Das Haus zum Kirschgarten

Page 8

Einleitung

Abb. 1  Haus zum Kirschgarten,

Querschnitt durch die Mittelachse. Säulenarchitektur (dorisch) im Erdgeschoss an der Strassenfassade und in der Durchfahrt. Säulenarchitektur (ionisch) in der Beletage im Vestibül. Nicht sichtbar: Säulenarchitektur (korinthisch) im geplanten Vestatempel. Aquarellierte Federzeichnung, Johann Ulrich Büchel zugeschrieben, 1775/1776.

Das private Bauprojekt gab schon vor seiner Fertigstellung zu reden: Als der Zimmergesell am 13. September 1776 « vom Dache des neuerbauten Burckhardtischen Gebäudes» seine Rede an die 76 Gäste des Aufricht-Mahles richtete, hob er sein Glas auf jeden, «der über diesen Bau sich höhnisch nicht moquiret, oh nein, sich herzlich freut, dass er so schön aufgeführet ».1 Der Stein des Anstosses? Für ein Bürgerhaus wurde ein fürstlicher Aufwand betrieben. Ein prächtiger Palast war im Entstehen. Abb. 1 | 2 Diese Etikettierung haftet seit jeher dem Neubau des Basler Handelsmanns und Seidenbandfabrikanten Johann Rudolf Burckhardt (1750–1813), dem so genannten ‹Haus zum Kirschgarten›, an. In der Stadtrepublik gab es in der Generation des Bauherrn in der Tat keine andere Architektur, die dem Stadtpalais den baukünstlerischen Rang streitig gemacht hätte. Als knapp 20 Jahre nach der Fertigstellung im Jahr 1798 das Zunftregiment in einer unblutigen Revolution endete, verlor das Handelspatriziat im Basler Staatswesen an Bedeutung und damit an auftraggeberischer Potenz. Verdankt die damals grösste Stadt in der Eidgenossenschaft «das erste programmatisch klassizistische Wohnhaus in der Schweiz»2 dem unbescheidenen Geltungsdrang eines gut betuchten Bauherrn? Der Widmung des Hauses zum Kirschgarten als Wohnmuseum ging das 1914 festgelegte testamentarische Vermächtnis des Segerhofs voraus. 3 Abb. 5 Da dieses Kaufmannshaus einer Strassenverbreiterung weichen musste, sprach der Kanton am 25. November 1930 dem Historischen Museum Basel das Haus zum Kirschgarten als Ersatz zu. Seit 1951 ist es öffentlich zugänglich. Seither profitiert das Museum von der Ausserordentlichkeit seiner Architektur, die seit den Tagen der Erbauung bezeugt ist: «Es ist bei weitem das schönste Privatgebäude, das ich in der ganzen Schweiz gesehen habe, und vereinigt Schönheit und Geschmack mit der edlen Einfalt der Antike», so begeisterte sich im Februar 1783 Karl Gottlob Küttner in einem seiner veröffentlichten ‹Briefe eines Sachsen aus der Schweiz›. 4 Mit der Museumswidmung rückte das Haus zum Kirschgarten auch ins kunst- und architekturhistorische Blickfeld: Der Aufnahme in die Reihe ‹Das Bürgerhaus der Schweiz› 1931 durch Hans Reinhard folgte 1951 durch denselben Autor und Museumsdirektor eine knappe Würdigung im Rahmen einer Wegleitung zur Museumseröffnung.5 Mit dem Begleitbuch zur Ausstellung: ‹Sehnsucht Antike. Das Haus zum Kirschgarten und die Anfänge des Klassizismus in Basel› hat die jüngere Forschung 1995 das Stadtpalais aus kunst- und kulturhistorischer Perspektive in seine Entstehungszeit eingebettet und neues Wissen zusammengetragen.6 Trotz der 8  Einleitung


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.