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Einführung
Früher war ich Klassenlehrerin der ersten und zweiten Jahrgangsstufe, unterrichtete aber auch Reli für die dritte und vierte Klasse. So sah ich nach den großen Ferien meine Ehemaligen als Drittklässler wieder. Wie groß sie geworden waren! Was sie für einen Schub gemacht hatten! Es ist wirklich etwas ganz anderes, in der dritten und vierten Jahrgangsstufe zu unterrichten, was sich auch daran zeigt, dass die Kleineren »Du, Frau Bogdahn« sagen, die Drittklässler mich aber meist mit »Sie« ansprechen, ohne dass ich das verlangt hätte. Die Kinder werden selbstständiger, dazu brauchen sie diese Distanz. (Noch mehr Distanz brauchen sie, wenn sie im jugendlichen Alter sind: Treffe ich frühere Schülerinnen und Schüler mit ihren Freunden auf der Straße, werde ich gar nicht mehr gegrüßt, wofür ich aber vollstes Verständnis habe.)
Die Entwicklungspsychologie bestätigt, dass Kinder nun — mit acht Jahren — zunehmend in der Lage sind, abstrakte Gedanken nachzuvollziehen, Hintergründe zu verstehen und Transfer zu leisten. Sie können die sichtbare Welt der Tatsachen (Wissen, Vernunft) und die unsichtbare Bedeutungsebene (Glaube, Gefühl) voneinander unterscheiden, was zum Verständnis biblischer Geschichten und Inhalte wesentlich ist. Außerdem machen sie sich Gedanken über Gott und die Welt, man kann vernünftig mit ihnen reden, und sie können lesen und schreiben — wie angenehm!
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Folglich wäre es nun möglich, mit den Schülerinnen und Schülern selbst Lernwege zu erarbeiten, zugeschnitten auf die Individuen und die Situation Ihrer Reli-Gruppe.
Trotzdem gibt es weiterhin »Relifix«, mit einem festgelegten Jahresplan und vorgefertigten Stunden. Machen Sie damit, was Sie wollen, sozusagen. Ich denke an die Lehrkraft, die 28 Wochenstunden zu halten hat. Es wäre sehr viel Arbeit, wenn man sich bei jeder Gruppe und jedes Jahr wieder neu Material, Erzählungen, Arbeitsblätter selbst ausdenken oder beschaffen müsste. Meine im besten Sinne bewährten »Relifix«-Stunden habe ich daher beibehalten.
Bei dieser kompletten Neubearbeitung hat sich — passend zum neuen, kompetenzorientierten Lehrplan — dennoch viel geändert, insbesondere die Methoden. Diese sollen die Schülerinnen und Schüler aktivieren, individuellen Spielraum lassen, kindgemäß, anregend und ergebnisoffen sein und zum Inhalt passen. Nutzen Sie jede Gelegenheit, um die Schülerinnen und Schüler einzubeziehen. Anstatt zum Beispiel im Plenum das Thema der vergangenen Stunde zu wiederholen, ist ein Partnergespräch besser: So kommen viele Schülerinnen und Schüler gleichzeitig zu Wort — und sind »gezwungen«, sich mit der Frage auseinanderzusetzen. Gern habe ich auch den »Nachdenkweg«, die Empathischen Übungen, das Karussell-Gespräch und andere Methoden übernommen.
Im Anhang (ab Seite 273) finden Sie eine Sammlung von Methoden, die diesen Kriterien entsprechen.
Es bleibt der Hefteintrag, der dringend nötig ist, um die Stunde zu rhythmisieren und die Kinder zu beschäftigen. Außerdem ist es so schön, das Reli-Heft später durchzublättern! (»Meine« Kinder führen das Heft von der ersten bis zur vierten Klasse — ein dickes Teil aus sechs Heften, herrlich!)
Im Klassen-Unterricht, in Deutsch und Mathematik, sind offene Lernformen, wie Wochenplan-Arbeit oder Lerntheke, inzwischen üblich. Entdeckendes und selbstverantwortliches Lernen traut und mutet den Kindern zu, das Lernen selbst zu planen und zu gestalten, mit dem Effekt, dass die Lernerfolge nachhaltig sind.
Aber: Das geht im Religionsunterricht nur zum Teil. Einerseits, weil die Kinder von heute wenig religiöse Vorbildung mitbringen. Zum anderen liegt es in der Natur der »Sache«: Dass Gott dich und mich liebhat, kann ein Kind nicht selbst herausfinden. Die Lehrkraft muss es vermitteln. Sie ist — auch als Glaubens-Vorbild — unersetzlich.
