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Pfiat di, Gletscher

ins sterbende Eis. gang, es ist keine romantische Verklärung zu spüren, wenn sie über die Gletscher spricht. Sobald eine Fläche eisfrei Salzburger Nachrichten Gletscherforscherin Andrea werde, komme die Vegetation in rasanter Geschwindigkeit, erklärt sie auf dem Gletschervorfeld. Das Neue begegnet Salzburg, am 08.08.2020, 312x/Jahr, Seite: 32 Druckauflage: 88 246, Größe: 61,4%, easyAPQ: _ Fischer begleitete uns auf eine uns auf Schritt und Tritt: Gräser, Blumen, Büsche gedeihen auf einer Fläche, die seit 150 Jahren eisfrei ist, seit 15 Jahren Auftr.: 8420, Clip: 13042652, SB: Galtür kalte Reise dorthin, wo bald wachsen hier Bäume. Je näher wir dem Gletscher kommen, desto spärlicher wird die Vegetation. „Nun sind wir an dem Blumen blühen werden. Punkt, wo der Gletscher 1980 noch war. Aber auch hier haben wir bereits 20 verschiedene Pflanzenarten, Moose, Flechten und Pionierpflanzen, oft farbenprächtige IndiviEVA BACHINGER (TEXT), dualisten, die gleich auffallen“, sagt die Forscherin. Das Verschwinden an sich sei nicht schlimm. Schlimm sei ELISABETH NIESNER (BILDER) der wohl entscheidende Faktor für die rasante Auslöschung der alpinen Eismassen: unser maßloser, konsumorientierter Lebensstil. Prinzipiell unterstütze sie die Forderungen der Klimaschutzbewegung Fridays for Future, aber dem Protest könne sie sich als Forscherin nicht anschließen. Sie kritisiere nicht so gern, sagt sie. „Wir Wissenschafter müssen sachlich bleiben und seriöse Konzepte liefern, ohne dass andere Werte wie Bildung, Soziales, Freiheit, Demokratie unter die Räder kommen. Da sind wir aus meiner Sicht noch sehr konkrete Antworten schuldig geblieben.“ Dass Fischer Systemwissenschaft studiert hat, merkt man: „Ich will als Forscherin die ganze Bandbreite, die Komplexität des Fachs vermitteln, aber auch Zuversicht.“ Die mitunter aufgeheizten, emotionalen und dadurch spaltenden Debatten zum Klimawandel können ihrer Meinung nach nicht zu Lösungen führen. Auch andere Disziplinen seien gefragt. Fischer würde sich etwa wünschen, dass mehr Philosophen gehört würden, die Naturwissenschaft könne nur „hard facts“ liefern. Und die seien letztlich immer nur ein Teil der Wirklichkeit. Großes Bild: Andrea Fischer im Als wir den Jamtalferner im Tiroler Silvrettagebiet hinter künstlichen Eistunnel des Schauuns lassen, stehen wir auf einer Anhöhe und blicken ins Tal felferners im Stubaital. Darunter: hinaus. Fischer zeigt in lichte Höhen: „Bis zu den Felsen Die Geologin in ihrem Element. hoch oben hat das Eis das ganze Tal ausgefüllt.“ Die VergletBild rechts oben: Eishöhle am scherung vor 22.000 bis 18.000 Jahren reichte von hier bis Jamtalferner bei Galtür. nach Bayern und in den Süden. Der Chiemsee und der Gardasee sind wie viele andere Seen Überbleibsel der Gletscher. Das Eis hat die Landschaft geformt, geschliffen, ausgehöhlt. Andrea Fischer kann die Spuren des früheren Gletschers lesen: Sie zeigt an einem Felsen die Schleifspuren von Gestein, die der Gletscher vor sich hergeschoben hat, eine andere Fläche ist glatt geschliffen, vorn hat der GletAndrea Fischer blickt auf das Eis, senkt Nun ist sie am Institut für interdisziplinäre Gebirgsforscher Felsbrocken abgerissen. den Kopf und denkt nach. Man meint, schung der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) tätig. „ZuWir erahnen Zeitdimensionen, die weit über ein Menkeine Antwort mehr zu bekommen, fall“, antwortet sie kurz und bündig auf die Frage, warum schenleben hinausgehen: In der Nähe liegen