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Große Freiheit
from films 11/2021
Beengte Verhältnisse
Große Freiheit
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——–—— ab 18.11. im Cinema & Kurbelkiste ——–—— Vorpremiere beim QUEERSTREIFEN-Festival: Fr 5.11. um 20.45
Erst 1994 wurde der §175 aus den Gesetzen gestrichen, auch wenn er damals schon länger nicht zur Anwendung kam. Als DEr SpiEGEl im Mai 1969 über die Aufweichung des §175 titelte und fragte: „Das Gesetz fällt – bleibt die Ächtung?“ war solch eine öffentliche Thematisierung von Homosexualität noch alles andere als selbstverständlich. Dass es gerade für Menschen, die Jahrzehnte im Geheimen leben mussten, die ihre Sexualität versteckten oder gar unterdrückten, keineswegs einfach war, quasi von einem Tag auf den anderen umzuschalten, nun offen zu leben, davon erzählt der vielfach ausgezeichnete regisseur Sebastian Meise in seinem zweiten Spielfilm.
1968. Zwei Jahre Zuchthaus bekommt Hans aufgebrummt, nachdem er beim Sex mit einem Mann auf einer öffentlichen Toilette gefilmt wurde. Im Gefängnis begegnet er Viktor, nicht zum ersten Mal, wie sich bald zeigt. 1945 waren die beiden Männer bereits Zellengenossen, Viktor am Anfang einer langen Haftstrafe wegen eines aus Eifersucht begangenen Totschlags und Hans, weil er Männer liebt. So homofeindlich sich Viktor anfangs gezeigt hatte: Dass Hans direkt aus einem Konzentrationslager in ein Gefängnis der Alliierten überstellt wurde, das schockiert ihn doch. Eine erste Berührung, ein erster intimer Moment geschieht, als Viktor Hans dessen in den Arm gestochene Nummer mit einem Tattoo überdeckt.
Die Jahre ziehen ins Land, während Viktor immer einsitzt, bewegt sich Hans fast wie in einer Drehtür zwischen Freiheit und Gefangenschaft, weiß bald weder drinnen noch draußen etwas mit sich anzufangen. Nichts scheint sich zu ändern, das Gefängnis ist schon 1945 ranzig und hat offenbar bis Ende der 60er Jahre keinen Anstrich erhalten. Was sich auch kaum ändert sind die Anfeindungen, denen sich schwule Männer ausgesetzt sehen, die Strafen mit denen die heteronormative Gesellschaft die ihnen unliebsamen Elemente wegsperren will.
So sehr sind diese beiden Männer in ihren Rollen verharrt, Rollen, in die sie vom System gezwungen wurden, dass sie wirkliche Freiheit kaum ertragen können. In manchen Momenten erinnert das an Texte von Jean Genet, an große Gefängnis-Filme, in denen die ganz eigene Subkultur dieses Ortes lebendig wird. Nicht zuletzt dank des herausragenden DarstellerDuos Franz Rogowski und Georg Friedrich, die eine ganz besondere, sich über lange Jahre entwickelnde Liebesgeschichte zum Leben erwecken.
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Große Freiheit — Deutschland 2021 — Regie: Sebastian Meise — Drehbuch: Thomas Reider & Sebastian Meise — Kamera: Crystel Fournier — Musik: Peter Brötzmann & Nils Petter Molvaer • Mit Franz Rogowski (Hans), Georg Friedrich (Viktor), Anton von Lucke (Leo), Thomas Prenn (Oskar) u.a. — 116 Minuten