloren („Hier steht ein Hotel?“). Der Trainingsdritte Hannes Reichelt fragte: „Traurig, oder? Wenn man weiß, was hier sonst los ist.“ Während in Kitzbühel alle unversehrt ins Ziel kamen, stürzte Nina Ortlieb im Abfahrtstraining in Crans Montana schwer. Eine Knieverletzung wird befürchtet. (joe)
Lassen Sie sich impfen? Selbstverständlich. Sie wollen im Juni als ÖSV-Präsident abtreten. Bleibt es dabei? Ja, ich gehe. Es gibt derzeit viele Nebengeräusche, über Länderkonferenzen und Termine. Die kommentiere ich ebenso wenig wie mögliche Nachfolger. Zu dem werde ich schon etwas sagen, aber erst nach seiner Bestellung. Denn ich habe den Verband aufgebaut, über 30 Jahre. Es ist ein Vermächtnis. Was würden Sie sich in Zukunft für den ÖSV wünschen? Das Ziel muss wirtschaftliche und politische Unabhängigkeit bleiben. Es muss um den Sport gehen. Damit erhält man internationale Anerkennung. Nur so.
Erstes Abfahrtstraining unter entschärften Bedingungen.
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