Bitte seien Sie als Religionslehrer / in selbstbewusst: Unser Fach ist »etwas Besonderes«. In Religion stößt man an die Grenzen eines kompetenzorientierten Lehrplans. Der Glaube ist keine Kompetenz. Und: Gott liebt auch inkompetente Kinder.
Ein Hinweis zur Bibel-Arbeit mit Kindern: Bitte blättern Sie erst die an der Schule vorhandene Bibel von vorn bis hinten durch und suchen Sie nach ggf. nicht kindgemäßen Bildern (Texten?) — z. B. ist in der Laubi Kinderbibel auf der Seite 215 ein nackter Überfallener zu sehen, den der Samariter dann rettet. Sprechen Sie es einmal offensiv an, kleben Sie einen Zettel vom Klebeblock darauf — dann ist das Thema erledigt. Sehr zu empfehlen ist auch die lehrmittelfreie »Grundschul-Bibel« vom Klett Verlag.
Oft werden jahrgangsgemischte Gruppen gebildet und es sind Viertklässler dabei, die sich schon auskennen; evtl. war die Gruppe in der ersten und zweiten Klasse schon zusammen. Die Drittklässler benötigen in der Regel keine besondere Rücksichtnahme; möglich wäre es, beim schriftlichen Leistungsnachweis evtl. die Viertklässler etwas strenger zu bewerten. Bei Aufgaben im Schulgottesdienst u. a. sind bei mir immer die Viertklässler dran. Sollten Sie, wie ich, eine Reli-Gruppe von der ersten bis zur vierten Jahrgangsstufe haben, bekommen die Kleinen
Der Aufbau des Buches erklärt sich fast von selbst: Im vorderen Teil finden Sie nach den Vorbemerkungen / dem Überblick über die Sequenz die Stunden, die meistens für eine Doppelstunde gedacht sind. Ich bitte aber, das flexibel zu handhaben. Einen Hefteintrag am Anfang der nächsten Stunde fertigzustellen oder während einer Erzählung auszumalen, ist ebenso in Ordnung, wie die Schülerinnen und Schüler neugierig zu machen, indem man den Einstieg vorwegnimmt. Jedenfalls: Ca. zehn Minuten vor Ende der Stunde brechen wir ab und beenden die Stunde in Ruhe mit dem Schlussritual / Gebet.
Es sind mehr Stunden, als Sie halten können. Bitte wählen Sie aus, setzen Sie Ihre persönlichen Schwerpunkte und achten Sie darauf, dass im Verlauf von zwei Jahren die verbindlichen Lehrplan-Themen abgedeckt sind.
Auf Seite 109 beginnt der Materialteil; im Anhang finden Sie außer den Methoden noch die Liste der benötigten und zu beschaffenden Materialien, dazu Hinweise zu Schüler-Beobachtungen, Leistungsmessung und ZeugnisBemerkungen. Es gibt ein Kapitel über Disziplinprobleme, mit denen man als Fachlehrkraft leider immer wieder zu kämpfen hat; dazu passend eine Extra-Stunde »Reli-Smiley«. Den Abschluss bilden die Literaturliste und die zu verwendenden Schulschriften. Viele Stunden passen auch für den katholischen Religionsunterricht und für Ethik, ebenso für den Einsatz in anderen Bundesländern.
Der Einfachheit halber werden die Abkürzungen »L« für »die Lehrerin bzw. der Lehrer« und »Schü« für »die Schülerinnen und Schüler« verwendet.
»Lieblingsfach Religion« war der Arbeitstitel des ersten Manuskriptes von Relifix vor 18 Jahren. Viel hat sich geändert seitdem, jedoch nicht die Tatsache, dass Religion mein Lieblingsfach ist, vor allem deshalb, weil man Freiheiten wie in keinem anderen Fach hat, um sich aktuellen Themen zu widmen.
Ein Herzensanliegen ist mir der Dialog auf Augenhöhe mit den Muslimen, dem die Zusammenarbeit mit der katholischen Gruppe vorausgeht. Eine muslimisch-christliche Begegnung beginnt am Ende der dritten Jahrgangsstufe — im Rahmen der Sequenz »Gebet«. Der Hauptteil dieses Projektes folgt in der vierten Jahrgangsstufe.
Ein herzlicher Dank geht an dieser Stelle an den Claudius Verlag, an Heidrun Barth für die tolle Zusammenarbeit und an Melanie Hartmann für das gewissenhafte Lektorat.
Wir wünschen den Kindern und Ihnen schöne Reli-Stunden!
Hanna Bogdahn, im Dezember 2019