Felsbrocken, nachdem sie den Schwund des Jamsie ausgerechnet Glaziologin wurde. Ein Kollege fiel bei der die 9000 v. Chr. durch einen Bergsturz in die Tiefe gedontalferners im Tiroler Silvrettagebiet Feldforschung aus und sie sprang ein. Es gibt jene, die meist nert sind. Wir schauen nochmal ins Tal und können die erklärt hat. Dann sagt sie: „Umwelt am Computer vor den Modellen sitzen, und jene, die rausAusmaße des früheren Gletschers kaum fassen: Heute ist nichts Statisches, sondern gehen. Fischer gehört zu Letzteren. Auf die Frage, wie man sehen wir idyllische Almwiesen, wo Blumen blühen, Kühe immer veränderlich. Ökosysteme am besten auf die 3156 Meter hohe Jamspitze, die vor uns weiden, Murmeltiere pfeifen, der Bergpieper singt und der müssen flexibel bleiben, um leam Rande eines riesigen Kessels thront, hinaufkommt, sagt Jambach rauscht. Mehrmals im Verlauf der letzten 10.000 bendig und resilient zu sein. Hesie: „Direkt in der Mitte, im Zickzack geht’s gut.“ Wir bliJahre war die Waldgrenze mindestens so hoch wie heute. raklit und Humboldt haben es cken auf steile Flanken, kombiniertes Gelände, Fels, Eis und Das weiß man, weil jahrtausendealte Holzreste aus den sich gut ausgedrückt: Das einzig Schnee. Man kann sich aber gut vorstellen, wie sie da flink zurückziehenden Gletscherzungen ausapern. „Man muss Beständige ist der Wandel.“ und wendig hinaufklettert. vorsichtig sein, wenn man sagt, diese Schwankungen gab es Die Glaziologin Andrea FiHeute hingegen geht sie gemütlich einer kleinen Gruppe schon immer. Ja, aber aus anderen Gründen als heute“, so scher tut, was man sich von vielen Zeitgenossen wünschen von Hotelbesitzern aus Galtür voran, die als Wanderführer Fischer. Es gebe noch viele offene Fragen. „Die heutige Erwürde: Sie denkt nach, bevor sie etwas sagt. ihren Hausgästen Ausflüge in der Bergwelt anbieten wollen. wärmung ist ein Faktum, auch dass sie großteils menschenAndrea Fischer ist im Salzburger Pongau aufgewachsen Eine Wanderung heißt „Pfiat di, Gletscher“ und führt an die gemacht ist, aber ob das der einzige Faktor für den Rückund hat in Graz Theoretische Physik und UmweltsystemRänder des Jamtalferners. Er ist der am schnellsten gang ist, wissen wir nicht.“ Wir verlassen das Eis, das rohe wissenschaften studiert. Schreibt man über Andrea Fischer, schmelzende Gletscher Österreichs. Bereits in 30 Jahren Gestein und erreichen wieder saftige Almwiesen. „Ist das kommt man am Schwund der Eisgiganten nicht vorbei. Sie könnte er verschwunden sein – das heißt, wenn nichts nicht wunderschön, dieses Grün?“, freut sich Fischer. kennt die Gletscher Österreichs wie kaum jemand: Seit völlig Unvorhergesehenes passiert, wie etwa ein riesiger mehr als 20 Jahren beobachtet und vermisst sie Gletscher Vulkanausbruch, der die Atmosphäre verfinstert. Im Lauf Infos:www.alpin-club-galtuer.at. Im Sommer 2020 steht die und verantwortete von 2009 bis 2016 die Erstellung der von hundert Jahren hat der Jamtalferner einen ganzen KiloGletscherwanderung „Pfiat di, Gletscher“ im Fokus. Gletscherberichte, die der Österreichische Alpenverein allmeter seiner Gletscherzunge eingebüßt. Selbst wenn wir Andrea Fischer: Alpengletscher – eine Hommage, Fotograf: jährlich herausgibt. wirklich begännen, CO 2 -Emissionen massiv zu reduzieren, Zum eigenen Gebrauch nach §42a UrhG. Digitale Nutzung gem PDN-Vertrag des VÖZ voez.at. Anfragen zum Inhalt und zu Nutzungsrechten bitte an den Verlag (Tel: 0662/8373*0). Bernd Ritschel, Tyrolia-Verlag 2020, 256 Seiten, 39 Euro.

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