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Neustart
Heiliger Bimbam Der Schein trügt
——–—— ab 16.12. im Cinema & Kurbelkiste ——–—— mit Regisseur Srđan Dragojević: Sa 18.12. um 19.00 Uhr
Man muss schon lange suchen, um zur Zeit im Kino eine vergleichbar wilde Farce oder deftige Satire zu finden wie diesen jüngsten Film des serbischen Regisseurs Srđan Dragojević, in der nicht nur Politik, Kunst und Glaube ihr Fett wegkriegen, sonden so gut wie alles, was ihm vor die Flinte bzw. die Kamera kommt. Man amüsiert sich köstlich und ohne Pause angesichts der originellen bis haarsträubenden Einfälle, die der anarchisch-märchenhafte Film in seinem Handlungsstrang aneinanderreiht, ohne dabei seinen Anspruch auf einen historisch-zeitkritischen Blick zu verlieren. Dragojević gelingt nichts weniger als eine so furiose wie groteske Bestandsaufnahme der postkommunstischen Gesellschaft und des Kapitalismus, eine hinterlistige, sehr schlaue doppelte Abrechnung. Aber dieser Anspruch wird einem hier nicht brachial reingewürgt, er manifestiert sich ganz von selbst, hinter dem Lachen. So soll es sein!
Niemand kann es sich erklären, aber nach einem Kurzschluss ziert plötzlich ein leuchtender Heiligenschein das Haupt des armen Schluckers Stojan. Der biedere Familienvater wird daraufhin zur Attraktion der Nachbarschaft, doch seine Frau Nada ist von dem Trubel bald genervt: Der Heiligenschein muss verschwinden. Eine Mütze ist leider keine Dauerlösung, auch gründliches Haarewaschen bringt nichts. Jetzt kann nur noch eines gegen das heilige Ding helfen: verschärftes Sündigen. Also ackert sich Stojan durch die sieben Todsünden von der Völlerei bis zum Ehebruch, doch es strahlt weiter über ihm. Schließlich findet er Gefallen an der Grausamkeit – und nicht nur er: Je brutaler, herzloser und korrupter Stojan wird, desto bereitwilliger wird er von allen als moralische Instanz akzeptiert. Acht Jahre später hat er es zum Gefängnisdirektor geschafft, als ihm ein neues „Wunder“ über den Weg läuft: Der einsitzende Raubmörder Gojko, der behaupet, er könne mit seinem Handy in den Himmel telefonieren, verwandelt sich eines Nachts in seiner Zelle in ein neugebo-
renes Baby – Fingerabdrücke und ein DNA-Abgleich bestätigen: es handelt sich um Gojko. 25 Jahre später ist Stojan zum Präsidenten aufgestiegen, und aus dem Baby ist der Kunststudent Papic geworden, der nach langen Bemühungen endlich ein Bild an eine hippe Galerie verkaufen kann. Und beim Betrachteten des sonderbaren Kunstwerks offenbart sich ein weiteres Wunder: Papics Kunst vermag durch reines Anschauen den Hunger der Betrachter zu stillen! Die Nachricht verbreitet sich auf der ganzen Welt wie ein Lauffeuer, die UNESCO sieht hier eine einmalige Möglichkeit, den Hunger vieler Menschen zu beenden, die Kunstkritik spielt verrückt und ruft eine neue Epoche aus. Und Präsident Stojan will die Sache benutzen, um sich die Taschen zu füllen … Nebesa (dt. Himmel) — Serbien 2021 — Regie: Srđan Dragojević — Drehbuch: Srđan Dragojević und Marcel Aymé — Kamera: Dušan Joksimović — Musik: Aleksandar Buzadžić und Igor Perović • Mit Goran Navojec (Stojan), Ksenija Marinković (Nada), Nataša Marković (Julija), Bojan Navojec (Gojko) u.a. — 127 Minuten