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Mein Standpunkt
Paul Kimberger Mein Standpunkt
Die digitale Versuchung – Fluch und Segen zugleich
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Interessante Perspektiven aus und meine persönliche Schlussfolgerung zu einem bemerkenswerten Vortrag von Hans-Georg Häusel vor Schweizer Grundschullehrerinnen und Grundschullehrern. Als Psychologe und Vordenker des Neuro-Marketings zählt der Deutsche international zu den führenden Experten in der Marketing-, Management- und Motivations-Hirnforschung und hat zur „digitalen Versuchung“ einiges zu sagen.
Fast-Food
Zweifellos wäre in den letzten eineinhalb Jahren ohne digitale Werkzeuge und multimediale Hilfsmittel vieles nicht möglich gewesen, vor allem auch schulisch. Was machen aber Smartphones, Tablets und Laptops mit uns aus Sicht der Hirnforschung? „Digitale Medien sind FastFood für unser Gehirn“, meint dazu der Psychologe Hans-Georg Häusel. Sie sind also höchst reizvoll, aber nicht unbedingt effektiv und im Übermaß ungesund.
Aus unseren Lebensrealitäten sind sie allerdings nicht mehr wegzudenken. Das zeigt unter anderem auch das vergangene Schuljahr mit aller Deutlichkeit. Wo aber inhaltliche Vertiefung angestrebt werde, empfiehlt der Neurowissenschafter unbedingt zusätzliche analoge Methoden, die möglichst viele Sinne eines Menschen ansprechen. Diese Kombination
»Mal eine Stunde am Tablet spielen ist in Ordnung, wenn sich das Kind viermal länger sensomotorisch zum Beispiel draußen beim Ballspielen bewegt.«
(Hans-Georg Häusel auf die Frage aus dem Publikum, wie viel Digitales er Vier- bis Achtjährigen zumuten würde.)
könne dann eine bis zu zehnmal höhere Wirkung auf das menschliche Gehirn ausüben als simple digitale Stimulation. Entsprechend verleihe dann das Gehirn dem Vermittelten signifikant mehr Relevanz mit allen positiven Auswirkungen auf den individuellen Lernerfolg.
Emotionen
Digital schlägt analog hingegen dort, wo es um räumliche Vorstellung, sich wiederholende Abläufe oder um zeitliche Feedbacks geht. Oder wo Lerninhalte spielerisch vermittelt werden können, in der sogenannten „Gamification“. Letztlich beschreibt Hans-Georg Häusel den Menschen insgesamt als ein vor allem durch Emotionen gesteuertes Wesen. Das ist gut zu wissen, denn schon der Anblick eines Tablets kann uns beispielsweise in den sogenannten „Play and Goal“-Modus versetzen und damit verbundene Erwartungen und Ansprüche in uns wecken. Ein Buch hingegen wird meist mit Entspannung oder „Slow-Food für unser Gehirn“ assoziiert.
Dass es nichts bringt, sich dem digitalen Wandel zu verschließen, ja ihn gar zu verteufeln, illustriert Häusel mit einem Blick zurück. Jedes neue Medium wurde bei seinem Aufkommen abgelehnt, angefangen mit der Schrift in der Antike über den Buchdruck im Mittelalter oder das Fernsehen im 20. Jahrhundert bis eben heute zu den Vorbehalten bei digitalen Medien. Gesellschaftlich etabliert haben sie sich letztendlich alle.
Grenzen
Aber zurück zu unserer schulischen Realität. Die digitalen Entwicklungen sind jedenfalls in Bezug auf die schulischen Erfahrungen der letzten eineinhalb Jahre richtig einzuordnen. Dass multimediale Unterrichtsformen Motivation und Lernerfolg steigern können, ist anzuerkennen. Dass webbasierte Plattformen zum Austausch von Lernmaterialien auch nach Corona nützlich sein werden, zeichnet sich ab. Doch die Ausnahmesituationen zeigten auch bei unseren Kindern und Jugendlichen erbarmungslos die Grenzen digitaler Technologien auf. All das ist zu berücksichtigen. Mit dem neuen Schuljahr hat nach einer viel zu langen Zeit ausschließlich politischer Lippenbekenntnisse nun endlich auch offiziell die nächste Phase der „digitalen Schule“ begonnen und die Klassen der fünften und sechsten Schulstufe erhalten im Rahmen des 8-Punkte-Planes des Bildungsministeriums ihre digitalen Endgeräte. Spätestens im Schuljahr 2022/23 soll die Verteilung dann österreichweit in allen Schulstufen abgeschlossen sein, so die Zeitleiste hält.
So weit, so gut, aber schon jetzt sind Schwierigkeiten vorprogrammiert, weil man entscheidende praktische Fragen nicht beantwortet: Woher kommt der technische Support für die Schulen, woher die pädagogischen oder didaktischen Konzepte für die Pädagoginnen und Pädagogen, woher ausreichend Informatiklehrerinnen und -lehrer für den Unterricht? Oder wird von uns (wieder einmal) erwartet, die „digitale Schule“ so ganz nebenbei im laufenden Betrieb ohne ausreichende Ressourcen zu realisieren? Die Befürchtung ist also berechtigt, dass die Werbebotschaft des ministeriellen Kampagnenslogans „Schule erleben wie noch nie“ für uns eine ganz andere Bedeutung bekommen könnte. Ihr
Paul Kimberger Reaktionen bitte an: paul.kimberger@bildung-ooe.gv.at Besuchen Sie auch die Webseite des Christlichen Lehrervereins für Oberösterreich unter www.clv.at ■ STANDPUNKT
»Eine inspirierende und zukunftsweisende Pädagogik, wie es vielversprechend auf der Homepage „Digitale
Schule“ des Bildungsministeriums heißt, lässt sich nicht durch das bloße Verteilen digitaler Endgeräte gleichsam nebenbei heraufbeschwören. Sie muss entwickelt werden und diese Entwicklung muss sorgsam geplant werden. Leider sind im 8-Punkte-
Plan des Bildungsministeriums nur unzureichende
Mittel vorgesehen.«
(„Schule: Mehr digitale Inkompetenz“, Kommentar von Helmut Bittermann und Georg Cavallar, Der Standard vom 17. September 2021)
Ein persönliches Dankeschön
Weit mehr als zwei Jahrzehnte war Albert Arzt für mich Partner, Mitstreiter und Freund, leidenschaftlicher Berufsbildner, legendärer Standesvertreter und in den letzten Jahren erfolgreicher Steuermann unserer OÖ LKUF.
Ein großes persönliches Dankeschön, lieber Albert, meine Wertschätzung für dich und deine vielfältigen Talente und Eigenschaften, meine Anerkennung für deinen bewundernswerten Einsatz, meinen Respekt für deine beeindruckende Lebensleistung und die besten Wünsche für deinen neuen Lebensabschnitt, den du vor wenigen Wochen begonnen hast.
Birgit Maringer, Albert Arzt, Franziska Groisböck und Paul Kimberger